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Nummer 46

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Ämtsblstt unö Anzeiger für WilSbaö

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Fernruf 17S

Samstag den 23. Februar 1929

Fernruf 179

64. Jahrgang.

Englands Nilkill in den Krieg

Morleys Denkschrift

Aus dem Nachlaß des Biscount Morley, der als Lordpräsident des Staatsrats dem englischen Kabinett an­gehörte und im August 1914 zusammen mit dem Arbeiter­führer John Burns aus dem Kabinett ausgetreten ist, weil er für den Eintritt Englands in den Weltkrieg nicht mitverantwortlich sein wollte, erschien kürzlich eine Schrift «Denkschrift über meinen Rücktritt". Diese Aufzeichnungen bilden «in wichtiges Beweisstück für die moralische Kriegsschuld Englands. In sehr maßvollen Ausführungen legt Morley dar. daß England durchaus nicht gezwungen war, am Krieg teil- zunehmenr daß England bzw. die damalige liberale Re­gierung keine wirksamen Schritte getan hak. um den Frieden zu erhalten; daß England durch die geheimen Abmachungen Greys mit Frankreich, die der durchaus parlamentarisch empfin­dende Morley als eine schwere Hintergehung des englischen B»lks, fa geradezu als Betrug brand­markt, in den Krieg an der Seite Rußlands hineingezogen wurde, während es vielmehr in Englands wahrem poli­tischem Interesse gelegen hätte, neutral zu bleiben, einen Sieg Ruß'ands zu verhindern und am Ende des Kampfes als Schiedsrichter aufzutreken. In diesen letzten Auffassungen zeigt sich Morley als Anhänger der britischen außenpolitischen Ueberlieferung. die sich -unter Wahrung des Machtgleichgewichls von 17001914 so treff­lich bewährt hat. Daß der Weltkrieg einen vollkommenen Zusammenbruch Rußlands und einen unerwarteten Auf­schwung einer neuen imperialistischen Weltmacht, der Ber­einigten Staaten, zur Folge haben würde, konnte Morley nicht voraussehen und hat niemand vorausgesehen.

Lord Loreburn, der mit Morley befreundet war. hat ln einem Brief drei Hauptpunkte der Morleyschen Aus­führungen hervorgehoben: er betont, daß erstens das eng- lische Bolk und ein Teil der englischen Minister jahrelang von dem Außenminister Grey über die Enge der Bindung an Frankreich hinters Licht geführt worden sind; daß zweitens in Wirklichkeit nicht die «Verletzung der belgischen Neutralität", sondern die -Bindung an Frankreich England in den Krieg ge­trieben hak; und daß drittens die Entscheidungen von Ge- he>mniskrclmern im Skil Greys immer ungeschickt aussallen Müssen und Ilnheil nach sich ziehen.

Morleys Aufzeichnungen, die die letzten Kabinetts- beratungen in London vor den Kriegserklärungen an Deutschland und Oesterreich schildern, heben aus der ge­drängten Fülle des verhängnisvollen Geschehens einige Hauptpunkte hervor. Die Rotte Rußlands z. B. schien Morley besonders verhängnisvoll zu sein:Haben Sie je darüber nachgedacht (benierkle er zu seinen Kabinstts- kollegen). was geschehen wird, wenn Rußland gewinnt? Wenn Deutschland und Oesterreich geschlagen sind, dann werden England und Frankreich nicht mehr die erste Rolle in Europa spielen. Rußland wird sie spielen! Wird das gut sein für die westliche Zivilisation? Ich wenigstens glaube es nicht. Wenn Rußland sagt, daß es nach Konstantinepel gehen will, oder ganz kühn die nördliche und die neutrcls Zone Persiens annektieren will, oder auf Eisenbahnen nach der indischen und afghanischen Grenze besteht, wer will es dann hindern? Deutschland ist in England unbeliebt, aber Rußland ist es noch mehr.

Auf die deutsche Mitteilung vom 3. August, daß Deutsch­land im Fall der englischen Neutralität die französische Nord- käste nicht angreisen würde, erklärte Grey. das sei eine zu enge Bindung für England. Morley wendet dagegen mit vollem Recht ein. daß wenn dieser Vorschlag auch für Eng­land zu eng schien, er dennoch die Grundlage für eine Er- Weiterung der Erörterung über Neutralität hätte abgeben können. Er verurteilt aufs schärfste dieHast" und das starre Nein Greys. das sich immer wieder einem vernünfti­gen deutschen A»sglei'ck,entgegenstellte.

Morley wirft mit Recht angeregt durch die eins-'Oa franzosenfreundliche Stellung Greys die Frage auf. wa­rum denn im August 1914 eigentlich immer das Verhältnis Sur Entente als entscheidend für die englische Politik an- s »n worden sei und nicht das Verhältnis zu Deutsch­land. dos sich in den letzten Jahren vor 1914 sichtlich ge- Gr-n *tn Die Hast, mit der sich der Franzosenfreund

^ Kampf stürzte, war nach Morley viel unver­ständiger, als wenn England sich neutral gehalten hätte, denn:Mit einer Flotte von überwältigender Macht, einer über jeden Verdacht erhabenen Uninteressiertheit, einem Minister des Auswärtigen von erwiesener Geschicklichkeit. Wahrheitsliebe und Selbstbeherrschung, hätte England, wenn sich der Rauch der Schlachtfelder vom europäischen Himmel verzogen hätte, einen Einfluß ausüben können, den es n'chi durch hundert seiner kleinen Expeditionsheere gewinnen konnte..."

Die systematische Verheimlichung der geheimen Ab­machungen mit Frankreich, dis verhängnisvolle und bin- SW« Pedeuiima der Besprechung»* s»t »* slisch - fran-

lagessviegel

Wegen der durch den außergewöhnlichen Frost verur- sachken Erschwerung des Eisenbahndienstes hat die Reichs- babnverwalkung sich entschlossen, den in der Hauptsache be­troffenen Beamten und Arbeitern des Außendienstes neben der Darreichung von warmen Gelränekn und kräfkiaem war- wem Esten eine besondere einmalige Geldruwendung in höhe von durchschnittlich 20 Mark zuzuwenden.

Die deutsche Grenzpolizei hak ein weikverzweiakes pol­nisches Svionaaesnstem. besonders in Dommern, ausgedeckt. Vis fehl sind acht Spione verhaftet worden.

Die Hafenarbeiter der deutschen Rordseebafenstädke und von Lübeck und Stettin haben das Lohnabkommen zum 1. Avril gekündigt.

Der deuttcke Damvker -Admiral Tirpitz" hat ln den ckilne- stschen Gewässern 13 Schiffbrüchige eines fonnnffchen Mch- damvfers gerettet, die 17 Tage auf dem Meer getrieben hatten.

zo fischen G e n e r a i st ä b e, kurz, die ganze unparla- mentarstche Geheimdiplomatie Greys trat Morley 1911 ängstigend vor das Bewußtsein: es gab für ihn wie für Burns keinen anderen Ausweg, als aus einem Kabinett, das wider das bessere Wissen beider und unter Umgehung des englischen Volks durch Grey in den Krieg hineinglitt, auszutreten und die schärfste Verurteilung der amtlichen englischen Politik von 1914 sind die paar Worte, die Morley aus einem Gespräch mit Lloyd George erwähnt:Krieg ist nicht die einzige Erwiderung. Daß sich England -o eng an Frankreich band, bedeutete für Morley, daß sich E stand auch an Rußland bandund an alle Forderungen, die Ruß­land an Frankreich stellen könnte."

^ Zuletzt sei auch die Rolle V e l g i e n s. wie sie sich Mül­ler» im August 1914 darstellte, nicht unberührt gelassen: Der überstürzte und entschiedene Ausbruch von Leiden­schaft wegen Belgien war weniger der Empörung wegen der Verletzung des (Neutralitäts-) Vertrags zuzuschreibeu, als der Vorstellung, daß diese einen VorwandzurIn-. tervention in Frankreichs Interesse liefern könnte, zur Intervention durch Expeditionskorps und alles weitere. Belgien mußte den Platz einnehmen, den früher Marokko und Agadir als Kriegsvorwände eingenommen

Der Inhalt dieser Aufzeichnungen Morleys ist von weltgeschichtlicher Bedeutung für die Kriegsschuldfrage: denn mit vollkommener Klarheit geht daraus hervor, daß nicht der angebliche, in Wahrheit nie vorhandene Angriff Deutschlands, nicht die Frage der belgischen Neutralität den Kriegseintritt Englands veranlaßt haben, sondern daß England, d. h. sein Außenminister Grey. sich ohne wirklich zwingende Gründe so eng an die Entente gebunden fühlte, daß er keinerlei ernsthaften und beharrlichen Versuch zur Erhaltung des Friedens auf dem Kontinent und der Neutralität Englands machte, sondern in den Krieg hineinsteuerte.

Neueste Nachrichten

Die Koalilionsverhandlungen wieder gescheitert?

Berlin, 22. Febr. Die gestrigen Verhandlungen über die preußische Koalition können als ergebnislos bezeichnet wer­den. Die Landtagsfraktion hat den Vorschlag des Minister­präsidenten Braun, daß die Volkspartei das Handels­ministerium übernehmen und dazu einen Ministerobne Portefeuille" erhalten solle der Vorschlag soll von Dr. Stresemann stammen rundweg abgelehnt. Da we­der der Handelsminister, abgesehen von dem Ministerium im engeren Sinn, noch erst recht der Minister ohne Porte­feuille ein Verwaltungsgebiet besitzt, in dem es Beamte zu ernennen gibt, so würde die Volkspartek auf die Ernennung von Beamten ohne Einfluß bleiben, so sehr sie mit dem Ge­danken einverstanden war, daß eine engere Verbindung der Reichsregierung mit der preußischen Regierung dadurch her­gestellt würde, daß ein der Volkspartei angehörender Reichs­minister es war an den Reichswirtschaftsminister Dr. Curtius gedacht zugleich der preußischeMinister ohne Portefeuille" würde. Die Landtagsfraktion hat es vielmehr auf das Kultusministerium abgesehen und lehnt als zweiten Kabinettssitz den des neuzuschaffendenMinisters ohne Portefeuille" ab. Die Fraktion schlug vor, das Z e n- trum solle einen seiner drei Berwaltungsminister abgeben und sich dafür mit einem portefeuillelosen begnügen. Das lehnte hinwiederum das Zentrum ab. Weitere Besprechun. gen zwischen Dr. Kaas (Zentr.) und Dr. Stresemann (D. Pp ), zwischen dem Reichskanzler Müller (Soz.) und Stresemann und endlich zwischen Braun und den Der- tretern der preutz. Landtagsfraktion Abgg. Stendel und Schwarzhaupt, die noch in den gestrigen Abendstunden stattfanden, bestätigten nur dir Kluft, dir vorläufig unüber­brückbar «i srin scheint.

DieSchlesische Volkszeitung", ein führendes Zenicums- blatt, schreibt:Als das Zentrum aus der Reichsreg-erung austrat, ging ein Aufatmen durch die Zentrumswählerschaft. Endlich war reiner Tisch geschaffen, endlich war die wirk­liche Verantwortlichkeit festgelegt. Für das aus den Wahlen mit Verlusten hervorgegangene Zentrum ist es nicht tragbar, mit einer Partei wie der Sozialdemokratie zusammenzuarbeiten, die in der Regierung Koalitionspolitik, im Lande aber gemeinsam mit den Kommunisten Oppo­sitionspolitik treibt. Das Zentrum befindet sich dem geschlos­senen liberal-sozialistischen Block gegenüber in hoffnungsloser Einsamkeit, wenn es Regie- , r u n g s p a r t e i ist. Gefürchtet ist es nur in der Opposition. Es ist nicht nur seinem Anseben schuldig, außerhalb der Koa­lition zu bleiben, sondern auch aus staatsvolitischen Gründen. In der Opposition sachlich und gründlich Mitarbeiten, das will die Wählerschaft."

Vom Sachversländigen-Ausfchuh

Die Karten werden aufgedeckk

Paris. 22. Febr. Heute nachmittag soll der Bericht des Fünferausschusses über seine bisherigen Arbeiten der Kon­ferenz vorgelegt werden. Nach den anscheinend gut unter­richteten Meldungen der Londoner Blätter lassen sich di« Ergebnisse der Fünfer-Beratungen dahin zusammensassen: Deutschland hat auf den Transferschutz zu verzichten und seine Jahreshöchstzahlun- gen zeitlich an den Schuldentilgungszeit­raum der Schuldner Amerikas an zupasse n; geht Deutschland darauf ein, so wollen die Gläubiger auf die etwaig« Ausnutzung des sogenannten Wohlstands­index gegen Deutschland verzichten.

Nüchtern und zahlenmäßig ausgedrückt, bedeutet dieser Vorschag die Zumutung an Deutschland, feine Höchst­leistungen aus dem Dawesplan der Zeit nach etwa zu verdoppeln und dazu noch die alleinige Verant­wortung für die Uebertragung zu übernehmen, d. h. auf die dem Schutz der deutschen Währung dienenden Begrenzungen des Transfers zu verzichten. Dazu also hat die Konferenz den Bericht Dr. Schachts über die Wirtschafts­und Finanzlage Deutschlands entgegengenommen, yat den Beweis sich erbringen lassen, daß die bisherigen Zahlungen gar keine wirklichen Leistungen Deutschlands gewesen smd, nicht sein konnten, sondern nur di« Wiederaus­fuhr gepumpten Gelds, um dann kaltlächelnd etwa das Doppelte zu fordern! Wären die Dinge nicht so ernst, gäbe diese Einleitung der eigentlichen sachlichen Perhand­lungen nicht eine erschreckende Vorstellung von der Geistes- versassung und Willensrichtung drüben, man könnte versucht sein, zu lachen. Man könnte weiter auch der Meinung sein, daß eine Erörterung aus dieser Grundlage überhaupt zweck­los wäre und daß unsere Vertreter gut daran tüten, zu er­klären, daß sie ihres Wissens zu ernsthafter Aussprache nach Paris entsandt worden feien und nicht zum Ko­mödie s p i e l e n.

Ernste Zwischenfälle ln Spanien

London. 22. Febr.Daily Expreß" berichtet aus Hen- daye an der französisch-spanischen Grenze: Die Durchführung des königlichen Dekrets, durch das aus die Forderung des Generals Primo de Rivera hin der König von Spanien das Artilleriekorps auflöste, hat eine neue Bedrohung für den Frieden von Spanien geschaffen. Jnfanterieoffiziere in Sevilla, die den Befehl erhalten hatten, die Verwaltung der örtlichen Artillerieakademien zu übernehmen, wurden plötz­lich von Kadetten und jüngeren Offizieren der Schule an­gegriffen und eine Anzahl von ihnen wurde ernstlich ver­letzt. Die Jnfanteriekommandeure befahlen, das Feuer auf die Artillerieoffiziere zu eröffnen, aber die Soldaten weiger­ten sich, dem Befehl nachzukommen und setzten ihre Offi­ziere in den Kasernen gefangen, wo sie lange Zeit ver­blieben, bis sie von Mitgliedern der örtlichen Nolizeitruppen befreit wurden, die strategische Stellungen eingenommen hatten und denen es schließlich gelang, die Ordnung wieder­herzustellen. Aehnliche Zwischenfälle sollen in zahlreichen anderen Bezirken vorgekommen sein. Die Nachrichten wer­den durch eine strenge Zensur, die von der Regierung er­richtet worden ist, abgefangen. Eine Kabinettssitzung fand gestern statt, um die Lage zu erwägen. Der Ernst der augenblicklichen Lage tritt in einer Mitteilung desJour­nal" von Madrid zutage, das der Diktatur des Generals Primo de Rivera stets günstig gesinnt war. Diese Zeitung besteht darauf, daß ongesichts des Ernstes der Lage der König beschließen solle, Sanchez Guerra, der augenblicklich ein Gefangener ist, zur Macht zurückzurufen. Dies würde das Ende der Regierung Primo de Rivera bedeuten.

Neue Kämpfe ln China

Lfchlfn. 22. Febr. Heute früh hat man hier heftige« Geschützfeuer vernommen, das ungefähr 25 Kilometer ent­fernt zu sein schien. Wie man vermutet, handelt es sich gabst mn einen Versuch des ehemaligen MMSrgouverneur« ppn HchWuns. Tschsnafschunatschgn-t