befanden, 222 gerettet worden, davon 23 von dem Lloyd- I dampfer „Berlin". Bei der hohen See ist kaum eine Hoffnung, auch die übrigen zu retten. Eine Anzahl Leichen wurde auf dem Wasser treibend gesehen. Es scheint, daß ein überbesetztes Rettungsboot umgeschlagen und das Rettungsfloß der „Vestris" von den Wellen auseinandergerissen worden ist. Man hat bis jetzt keine Spur mehr von dem Floß gefunden. Der Reichsdeutsche Hermann Rückert, Vertreter der Leipziger Papierfirma Karl Krause, ist gerettet und von dem amerikanischen Dampfer „American Shipper" ausgenommen worden.
Das Schlachtschiff „Wyoming" sowie die Küstenkutter erhielten Auftrag, die Suche sortzusetzen. Ueber das Schicksal des Kapitäns der „Vestris" herrscht Ungewißheit. Berichten der Ueberlebenden zufolge wurde das Schiff Samstag von einem starken Sturm erfaßt, der große Unordnung an Bord anrichtete. Danach legte sich das Schiff auf die Seite und alle Versuche, es wieder aufzurichten, blieben ergebnislos. Die Mehrzahl der Ueberlebenden landete am Mittwoch vormittag in Neuyork, wo sie von zahlreichen Aerzten und Krankenpflegern in Empfang genommen wurden.
Nach einer anderen Meldung soll das amerikanische Kriegsschiff „Wyoming" das Floß gefunden haben. Es sei darauf aber nur eine Leiche gelegen, die anderen scheinen von den Wogen weggespült worden zu sein.
Mit der „Vestris" sind zehn Mappen mit diplomatischen Schriftstücken und 1097 Postsäcke untergegangen. Die Reederei bestreitet, vom Kapitän die drahtlose Mitteilung erhalten zu haben, daß die Verschiebung der Ladung die Ursache des Kenterns und Untergangs des Schiffs gewesen lei.
Neueste Nachrichten
Der Krise entgegen
Berlin» 14. Nov. Reichspräsident v. Hindenburg empfing gestern nachmittag den Reichskanzler Müller zum Vortrag über die Angelegenheit des Panzerkreuzers. Der Reichspräsident ließ den Reichskanzler nicht im Zweifel, daß er durchaus den Standpunkt des Reichswehr- minister Groener teile und die Umstotzung der früheren Beschlüsse des Kabinetts und des Reichstags sehr bedauern würde. Neichswehrminister Groener verlangt laut .B. T.', daß der R e i ch s k a n z l e r sich bei der neuen Abstimmung über den Panzerkreuzer im Kabinett nicht beteiligen soll. Sollte er es dennoch tun, so würde dies ein weiterer Grund für seinen (Groeners) Rücktritt sein. Diesem Standpunkt Groeners soll auch Abg. Stegerwald in der gestrigen Fraktionssitzung des Zentrums beigetretsn sein.
Der sozialdemokratische „Vorwärts" schreibt, alle Bemühungen, den Reichskanzler Müller (Soz.) zur Stimmenthaltung zu veranlassen, werden erfolglos sein. Müller werde im Reichstag erklären, die Zustimmung der sozialdemokratischen Reichsminister zum Bau des Panzerkreuzers sei seinerzeit „nur aus budgetären Gesichtspunkten' «-folgt: diese Minister fühlen sich daher im Hinblick auf den Antrag der soz. Fraktion nicht mehr gebunden.
Der Aoltestenrak beriet heute den Antrag der soz. Fraktion, den soz- Antrag gegen den Panzerkreuzer vor der Aussprache über die außenpolitische Lage zu erledigen.
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Von den für den Panzerkreuzer im Haushaltplan 1928 bewilligten 9,3 Millionen Mark sind 6 Millionen bereits verausgabt. Die Marineleitung mußte aber aus technischen Gründen und mit Rücksicht auf die Industrie weitere Verhandlungen über die größeren Teile des Baus führen. Die sich hieraus ergebenden Bindungen belaufen sich auf 32.3 Millionen einschließlich jener 6 verausgabten Millionen. Diese Beträge werden aber erst in den nächsten Haushalt- jahren fällig.
Sitzung de» Reichskabinetts
Berlin, 14. Nov. Das Reichskabinett ist heute vormittag um 11 Uhr zusammengetreten, um die politische Lage zu beraten. Wie verlautet, hat die Reichsregierung „nichts gegen eine außenpolitische Aussprache einzuwenden, wenn sie vom Reichstag gewünscht werde". Diese Aussprache käme gegebenenfalls für Anfang nächster Woche in Frage. — Die Panzerkreuzerangelegenheit soll also vorher vorgenommen werden.
Beginn der winterlichen Arbeitslosigkeit
Berlin. 13. Nov. In der Zeit vom 13.—31. Oktober ist die Zahl der Hauptunterstühungsempfänger in der Arbeitslosenversicherung von rund 593 80V auf 671000 gestiegen, d. i. um 13 v. H., und zwar bei den männlichen um 16 v. H., bei den weiblichen um 4,3 v- H. 3n der Krisenunterstützung ist die Zahl der Hauptunterstützungsempfänger von rund 89 700 auf 93 000, oder um 3,6 v. H. gestiegen, bei den Männern um 3,8 v. Z., bei den Frauen uni 2,7 v. H.
Die bayerischen Finanzen
München, 14. Nov. Im Landtag legte Finanzminister Dr. Schmelzte den Staatshaushaltplan für 1929 vor. Während 1924 sich ein U e b e r s ch u ß von 29 Millionen sich ergab, schließe der neue Plan mit einem Fehlbetrag von 44 Millionen ab. (Außerord. Plan je 90 Will. Einnahmen und Ausgaben, ord. Plan Einnahmen 790, Ausgaben 834 Mill.) Die gesamten Ausgaben seien um fast 60 Mill. höher als 1928. Wenn am 1.' Oktober nicht die Besoldungserhöhung eingetreten wäre, hätte sich weder 1928 noch 1929 im ord. Haushalt ein Fehlbetrag ergeben. Von den Ausgaben stehen obenan Unterricht und Kultus mit 38 Prozent und innere Verwaltung mit fast 24 Prozent der Gesamtausgaben.
Der Haushaltausschuß sprach sich einstimmig gegen die Erhöhung der Viersteuer aus.
Der Lohnkampf
Die klage des D.H.V. vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf
Düsseldorf, 14. Nov. Die Klage des Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verbandes und die des Gewerkschaftsbundes der Angestellten gegen die Arbeitgeberoereinigung der Nordwestgruppe über Erwirkung einer einstweiligen Verfügung, die die Notstandsarbeiten in den stillgelegten Betrieben durch kaufmännische Angestellte verhindern soll, wurde am Mittwoch morgen vor dem Arbeitsgericht in Düsseldorf verhandelt. Nach längeren Ausführungen der Parteien vertagte der Vorsitzende die Spruchfällung aus Montag, den 19. November d. I.
Die Arbeitgeberseite erklärte, daß Zwang zu Verladearbeiten, Bedienung von Kesselanlagen und dergl. nicht Vorgelegen habe, und daß die freiwillige Leistung durch eine Reihe eidesstattlicher Erklärungen bewiesen werden könne. Der Rahmentarif der Angestelltenoerträge verbiete nicht solche freiwillige Vereinbarung.
Düsseldorf, 14. Nov. Bei den Vermittlungsverhandlungen in Düsseldorf wurde vereinbart, daß außer kurzen Mitteilungen des Regierungspräsidenten nichts an die Oeffent- lichkeit gegeben werden sollte.
Vürllemberg
Skullgark, 14. Nov. Zusammentritt des Landtags. Der Beginn der Vollsitzungen des Landtags, der für den 20. November vorgesehen war, wird mit Rücksicht auf den Stand der Vorberatung des Beamtengesetzes bis Dienstag, 27. November, hinausgerückt werden.
Gedenktag für die Opfer des Weltkriegs. Der jährliche Gedenktag für die Opfer des Weltkriegs ist in Württemberg auf den letzten Sonntag im Kirchenjahr (Totensonntag) festgesetzt: er wird in diesem Jahr am Sonntag, den 2 5. November, im ganzen Land feierlich begangen werden. Der Bedeutung des Tags entsprechend, an dem sich unser Volk einmütig um seine Toten schart und in Treue und Dankbarkeit der schweren Kriegsopfer gedenkt, werden besondere öffentliche Feiern veranstaltet werden. In Stuttgart wird an diesem Tag nachmittags 3 Ahr auf dem Waldfriedhof eine gemeinsame Gedenkfeier von der würtkembergischen Negierung und der Stadtverwaltung Stuttgart veranstaltet werden. Die staatlichen Gebäude haben am Gedenktag in den Landes- oder Reichsfarben Halbmast oder mit Trauerflor zu flaggen. Es wäre erwünscht, wenn auch die übrigen Gebäude möglichst allgemein beflaggt würden. Die Kirchen werden des Tags im Gottesdienst gedenken und ein allgemeines Trauergeläute veranlassen.
Oldenburg will selbständig bleiben. Von der Pressestelle des württ. Staatsminisieriums wird uns mitgekeilk: In del Sitzung des oldenburgischen Landtags am 6. November kam bei der Verhandlung über die Vorlagen betreffend Aende- rung des Finanzausgleichsgesetzes auch die Frage der Eigenstaatlichkeit Oldenburgs zur eingehenden Erörterung. Seitens des Ministerpräsidenten v. Finckh wurde als einmütige Auffassung der Staaksregierung, die er als mit der überwiegenden Ansicht der Bevölkerung übereinstimmend be- zeichnete, erklärt, daß Oldenburg als Gesamtstaat, also einschließlich der Landesteile Lübeck und Birkenfeld, seine Eigenstaatlichkeit aufrecht erhalte und finanziell auch dazu in der Lage sei.
Höhere Prüfung für den Volksschuldienst. Auf Grund der im September und Oktober d. I. in Tübingen abgehaltenen höheren Prüfung für den Volksschuldienst haben 12 Teilnehmer die Befähigung für die höheren Stellen im Volksschuldienst erlangt.
Aufnahme in die Lehrerbildungsanstalten. Nach einer .Bekanntmachung des Evang. und des Kath. Oberschulrats werden im Frühjahr 1929 in Klasse 1 der Lehrer- und Lehrerinnenbildungsanstalten wieder Schüler und Schülerinnen ausgenommen, die nach einer 6jährigen Ausbildungszeit zur ersten Volksschuldienstprüfung geführt werden.
Vom Tage. In einem Haus der Taubenheimstraße in Cannstatt brachte sich ein 59 I. a. Mann einen Schuß in den Kopf bei. Er starb nach seiner Einlieferung ins Krankenhaus. — Ein 23 I. a. Hilfsarbeiter versuchte in einem Haus der Schmiedenerstraße in Cannstatt sich mit einem Rasiermesser die Pulsader der linken Hand zu öffnen. Er konnte jedoch an seinem Vorhaben noch rechtzeitig gehindert werden.
In der Poststraße fuhr die 18 I. a. Lenkerin eines Kraftwagens beim Ausweichen vor einem Straßenbahnwagen rückwärts und geriet hiebei in das Schaufenster eines Friseurgeschäfts. Das Schaufenster wurde hiebei zertrümmert und die Fensterauslagen beschädigt; Person"" wurden nicht verletzt.
Aus dem Lande
Eßlingen a. N., 14. Nov. Ch. Roth verhaftet. Der am 14. September d. I. nach Veruntreuung von etwa 160 000 Mark zum Nachteil einer hiesigen Firma geflüchtete Kaufmann Christian Roth von Mettingen ist vor kurzem auf Grund der kriminalpolizeilichen Fahndungsmaßnahmen in Paris verhaftet worden. Die Verhaftung wird jetzt durch die deutsche Botschaft in Paris bestätigt. Von den veruntreuten Geldern hat die Kriminalpolizei einen erheblichen Betrag wieder beigebracht.
Lorch, 14. Nov. Wertvoller Fund. Der Kraftwagenführer des Autovermieters R Pleibel von hier fand bei der Gipfelbrücke eine Geldmappe mit etwa 1000 Mark Inhalt. Bei der Polizei, bei der der Fund sofort abgegeben wurde, hatte sich inzwischen auch die Verliererin, eine Crailsheimer Dame, eingefunden, die beglückt ihr Eigentum wieder in Empfang nehmen konnte. Der Finder erhielt eine reichliche Belohnung.
Aalen, 14. Nov. Todesfall. Gestern nachmittag erlitt Oekonomierat Johannes Dalm einen Schlaganfall, dem er abends erlegen ist. Der im Alter von 57 Jahren Verstorbene kam am 1. April 1906 als Vorstand der neu geschaffenen städtischen Oekonomieverwaltung hierher.
WestgartsHausen OA. Crailsheim, 14. Nov. Ortsvor- steherwahl. Bei der Ortsvorsteherwahl haben von 321 Wahlberechtigten 247 gültig abgestimmt. Es entfielen auf den bisherigen Schultheißen Druckenmüller 154, auf Wirt Georg Stecher 93 Stimmen. Druckenmüller ist somit wiedergewählt.
Jndelhausen OA. Münsingen, 14. Nov. Schult- Heißen-Jubiläum. In den letzten Tagen war es Schultheiß Hübe vergönnt, mit der gesamten Gemeind« in feierlicher Weise sein 4vjähriges Amts- und Dienstjubiläum zu begehen.
Areudenskadt, 14. Nov. Todesfall. Im Alter von 76 Jahren ist Katastergeometer Karl Buck gestorben. Vom Jahr 1891 ab waltete er in hiesiger Stadt und einem Teil des Bezirks seines Amts als Geometer. Im vorigen Jahr durfte er unter allseitiger herzlicher Anteilnahme das Fest der goldenen Hochzeit feiern mit seiner am 24. April 1853
Ntte Schuld.
Roman von R. Kohlrausch.
Copyright by Greiner L Lo„ Berlin NW 6.
25 (Nachdruck verboten.)
„Du willst mir nicht helfen'/ Vergiß nicht, mein Lieber, daß Du mußt. Ich habe Dich in der Hand, und es ist mir manchmal ein Genuß, über einen anderen Menschen solch ein Herrenrecht zu haben. Sträube Dich also nicht und schick mir die tausend Mark. Mehr ist es sa diesmal nicht als lumpige tausend. Eine Bagatelle für Dich, Rettung für mich. Bis übermorgen erwarte ich das Geld."
Ruch hier als Unterschrift nur das G., doch offen- bar mit einer zitternden, unsicheren Hand geschrieben. Atemlos ergriff Hedwig das dritte Papier, das kaum noch ein Brief, mir ein abgerissener, beschmutzter Zettel war. Auch die Schrift wies deutliche Zeichen immer größerer Verkommenheit auf.
„Bis übermorgen das Geld, oder ich fasse die Schlinge, in der ich Dich halte, und ziehe zu. Wenn Du mich zugrunde richten willst, so tu's. Mir liegt nicht viel mehr an diesem lumpigen Leben. Seit einem Jahre schon trage ich Gift in der Tasche, womit ich mir per Expreßzug aus dieser schönsten der Welten helfen kann, wenn es nötig ist. Ich weiß es ja: das Leben ist nur ein Moment, der Tod ist auch nur einer. Aber vorher sollst auch Du daran glauben, verlaß Dich darauf. Ein paar Worte von mir an „zuständiger Stelle", wie ihr Herren Beamten so schön sagt, und es ist aus mit einem edlen Herrn RegiernngSrat nebst allem, was an ihm hängt: mit Stand, Ehre, Namen, Weib und Kind. Glaube mir, ich war noch nie so gestimmt, gegen Dich ernst zu machen wie gerade jetzt. Wenn Wahrheit wäre, was ich bis jetzt mebr ahne und fühle, als daß ich es weiß, wenn ich wirklich durch Dich verlieren sollte, waS mir noch einen Funken Sonnenlicht in meinem dunklen Leben gewesen ist, dann — ich werde sehen, werde sehen! Aber hüte Dich vor mir! Schicke mir daS Geld, ich muß eS haben."
Aus diesem Zettel war eine Namensunterschrift, nicht nur das G-, doch war sie ein unlesbares Gekritzel, das jeder Entzifferung trotzte. Hedwig bemühte sich eine Weile dqv-
um, aber sie war zu ausgeregt, um ränge oaver verweilen zu können. Aucb war die Schrift hier wohl noch absichtlich entstellt worden.
Aber wer die Briese auch geschrieben haben mochte, sie waren jedenfalls von höchster Bedeutung. Es waren Drohbriefe, Erpresserbriese gefährlichster Art, von dringender Bitte zum rohen Erpresserton mehr und mehr gesteigert. Nun wußte sie's: ganz m der Nähe, hier tn derselben Stadt, gab es einen Menschen, der ihres Mannes Geschick in seinen Händen hielt. Einen Unbekannten, der jeden Augenblick aus der Dunkelheit hervor ihn niederstrecken konnte.
Die Angst um ihren Mann war das erste Gefühl, das Hedwig packte, dann aber ausging tn einem Chaos wider- streitender Einpiuidiingen. Mußte nicht eine schwere Schuld - er batte sa selbst von einer Schuld gesprochen — auf
ihrem Manne lasten, daß er so widerstandslos in die Hand eines gewissenlosen Menschen gegeben war? Daß er dem Unbekannten vielfach ans der Not geholfen hatte, ging aus den Briefen klar hervor. Ein Abgewiesener schreibt nicht immer wieder, auch nach Jahren. Und wer war dieser Fremde, von dem Bruno niemals mit einer Silbe ge- sprachen hatte, der unter des Maske der Freundschaft begann, ihn zu bedrohen, um endlich das unverhüllte Gesicht eines grausamen Feindes zu zeigen?
Da war sie wieder, die tödliche Angst um ihn, die ge- Mischt war mit einem tiefen, heißen Mitleid. Von allen Gefühlen war doch dieses am stärksten; es kam immer wieder, verdrängte die anderen, überwand und besiegte sie. Jetzt wußte sie, daß eine doppelte Not ihn bedrängte, und sie wunderte sich nur, daß der Schlag, den der letzte Brief androhte, noch nicht gefallen war. Vor einer Reihe von Tagen schon war dieser Brief geschrieben worden, und bisher war die Drohung offenbar unausgeführt geblieben. Hedwig hätte notwendig erfahren müssen, wenn es geschemn wäre. So hatte Bruno vermutlich auch das neue Geloopfer noch gebracht, und ein unersättlicher Verfolge« blieb aus seinen Fersen.
Aber vorläufig war wenigstens erst einmal Zeit ge- Wonnen, die genützt werden konnte. Doch wie sie nützen? Die Briefe gaben keinen sicheren Anhalt, wer sie geschrieben iLaüe. Nachforschungen an früheren Aufenthaltsorten ihres WallN^ konnten möglicherweise diesen geheimnisvollen, ge
fährlichen Freund ermitteln.
Wieder überkam Hedwig das lähmende Gefühl, daß niemand ihr zur Seite war, der ihr helfen und raten konnte.
Durste sie der Polizei, dem Gericht Kenntnis von diesen Briefen geben, die Bruno mit so seiner Sorgfalt verborgen hatte? Sie verneinte die Frage, so oft sie auf- tauchte. Und sonst war niemand, an den sie sich wenden konnte tn dieser Not!
Sie grübelte, fragte, verwarf unaufhörlich, ging hin und her stundenlang und fand keinen Ausweg. Die Nacht schritt vor, die Straßenlaternen, die der einsamen Frau mit einem tröstlichen Scheine Gesellschaft geleistet hatten, wurden gelöscht. Eine trübe, feindliche Dämmerung lauerte nun hinter den Fensterscheiben, die ansingen, das erleuchtete Zimmer und Hedwigs bleiches, verängstigtes Gesicht wtderzuspiegeln, so oft sie ruhelos daran vorüber- schritt.
Sie erschrak vor sich selbst, wenn sie sich so erblickte» mehr aber noch vor der Dunkelheit hinter den Scheiben. In dieser Dunkelheit lauerte ja der Unbekannte, der neues Unheil aus ihren Mann, auf ihr Kind, auf sie selbst Herabrufen konnte.
Sie hatte zuletzt ein Gefühl wie von seiner körperlichen Nähe, und mit ihm kam über sie eine jo namenlose Angst, daß ihr der Aufenthalt tn diesem Zimmer unerträglich wurde. Sie verbarg die Briese wieder an dem Platze, wo sie gelegen hatten, verschloß den Sekretär, schaltete das Licht aus und flüchtete sich, von einem nervösen Grausen geschüttelt, tn ihr Schlafzimmer, wo sie jetzt auch Eilt gebettet hatte.
Die ruhigen Atemzüge des in tiefem Schlafe liegenden Kindes gaben ihr ein wenig Fassung und Frieden zurück. Sie legte sich nieder, aber jedesmal, wenn der Schlaf sie von ihren Gedanken erlösen wollte, fuhr sie mit jähem Schrecken wieder empor. Es war ihr gewesen, als wenn aus der Dunkelheit hervor eine kalte Hand nach ihrem Herzen gegriffen hätte. !
Und so durchwachte sie die lange Winternacht. !
Eortschung folgt.)