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Nummer 252
Fernruf 17S
Freitag den 26. Oktober 1928
Fernruf 179
63. Jahrgang
Las vorläufige Ergebnis der künder- Konfereuz
Berlin, 25. Okt. Entsprechend dem Vorschlag der Reichs- cegierung hat der Ausschuß für Verfassungs- und Verwaltungsreform beschlossen, zwei Unterausschüsse unter dem Vorsitz des Reichsministers des Innern einzusetzen, die aus je sechs Vertretern der Länder und zwei nichtbeamteten Sachverständigen bestehen. Die Aufgabe des ersten Ausschusses ist, unter der Aufrechterhaltung und der Bildung von leistungsfähigen Ländern über die Frage der territorialen Umgliederung des Reichs Vorschläge zu machen. Der zweite Ausschuß hat zu untersuchen, wie eine klare Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Reich und Ländern hergestellt und dauernd gesichert und in welcher Weise der Dualismus zwischen Reich und Preußen beseitigt werden kann. Derselbe Ausschuß hat weiter fest «stellen, ob und wie neben der landeseigenen Verwaltung eine Auftragsverwaltung in dem Sinn geschaffen werden kann, daß das Reich die Landesregierungen mit der Führung von Angelegenheiten der Reichsverwaltung beauftragt.
Die beiden Unterausschüsse unter dem Vorsitz des Reichsministers des Innern setzen sich zusammen aus je drei Mitgliedern des Reichskabinetts, je sechs Vertretern der Länder und zwei nicht beamteten Sachverständigen, und zwar sind im ersten Unterausschuß vertreten Preußen, Bayern, Württemberg, Hessen, Hamburg und Anhalt, im zweiten Unterausschuß Preußen, Bayern, Sachsen, Baden, Thüringen und Mecklenburg. Als Generalsachverständiger für beide Ausschüsse ist bestellt Reichssparkommissar Staats- Minister a. D. S ä m i s ch, als weitere Sachverständige die bisherigen Berichterstatter Reichsminister a. D. Hamm, die Staatssekretäre Zweigert und Popitz, Staatsminister Apelt, Ministerialdirektor Poetzsch-Heffter und Prof. Naviasky. Die Unterausschüsse werden in der ersten Novemberwoche einberufen.
Beide Teile sind zufrieden
Die Reichsregierung ist von dem Ergebnis befriedigt, weil sie nun selbst die Leitung der weiteren Verhandlungen in die Hand bekommen hat. Die bayerische Vertretung hatte den ckon Württemberg unterstützten Antrag eingebracht, daß Aufgaben, die zurzeit tatsächlich Reichsaufgaben sind, bei denen aber Lebensaufgaben des Reichs nicht berührt werden, der Eigenverwaltung der Länder übertragen werden sollen. Dieser Antrag wurde abgelehnt. Für den Antrag stimmte auch Reichspostminister Schätzet. Trotzdem ist auch Bayern nicht unbefriedigt, denn einesteils ist der Reformausschuß noch zu keinen bindenden Beschlüssen gelangt, sondern er hat seine Unterausschüsse nur beauftragt, Vorschläge zu machen, so daß der bayerische Antrag noch einmal gestellt werden kann. Andererseits ist klar geworden, daß im Ausschuß eine starke Abneigung dagegen besteht, der bekannten .Entschließung" der Reichsregierung beizutreten. Der Ausschuß hat deshalb der Entschließung gegenüber die blässeste Formel gewählt: „Der Ausschuß nimmt die Entschließung zur Kenntnis."
Ileuesle Nachrichten
Empfänge beim Reichspräsidenten
Berlin. 25. Okt. Reichspräsident von Hindenburg empfing gestern den Reichsarbeitsminister Wissell zum Vortrag. Ferner empfing der Reichspräsident im Laufe des gestrigen Tages den württembergischen Staatspräsidenten Dr. h. e. Bolz, der von dem württembergischen Gesandten Dr. Bosler begleitet war.
Vereinheitlichung der landw. Genossenschaften?
i Die Rationalisierung
" Berlin. 25. Okt. Wie verlautet, wird gegenwärtig zwischen dem Reichsverband landwirtschaftlicher Genossenschaften und dem Raiffeisenverband über eine Vereinheitlichung !m Genossenschaftswesen verhandelt mit dem Ziel, einen neuen Reichsverband zu gründen, in den alle Landes- und Provinzialverbände, die den beiden genannten Hauptverbänden angehören, eintreten sollen. In einer bestimmten Zwischenzeit, etwa von zwei Jahren, sollen dann die Zusammenlegungen in den Ländern und Provinzen erfolgen. Der alte Reich sverband und die Raiffeisenbank sollen aufgelöst werden, während die Geschäftsführung des neuen Reichsverbands vorläufig in den Händen der bisherigen Reichsverbandsorganisation verbleibt. Die entscheidenden Beschlüsse sollen wahrscheinlich noch vor dem Zusammentreten des Reichstags gefaßt werden.
Stahlhelm und Deutsche Volkspartei
München, 25. Okt. Der Streit zwischen Stahlhelm und Srutscher Volkspar.txi gebt weiter. Nqchdem W PchrtMej-
ragesspiezel
Der preußische Kultusminister Dr. Becker beabfich Igt. dem Slaalsminislerium eine Denkschrift über das Konkordat mit der Kurie vorzulegen.
Die Thüringer Regierung wurde folgendermaßen gebildet: 1. Dr. paulßen, Minister für Volksbildung und Wirtschaft. 2. Dr. Riedel-Jena (D. Vp.), Minister für Inneres und Justiz, 3. Tölle, Finanzen. — Staatsräte 1. Port-Reuß (Landbund). 2. Mackeldey-Rudolstadt (Landbund). 3. krause- Stadt Roda (Wirtschaftsp.), 4. Woenne-Golha (W. P), 5. Glöckner-Sonneberg (Dem.). Rach einem neuen Gesetzentwurf sollen einem Minister mehrere Ministerien zugewiesen werden können. Das Gesetz soll sofort in Kraft treten.
Der Verteidiger des wegen «Fememords" zum Tod verurteilten und zu lebenslänglichem Zuchthaus „begnadigten" Oberleutnant a. D. Schulz hak die Wiederaufnahme des Ver- fahrchis beantragt unter Beibringung von 30 Beweisgründen, die die damaligen Richter nicht richtig erkannt oder gewertet haben.
Nach englischen Meldungen befindet sich der bekannte deutsche Oberst Bauer auf dem Weg nach China, um einer Einladung Tschiangkaifcheks zufolge die Amformung des chinesischen Heers vorzunehmen. Schon der verstorbene Sunyatsen habe 1923 die Reichsregierung um die Enlsen- düng eines deutschen Offiziers gebeten, infolge eines Einspruchs der Sowjetreaierung habe man aber in Berlin Abstand genommen. — Oberst Bauer, der seit dem Kapp-Putsch in Angarn lebt, war unter General Ludendorff im Generalstab der Obersten Heeresleitung und war ein hervorragend tüchtiger Generalstabsoffizier.
tung angeordnet hak, daß die volksparkeilichen Abgeordneten, soweit sie Mitglieder des Stahlhelm waren, aus diesem Bund auszutreten haben, erklärt der Landesverbandsführer des Stahlhelm in Bayern, Major Wäninger, in einem Aufsatz, der Stahlhelm habe die Deutsche Volkspartei mit Absicht aus seinen Reihen hinausgedrängk, weil er das Doppelspiel dieser Parker nicht länger mehr habe bei sich dulden dürfen. Der Stahlhelm bekämpfe das heutige System und seine Arheber, die Roten. Es gehe nicht an, daß Abgeordnete der Deutschen Volkspartei als Stahlhelm-Mitglieder die Roten bekämpfen, und als Abgeordnete im Reichstag, in den Landtagen, auf den Rathäusern usw., sich mit ihnen in „Koalitionen" verbrüdern, daß sie ferner gleichzeitig für und gegen die Erfüllnngspolitik, für und gegen Skresemann Politik treiben. Daß die Deutsche Volksparkei nun auch in die Große Koalition in Preußen hineindrängen wolle, habe den Ausschlag gegeben. Eine reinliche Scheidung sei notwendig gewesen; der Stahlhelm habe nur einen Hemmschuh verloren.
In silier Versammlung der Deutschen Volkspartei in Tilsit sagte der frühere Reichsminister Dr. Scholz, die Lacarnopolikik Skresemanns sei trotz der Erfahrungen,, die man in Genf gemacht habe, die einzig richtige. Die Deutsche Volkspartei müsse daran feskhalken, daß sie auch in Preußen in die Regierungskoalikion ausgenommen werde. Die Verhandlungen über das Konkordat in Preußen würden eine ganz neue politische Lage schaffen, wenn dadurch auch die Schulen berührt würden. Er (Scholz) sei selbst Mitglied des Stahlhelms als Träger des alten Fronk- geists und Erwecker des nationalen Gewissens gewesen. Der Stahlhelm sei aber von seiner überparteilichen Haltung abgerückt. Er habe nicht zwei Herren dienen können und habe sich deshalb vom Stahlhelm getrennt.
vor der Regelung der Entschädigungsfrage
London. 25. Okt. Für den Entschädigungsausschuß sind von englischer Seite in Aussicht genommen: Lord Brad- bury, Iosiah Stamp, Kindersley und Niemeyer, allenfalls auch Lord d'Abernon, der frühere Botschafter in Berlin. Die amerikanische Regierung hält sich zurück.
Belgien verlangt, daß ihm zwei Drittel der während der Besetzung im Krieg in Umlauf gesetzten sechs Milliarden deutscher Mark zurückerstattet werden. Die deutschen Iahres- zahlungen würden sich dann zwischen 2 und 2,5 Milliarden Goldmark bewegen.
Der Raubmörder Heidger schwer verwundet und gefangen
Die Annahme, daß sich der Raubmörder Ioh. Heidger in Köln versteckt halte, hat sich bestätigt. Am Donnerstag früh stieg er durch ein offenes Fenster in die Villa des Generaldirektors der Colonia-Versicherungsgesellschaft, Dr. Oertel, am Niederländer Ufer ein. Er begab sich zuerst in die unteren Räume. Das Küchenpersonal, das ihn erkannte, rief um Hilfe, doch brachte Heidger die Leute durch Bedrohung mit dem Revolver zum Schweigen, Darauf eilte der Ver
brecher die Treppe hinauf und drang in die Wohnung, wobei er Dr. Oertel bedrohte. Der Kraftwagenführer gab nun drei Alarmschüsse ab, worauf alsbald die Polizei erschien.
Inzwischen hatte Heidger sich in das oberste Stockwerk geflüchtet und sich in einem Zimmer, dessen Tür er ver- barikadierte, versteckt. Verschiedene höhere Polizeibeamte trafen mit einem Ueberfallkommando der Schutzpolizei ein. Das Haus wurde umstellt und der Angriff auf das Zimmer unternommen. Heidger weigerte sich, sich zu ergeben. So wurde die Tür mittels Handgranaten teilweise gesprengt. Heidger feuerte fortwährend auf die Polizei. Der Oberwachtmeister und Offizieranwärter Maiborn wurde Kops lebensgefährlich verletzt. Erst nachdem Heidger von vier Kugeln getroffen war und eine schwere Magenwunde erlitten hatte, brach er zusammen und konnte nun überwältigt werden. Er hatte zwei Militärpistolen bei sich. Neben ihm lagen rührselige Abschiedsbriefe an seinen Vater, seine Geschwister und an ein Mädchen. Die Briefe hatte er in der Eile geschrieben,^ils er einsehen mußte, daß es kein Entrinnen mehr gab. Zum Schreiben benützte er einen Notizblock, den er in dem Zimmer vorsand. Der Verbrecher wurde zunächst verbunden und dann in ein Krankenhaus überführt. Der schwerverwundete Oberwachtmeister wurde ebenfalls in ein Spital verbracht. Es ist fraglich, ob er am Leben erhalten werden kann.
; Württemberg
Aus dem Lande
Bietigheim, 25. Oktober. Tödlicher Mokorrad- Unfall. Am Dienstag abend kurz nach Einbruch der Dunkelheit fuhr der led. 25 I. a. Kaufmann Anton Stock von Volskern bei Saulgau, wohnhaft in Stuttgart, in der Nähe der Kammgarnspinnerei mit feinem Motorrad auf einen Handwgen auf. Er stürzte vom Rad und erlitt einen doppelten Schädelbruch, an dessen Folgen er im skäök. Krankenhaus starb. Eine Frau von Bietigheim, die hinten an dem Handwagen schob, erlitt bei dem Zusammenstoß leichtere Verletzungen.
Roigheim OA. Neckarsulm, 25. Okt. Ein 7 Zentner schwerer eingemauerter Kassenschrank gestohlen. In der vergangenen Nacht drangen Einbrecher in den hiesigen Bahnhof ein. Nachdem sie vier Türen gesprengt hatten, gelangten sie zum Kassenraum. Dort fanden sie den eingemauerten Kassenschrank. Es war ohne Zweifel ein gutes Stück Arbeit, den 7 Zkr. schweren Kassenschrank auszumauern und noch größeres, denselben auf ein bereitskehen- des Auto zu verladen. Der Inhalt des Kassenschranks war etwa 1200 -4t. Gegen 3.30 Ahr nachts fuhren die verwegenen Burschen ins Badische davon.
Gmünd. 25. Okt. Verurteilter Brandstifter. Das erweiterte Schöffengericht Gmünd verurteilte den Fabrikanten I. von hier wegen vorsätzlicher Brandstiftung in Tateinheit mit versuchtem Versicherungsbetrug und Sachbeschädigung zu 8 Monaten Gefängnis.
Oberwälden OA. Göppingen, 25. Oktober. Diebstahl. Einem hiesigen Bürger wurden 400 Mark aus feinem Haus gestohlen, während er sich kurze Zeit von seinem Haus entfernte. Verdächtig ist ein arbeitsloser Bursche, der sich zur betreffenden Zeit im Dorf umhertrieb.
Ahingen OA. Göppingen, 25. Okk. Tödlicher Sturz mit dem Motorrad. Mittwoch abend stürzte hier an der Kurve der Bleicherei der Photograph Albert Bauer von hier mit seinem Motorrad und war sofort kok.
Rokkweil» 25. Okt. In den Ruhestand. Mit dem 1. November tritt Schulrat Joseph Schweikert, der seit 1914 den Bezirk Rottweil 2 mit 41 Schulorken in den Oberamtsbezirken Oberndorf, Rottweil und Sulz verwaltete, in den Ruhestand. Im öffentlichen Schuldienst stand er 47 Jahre. Er hat sich einen Ruhesitz in seinem Geburtsort Win- zeln gebaut.
Ntzukirch OA. Rottweil, 25. Okk. Brand. Dienstag abend brach in dem Wohn- und Wirtschaftsgebäude der Anna Bühl zur „Krone" Feuer aus. Obwohl'Hilfe sofort zur Stelle war, konnte außer dem Vieh und den Schweinen nichts gerettet werden. Der Schaden ist durch Versicherung gedeckt.
Alm, 25. Okt. Unlauterer Wettbewerb. Der Naturheilkundige Johannes Braun von Eßlingen, 59 I. alt, früher Hufschmid, hatte sich wegen eines Vergehens des unlauteren Wettbewerbs vor dem Schwurgericht zu verantworten. Er erließ in zwei Zeitungen folgende Anzeige: Für alle Krankel Wo alle ärztliche Hilfe und Heilmethoden versagt haben, sind meine Heilmittel, welche ich den Kranken verordne, von nur sicherer Wirkung, Heilung und Linderung, da die Krankheit im Körper von innen heraus desinfiziert wird und restlos zur Ausscheidung kommt. In dieser Anzeige sind Versprechungen enthalten, die der Angeklagte nie halten kann Der Angeklagte wurde nach 8 4 des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb zu 50 -4t Geldstrafe und zur Tragung der Kosten des Verfahrens verurteilt. Ebenso wird das Urteil in den beiden Zeitungen veröffentlicht. ,