Der Fall Löwsnstein
Das Verschwinden des Bankiers A. L ö we n st e i n aus Brüssel aus seienm Privatflugzeug während eines Fluges von der Londoner Börse nach Belgien beschäftigt me Börsen und die Presse noch sehr stark. Neuerdings wird sogar verbreitet, Löwenstein sei gar nicht ins Meer gesprungen, er halte sich vielmehr irgendwo verborgen: sein Flugzeug sei daher auch nicht in dem Flughafen Calais gelandet, sondern an einem abgelegenen Standort bei Dünkirchen. Der ganze Rummel sei ein Börsenmanö- ver Löwensteins. — Der Zweck eines solchen Manövers wäre indessen nicht einzusehen, vielmehr erscheint gerade die jetzige Ausstreuung von dem angeblichen Sich- verborgenhalten als ein Börsen- oder anderes Manöver — nicht LLwensteins, sondern von anderer Seite.
Löwensteins Vater war'früher in Soest in Westfalen ansässig, wunderte dann aber nach Brüssel aus. Der Sohn machte geradezu wilde Spekulationen an der Börse und brachte es zu einem riesigen Vermögen. Von seinen Freunden wurde er für den drittreichsten Mann der Welt gehalten. Dabei trieb Löwenstein einen geradezu fabelhaften Luxus . Er hielt sich Schlösser in Brüssel und Barcelona, die mit verschwenderischer Pracht ausgestattet waren. Daneben besaß er ein fürstliches Landgut in England und kaufte sich vor wenigen Jahren eine schloßartige, märchenhaft ausgestatete Villa in Biarritz, wo er für Verwaltung und Bedienung ein ständiges Personal von 10ü Personen unterhielt. Nach Biarritz berief Löwenstein seine Konferenzen mit den Finanzleuten, den Agenten seiner Unternehmungen usw. ein. Er besaß 24 Luxusautos und drei mit raffiniertem Luxus ausgestatete Fokker-Flugzeuge. Seine üppigen Gastereien beonders in Biarritz, die je viele Tausende kosteten, bildeten oft das Tagesgespräch an der Börse. Im Oktober 4926 wurde in Löwensteins Villa in Biarritz ein Einbruch verübt, wobei sieben Juwelen im Wert von einigen Millionen Mark gestohlen worden sein sollen.
Der Reichtum scheint aber nicht auf solider Grundlage geruht zu haben. Eine größere Anleihe, die er zur Befestigung seiner weitreichenden Kunstseidespekulationen in Neuyork aufnehmen wollte, wurde ihm verweigert; die Neuyorker Bankkreise waren über Löwensteins Verhältnisse anscheinend besser unterrichtet, als man es in Brüssel usw. gewesen zu sein scheint. Und so ereilte ihn das Geschick Barmats. Wie weit deutsche Finanzkreise von dem Zusammenbruch mitbetroffen werden, ist nicht bekannt. Löwen- stein. trug sich mit dem Plan, im nächsten Jahr mit der deutschen Kunstseidefabrikation „in engere Verbindung zu kreken", was nach seinen Geschäfksgrundsätzen gleichbedeutend mit der der vollständigen „Kontrolle" über die deutsche Fabrikation gewesen wäre.
Der Fall Löwenstein verursachte am 5. Jul! einen Krach an der Pariser Börse. Die Börsenverluste durch den Sturz der Löwenstein-Vapiere und solcher Unternehmungen. die damit Zusammenhängen, sollen sich auf 600' Millionen Franken (98,5 Millionen Mark) belaufen.
Stuttgart, 8. Juli. VomLandtag. Dem Landtag ist der Entwurf eines ersten Nachtrags zum Staatshaushaltsgesetz für 1928 zugegangen. Durch den Nachtragsplan werden die Mittel für eine erweiterte Beteiligung des württem- bergifchen Staats an dem Grundkapital der Württ. Sammel- Schienen-Aktiengesellschaft in Stuttgart, dessen Erhöhung beabsichtigt ist, zur Verfügung gestellt.
Zahltag für die Augustbesoldung. Das Finanzministerium hat mit Zustimmung sämtlicher Ministerien in diesem Jahr davon Abstand genommen, den Zahltag für die Augustbesoldungen der Beamten einschließlich der Lehrer mit Rücksicht auf die Urlaubszsit vorzuoerlegen. Sämtliche Beamten erhalten deshalb die Augustbezüge auf 1. August 1928.
Zur Heranbildung geeigneter hauplamklicher Lehrkräfte für die Gewerbeschulen beabsichtigt die Ministerialabteilung für die Fachschulen, in der Zeit vom 29. Oktober 1928 bis Ende März 1930 einen besonderen Lehrgang für mittlere Techniker in Stuttgart abzuhalten. Zugelassen werden mit Rücksicht auf den an den Gewerbeschulen zu deckenden Lehrerbedarf in erster Linie geeignete mittlere Techniker der hochbautechnischen und der kunstgewerblichen Fachrichtung, in zweiter Linie eine kleinere Zahl befähigter mittlerer Techniker der maschinentechnischen Fachrichtung. Bedürftigen Teilnehmern können während der Dauer des Lehrgangs monatliche Studienbeihilfen aus Staatsmitteln bewilligt
werden. Gesuche um Zulassung zu dem Lehrgang sind bis spätestens 21. Juli 1928 bei der Ministerialabteilung für die Fachschulen, Stuttgart, Kanzleistr. 19, einzureichen.
Auffahren eines kraftfahrrods auf einen Eisenbahnzug.
Die Reichsbahndirektion teilt :mt: Am 6. Juli um 18.05 Uhr ist ein Krastfahrrad am fchienengleichen Uebergang zwischen Böblingen und Schön aicher First (Nebenbahn Böblingen—Dettenhausen) auf den Zug Nr. 117 aufgefahren. Der Fahrer blieb unverletzt. Der Beisitzer, Schlosserlehrling Eugen Schlachter von Munzingen bei Freiburg i. Br., wurde getötet. Festgestellt ist, daß der Lokomotivführer langsam gefahren ist und rechtzeitig geläutet und gepfiffen hat.
Der Deuisch Oesierreichische Alpenvcrein hält vom 13. bis 16. Juli hier seine 54. Hauptversammlung ab. Hiezu sind von Wien bis Königsberg zahlreiche Vertreter angemeldet. Am Samstag, 14. Juli findet in der Liederhalle ein Schäbischer Abend statt. Die Tagung wird durch eine gemeinsame Fahrt an den Bodensee am Dienstag, 17. Juli, beschlossen.
Massenbesuch in der Kolonialausstellimg. Die Kolonialausstellung, die erste große deutsche Kolonialausstellung nach dem Krieg, die am 2. Juni eröffnet wurde, hakte im Monat -Juni einen außerordentlich starken Besuch aufzuweisen. Mehr als 100 000 Männer, Frauen und Kinder aus nah und fern haben die Ausstellung besucht.
Relkenfest. Im Stadtgarten fand am Sonntag ein großartiges Nelkenfest statt, zu dem die berühmte Großgärtnerei Emil Münz in Waiblingen etwa 30 000 auserlesen schöne Blumen zur Verfügung gestellt hatte, die dFn Besuchern kostenlos überlassen wurden. Der Zweck des Nelkentags war eine Werbung für diese köstliche Blume, deren Zucht bekanntlich gerade in Württemberg auf hoher Stufe steht.
Mord und Mordversuch. Am 23. Mürz d. I. hat, wie seinerzeit berichtet, der von seiner Frau getrennt in Degerloch wohnende 55jährige Zementeur August Deeg nach einem kurzen Wortwechsel seiner Frau in deren Wohnung in der Holzstraße durch einige Messerstiche getötet und seine Stieftochter so schwer verletzt, daß die Tochter jetzt noch nicht völlig wiederhergestellt ist. Das eheliche Verhältnis war schon seit längerer Zeit sehr getrübt. Vor der Tat war übrigens Deeg von der Frau durch Beleidigungen usw. stark gereizt worden, u. a. hatte sie die Herausgabe eines Deeg gehörigen Handwerkszeugs beharrlich verweigert. Das Schwurgericht verurteilte Deeg wegen eines vollendeten und eines versuchten Totschlags unter Zubilligung mildernder Umstände zu 7 Jahren Gefängnis, abzüglich 3 Monate Untersuchungshaft, und 5 Jahren Ehrverlust.
Vom Tage. Ecke Ludwigsburger- und Netraitestraße fuhr ein vollbesetzter Autobus der Linie Z mit einem aus der Wolframstraße kommenden kleineren Kraftwagen zusammen. Durch die Wucht des Anpralls schob sich der schwere Vorderteil des Autobus auf die Motorhaube des Kraftwagens hinauf und zerdrückte diese vollständig. Trotz der umhersliegenden Glassplitter wurde niemand verletzt.
Aus dem Lande
Besigheim, 8. Juli. Altarrenovierung. In diesen Tagen wird vor dem Neuanstrich des Chors der Hochaltar, das Juwel Besigheims, auseinandergenommen, durchgesehen und neu getränkt. Das Landesamt für Denkmalspflege, das einen wesentlichen Teil der Kosten übernommen hat, wünschte zugleich, daß der Hochaltar auf einen Unterbau gestellt und vorgerückt werde. Das letztemal wurde der Hochaltar im Jahr 1889 renoviert.
. Lauffen a. R., 8. Juli. Schwerer Unfall. Ein verh. Zimmermann aus Helmstadt fiel von einem Gerüst imd erlitt dabei einen schweren Schädelbruch. Ferner hat er sich sämtliche Zähne eingefallen. An seinem Aufkommen wird gezweifelt.
Vaihingen a. E., 8. Juli. Fischsterben. Seit 4. d. Mts. macht sich in der Enz von Mühlacker stromaufwärts bis Eutingen ein Fischsterben größeren Umfanges bemerkbar, urld zwar
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find an den Triebwerken in Mühlacker, Enzberg, Viesern und Eutingen 10 Zentner Fische gelandet worden. Bei diesen zeigt sich eine auffallend dunkle Färbung der Kiemen. Die Einführung schädlicher Abwasser dürfte die Ursache des Fischsterbsns sein. Das Fischsterben hält an, der Schaden dürfte weit größer sein, als ursprünglich angenommen wurde.
Hessenkal OA. Hall, 8. Juli. N a d l e r u n s a l l. Die in der Faßfabrik Kurz am Bahnhof beschäftigte Arbeiterin Berta Schoch fuhr an der Kurve unter der Restauration Wolf auf ein offenbar auf der falschen Straßenseite fahrendes Fuhrwerk auf, wurde vom Rad geschleudert und erlitt einen Beinbruch nebst anderen leichteren Verletzungen. Der aus seinem Fuhrwerk lustig singende Knecht fuhr, ohne sich um die Verletzte zu kümmern, ruhig weiter.
Bad Mergentheim, 8. Juli. Das Arbeitsamt kommt nach Mergentheim. Wie die „Tauber- zeitung" hört, ist nunmehr endgültig entschieden, daß das für die Bezirke Mergentheim, Gerabronn, Tauberbischofsheim und Wertheim errichtete Arbeitsamt seinen Sitz nicht in Lauda, sondern in Bad Mergentheim erhält.
Holzelfingen OA. Reutlingen, 8. Juli. Einbruchsversuch. Nachts wurde am hiesigen Rathaus ein Einbruchsversuch verübt. Der Täter stieß aber schon an der ersten Türe auf Widerstand. Anscheinend wollte er sie gewaltsam öffnen, was ihm aber nicht gelang.
Alkenburg OA. Tübingen, 8. Juli. Leichen! ändern g. Beim Elektrizitätswerk wurde eine weibliche Leiche, die vermutlich zwei Tage im Wasser umhertrieb, angeschwemmt. Die Personalien der Frau, die zwischen 25 und 30 Jahre alt ist, konnten noch nicht ermittelt werden.
Rottweil, 8. Juli. 7 0. Geburtstag. Dieser Tage feierte Oberstudiendirektor o. D. Max Kley, der langjährige verdiente Vorstand des Gymnasiums, in bester Ge< sundheit seinen 70. Geburtstag.
Schramberg, 8. Juli. Die Tagung des württ. Städtetages findet am 18. ds Mts. statt.
Der 24 Jahre alte Solm Alois des Mechanikers Bernet, Falkenstein, war in den Ferien in Breisach. Beim Baden ging er auf einmal unter, sodaß anzunehmen ist, daß er einen Herzschlag erlitten hat. Die Leiche wurde geborgen.
Ulm, 8. Juli. Schwindler. Ein lediger Metzger aus Marbach erschwindelte in Stuttgart eine Geldsumme von 1300 -4t unter dem Vorbringen, er könne damit einen Untersuchungsgefangenen freimachen. Mittels Auto fuhr er im Land umher, betrog den Wagenführer um sein Fahrgeld und seinen Begleiterinnen stahl er die Geldbörse. Er wurde in Ulm dem Gericht übergeben. — Ein angeblicher Versicherungsagent hat in zahlreichen Fällen Betrügereien begangen, indem er sich an Familien wandte, aus denen ein Mann im Krieg gefallen ist und behauptete, für die Kriegsgefallenen werde eine höhere Summe ausbezahlt. Cr fertigte Anträge gegen eine Gebühr und verschwand dann. Die Leute waren natürlich betrogen.
Der Mann, der seit Jahren durch anonyme Briefe Behörden und Private beleidigte, ist nun in der Person eines außer Dienst stehenden Steuersekretärs ermittelt worden.
Heidenheim, 8; Juli. EineerfreulicheStiftung. Frau Geheimrat Voith hatte anläßlich ihres 80. Geburtstags der Stadt einen Scheck in Höhe von 10 000 Mk. übersandt mit dem Bemerken, daß das Geld für die Unterstützung der in den Berufsausbildungen stehenden bedürftigen Jugend Verwendung finden möge. Der Gemeinderat nahm mit großer Freude Kenntnis von der hochherzizgen Stiftung und übersandte Frau Geheimrat Voith ein Dankschreiben.
Heuchlingen OA. Heidenheim, 8. Juli. Tödlicher Unfall. Das 5 Jahre alte Söhnchen Hans des Schuhmachers Mich. Eberhardt von hier fuhr auf dem Güllenwagen eines Nachbars mit diesem auf das Feld und ist anscheinend unterwegs eingeschlafen. Bei einer Erschütterung des Wagens stürzte der Knabe so unglücklich unter diesen, daß ihm ein Rad über den Unterleib ging. Das Kind verlor nach dem Unfall rasch das Bewußtsein und ist am gleichen Abend noch den schweren inneren Verletzungen erlegen.
Laichingen, 8. Juli. Ein Opfer der „Verreich- lichung". Mit dem 1. Juli dieses Jahres hat nach 15- jährigem Bestehen der „Württ. Postagent", Organ des württ. Postagenten-Verbandes, besten Vorstand Schultheiß Staudenmeyer in Merklingen auf der Alb ist, fein Erscheinen eingestellt. Gedruckt wurde das Blatt von Heinrich Kirschmer in Laichingen. Durch Vereinigung des württ. Verbandes mit dem Reichsverband mußte auch dieses Stück württ. Reservate auf dem Altar des Reichs geopfert
Seist Mündel
Originalroman von Nose Bernd 1<t Fortsetzung. Nachdruck verboten.
Und ihre Sehnsucht wuchs von Jahr zu Jahr. Es schmerzte sie jedesmal von neuem, wenn ein Brief von ihm eintraf und darin immer wieder stand: Unsere Forschungen nehmen viel mehr Zeit in Anspruch, als wir glaubten, wir haben mit kolossalen Schwierigkeiten zu kämpfen und kommen nur langsam vorwärts. An eine Heimkehr können wir noch nicht denken, wenn unsere Arbeit nicht Stückwerk bleiben soll.
Kam so ein Brief, was sehr selten geschah, da die Forscher oft monatelang in unwirtlichen Gegenden weilten, wo eine Post nicht zu erreichen war. dann klopfte Reta jedesmal das Herz bis zum Halse hinauf und alles Blut wich ihr aus dem Gesicht. Jedesmal hoffte sie, er könne seine Heimkehr melden. Und wenn diese Hoffnung wieder gestört war, suchte sie mit brennenden Augen in dem Schreiben, das ihr der Verwalter immer gern überließ, ob er darin auch ihrer gedacht hatte. Nie hatte er wieder an sie selbst geschrieben, aber er fragte in jedem Brief nach ihrem Ergehen und sandte ihr Grüße. Hatte sie einen solchen Brief gelesen, eilte sie hinauf in ihr Turmzimmer, um allein sein zu können. Sie warf sich dann auf den Divan, verbarg das Gesicht in den Händen und rang mit der schmerzlichen Enttäuschung, daß er noch immer nicht heimkehrte: Und doch war sie auch wieder glücklich, weil er sie nicht vergessen hatte.
So war auch das vierte Jahr nach Berts Abreise verstrichen. Inzwischen war die Inflation wie ein verheerendes Gespenst vorübcrgeschritten und hatte Not und Elend hinter sich gelassen. Neta war sehr froh, daß Bert Folk nicht nur sein Vermögen, sondern auch ihr kleines Erbe so sicher angelegt hatte.
Bei den jetzt wieder herrschenden stabilen Geldverhältnissen machten Reta ihre kleinen Einnahmen aus ihrer Viehzucht vielen Spaß. Sie hatte, da sie für sich nichts brauchte, immer ihren Verdienst neu angelegt und so besaß 'sie jetzt schon acht Kühe, vier Schweine, vier Kälber und sechs Ziegen und obendrein eine Menge Hühner. Durch den Verkauf von Milch, Butter und Eiern nahm sie ein ganz hübsches Sümmchen ein und zuweilen verkaufte sie auch ein Schwein oder ein Kalb, wenn es günstig geschehen konnte, und das, was sie einnahm, hatte sie in der Inflationszeit immer gleich wieder angelegt. Seit es aber wieder stabile Geldverhültnisse gab, sparte sie das eingenommene Geld, denn sie dachte ernstlich daran, Bert nach seiner Heimkehr das Zipfelchen Land abzukaufen und sich ein kleines Holzhäuschen darauf zu bauen.
Das alles schrieb sie Bert in ausführlichen Briefen — aber keinen dieser Briese wagte sie an ihn abzusenden, zumal es doch immer fraglich war, ob sie ihn erreichen würden. Da er an sie nicht schrieb, wagte sie auch nicht, an ihn einen Brief abzusenden, aber niederschreiben mußte sie wenigstens, was sie auf dem Herzen hatte.
Neta Horvat saß am offenen Fenster ihres Wohnzi mers, vom Hellen Frühlingssonnenschein umkost, und c beitete fleißig an einer Handarbeit. Zuweilen ließ sie ihr Blick aufleuchtend über den frühlingsfrischen Wald schw fen. Plötzlich zuckte sie zusammen.
„Neta! Reta!"
Unter ihrem Fenster stand Liesl Heims und sah zu i empor. Reta sah aus dem Fenster.
„Was gibt es, Liesel?"
„War der Postbote schon da?"
„Eben ist er wieder fort."
Retas Gesicht erblaßte vor Erregung.
„Komm schnell! Neuigkeiten!"
„Ein Brief aus Tibet?" fragte sie atenilos
„Ich komme. Liefet!"
„Ja doch, komm nur schnell."
Reta eilte d>e Wendeltreppe hinab und durch den Saal ins Freie. Sie flog auf Liesel, ein hübsches, dunkelhaariges Mädchen mit lachenden dunklen Augen zu.
„Ist es wahr, Liesel, ein Brief von meinem Vormund?"
„Ja doch!"
„Machst du keinen Scherz?"
„Aber Reta, damit macht man doch keinen Scherzi"
„Dann schnell, schnell!"
Reta eilte Liesel voran nach dem Verwalterhause.
Hier schwang der Verwalter Heims, ein blonder Recke mit einem gutmütigen, ehrlichen Gesicht, ihr einen offenen Brief entgegen.
„Hallo, Fräulein Neta — das ist mal eine Neuigkeit, die sich gewaschen hat. Raten Sie mal, was in dem Briefe steht!"
Neta drückte die Hand auf das rasend klopfende Herz.
„Er kommt heim?" fragte sie mit versagender Stimme. -
Der Verwalter nickte und seine hübsche Frau, deren verjüngtes Ebenbild Liesel war, lachte.
„Geraten, Fräulein Reta."
Diese mußte sich in einen Stuhl fassen lassen, ihre Füße versagten den Dienst.
„Mein Gott! Ist es wahr, kommt er endlich heim?"
„Ja! Hören Sie zu. Also erst Geschäftliches — und dann hier: Wir haben unsere Aufgabe endlich gelöst, haben gestern die Grenze von Tibet überschritten und befinden uns jetzt auf indischem Boden. Wir durchqueren nun noch Indien und schiffen uns dann in Bombay ein. Meiner Berechnung nach werden wir spätestens Ende Mai in Deutschland eintreffen und ich werde dann unverzüglich nach Dornfels kommen und dort dauernden Aufenthalt nehmen. Sie sorgen wohl dafür, daß meine Zimmer instand gesetzt werden."
Als der Verwalter so weit gelesen hatte, ließ er den Brief sinken und sah Reta lachend an.
„Nun, Fräulein Neta, was sagen Sie nun? Jetzt haben wir Anfang Mai — in einigen Wochen wird Doktor Falk hier sein."
(Fortsetzung folgt.)