Verhältnisse andauern, in östlicher Dichtung vor,tagen. uns Citta di Milano" steht in direktem Funkverkehr mit dem Dampfer „Tanja", der den Leiter der schwedischen Hilfs- expedition an Bord hat. Wie von der „Citta di Milano" gemeldet wird, sind die Flieger Riiser Larsen und Lützow Holm von ihrem bereits gemeldeten Erkundung s f l u g zurückgekehrk, ohne Nobile gesichtet zu haben. Dagegen hat Nobile die „Citta di Milano" funkentelegraphisch angerufen und mitgeteilt, daß er die Flugzeuge gesichtet habe. Er machte dann noch genaue Angaben über seine augenblickliche geographische Position.
Der Mord an Rasputin vor Gericht
Paris, 18. Juni. In Paris beginnt in diesen Tagen ein neuer Sensationsprozeß gegen den russischen Prinzen Jussupoff» der Ras putin ermordet hat. Der in Biarritz weilende Großfürst Dimitrieff, der zusammen mit dem Prinzen von der Tochter Rasputins als Mittäter auf 23 Millionen Franken Schadenersatz verklagt wurde, machte Pressevertretern gegenüber aufsehenerregende Mitteilungen über die Mordtat. Er erklärte, er sei wegen dieser Angelegenheit bereits in Rußland bestraft worden. Das Kriegsgericht sei zweimal zusammengetreten, aber jedesmal habe der Zar die Einstellung des Verfahrens angeordnet. Er sei kurz darauf nach Persien deportiert worden, und das zu seinem Glück, sonst wäre er zusammen mit der kaiserlichen Familie von den Bolschewisten niedergemetzelt worden. Die Ermordung Rasputins sei im Interesse Rußlands beschlossen worden. Er selbst habe an dem Mord nicht teilgenommen, sondern sich nur in einem höher gelegenen Stockwerk der Wohnung Jossuposfs aufgehalten. Allerdings habe er dem Prinzen seinen Revolver zu dem Mord geliehen.
Lelloggs neue Paktpläne
London, 18. Juni. Der politische Korrespondent des ..Dailey Telegraph" meldet, daß nach seinen Informationen bei der Neubearbeitung des amerikanischen Paktentwurfs der Artikel 1 so verändert werde, daß er das feierliche Versprechen der Aechtung des Kriegs noch klarer als früher betone und eine periodische Erneuerung der Erklärung etwa alle fünf Jahre vorsehe. Man glaube, daß Kellogg den Briandschen Wünschen hinsichtlich der französisch-polnischen und der französisch-tschechoslowakischen Verträge entgegengekommen sei, in dem er sie schweigend und in nicht formeller Weise anerkenne.
Der Stark zum neuen Transozeanslug erfolgt
Trepassey, 17. Juni. Der Pilot Stultz und Miß Ear- heurt sind heute nachmittag 3 Uhr, nach Greenwicher Zeit, zu ihrem schon seit einiger Zeit geplanten Transozeanstug, dessen Ziel Irland ist, gestartet.
Stuttgart, 18. Juni. Einweihung des Ehrenmals für die Württ. Marinean gehörigen. Der Landesverband Württ. Marinevereins hat zum steten Gedenken der im Weltkrieg 1914—1918 gefallenen württ. Marinekameraden ein schlichtes Mal in dem Ehrenhain aus dem Waldfriedhof erstellen lassen, das am Freitag seine Weihe erhielt.
Arbeiternot auf dem Lande. Der Abg. Dr. Ströbel (B. B.) brachte folgende Kleine Anfrage ein. In d Land- —Wirtschaft wird jetzt schon bei Beginn der Heuernte über Arbeiternot geklagt. Dessen ungeachtet werden in diesem Sommer sowohl von Reichs- wie von Landesbehörden Arbeiten ausgeführt, zu denen Arbeitskräfte vom Lande zugezogen werden, obwohl ein Teil dieser Arbeiten, wie z. B. bei der Eisenbahn und im Forstbetrieb, über die Erntezeit sicherlich zurückgestellt werden könnte. Ist das Staatsministerium bereit, bei der Reichsbahn darauf hinzuwirken, und bei der Forstdirektion zu veranlassen, daß während der Erntezeit die Ausführung der genannten Arbeiten unterbleibt? Ist das Staatsministerium ferner bereit, bei der R e i ch s w e h r v e r w a l t u n g, bei der Verwaltung der Landesstrafanstalten und bei der Schulverwaltung rechtzeitig Schritte einzuleiten, daß während der Erntezeit Arbeitskräfte von diesen Verwaltungen zur Verfügung gestellt werden?
Waldarbeiter, während der Erntezeit. Die Abg. Her- mann und Genossen brachten solgende Kleine Anfrage ein: Ist es der Staatsregierung bekannt, daß im Gegensatz zu früheren Zeiten neuerdings auch während der Heu- und Getreideernte ausgedehnte Waldarbeiten
durch die Forstverwaltung vorgenommen werden? Durch diese ausgedehnten Arbeiten wird der Landwirtschaft eine große Anzahl Arbeitskräfte entzogen, wodurch die Arbeiternot auf dem stachen Lande noch mehr als bisher gesteigert wird. Ist das Staatsministerium bereit, mit Rücksicht aus die Arbeiternot in der Landwirtschaft durch das Finanzministerium die Forstdirektion anzuweisen, während der Haupterntearbeiten die Waldarbeiten nicht ausführen zu lassen oder auf das Mindestmaß zu beschränken?
86. Geburtstag. Generalleutnant a. D. v. Berger feiert heute den 80. Geburtstag. Exzellenz v. Berger erfreut sich einer außergewöbnlichen geistigen und körperlichen Rüstigkeit. Er war Teilnehmer am Krieg 1870—71, in dem sein Baker an der Spitze des Grenadier-Negks. Königin Olga fiel, und Hw trotz bohen Alters auch noch den Weltkrieg bis zum Ende als Brigade- und Divisionskommandeur in hervorragender Weise mitgcmacht. In seiner letzten Friedens- siellung war er Gouverneur von Stuttgart. Als früherer Kommandeur des Grenadier-Regiments Königin Olga ist er jetzt Vorsitzender in, Offiziervereins dieses Regiments und Ehrenmitglied >i er Vereinigung ehemaliger Olgagrenadiere. Taufende von Angehörigen der alten Armee werden des in den weitesten Kreisen hochgeschätzten und beliebten Offiziers an seinem 80. Geburtstag mit den herzlichsten Wünschen gedenken. -- -
76. Geburtstag. Heute feierte Oberlehrer a. D. Schnei - d e r in körperlicher und geistiger Frische seinen 70. Geburtstag. Besonders in seiner Mühlhauser Zeit entfaltete er auf dem Gebiet des Zeichnens eine rege Tätigkeit und seine reformatorischen Vorschläge wurden bei den Behörden willig gehört. Bei Kriegsausbruch stellte er sich freiwillig alck Lazarettinspektor zur Verfügung. Seit seiner Zuruhesetzung lebt er in Stuttgart.
25 Iahre Reichskagsabgeordneker. Am 16. Juni waren es 25 Jahre, seit der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Karl Hildenbrand zum erstenmal in den Reichstag gewählt wurde. Die Zugehörigkeit Hildenbrands zum Reichsparlament hat seitdem keine Unterbrechung erfahren.
Weinzenlrale, Aktiengesellschaft in Stuttgart, Zweig- Niederlassungen in Ireiburg und Alm. Die 5. ordentliche Generalversammlung für das Geschäftsjahr 1927 findet am 3. Juli vormittags 10.30 Uhr im Schwabenbräu in Cannstatt statt. Seitens des Auffichtsrates und Vorstandes wird die Verteilung einer Dividende von 5 Prozent, wie im Vorjahre vorgeschlagen werden.
Schweres Fernbeben. Am Sonnkag in der Frühe wurde von den Instrumenten der Erdbebenwarte Hohenheim ein schweres Erdbeben ausgezeichnet. Am 4 Ahr Z2 Minuten 20 Skunden trafen die ersten Erschütternngswellen ein. D:e errechneke Herdentfernung beträgt 9600 Kilometer. Vermutlich handlt es sich um ein Seebeben an der Westküste von Mittelamerika.
Cannstatt, 18. Ium. Der Kampf um die Wilhelmsbrücke. In einer vom hiesigen Bürgerverein veranstalteten Protestversammlung wurde eine Entschließung angenommen, die dagegen Einspruch erhebt, daß dis Wilhelmsbrücke durch eins 8 Meter breite Gehwegbrücke ersetzt werden soll. Die Entschließung verlangt vollwertigen Ersatz für dis Wilhelmsbrücke. Diese Ersatzbrücke soll eine Fahrbahn von mindestens 7 Meter und 2 Gehwegen von je 2l- Meter Breite haben.
Waiblingen, 18. Juni. Todesfall. Der frühere Güter- beförderer, Johannes Kaufmann, ist im Alter von 73 Jahren gestorben. Kaufsmann war ein eifriger Förderer der deutschen Turnersache und des deutschen Männergesangs. Als langjähriges Mitglied des hiesigen Männergesangver- eins ward er'zum Ehrensänger ernannt. Bleibende Verdienste hak er sich um den hiesigen Turnverein, dessen Ehrenvorstand er war, erworben.
Waiblingen. 18. Juni. R e m s kor r e k ti o n. Die bei Hochwasser gemachten üblen Erfahrungen lassen schon längst eine Korrektion der Rems als dringend notwendig erschei-
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nen. Seit etwa 6 Wochen liegen die Unterlagen und die Kostenvoranschläge mit entsprechendem Plan für die Nems- korrektion auf dem Rathaus auf. Unterhandlungen aber haben bis letzt nicht stattgefunden. Neuerdings ist die Wald- muhle zum Verkauf ausgeschrieben und es wird nun empfohlen, daß die Stadt sie in Verbindung mik der Nems- korrektion käuflich erwirbt.
Sornwestheim. 18. Juni. Brand. In d§r Ludwigsburgerstraße bei Landwirt Gottlob Moll brach im Hof Feuer aus. Ein Knecht hatte in einen Strohhaufen ein Zündholz geworfen, als er sich eine Zigarette anzündete. Die 15 Zentner Stroh fingen augenblicklich Feuer und brannten lichterloh. Mit Mühe konnte die rasch eingreifende Weckerlinie die Scheune, die stark bedroht war, retten.
Sornwestheim, 18. Juni. Ferienfahrten der Arbeiterschaft. Wie alljährlich so unternimmt auch dieses Jahr die Belegschaft der Salamander-Werke Sigle u, Cie. in Kornwestheim eine Ferienfahrt. Und zwar soll es nach Wunsch des einzelnen möglich sein, seiner Vorliebe Ausdruck zu geben, indem er die Mahl hak, nach München oder Oberstdorf (Bayr. Alpen) oder aber nach Zürich zu reisen. Insgesamt gehen 7 Sonderzüge in der Nacht vom 1 auf 2. Juli in Kornwestheim ab. Nach München fahren 28—2900, nach Oberstdorf 4—500, nach Zürich 27-2800, so daß nach Zürich und München je 3 Züge und nach Oberstdorf ein Zug fahren. Die reiche Teilnahme erklärt sich zum großen Teil daraus, daß es dem Betriebsrat gelungen ist, von der Firma 40 000 -R für die Ferienzüge zu erhalten.
Prevorst AO. Marbach, 18. Juni. Private Auto- linie Oberstenfel- — Prevorst. Im Rathaussaal hier fand eine Versammlung statt, in der zur Frag« der Errichtung einer Autoverbindung Oberstenfeld—Gronau—Prevorst Stellung genommen wurde. Die Anwesenden haben einmütig die Verwirklichung dieses Gedankens begrüßt. Die Genehmigung der Linie soll sofort eingeresthk und mik Be- schleunigun-, betrieben werden.
Heilbronn, 18. Juni. Ein achtjähriger Knabe unter einem Po st aut o. Ein achtjähriger Knabe, der durch die äußere Rosenbergstraße in die Bottwarstraße nach Hause gehen wollte, wurde von einem von der Sont» heimerstraßs hsrkommenden Postgepäckauto überfahren. Der Junge lief zwischen den Bahnschienen der Straße und wollte, als das Auto Signale ertönen ließ, erschrocken auf den Gehweg springen, leider zu spät, das Auto erfaßte ihn und die Räder gingen ihm über den Unterleib. Der Verunglückte wurde schwerverletzt in das Krankenhaus über- gejührt.
Heiibronn, 18. Juni. Verbandstag der Schreine rmeist er. In Verbindung mit dem 50jährigen Jubiläum der hiesigen Freien Schreiner-Innung wurde am Sonntag unter Vorsitz von Schreinermeister Sill er der Verbandstag der Schreinermeister abgehalten. Er erstattete Bericht über eine Versammlung der Obermeister. Darnach stehen die Verhandlungen wegen einer Einheitsfront zwischen Industrie und Handwerk vor dem Abschulh. Im April nächsten Jahres soll in Stuttgart wieder eine Landesmöbelausstellung veranstaltet werden. Als Ort des nächsten Verbandstages wurde Wildbad bestimmt. Der Heilbronner Innung wurde aus Anlaß ihres Jubiläums eine Ehrenplakette überreicht. Ein Antrag der Stuttgarter Innung, nur Lehr- linge einzustellen, die das 8. Schuljahr besucht haben, wurde abgelehnt. Die Meisterprüfungsordnung soll neu aufgebaut und streng durchgeführt werden. Angenommen wurde zur Reichsverbindungsordnung eine Entschließung, wonach die restlose Beachtung aller Bestimmungen dieser Ordnung verlangt wird. Ist der in 8 2 vorgesehene angemessene Preis nickt vor Ausschreibung vor vergebender Behörde und Sachverständigen gemeinsam festgestellt und ergeben die einge- gang--nen Angebote einen größeren Preisunterschied, so ist das staatliche Breis- und Schiedsamt zur Feststellung des angemessenen Preises anzurufen. An die Privatarchitekten wurde das Ersuchen gestellt, bei Vergebung von Privatbau- arbeiten gegebenenfalls restlos die Reichsverdingungsordnung zugrunde zu legen.
Mckarsulm, 18. Juni. 19 Prozent Umlage. Der Eemeinderat beschloß, zur Deckung des Abmangels von 400 077 Mk. eine Gemeindeumlags von 19 Prozent zu erheben, ferner um einen Staatsbeitrag zu den Lehrergehältern und einen Zuschuß aus dem Ausgleichsstock nachzusuchen, sowie beim Finanzministerium erneut eine Aende- rung des Eewerbesteuergesetzes zu beantragen. ,
Ei« edles Frauenleben.
Roman von Carola Weiß.
Copyright by Wreiner L Comp., Berlin W 30
4S. Fortsetzung.
Nachdruck verboten.
>/OH, Jlonkam!" rief sie, die Gräfin bei dem Mädchennamen nennend und stürzte vor ihr nieder. „Dein und sein Elend frißt mir das Herz ab. Ich Hab' dich mit meinem Herzblut ernährt, auf meinen Händen getragen, du hast mir dein erstes Liebesglück anvertraut, früher als Vater und Mutter. Ich Hab' deine Kinder auf den Armen 'gewiegt, wie ich dich großgezogen und auch die Kinder Deines Kindes. Ich Hab' redlich jedes Leid mit dir geteilt und darf zu dir reden. Unterdrücke treue Liebe nicht, sie kommt vom Himmel selber. Und so wie du nicht zwei Berge ausemanderreißen, zwei Flüsse trennen kannst, die rneinaiwerlaufen, ebenso wenig vermagst du zwei Menschen- tzerzen zu losen, die zueinander gehören. Denk' an die unglückliche Irma und laß dich erweichen! . . . Was willst !mr demem Gatten sagen, wenn er fragt, warum seine Kinder in solch jungen Jahren zugrunde gingen? Oh, Jlonkam, erbarm' buch, grb nach -und laß des Elends genug sein."
Die Gräfin befand sich in einer Gemütserschütterung, die man vergebens versuchen würde, mit Worten wieder- zugeben. Ihr ganzes innere Gleichgewicht war wie aus den Fugen gerückt. War es Zorn, Entrüstung über diese unerhörte Kühnheit? War es Staunen, Verwirrung? Hatte ihr die Alte wiederholt, was sie sich wohl selber oft genug im innersten Herzen gefragt? Würde ihr Gatte, der die Kinder so abgöttisch liebte, auch so fest und beharrlich geblieben sein, sie lieber rücksichtslos untergehen lassen, als seine Vorurteile aufgeben? Konnte er das, da er für das Volk gestorben war? Nicht der Sache des Adels allein hatte er sich geweiht, für das ganze Volk war er gestorben. Konnte und durfte es nach dem großen Freiheitstode ihres Gatten eine solch weite, unaussüllbare Klu ft zwischen ihr und dem Volks geben? Und dann weiter:
dies Mädchen selber? Durste sich die Tochter eines Fürstenhauses so von einem bürgerlichen Mädchen verdunkeln, so überbieten lassen an Größe und Hochherzigkeit der Gesinnung und des Charakters? Als Gleichbeteiligte standen sie voreinander, sie, die Mutter, mit allen Rechten, das Mädchen mit jüngeren, aber vielleicht nicht minder starken. Und sie hatte von ihr verlangt, ihrem Anteil zu entsagen, aufzugeben Liebe, Ehre und Reichtum. Und das Mädchen hatte voll Herzensgüte dies Opfer gebracht, sie war vor der Mutter zurückgetreten. Sie hielt ihr Wort mit einer Wahrhaftigkeit und Treue, die bei keinem ohne Wirkung, für den stolzen aber noblen Sinn der Gräfin etwas Achtunggebietendes hatte. Ja, keiner ahnt, wieviel Beschämendes gerade in diesem Bewußtsein für sie lag, unb wie dieses mehr als alles andere ihre stolze, starke Gesinnung unterwühlte und mehr an ihren Standesanschauungen rüttelte, als es jeder äußeren, noch so gewaltigen Macht möglich gewesen.
Nach einer langen Zeit beugte sie sich zu der weinenden Dienerin und sagte mit gütigem Tone:
„Ich kenne deine Treue und zürne dir nicht, flehe zu Gott, daß er deinen Herrn wiederkehren läßt und . .
Sie sprach nicht aus, laut und donnernd fuhr ein Wagen in den Schloßhof.
22. Kapitel.
Wären sie nicht so sehr von ihrem Gegenstände in Anspruch genommen gewesen, hätten sie trotz Sturm und Wetter schon vorher das Rollen von Rädern gehört, deshalb tönte es ihnen jetzt plötzlich laut und dröhnend entgegen.
Die Gräfin fuhr ans: „Heiliger Gott, Wer kann das sem?"
Wie der Blitz war die Datka aufgesprungen und schon draußen. Die Gräfin konnte keinen Schritt machen, ihr Gesicht war totenbleich, während ein heftiges Zittern ihren ganzen Körper erschütterte. Auf der Treppe wurde es lebendig, ein wirres Durcheinander von Stimmen und Tritten, lautes Hin- und Herrennen und noch lautere
Ausrufe. Tie Stimmen und Schritte kamen näher und näher, jetzt hörte sie die Stimme der Datka, sie schien ihr so seltsam verändert, kaum zu erkennen, war es vor Jubel oder Entsetzen? . . . Da, endlich ein wohlbekannter Schritt und eine Stimme!
„Geza!" rang es sich von ihren Lippen. Sie breitete die Arme aus und stürzte vorwärts, und „Geza, Geza!" rief sie noch einmal, und als die Tür aufging und der Sohn rasch eintrat, hatte er eben noch Zeit, die Schwankende in seinen Armen aufzufangen.
Nie hatte die Gräfin so den Sohn zu lieben geglaubt, als — da sie ihn für verloren hielt. Jetzt hatte sie ihn wieder! Sie hatte bis jetzt nur den Schmerz im Großen kennengelernt, in dieser Stunde empfand sie seit Jahren ein gleich großes Gefühl der Freude. Sie streichelte ihn, sie küßte ihn, sie war ganz rücksichtslos in ihrer Freude.
Der Graf trug noch den Arm in der Binde, aber auf Anraten Elisabeths hatte er sie abgelegt, um die Mutter im ersten Augenblick nicht zu erschrecken.
Das äußere Zeichen überstandener körperlicher Leiden hatte er vorsichtig verbergen können, das des wiedergewonnenen Glückes nicht. Er war in einer solch seligen Stimmung, so durchdrungen von seinem ganzen Glücke, daß sie nicht seine Mutter hätte sein müssen, um zu wissen, daß — daß das Rätsel seine Lösung gefunden — daß er nicht mehr zu suchen brauchte.
Wie hätte auch Geza, rasch und lebhaft wie er war, kurz und heiß in seinen Entschlüssen und so erfüllt von den: einen großen Gedanken, schweigen können? Und war es nicht der bestgewählte Augenblick? So rückhaltslos in ihrer Freude hatte er die Mutter noch nie gesehen und so zugänglich seinen Wünschen würde er sie gewiß auch nicht wieder finden.
(Schluß folgt.)