„Blicken Sie mich an," fuhr Lola fort. „Ich bin keine stolze, trotzige Feindin, die zu demütigen Befriedigung gewähren mag. Der Himmel hat meine Kraft gebrochen. Ich bin schwach und müde. Ich könnte es nicht ertragen, Bianca wiederzusehen oder meinen Blick haften zu lassen aus den Gebeinen, die man aus der Tiefe an das Tageslicht befördern wird. Wenn Sie irgendeine andere Sühne über mich verhängen wollen, so möge es geschehen, doch wozu mich hier festhalten, wo alles mir eine namenlose Qual ist? Lassen Sie mich hier Abschied nehmen. Ich bin eine besiegte Feindin, lassen Sie Großmut walten. Ich habe Sie hier au das Grab Ihres Vaters geleitet, Gertruds, lassen Sie mich auch hier für immer aus Ihrem Leben scheiden. Ehe ich aber gehe, o Kind, dessen Augen zu meinem innersten Herzen gesprochen haben, bevor ich gehe, lassen Sie mich hier niederknien und beten, daß mir alles Böse verziehen werde, das ich Ihnen, das ich Ihrem toten Vater zugefügt habe."
Selbst jetzt, in der Stunde der Einkehr, jetzt, wie heißes Weh in ihrer Seele wühlte, konnte sie sich nicht so weit überwinden, daß sie bereut hätte, Biancas Dasein zerstört zu haben.
„Verzeihen Sie mir," bat sie, und ihre heißen Tränen sielen nieder auf Gertrudens Hände. „Verzeihen Sie mir. Ich habe den reinen Namen deines Vaters untergraben, Kind des Mannes, den ich geliebt, ich habe deine schönsten Jugendjahre zerstört. Ich war grausam gegen ihn, den
ich geliebt, und grausam gegen dich. Willst du mir verzeihen? O Gertrude, ich bin das verlassenste, das elendeste Geschöpf auf Erden. Ich bin vollständig vereinsamt und elend. Auf Erden habe ich keinen Trost, im Himmel keine Hoffnung. Laß mich die Erinnerung an einige freundliche Worte mit mir nehmen!"
Gertrude fühlte sich ties bewegt, sie schlang die Arme um die zitternde Gestalt Lolas, sie küßte das tränenüberflutete, fchmerzdurchfurchte, immer noch schöne Antlitz.
„Sagen Sie mir, wohin Sie gehen und wie Sie Ihr Leben zu gestalten gedenken."
„Kümmern Sie sich nicht weiter um mich, Gertrude," sprach Lola, einen ruhigeren Ton anschlagend. „Wenn ich hier am Grabe Ihres Vaters von Ihnen gehe, dann ich mein Dasein abgeschlossen; vielleicht gehe ich nicht weit, ich möchte zeitweise den Boden betreten können, aus dem Sie leben. O Gertrude, wenn er mich nur geliebt hätte! Leben Sie wohl, Kind, sehen Sie mich nur einmal an mit den Augen Ihres Vaters, küssen Sie mich, so schlecht, so unwürdig ich auch sein möge; sprechen Sie zu mir mit der Stimme Ihres Vaters.. O Karl, Karl, wie habe ich dich geliebt!"
Gertrude tat, wie ihr geheißen; sie küßte die zuckenden Lippen, sie tat ihr Möglichstes, um den Schmerz zu mildern, für den es keine Heilung gab, dann sprach sie langsam: „Ich glaube, Sie haben recht, es ist das Klügste, wenn Sie von hier gehen. Leben Sie wohl; ich möchte, daß, ehe wir für immer scheiden, Sie irgendein gutes Wort von meiner Mutter sagen."
„Ich kann nicht," entgegnete Lola schaudernd, „ich kann nicht; Sie, Karls Tochter, haben meinen Segen, meine Liebe, Bianca aber, die meine Liebe mir geraubt, Bianca kann keinen guten Wunsch von mir erwarten. Leben Sie wohl. Möge uns im Jenseits ein Wieder-' sehen werden!"
Sie war verschwunden, ehe die letzten Worte aus-' geklungen und Gertrude blieb allein an der Stelle, iw deren Tiefe die Gebeine ihres Vaters ruhten. Als sie endlich ins Schloß zurückkehrte, war alle Welt beruhigt, daß Lola de Ferras verschwunden war. — —
Achtundvierzig Stunden später kam Bianca mit ihrer ältesten Tochter Käthe auf dem Schlosse an.
„Laßt mich vor allem Gertrude sprechen," bat sie, als Lady Fielden und ihr Sohn ihr entgegeneilten. „Gertrude, komm zu mir!"
Das Mädchen schlang die Arme um den Nacken der Mutter; sie fühlte, wie die in tiefes Schwarz gekleidete Frauengestalt in ihren Armen zitterte, sie begegnete einem Blick, der ihr im Antlitz der Mutter fremd erschien.
„Gertrude," flüsterte Bianca, „sag mir, lebt er oder ist er tot, sag mir's ganz allein, die anderen sollen es
hoffen zugleich sprach aus Kicke au den Lippen der
nicht hören."
O welche Angst und welches ihren Zügen, wie hingen ihre '
Tochter.
„Tot, Mama," lautete die Entgegnung; „tot, er starb' an dem gleichen Abende, an dem die Leute sagten, er habe dich verlassen."
Mutter und Tochter waren allein, alle jene, die sich herbeigedrängt, um Lady Allanmore zu begrüßen, hatten sich in aller Stille zurückgezogen. Bianca sank in die Knie und bedeckte das Antlitz mit den Händen. Er war tot. Der Geliebte ihrer Jugend, der Gatte, den sie angebetet, war tot, während sie ihr Herz gegen ihn gestählt, während sie sich abgeschlossen von allen Menschen um der vermeintlichen Schmach willen, die er ihr angetan. Sie hatte seine Tochter großgezogen, ohne daß sie auch nur den Namen des Vaters gekannt hätte; sie hatte in Bitterkeit und gekränktem Stolze Jahr um Jahr zur Neige gehen lassen.
Nicht mit Unrecht machte sie sich jetzt die herbsten Vorwürfe. All diese lange Zeit, während die Welt den Stab über ihn brach, die Menschen ihn verhöhnten, seine vertrautesten Freunde, ja selbst seine Frau nicht an seiner Schuld zweifelten, war er nicht nur vollkommen frei makellos, war sein Name rein gewesen von jeder schuld, sondern er war auch längst tot und vermodert.
^ ^ einen Raum suchen, in den wir uns zu- Gertrude," Lat sie, „wo du mir alles
Ȁikt den Blicken der Menschen
geschützt sind und niemand meine Reue sieht."
Gertrude führte ihre Mutter in Lady Fi'eldens Bou- dorr, dort nötigte sie Bianca, sich niederzulegen und eine kleine Erfrischung zu sich zu nehmen; erst langsam und nach und nach erzählte sie ihr alles, was sie erfahren Bianca lauschte atemlos und Gertrude bewies ibr die Unschuld ihres Vaters.
Es währte mehrere Stunden, ehe Bianca sich soweit erholte, um nur überhaupt alles, was sich ereignet hatte, fassen zu können. Dann, als ihr endlich klar geworden und Glied um Glied der ganzen Kette aneinandergefügt war, wendeten ihre Gedanken sich zu Lola. Sie stellte zahllose Fragen hinsichtlich jenes Geschöpfes, das sie bald bemitleidete, bald tadelte.
„Welch grausame Rache sie an mir genommen hat, die ich ihr nie ein Unrecht zufügte l Doch sie, ich bin es überzeugt, sie hat noch herber gelitten als ich."
(Fortsetzung folgt.)
Vermischtes
Der „Vorstoß in den Weltraum". Der Tiroler Forscher Max Valier hielt kürzlich im Deutschen Haus in Bregenz einen Vortrag über seine Forschungen, die Räkele als Antriebskraft für Kraftwagen und Flugzeuge zu benutzen. Die Versuche mit den Opelwagen in Rüsselsheim haben trotz der unzulänglichen Bahn bereits den Beweis erbracht, daß mil der Rakete Geschwindigkeiten zu erzielen seien, von denen man sich jetzt noch gar keine klare Vorstellung machen könne. So soll es möglich sein, mil einem Raketenflugzeug in eineinhalb Stunden von Europa nach Amerika zu gelangen. Auf Grund dieser Erfahrungen soll dann die Rakete für den Weltraum geschaffen werden. An dieser Aufgabe arbeite man schon in allen Ländern; am weitesten sei darin nach seiner Meinung ein Russe vorgeschritten. Votier erläuterte dann an Hand von Zeichnungen die ihm vorschwebende «Weltraumrakete" und wagte die kühne Phantasie, wie er sich die Reise von der Erde in den Weltraum hinaus vorstelle. Dieser Teil des Vortrags bewegte sich größtenteils im Reich der Phantasie, aber darin kann man mit dem Forscher einig gehen, daß das Raketenauto und das Raketenflugzeug in nicht allzu ferner Zeik auf der Bildfläche des Verkehrs erscheinen werden.
Eine deutsche Ausstellung in Madrid. Die spanische Gesellschaft der Maler und Bildhauer veranstaltet alle zwei Jahre eine nationale Kunstausstellung anderer Staaten. In diesem Jahr beabsichtigt sie, ihre Räume im Park Buen Retiro Frankreich, Deutschland und Italien zur Verfügung zu stellen. Während es sich für Frankreich und Italien um eine Kunstschau im eigentlichen Sinn handelt, soll Deutschland eineTi Ueberblick über sein künstlerisches Schaffen im Buchgewerbe geben. Unter besonderer Berücksichtigung des schönen und künstlerisch ausgestatteten Buchs wird die deutsche Ausstellung sich in zwei Hauptabteilungen gliedern, von denen die eine alle Veröffentlichungen in beutscher Sprache über Spanien, die andere kunstwissenschaftliche Werke enthalten wird; hierzu kommen Bilder- und Gemäldereproduktionen, handgebundene Bände und eine Auslese belletristischer Literatur, an der 50 deutsche Verlage, einschließlich Oesterreich und die Schweiz, beteiligt sein werden.
Neues europäisches Briefmarkenland. Die kleine Republik Andorra zwischen Spanien und Frankreich in den Pyrenäen wird demnächst einige Briefmarken ausgeben. Der Freistaat Andorra steht unter dem Schutz Frankreichs, hat 12 000 Einwohner und ist 452 Quadratkilometer groß. Die Post besorgte ursprünglich Frankreich und Spanien mit je zwei Beamten, in den letzten Jahren scheint jedoch Spanien allein die Postangelegenheiten erledigt zu haben. Schon 1875 sollten einige Briefmarken erscheinen, doch erhob Frankreich dagegen Einspruch. 1920 sollten die gleichen Marken nochmals verausgabt werden, wieder protestierte Frankreich. Jetzt endlich scheint es aber die Regierung von Andorra doch erreicht zu haben, daß sie einige Marken verwenden darf. Die Verhandlunqen in Madrid zeitigten ein zufriedenstellendes Ergebnis. Das Postwesen soll neu geordnet werden. Als erste Ausgabe werden die Briefmarken von Spanien (mit dem Bild des Königs) mit dem Aufdruck „Andorra" erscheinen. Später folgt dann eine Serie mit Landschaftsbildern.
Abschaffung der türkischen Ziffern. Von türkischen Abgeordneten wird in der Nationalversammlung im Juni d. I. der Antrag eingebracht werden, die bisherigen türkischen Zahlenreihen abzuschaffen und an ihre Stelle die in Europa gebräuchlichen sogenannten arabischen Ziffern zu setzen. Damit soll auch der Uebergang von der türkischen zur lateinischen Schrift eingeleitet werden. Die sogen, arabischen Ziffern, die sich seit dem 13. Jahrhundert in Europa mehr und mehr einbürgerten, wurden durch die in Spanien siegreich vordringenden Araber bekannt. Die Araber selbst haben diese Ziffern von den Indiern übernommen, bei denen sie schon im fünften Jahrhundert n. Ehr gebräuchlich waren. Das Wort Ziffer kommt von dem arabischen sikr, was die Null bedeutet.
Die Grabstätte Napoleons. Die einsame Felseninsel im Süden des Atlantischen Meers St. Helena würde in ihrer Verlassenheit und Verlorenheit längst vergessen worden sein, wenn nicht Napoleon I. einst sechs Jahre lang als Verbannter dort gelebt hätte, bis er am 5. Mai 1821 am Magenkrebs starb. Dort verkümmerte auch Dinizulu, der König der Kaffern, unter deren Speeren Prinz Lulu, der Sohn Napoleons III., hatte verbluten müssen. Auf St. Helena wurden jahrelang die Männer aus aller Herren Länder gefangengehalten, die für die Unabhängigkeit der Buren gegen die Engländer gekämpft hatten. Die Grabstätte Napoleons, die wie sein Häuschen in dem Ort Longwood (St. Helena) nicht mehr der Fürsorge der britischen Regierung untersteht, sondern 1858 in den Besitz Frankreichs übergegangen ist, befindet sich nach dem Bericht eines Berichterstatters der „Times" in einem traurigen Zustand. Die Grabstelle ist nur noch durch eine mehrfach geborstene Betonplatte kenntlich, die von zerbrochenen und verrosteten Eisenstangen eingerahmt ist. Ebenso sieht es in dem Haus aus. Die Wände eingerahmt ist. Ebenso sieht es in dem Haus aus. Die Wände sind kahl, Möbel sind keine mehr da, nur ein Spaten und ein Weinglas sind zu sehen. In einem der beiden Zimmer steht eine verstaubte Marmorbüste Napoleons. Seine Gebeine wurden bekanntlich 1871 nach Paris übergeführt im Invalidendom beigesetzt.
MMserschaden - Naikäsersagen
Wenn die bekannte Regel nicht wie so oft wieder mal zur Ausnahme wird, dann haben wir in d Monat mit einem massenhaften Auftreten der Maikäß rechnen. Mit maikäferreichen und maikäserarmen Jc hat sich die Wissenschaft schon lange beschäftigt. In oeutschland soll die Periode dreijährig, in Norddeutsck meriahrcg und im nördlichen Europa fünfjährig sein.
^ Ausnahmen bestätigt. Kreatur ,st während ihrer Jugend und im
braune Gefahren ausgesetzt wik
braune Gesell, der Maikäfer. Beim Pslüaen werder
freigelegt, und die natürlichen Bundesaen des Landmanns arbeiten noch gründlicher als er selbst K ahen und ihre Vettern, die Dohlen, stolzieren hinter
Pflug emher, und auch die Stare finden sich m Sckare dem leckeren Mehl ein. Und was ihnen noch entwstckt de" anderen zum Opfer; dem Maulwurf der Svik» L-n ^ Fledermaus, dem Dachs und Fuchs der E ^uWuraerndem Kuckuck. Ja selbst der Sperling und dir Finken, beteiligen sich an dem großen My
Das Maikäferstärchen äbers das aus dev großen Schlacht mit dem Leben davonkam, erfüllt nun schleunigst seinen Lebenszweck: die Fortpflanzung seiner Art. Das Weibchen legt „nur" 60—80 Eier und stirbt darauf. Dem einsamen Männchen vergeht darob die Lust am Leben. Gelangweilt treibt es sich noch einige Zeit umher, um dann auch das Zeitliche zu segnen, wenn es vorher nicht schon einem Schnabel zum Opfer fällt.
Vor Jahrtausenden galt der Maikäfer als geheiligte s T i e r. Er war der Liebling der Göttin Freya, und von der Jungfrau Maria berichtet die Legende,, daß sie das Jesuskindlein durch Maikäfer in den Schlaf summen ließ. Ein naher Verwandter des Maikäfers führt bei uns noch heute den Namen „Marienkäfe r". Wenn man in England unfern Vielfraß als Muttergottesvogel bezeichnet, so hat ihn in Deutschland der Volksmund durch Namen wie Marienküchlein, Sonnenkuh und Frauenkühle in Beziehung zu Gott, zum Himmel und zu den Heiligen gebracht. Es sind auch viele Lieder und Verse entstanden, in denen der Maikäfer eine diesbezügliche Rolle spielt. Bekannt ist der Kinderreim: „Maikäfer, flieg, der Vater ist im Krieg." Wird im Mai ein Kind geboren, dann richtet die junge Mutter an das „Gottesschäfchsn" die Bitte: „Gottesschäfchen, behüt meines Kindes Schläfchen. Flieg in den Himmel ein, hol meinem Kind ein Engelein, damit es behüt sein Schläfchen!" Nicht minder glücklich ist die junge Maid, wenn sich ein gefangener Maikäfer auf der rechten Hand niederläßt: sie kann eilends an die Aussteuer gehen. Im umgekehrten Fall dauerts noch ein Weilchen. Und fragt sie errötend: „Du liebes Herrgottsvögetein, werd ich in der Ehe glücklich sein?" so weiß dieser sonst so ausgesprochene Materialist auch in Herzensangelegenheiten Bescheid. Bleibt er sitzen, so wirds eitel Sonne in der Ehe, sucht er schnell das Weite, so ist dies symbolisch für den Ehestand.
Vielseitig wie er nun einmal ist. macht ers auch in Wetter! Hoher Flug — gutes Wetter: „Frauenkühle, steig auf Stühle. Fliege in den Himmel auf, bringe gutes Wetter raus. Sonnenhuhn summt allerwegen, taut und deutlich: Regen, Regen!"
So nimmt es uns nicht wunder, wenn auch abergläubische Kranke das Gottesvögelein befragen, wie lange sie noch leben werden. Bleibt der Maikäfer sitzen, dann hats der Sensenmann noch nicht eilig. Fliegt der böse Käfer davon, dann heißts Abschied nehmen.
Nun werden sie uns besuchen: die „Schuster", die „Müller", die „Franzosen", die „Türken". Wer denkt da nicht an die schöne Kinderzeit, wo man, wenn im „Stall" einige hundert „Müller" untergebracht waren, sich reich dünkte wie ein Krösus. Wo man „Zirkus" spielte oder den Käfer auf die Traberbahn zwängte. Und wo er, falls, er aufgezwungene Pflichten nicht mehr erfüllen wollte, den längst mit lüsternen Blicken zuschauenden Hühnern ausgeliefert wurde.
Viel prosaischer ist der Gärtner. Für ihn hat der einst heilige Käfer, der von unserer Jugend mit Hallo begrüßt wird, absolut nichts Verehrenswertes mehr an sich. Er erklärt ihm vom ersten Tag seines Erscheinens an den Krieg bis aufs Messer. Armer, armer Maikäfer. Dein Leben ist ohnehin schon kurz genug...
Sie sechs NsrdpslWge
Den ersten Versuch, den Nordpol durch die Lust zu erreichen, machte der Schwede Andree mit zwei Begleitern am 11. Juli 1897 von Spitzbergen aus in dem Kugelballon „Virgo". Die Strecke von der Abflugsstelle bis zum Po! beträgt in der Luftlinie 1350 Kilometer. Andres hat aber den Pol nicht erreicht; er ist mit den Begleitern verschollen. Wahrscheinlich wurde der Ballon von einem Schneesturm ins Meer herabgedrückt. Das einzige Ueberbleibsel war eine leere Boje, die Andres über dem Nordpol als Siegeszeichen abwerfen wollte; sie wurde 1912 westlich von Spitzbergen aufgefischt.
Am 21. Mai 1925 (Himmelfahrtstag) flog der Norweger Amundsen mit zwei Wasserflugzeugen deutscher Bauart (Dornier-Wal) von der Königsbucht (Kingsbay) auf Spitzbergen ab. Er erreichte am 21. Mai eine nördliche Höhe von 87 Grad 43 Minuten, 250 Kilometer vom Pol; er glaubte am Pol zu sein und ging aufs Eis nieder. Die Flugzeuge wurden sofort vom Treibeis eingeschlossen, und erst nach wochenlangen Anstrengungen konnte eines freigemacht werden, mit dem Amundsen und seine Begleiter am 15. Juni zurückkehrten. Bei Spitzbergen wurden sie von einem Walfischfänger ausgenommen und am 19. Juni nach Königsbucht gebracht. An jener Landungsstelle wurde eine Meerestiefe von 3750 Meter gelotet, Land aber nirgends gesichtet.
Am 9. Mai 1926 gelang es dem amerikanischen Flieger Byrd, von Königsbucht mit einer dreimotorigen Fokker- maschine den Nordpol zu überfliegen; er warf eine amerikanische Flagge ab. Nach einem Flug von 15)4 Stunden landete er wieder in Königsbucht, nachdem er 2300 Kilometer über Treibeis geflogen war. Neuland wurde nicht gesichtet.
In demselben Jahr am 11. Mai flog Amundsen mit einigen- Begleitern mit dem kleinen Luftschiff „Norge", das sein Konstrukteur Oberst Nobile selbst führte, von Königsducht über den Pol nach Alaska, wo das Luftschiff wegen des Fehlens geeigneter Landungsmittel zerschellte. Es wurde festgestellt, daß es zwischen Spitzbergen und dem Pol kein Land gibt. Dann hinderten die starken Sommernebel die Sicht. Als geeignetste Flugzeit wurde April und Mai fest
estellt.
Der australische Flieger Wilkins wollte 1926 im Flug- mg von Point Narrow (Nordspitze Alaskas mit der nörd- chsten Kirche der Welt) starten. Die Ko.fen seines U-nter- ehmens trug der Großindustrielle F o r d. Aber beim ent- heidenden Aufstieg ging sein Flugzeug in Trümmer. Zum Deitenmal stieg er Mitte April 1928 in Point Narrow auf nd erreichte, den Pol überfliegend, und lange bei starkem iebel nach 21^stündigem Flug Spitzbergen. Das fabel- afte „Crockerland", das der Nordpolforscher Peary ge- chen haben will, war nicht zu entdecken.
Am 3. Mai hat nun General Nobile mit dem halb- arren Luftschiff „Jtalia" von Stolp st P. aus den Flug rnächst nach Spitzbergen angetreten. Man nimmt an, datz c über den Nordpol zum sogenannten „Pol der Unzulang- chkeit" vorstoßen will, d. h. zu dem Punkt, der am wei- >sten von allen überhaupt möglichen Ausgangspunkten ent- >rnt liegt. Er liegt 83 Grad 50 Minuten nördlicher Breite nd 160 Grad westlicher Länge und stellt den Drehpunkt ir alle Driften des nördlichen Treibeises dar, ist also ge- nssermaßen der Mittelpunkt der arktischen Drehscheibe. Venn irgendwo unbekanntes Land vermutet werden kann,