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Hatz aus Liebe.
Roman nach dem Englischen von Hugo Falkner.
Copyright by Greiner ^ Comp. Berlin W 30.
Nachdruck verböte».
16 Fortsetzung.
Die Leute zogen ihre eigenen Schlüsse. Einkäufe der verschiedensten Art waren es, die der alte Mann machte. Bücher, Zeitungen, Zigarren, Weine, alten Kognak, was sich an Leckerbissen in St. Remy auftreiben ließ usw. Es konnte kein Zweifel obwalten, ein Herr und eine Dame mußten offenbar auf dem Schlosse leben. Nach und nach aber schwand alle Neugierde, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil sie so gar keine Befriedigung fand und Schloß Fleuris stets von dem Schleier des Geheimnisvollen umgeben war. Man gewöhnte sich, daran, jedes Forschen als nutzlos anzusehen. Wieder ve< Mg eine längere Zeit, da geschah es, daß eine der Bewohnerinnen des Schlosses aus ihrer vollständigen Abgeschlossenheit hervortrat.
Sie war eine stattliche, dunkeläugige Frau von ganz eigenartiger Schönheit. Tiefe Leidenschaft sprach aus ihren Zügen, die dunklen Augen glühten zuweilen in geradezu unheimlichem Glanze.
Sie begab sich häufig nach St. R6my, niemand wußte, sei sie Frau oder Witwe; sie sprach niemals von einem Gatten oder Kindern, aber sie trug einen Trauring und nannte sich Madame St. Ange. Die Leute hatten eine gewisse, vielleicht unerklärliche, bange Scheu vor ihr; sie sprach niemals zu jemand, begegneten ihr Kinder auf der Straße, so rannten sie mit ängstlicher Gebärde davon.
Sie trug stets schwarze Gewänder und ging mit einer ihr angeborenen natürlichen Anmut. Durchwanderte sie die Straßen von St. R6my, so blickte sie weder rechts noch links, sie ging einher, als ob nichts auf Erde» auch nur das allergeringste Interesse für sie besäße. Wer sie eingehender beobachtete, dem entging der Ausdruck wahrhaft tragischen Schmerzes in ihren Zügen nicht. Als sie eines Tages durch die Rue d'Espagne schritt, fiel ein kleines Mädchen wenige Schritte vor ihr quer über die Straße und verletzte sich ernstlich. Das Kind weinte larch trotzdem ging Madame St. Ange nicht auf dasselbe zu, wie jede weichfühlende Frau an ihrer Stelle getan hätte.
Die Leute haßten die Fremde von da an; es verbreitete sich mit Blitzesschnelle die Kunde, daß sie an einem leidenden Kinde mit vollständiger Gleichgültigkeit hatte vorübergehen können.
So ging Jahr um Jahr zur Neige, ohne daß der üble Ruf, in dem Schloß Fleuris stand, abgenommen hätte. Während dieser ganzen langen Zeit hatte Madame Fleuris keinen einzigen Besuch abgestattet, hatte sie nie jemanden bei sich gesehen, keinen einzigen Brief bekommen, war nie in einer Kirche gewesen und hatte, so viel man wenigstens wußte, keinen einzigen Akt der Wohltätigkeit begangen. Niemand erbat jemals ein Almosen von ihr, und im ganzen Orte St. Rämy gab es keine einzige Menschenseele, der sie jemals eine Gefälligkeit oder etwas Gutes erwiesen hätte. Endlich kümmerte man sich auch gar nicht mehr darum, was in dem alten Schloß vorgehe; es hatte alles Interesse verloren.
Der Pfarrer von St. Rsmy, einer der wohlwollendsten, edeldenkendsten Menschen seines Standes, hatte unzählige Male auf dem Schloß vorgesprochen, ohne daß er jemals empfangen worden wäre; endlich schrieb ihm Madame einen kurzen Brief, sie gehöre weder seiner, noch irgendeiner anderen Kirche an, er möge sich die Mühe sparen, sie zu besuchen, da sie durchaus nicht den Wunsch hege, seine Bekanntschaft zu machen. Von diesem Zeit
punkt an mochten die Leute sie noch weniger leiden, ja, man betrachtete sie Mit einer Art banger Scheu.
Auch in St. Hilaire zerbrach sich niemand über die Bewohner von Chateau Fleuris den Kopf. Man wußte, daß das Schloß bestehe, doch wer dort Hause, darum bekümmerte sich niemand. Der Inhaber der Bibliothek hätte jedem die Adresse von Madame St. Ange zu geben vermocht, denn er versah sie häufig mit Büchern, Näheres aber wußte auch er nicht von ihr, ja, er kannte sie kaum vom Sehen, denn der alte Diener versah alles Geschäftliche für sie. Zuweilen ereignete es sich wohl auch, daß Madame St. Auge nach Hilaire sur Rhone kam, dort in der Lesehalle des kleinen Kurortes das Eintrittsgeld zahlte und die Zeitungen las; sie griff dann stets mit besonderem Interesse nach den englischen Blättern, legte sie aber meistens mit einem Seufzer bitterster Enttäuschung wieder weg. Hatte sie dann alle Zeitungen durchgelesen, so griff sie wohl zuweilen nach einem Buche, mochte dasselbe aber auch noch so humoristisch sein, nie umspielte ein Lächeln ihre Lippen.
„Warum kann ich nicht sein gleich anderen Frauen?" wehklagte sie. „Ein Jahr, einen Monat, einen Tag lieben — gleich ihnen und dann kalt und gleichgültig werden, wie sie es sind. Von allen Schicksalen ist eine lebenslange Liebe der herbste Fluch, der ein Frauenherz belasten kann, denn die Männer sind entweder überhaupt empfindungslos oder flatterhaft und schlecht. O Gott, könnte ich mein Leben noch einmal von neuem beginnrn, wie wollte ich es mir dann zur Aufgabe stellen, kein Herz zu besitzen."
Mit großen Schritten ging sie eines Vormittags in dem inzwischen leer gewordenen Bibliothekzimmer auf und nieder.
Auf einem der Tische lag eine englische Zeitung; sie griff nach der „Times". Das erste, worauf ihr Blick fiel, war das Inserat, das sie selbst betraf. Tausend Pfund wurden jedem geboten, der irgendeine Kunde von Lola de Ferras Tode vorzubringen imstande sei; legte man aber gar sicheren Beweis, daß sie noch lebe, so würde der Betrag verdoppelt. Sie wechselte die Farbe, als sie diese Notiz las. ' , , <- .
„Lebend oder tot — was mögen sie wohl von mir wollen?" fragte sie sich; „es muß Bianca sein, die nach mir fahndet."
Dann blickte sie von neuem nach der Adresse, an die man sich wenden solle, im Falle man irgendeine Aussage zu machen habe.
„Lord Fielden oder Herr Shaw, Waterloo — Road, London."
Was sollte es bedeuten, was konnte geschehen sein? Was kann Lord Fielden von mir wollen und wer ist Herr Shaw?
Sie durchblickte sorgfältig dir „Times" und fand das gleiche „Eingesandt" auf jeder Anzeigenseite, sie griff nach den anderen englischen Zeitungen und auch in dielen standen Notizen desselben Inhalts. Sie legte die Hand an die Stirn, ihr schwindelte.
„Es ist eine List Biancas", dachte sie; doch nein, das war nicht denkbar, Lady Allanmore hatte England ja bereits vor langen Jahren verlassen.
War irgend jemand, der sie früher gekannt, gestorben
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Ei» edles Frauenleben.
Roman von Carola Weiß.
Copyright by Greimr L Comp. Berlin W 30.
Nachdruck verboten.
1. Kapitel.
Es war in Ungarn in den Sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Damals sausten noch keine Automobile über die weiten Landstraßen, selbst Eisenbahnen 'gab es nur auf den Hauptstrecken. Man kannte kein Kelephon und keinen Bubikopf. Und doch'schlugen auch tu jener Zeit die Menschenherzen leidenschaftlich zueinander und die Liebe schuf genau so gut ihr Leid wie Heute und wie alle Zeit . . .
' Das war ein einsamer, öder Platz, die Station der Dreßburger Ueberland-Pferdebahnlinie. Es war an einem skalten Dezemberabende, in wilden, kurzen Stößen blies ,ber Wind von Norden, dann wirbelten die Flocken in regellosem Durcheinander um das kleine Wartehäuschen mit dem schneebedeckten Dache und den bleieingefaßten Bcheiben, durch die Helles Licht flimmerte.
Vor dem Häuschen hielt ein Fiaker, aus dem eine Manie stieg. Als sie die Schwelle überschreiten wollte, Llieb ihr Fuß zögernd stehen. Gesang, Geschrei, ein wüstes durcheinander tönte ihr entgegen.
„Ach, es ist nichts, gnädiges Fräulein," sagte der Kutscher, der ihr die Angst vom Gesichte lesen mochte, in schlechtem, gebrochenem Deutsch, „es sind Bauern und Soldaten, die auch mitfahren wollen."
„Dann bleibe ich hier draußen," versetzte sie mit kurzem Entschlüsse.
„Das kann das Fräulein nicht, der Wind wirft das Kräulein um. Es sind zwei Zimmer darin, das Herren- Mble, das ist nur für die feinen Leute bestimmt. Ich Will dem Fräulein den Weg weisen."
, Der gutmütige Kutscher ging voran und die Dame folgte schweigend, denn ein heftiger Windstoß war ihr ums Haupt gefahren und hatte ihr fast das kleine Reise- Hütchen vom Kopfe gerissen.
f.' Me Zimmer, von denen der Kutscher jprsch, lagen in
kurzer Entfernung voneinander und die Türen von beiden standen weit offen. Im ersten saßen Bauern und Soldaten, trinkend, lärmend und zankend. Rauch, Qualm und Branntweingeruch erfüllten den Raum, nahe der Tür war ein Verschlag aus rohen Holzplatten und darinnen standen Wirt und Wirtin mit geröteten Gesichtern und unablässig den Zechenden Getränke verabreichend.
Ein Schauder faßte die junge Dame, sie wandte sich rasch ab und dem andern Zimmer zu. Fünf oder sechs Offiziere saßen in lebhaftem Gespräch um einen Tisch. Es blieb ihr keine Wahl. Ein reiches Trinkgeld lohnte den Kutscher, dann betrat sie das Zimmer und setzte sich an das äußerste Ende, Plaid und Reisetasche vor sich hin auf ein kleines Tischchen legend.
Ihr Eintritt störte natürlich die jungen Herren in ihrer Unterhaltung nicht, sie sahen nach ihr hin und flüsterten sich dann Bemerkungen zu. Zwar ob sie schön oder häßlich war, konnte einstweilen niemand wissen, ein grauer Schleier verhüllte ihre Züge. Daß sie jung war, zeigten die schlanken, geschmeidigen Formen, das Anmutige ihrer Erscheinung.
Der Kellner kam und fragte sie erst ungarisch, und da sie es nicht verstand, deutsch nach ihren Wünschen. Sie bestellte Tee. Da aber ihre Stimme klar und von seltenem Wohllaut war, so wandten sich wieder die Offiziere nach ihr um und starrten sie an.
Bis der kleine Kellner den Tee brachte, saß die fremde Dame schweigend bei dem kleinen bleieingefaßten Fenster und starrte in die Finsternis hinaus, die mit undurchdringlichen Schatten draußen auf Wald und Ebene lag. Da ertönte Säbelgerassel vor der Tür und noch ein Offizier trat ein, von den andern mit lautem Zurufe begrüßt.
Der Eintretende war ein großer, starker, breitschultriger junger Mann mit einem imposanten Haupte, das mit kurzen, krausen Haaren bedeckt war, die Züge des unschönen Gesichts waren derb, fast roh in ihrer regellosen kräftigen Zeichnung. Hinter dichten Brauen blitzten die Augen feurig, fast verwegen.
„Der Teufel hole ein solches Hundewetter!" sagte er mit lauter Stimme und schüttelte sich so ungestüm, daß der Schnee von seinem Reitermantel durch das ganze Zimmer Jog.
und hatte ihr ein Vermögen ausgesetzt?
„Es ist mir gleichgültig," murmelte des Weltalls nützt mir nichts".
sie,
„alles Geld
Was sollte die Notiz bedeuten? Vielleicht hing alles mit Biancas Tod zusammen? Bianca tot! Ihre'Augen glänzten und Helles Rot stieg in ihre Wangen.
Aber ach, die Toten leiden ja nicht mehr, und sie soll leiö^rl
Sie durchsuchte sorgsam die Totenlisten, doch Biancas Name fand sie nirgends.
Sie suchte ihr Notizbuch hervor und notierte sich das „Eingesandt". Sie befand sich in so großer Aufregung, daß sie beschloß, nach Hause zu gehen und vor allem zu überlegen, was zu tun sei. Neugierde hatte niemals zu ihren Fehlern gehört, doch nun verzehrte dieselbe sie nahezu. Weshalb suchte man sie plötzlich nach 16 Jahren?
Die Nacht brach an, sie aber vermochte nicht, zu schlafen; auch dw folgende Tag brachte keine Ruhe. Aus den Tagen wurden Wochen und ihre nervöse Aufregung wollte sich nicht legen, trotzdem brachte sie es nicht über das Herz, zu schreiben und bei irgend jemand aus dem Bekanntenkreise früherer Tage anzufragen, was geschehen sei; das einzige, was sie mithin tun konnte, war, selbst nach England zu reisen, um sich über die Deutung jenes geheimnisvollen „Eingesandt" zu unterrichten.
4. Kapitel.
Wahnsinn war's, zu kommen.
Madame St. Ange entschloß sich rasch und verlor keine Zeit, um ihre Pläne auszuführen. Es war schon viele Jahre her, seit fie England zuletzt gesehen, und die Gefahr, daß man sie wiedererkenne, war nicht groß, trotzdem dünkte es ihr, als sie vor einem Spiegel stand und ihre ganze Erscheinung musterte, als sei die Zeit glimpflich mit ihr verfahren. Die frischen Farben waren allerdings dahin, der Kummer hatte seine merklichen Spuren in ihrem holden Antlitz zurückgelafsen, die vollen Lippen waren kalt und hart geworden, doch nichts vermochte ihrer Erscheinung die angeborene Vornehmheit zu rauben; das dichte Haar umrahmte immer noch in üppiger Menge ein schönes, interessantes Gesicht. Wer sie in der Jugend gekannt, der konnte immer noch die schöne Lola de Ferras in ihr erkennen.
Es blieb nichts übrig, als sich zu verkleiden, so sehr ihr stolzer Geist sich auch gegen den Gedanken aufbänmte, in anderer Gestalt, als der ihr angeborenen, in das Haus ihrer Jugend zurückzukehren; es blieb nichts anderes übrig, wollte sie erforschen, um was es sich eigentlich handle.
„Ich muß den letzten Rest meiner Schönheit opfern," sagte sie sich, „doch das tut nichts, sie hat mir nicht viel Heil gebracht".
Nachdem Madame St. Ange zu diesem Entschlüsse gekommen, machte sie alle die zu diesem Zwecke erforderlichen Einkäufe, und als sie nach zwei Stunden !br Gemach verließ, war die Täuschung eine vollständige. Ein« weißhaarige alte Frau, mit bleichem, gefurchtem Antlitz, s« stand sie da. Es war ihr kein kleines Opfer gewesen, die prächtigen dunklen Haarflechten abzuschneiden, doch fie hätte in keiner andern Weise vermocht, dieselben unter der weißen Perücke zu verbergen, die sie nun tragen mußte.
kleidete sich ganz in Schwarz, verhüllte das Antlitz mit einem dichten Schleier und rief dann ihren getreuen belgischen Diener; mochte er auch noch so herrisch und unnahbar sein gegen andere, ihr gegenüber war der Mann ein ergebener, gehorsamer Sklave.
„Ich verreise, um einen Besuch zu machen," erzählte sie ihm; „es ist mir unmöglich, zu bestimmen, wie lange ich sortdieive-, Sie werden hier zurückgelafsen, um genau so Haus zu halten, als ov iS, lner sei, vis zu meiner Rückkehr. Vielleicht bleibe ich Wochen-, vieners-r nv^naielanz in der Ferne, ich vermag den Zeitpunkt, wann ia, rn Fleuris erscheine, nicht genau zu bestimmen."
„Guten Abend, Endre, wie kommst du hierher?" wandte > er sich dann an einen jungen, schlanken Mann mit einem hübschen, freundlichen Gesicht, den er herzlicher als alle anderen begrüßte.
„Ich bin auf Urlaub zu Hause, Geza," versetzte der Major, Graf Endre Palsy.
„Und ich komme auf Urlaub," bemerkte Geza. „Und die andern Herren hier?" wandte er sich dann fragend an diese.
„Wir waren zum Manöver in Preßburg."
„Und sind alle verdammt, auf der verfluchten Pferdebahn nach Hause zu fahren," sagte Geza, der Neueinge- tretene. „Da muß man sich vorher mit etwas stärken. Die Kameraden trinken Bier, ich will Warmes bestellen... He, Julko!" rief er mit einer Stimme, die wie leiser Donner durch die Stube rollte. „Einige Flaschen Grog und reine Gläser dazu, und alles in zehn Minuten auf den Tifch! Du kennst mich, ich gehöre nicht zu den Geduldigen und nicht zu den Sanften."
Daß er nicht zu den letzteren gehörte, zeigte die Bewegung, mit der er sich auf seinen Platz niederließ, dröhnend und breitspurig, und zwar so, daß er der fremden Dame den Rücken zuwendete, ohne ihr die geringste Beachtung zu schenken; er hatte sie offenbar nicht bemerkt.
„Was macht meine Mutter, Endre? Du warst gewiß im Schlosse."
„Deiner Mutter geht es, von ihrer Augenschwäche abgefehen, ganz gut," erwiderte Endre, „ich sprach sie erst gestern. Daß du erwartet wirst, Geza, davon wußte ich nichts, wenigstens sagte mir deine Mutter kein Wort davon."
„Ich werde auch nicht erwartet, ich komme, wie ge- wöhnlich, ganz unerwartet."
„Dafür wird aber bei euch im Schlosse Cillag! eine ganz andere Person erwartet. Hat drr deine Mutter nichts davon geschrieben?"
Geza sah den Major an. ^ ....
(Kartleünng folat.l