Und Madame hielt Wort; am folgenden Morgen wur- den alle ihre Bekannten durch Schreiben überrascht, in denen Madame de Ferras ihnen mitteilte, daß sie plötzlich habe abreisen müssen und ihre und Lolas schriftliche Grüße übersandte.
Die Kunde ihrer Abreise war bald in der ganzen Umgegend verbreitet; Sir Karl "vernahm sie schweigend, Bianca unter heißen Tränen. Von Lolas wildem Racheschwur hatte Sir Karl seiner Braut kein Wort gesagt.
Dritter Teil.
1. Kapitel.
Der «nerwartete Brief.
Zwei und ein halbes Jahr waren vergangen, seit Karl o. Allanmore Lady Risworth geheiratet und sie eingeführt in sein stattliches Heim in Scarsdale. Die Hochzeit war in aller Stille gefeiert worden, Bianca hatte nichts davon wissen wollen, daß ihre zweite Vermählung mit dem gleichen Pomp begangen werde, wie die erste, ja sie durfte nicht einmal in derselben Kirche gefeiert werden wie jene. Sie meinte, es würde ihr dies kein Glück bringen und überdies war ihr die Erinnerung an die Vergangenheit peinlich.
Ihr Vater, der sich in den letzten Jahren sichtlich verjüngt hatte, krachte sie also nach London, wo Sir Karl sich zu ihnen gesellte und sie in aller Stille getraut wurden; dann begab sich das junge Ehepaar nach der Insel Whigt, von wo es aber bereits nach Ablauf einer Woche in Scarsdale seinen Einzug hielt, denn Bianca wollte nicht länger von ihrem Kinde getrennt sein.
Es war der jungen Frau anfangs eigentümlich, in derselben Gegend und doch in einem anderen Heim zu leben; aus den Fenstern ihres Wohnzimmers konnte man den Turm von Deeping Hurst sehen und da Sir Karl meinte, seine angebetete Gattin werde gerne zeitweise Hinüberblicken nach dem ehemaligen Heim, in dem sie doch auch manche frohe Stunde erlebte, in dem ihr Kind das Licht der Welt erblickt hatte, ließ er mehrere der alten Bäume aushauen, damit Deeping Hurst besser sichtbar sei.
Die durch Madame de Ferras' so plötzliche und unerwartete Abreise hervorgerufene Aufregung im Kreise der Bekannten hatte sich bald gelegt; man glaubte, sie habe sich aus politischen Gründen entfernt, niemand ahnte, wie froh Sir Karl und Lady Allanmore über die Abreise von Mutter und Tochter waren.
Sie lebten still und zurückgezogen, die beiden jungen Leute, die sich schon so lange geliebt; alle Welt freute sich ihres Glückes, das man selbst, ohne die Verhältnisse näher zu kennen, leicht in ihren Mienen las.
Eines Tages legte Bianca zärtlich die Arme um den Nacken des geliebten Gatten und flüsterte:
„Karl, mein Karl, dies ist zu schön, um von Dauer zu sein, unmöglich bleibt es sol"
„Weshalb, Bianca?"
„Unser Glück ist vollkommen und das wird uns armen Sterblichen dauernd nicht zu teil."
„Soll ich irgend etwas tun, um dir ein wenig Kummer zu bereiten?" fragte er mit fröhlichem Lachen. „Soll ich etwa mich darauf verlegen, einer der Damen aus der Nachbarschaft den Hof zu machen oder soll ich versuchen, ungeduldig und zänkisch zu werden?"
„Nein, Lieber, nicht."
Sie saßen in einer Laube, an der der wilde Wein üppig emporwuchs; Karl zog die holde Gestalt des Weibes an sich; das Geständnis ihres Glückes hatte ihn namenlos gerührt.
„Bist du wirklich so sehr zufrieden, meine Bianca?"
„Fast fürchte ich mich, auszusprechen, wie sehr, ach, ich kenne keinen Schatten von Sorge, ich hege keinen einzigen unerfüllten Wunsch."
Sie sprach wahr; an der Seite des Grafen Risworth war sie glücklich gewesen im Bewußtsein erfüllter Pflicht, jetzt aber, dem Manne vermählt, den sie liebte, und der seinerseits sie anbetete, kannte ihre Seligkeit keine Grenzen; die einzige Wolke, die jemals ihre Stirn beschattete, wurde durch den Gedanken hervorgernfen, daß es nicht immer so währen könne. Im Kreise ihrer Bekannten selbst war ihr niemals ein Glück vorgekommen, ähnlich dem ihren; Krankheit, Tod oder Unfrieden irgendeiner Art hatten allerorts störend eingegriffen, so daß sie jetzt schon mit nervösem Bangen der Stunde harrte, in der auch ihr Himmel sich umdüstern werde.
Ihre Ehe war durch eine kleine Tochter gesegnet worden; anfangs hatte es ihnen ein klein wenig leid getan, daß i:s kein Knabe sei, doch Sir Karl erklärte gar bald, eS könne nicht genug verjüngte Ebenbilder der Mutter geben; sie nannten die Kleine Gertrud.
„Ich würde dem Kinde gerne deinen Namen geben, aber er ist nicht gänzlich loszulösen von einem leisen Anhauch von Schwermut", meinte Sir Karl, „und das Kind soll nur Sonnenschein und Frohsinn kennenlernen. Das eine aber ist gewiß, meine Bianca, daß, so lange ich lebe, kein Schmerz dir jemals nähertreten soll, den ich dir sern- zuhalten imstande bin."
Die Kleine erhielt also in der Taufe den Namen Gertruds und nächst seiner Frau war sie es, die Sir Karls Seele erfüllte, wiewohl er keinerlei Unterschied in seinem Benehmen zwischen ihr und Käthe machte, die auch in der Tat seinem Herzen kaum weniger nahe stand, als das eigene Kind.
Der alte Baron v. Cliefden lebte auf und verjüngte sich in dem Glück seines Kindes; wäre Karl sein eigener Sohn gewesen, er hätte ihm kaum mehr Aufmerksamkeit und Liebe erweisen können; er wußte, daß seine Frau sich stets innig freute, wenn sie den alten Vater sehen konnte; so geschah eS denn, daß er zur Sommerszeit sich oftmals sehr zeitig erhob, hinüberfuhr nach White Cliffe und den alten Herrn herüberholte, so daß, wenn Bianca im Früh- stückszimmer erschien, ihr Vater sie begrüßte; das früh- liche Lachen, das dann von ihren Lippen erscholl, dünkte seinem Ohr die süßeste Musik. Nicht einen Mitzton gab es, der störend eingegriffen hätte in die Harmonie dieser Häuslichkeit. '
Scarsdale war, darin stimmte die ganze Nachbarschaft überein, daS angenehmste Haus, das sich nur irgend denken ließ. Der neue Besitzer von Deeping Hurst teilte
diese Ansicht und gehörte zu den häufigsten Besuchern von Scarsdale, wo er stets die liebenswürdigste Aufnahme fand.
Lady Fielden hatte in Erfahrung gebracht, daß Madame de Ferras nach langer bösartiger Krankheit in Heidelberg gestorben sei; sie hatte Lady Fielden als Andenken eine Brosche hinterlassen, die diese oftmals an ihr bewunderte, und Lola sendete ihr das Schmuckstück durch die Post. Dieser Zwischenfall brachte den Leuten die HtMigen Bejvohner von Beaulieu abermals in den Sinn
und man sprach mehrere Tage hindurch von ihnen. Das Haus war bereits seit Jahresfrist abgesperrt und gänzlich verwahrlost, nicht einmal eine einzelne Dienerin, die über den Garten die Aufsicht geführt hätte, hauste darin; es sollte verkauft werden und ging auch bei der öffentlichen Versteigerung, die alsbald erfolgte, an einen reichen Fabrikanten über, der hoffte, sich Einlaß in der vornehmen Gesellschaft verschaffen zu können, wenn er nur erst einen Herrensitz der Umgegend sein eigen nennen konnte.
Weitere Kunde über Lola vernahm man nicht und so geriet nach und nach selbst der Name de Ferras in Vergessenheit. Eine Zeitlang nach dem Tode der Madame de Ferras war es Bianca stets zu Mute, als ob nun das Damoklesschwert niedersinken müsse, das über ihrem Haupt schwebte: als aber Woche um Woche verging, ohne daß sich irgend etwas Besorgniserregendes zugetragen hätte, so schalt sie sich selbst feige und beruhigte sich nach und nach.
Käthe war nun bereits fünf Jahre, Gertruds zählte deren noch nicht ganz zwei.
Eines schönen Sommermorgens war es, als der Baron zu früher Morgenstunde hinüberfuhr nach White Cliffe.
„Der Tag ist wunderschön," sprach er zu Herrn von Cliefden, „Bianca wird ihn weit besser genießen, wenn du zugegen bist, komm, laß dich von mir zum Frühstück hinüberfahren."
Der alte Mann war gern bereit, ber Einladung Folge zu leisten; sie fuhren zusammen nach Scarsdale. Während der Fahrt streifte Sir Karl einmal seinen Handschuh ab und sein Schwiegervater bemerkte bei dieser Gelegenheit einen kostbaren Ring, den er trug; er erwähnte die seltene Schönheit des Kleinodes.
„Ein Geschenk meiner Frau," entgegnete Sir Karl mit stolzem Lächeln, auf den Prächtig funkelnden Rubin weisend, in den aus Brillanten eine kleine weiße Rose eingelegt war.
„Ich nannte sie die weiße Rose und zur Erinnerung an jene glückliche Zeit schenkte sie mir den Ring."
„Welch reizende Ueberraschung!" rief Bianca, als sie ihres Vaters ansichtig wurde; „ach, ich sollte wissen, was Karl im Schilde führt, wenn er gar so zeitig fortsährt; nun müssen auch die Kinder an dem gemeinsamen Frühstück teilnehmen."
Lachend erklärte Sir Karl, daß seine Fran die kleinen Mädchen unverantwortlich verwöhne, und Bianca wies diese Anschuldigung von sich und dem Gatten zu.
„Heute ist ja die Post ergiebig," meinte der Baron, indem er die große Brieftasche öffnete, die der Bote von der nächstgelegeneu Eisenbahnstation gebracht hatte; „Hier ist ein Brief von Lady Fielden, vermutlich iv.'gendeine Einladung für dich Bianca".
Sir Karl selbst erhielt auch mehrere Briefe, teils ge- schäftucher Natur, teils von Freunden.
„Ich muß gestehen," sprach er, lächelnd um sich *>'ckend, „daß ich mich stets freue, wenn ich recht viel Briefe erhalte".
Ta fiel sein Blick plötzlich auf ein kleines, von Damenhand adressiertes Schreiben und sein Antlitz nahm einen ernsten Ausdruck an, seine Lippen bebten. Rasch griff er danach und las-:
„Ich muß Sie sehen, ich nehme keinen ablehnenden Bescheid an. Meine Mutter ist tot, ich fühle mich einsam, verlassen und namenlos unglücklich. In längstvergangenen Tagen gaben Sie vor, Freundschaft für mich zu hegen, bei dieser vielleicht doch noch in Ihrem Herzen schlummernden Empfindung, bei dem Andenken an meine tote Mutter be- schwi re ich Sie, geben Sie mir die Möglichkeit, mit Ihnen zu sprechen. Ich will das Haus nicht betreten, in dem die Frau lebt, die mir Sie geraubt; ich habe eine Gunst von Ihnen zu erbitten, treffen Sie mich heute abend es ist zum letzten Mal, daß ich etwas von Ihnen erflehe. Sagen Sie Bianca nichts von diesen Zeilen; um acht Uhr abends werde ich heute an der weißen Pforte sein, die nach dem Walde führt. Kommen Sie zu Lola."
„Ich dachte, die Vergangenheit sei abgeschlossen. Was kann sie von inir wollen? Das Mädchen ist eine . . ."
Doch er vollendete den Satz nicht; unwillkürlich gedachte er der Zeiten, in denen er ihr Freund gewesen; Mitleid lebte in seinem Herzen für die Mutterlose, Verwaiste. Was sie aber von ihm haben wollte, das wars, was er nicht verstand und was unausgesetzt seine Pyantasie
beschäftigte. Etwa Geld? Litt sie Not? Nicht denkbar, Madame de Ferras war nicht mittellos und Lola ihr einziges Kind. Ihm wäre es ja eine Erleichterung gewesen, wenn er mit Geld für immer sich hätte den Frieden erkaufen können. Er wollte keinen Schritt tun, ohne Bianca davon in Kenntnis zu setzen; seufzend blickte er empor; ihm war es, als lege sich mit einem Male eine Zentnerlast auf sein Herz. Die rote Rose hatte in seinen Augen stets Dornen gehabt, an denen man sich wund riß.
Die Augen seiner Frau hatten schon seit einer Weile unverwandt auf ihm gehaftet, ohne daß er sich dessen bewußt gewesen wäre.
„Ein Seufzer, Karl, und welch schwerer," lächelte sie, „was ist geschehen und von wem ist dieser Brief?"
Sein erster Impuls war gewesen, ihr altes zu sagen, sein zweiter, ihr fernzuhalten, was nur irgend möglich sei; es konnte ihr nur Schmerz bereiten und führte zu nichts. —
cknwrllkürlich entsann er sich Biancas abergläubische Befürchtungen, daß ihr Glück zu groß, um von Dauer z sem; unwillkürlich legte er die Hand auf Lolas Brief nein, er wollte Bianca nichts davon sagen, ihr aber eni ging es nicht, dag er bleich und aufgeregt sei.
„Du hast schlimme Kunde erhalten, Karl?"
„Nein, Geliebte, gar nichts von Belang."
„Zeig' mir doch den Brief, den du meinen Blicke zu entziehen bestrebt bist."
Der Vater blickte überrascht empor; welch fremdartige Klang hatte mit einem Male die Stimme seiner Tochtei Sir Karl kämpfte sichtlich mit Verlegenheit; er wußti kr das Schreiben seiner Frau einhändigti c-i Elend fühlen, alle erdenklichen Schrecknisse bc
die friedliche Weihe des Glückes wic ^ immer von der Schwelle des Hauses
leickct'^ Verlangen ab. so war sie viel leicht verletzt und wähnte, er babe irgend ein Gebeimni- das er ihr vorenthalte. Er suchte einen Ausweg indem e gleichgültiger Gebärde den Brief in die Taicke steckt und Bmn.» „ w.,d- ,h- d-nlLn ,Z!? jL!
„Ist er von Wichtigkeit?" fragte sie.
fälli'Ait.E"' Nachbar bittet um eine kleine Ge
Wie es gekommen, sie wußten es nicht, aber aller Sonnenschc'n schien plötzlich dahin. Nach dem Frühstück unternahm man eine größere Spazierfahrt, doch Sir Karls Scherze waren karg, ja, er vergaß sogar zu lächeln. Unwillkürlich beschäftigte ihn nur der Gedanke, was Lola von ihm wollen könne, der bange Zweifel, ob er besser daran tue, Bianca von dem Ansinnen ihrer Jugendfreundin zu erzählen oder es zu verschweigen. Er sah das holde, glückstrahlende Antlitz seines jungen Weibes vor sich. Sollte er, wenn auch nur für Augenblicke, den Frohsinn aus diesen teuren Zügen bannen müssen? Nein und tausendmal nein! Andererseits bereitete der Gedanke, ein Geheimnis vor der Geliebten haben zu sollen, ihm namenlose Qual. Der Kampf zwischen dem Wunsch, ihr Schmerz zu ersparen und dem Sehnen, sich rückhaltslos aus- sprechen zu können, verschaffte ihm einen peinlichen Tag.
„Welches Datum haben wir heute, Karl?"" fragte Bianca, als fie zusammen nach dem Gabelfrühstück in der Bibliothek standen.
„Den zehnten Juni."
„Nun, ich will des Datums stets eingedenk sein," lachte sie, „denn es ist der erste Tag unserer Verheiratung, an dem du mir ärgerlich oder gelangweilt erscheinst."
„Weder das eine, noch das andere, Bianca!"
„Doch, Kart, und in meinen Augen kannst du dir gar kein größeres Vergehen zu Schulden kommen lassen, denn ich höre so gern dein Lachen. Was ist dir den ganzen Tag über gewesen? Selbst Papa hat es bemerkt, er jagte mir, daß er fürchte, du seist unwohl."
Sie fuhr ihm leise und liebkosend mit der Hand über vic Stirn.
„Das ist eine ganz neue Falte, Karl, hier zwischen den Brauen. Ich bemerke dieselbe heute zum ersten Mal, wo- ourch ist sie hervorgerufen?"
„Ich weiß nicht, jedenfalls liegt es in deiner Macht, ledwede Falte alsbald zu verscheuchen; küsse sie und wie ourch magische Berührung wird sie verschwunden sein."
'Sie berührte mit ihren vollen frischen Lippen seine Stirn; ach, wie gerne hätte er sie in seine Arme gezogen und ihr all sein Leid geklagt. Wie haßte er im gegenwärtigen Augenblick Lola, die sich zwischen ihn und seine Frau stellte, die all diese lästige Mißhelligkeit heraufbeschworen; mit dem scharfen Äuge der Liebe erkannte Bianca, daß Karl bestrebt war, etwas vor ihr zu verbergen, aber was?
„Karl, du hast ein Geheimnis vor mir, du willst mir etwas nicht sagen, aber es soll dir nicht ckelinaen. Fcb lese deine Gedanken, sag mir lieber, was du hast, denn auf die Dauer bist du ja doch nicht imstande, mir vorzuenthalten, was dich quält."
„Mein geliebtes Weib, ich werde niemals ein Geheimnis vor dir haben!" Und er dachte, wie er sprach; es lag in seiner Absicht, Bianca jedes Wort des Zwiegesprächs zu wiederholen, das er mit der Französin haben würde. Er nahm Bianca in seine Arme und küßte sie mit einer Innigkeit, wie er sie vielleicht noch niemals an den Tag gelegt.
„Wir sind nun schon so alte Eheleute und doch küßt du mich, als wären wir kaum zwei Tage vermählt", lachte sie.
„Mein geliebtes Weib, du wirst mir eben mit jedem Tag teurer."
„Wirklich, Karl? Ach, unser Glück ist zu vollständig, als daß es währen könnte."
Bianca ließ sich mit Worten und Liebkosungen einigermaßen beruhigen, doch völlig wollte es ihm nicht gelingen.
Vater und Tochter hatten später noch ein Zwiegespräch zusammen und der Baron konnte nicht umhin, zu bemerken, vaß Karl nicht ganz wohl sein müsse, er habe einen schmerzlichen Zug im Gesicht, der nur von Physischem Leid herrühren könne; trotzdem lachte er über Biancas Ahnungen kommenden Uebels.
„Alle glücklichen Frauen Plagen sich mit derlei Gedanken", meinte er lacheno.
Man speiste an diesem Tage um 6 Uhr, damit Herr v. Cliefden noch bei Hellem Tageslicht nach Hause fahren könne; bei der Mittagstafel aber war das Antlitz des jungen Herrn umwölkter denn je. Der Gedanke, daß Lola ihn gebeten, um 8 Uhr mit ihm zusammenzutreffen, quälte ihn, er hatte ja kaum Zeit, zu Mittag zu essen und mußte dann sofort nach der weißen Pforte im Walde eilen, wollte er rechtzeitig dort eintreffen. Und doch war er zu der Ueberzeugung gelangt, es fei klüger, wenn er ihrem Wunsche Folge leiste; tat er es nicht, so kam sie vielleicht ins Haus und versuchte, ihn zu sprechen und wenn ihm auch im Grunde genommen nichts daran gelegen war, so wollte er dies wegen Bianca doch gerne vermieden wissen. Es war das erste Diner, seit Scarsdale eine junge Herrin besaß, das von den Teilnehmern schweigsam genossen wurde; sowohl Bianca als ihr Vater fragten sich im stillen verwundert, was denn nur geschehen sein könne, um Sir Karl so gänzlich umzuwandeln.
„Fährst du mich heim, Karl?" fragte der Baron, als das Dessert auf den Tisch kam.
Das Blut stieg dem jungen Manne zu Kopfe und er hätte sich doch so gerne beherrscht, denn er fühlte, wie die Blicke der Seinen verwundert auf ihm ruhten.
Bianca sah ihn an und lachte, der Baron aber fühlte sich beunruhigt; — sollten Tage der Angst und Sorge herannahen für sein Kind?
„Es tut mir unendlich leid, aber ich kann dich heute wirklich nicht heimfahren, ich muß in Geschäftsangelegen- heiteu jemanden sprechen."
„Soll ich dich etwas begleiten, es ist mir an einem Umwege gar nichts gelegen," bemerkte der Baron, dem es immer banger ums Herz ward.
„Heute ists das erste Mal, daß du keine Zeit findest, Papa nach Hause zu fahren," rief Bianca verwundert; „wie sonderbar, fall ich es tun?"
Doch Herr v. Cliefden hatte Plötzlich ein unklares Empfinden, als ob es für sein geliebtes Kind besser wäre, wenn es ruhig im Schutze des trauten Heims bleiben würde.
„Nein, mein Liebling; wenn du Hans entbehren kannst, mag er mich heimfahren."
„Gewiß, Hans ist frei", bemerkte der Hausherr mit einem Seufzer der Erleichterung, der seinem Schwiegervater nicht entging.
Nachdem der alte Herr von den Seinen herzlich Abschied genommen, fuhr er heim, nicht geraden Wegs, wie er erklärte, sondern mit einem Umweg über Deeping Hurst.
DÜS Glück (Fortsetzung f°^->
's Glück is a Vögerl,
Ma moant ma hat's schon,
Do wia ma's will fanga,
Da fliagt's Han davon.