Lokales.

Wildbad, 15. März 1928.

Wie antworte ich auf Chiffre-Anzeigen? Bezüglich der Chiffre-Anzeigen herrscht bei vielen Lesern noch Un­klarheit hinsichtlich ihrer Behandlung durch die Anzeigen- Verwaltung. Viele Leser glauben nämlich, sie könnten durch eine Anfrage bei der Schriftleitung oder der An­zeigenverwaltung die Adresse des Anzeigenaufgebers er­fahren. Das ist durchaus nicht der Fall. Wer eine Chiffre- Anzeige aufgibt, hat von vornherein die Absicht, in der Oeffentlichkeit nicht mit seinem Namen hervorzutreten, weil sein Anliegen nur für einen kleinen Kreis ernster Interessenten ist, die sich durch Vermittlung der Anzeigen­verwaltung schriftlich an ihn wenden können. Wer also an einer gelesenen Chiffre-Anzeige Interesse hat, schreibe unter seinem Namen einen Brief an den ihm unbekannten Inserenten und adressiere den Brief nur mit dem im In­serat angegebenen Chiffrezeichen. Diesen verschlossenen Brief stecke man in einen größeren Umschlag, der an dre Anzeigenverwaltung desWildbader Tagblatt adressiert wird. Diese macht den ersten Umschlag auf und leitet dann den inneren Brief (ohne ihn zu öffnen) an den Interessenten weiter, der dann entweder von dem darin enthaltenen Angebot Gebrauch macht oder nicht. Es ist in allen Fällen Sache desjenigen, der inseriert hat, ob er sich mit jenen in Verbindung setzen will, die auf sein Inserat reagiert haben. Die Schriftleitung hat darauf keinen Ein- fluß. Wenn die auf eine chiffrierte Anzeige eingehenden Antworten wie obenangegeben behandelt werden, erfährt auch die Anzeigenverwaltung die Namen der Interessenten nicht. Sie kennt aber den Interesse nten, weil sie ja an diesen die eingehenden Briefe weiterleiten muß, doch darf sie dessen Namen auch auf Anfrage nicht bekannt geben.

Zahlung der Aivilversorgungsenkfchädigung. In ver­schiedenen Zeitungen erschien vor kurzem ein Schriftsatz Zahlung der Ziviloersorgungsentschädigung". Es heißt u. a. darin, daß entsprechende Anträge über die zuständige Ortsgruppe des Reichsbundes an das zuständige Versor­gungsamt zu richten seien. Diese Fassung hat zu Irr- tümern geführt, weil der Anschein erweckt wird, als ob die Ortsgruppe des Reichsbundes eine amtliche Stelle sei und jeder Antrag durch sie eingereicht werden müsse. Das ist je­doch nicht der Fall, sondern die Anträge müssen bei amt­lichen Stellen eingebracht werden.

kleine Nachrichten ms aller Veit

Reichsminisier v. Seudell ist an Kopfgrippe mit hohem Fieber erkrankt. Das Befinden hat sich gebessert.

Reichskanzler Dr. Marx ist von seiner Erkrankung so weit hergestellt, daß er am nächsten Kabinettsrat am Donnerstag wieder teilnehmen kann.

Zuwachs der Reichsmarine. Am IS. März laufen in Wilhelmshaven vier neue Zerstörer der Wolf-Klasse von je 800 Tonnen vom Stapel.

Bayerische Dauernkundgebung. In Bayern haben in den letzten Tagen zahlreiche Notkundgebungen der Bauern stattgefunden. Eine Versammlung der Bauern des Chiem­gaus, die sehr erregt verlief, war von mehr als 6000 Bauern besucht.

Von der Pyramide abgestürzk. Ein englischer Polizist aus Palästina, der seinen Urlaub in Kairo verbrachte, stürzte bei der Besteigung der Cheops-Pyramide (141 Meter) ab und war sofort tot.

Eine Elefankenherde im Babelsberger Forst. Zu einer Filmaufnahme in Babelsberg (bei Potsdam) nahe am Bahnhof war eine Anzahl Elefanten eines Zirkusses ver­wendet worden und rannten davon. Es dauerte mehrere Stunden, bis sie von den Wärtern wieder eingefangen wer- 7m" ^ hatten aber inzwischen in dem Wäldchen

(Park?) große Verheerungen angerichtet.

Französische Zivilisation. In Ludwigshafen a. Rh. wurde ein 17jähriges Mädchen in der Nähe der Kaserne von zwei französischen Soldaten überfallen. Das Mädchen wehrte sich mit allen Kräften, worauf die Franzosen mit Fausten auf sie einschlugen. Auf Einschreiten des Ober­bürgermeisters ließ die Besatzungsbehörde die Verbrecher verhaften.

Einbruchsdiebstahl. In einem Goldwarenqeschäft in Sorau (Bez. Frankfurt a. Oder) wurden durch Einbruch «chmucksachen im Wert von 1000 Mark und 3000 Mark Bargeld gestohlen.

Flugzeugabsturz. In Rochefort ist ein französisches Marineflugzeug aus geringer Höhe abqestürzt. Die zwei den Tod' Marineleutnant und ein Deckoffizier fanden

Italienisches Dekret über Namensgebung. Das römische Amtsblatt veröffentlicht ein Dekret, durch das verboten wird, Vornamen zu erteilen, die das nationale oder das religiöse Gefühl verletzen können. Bei der Zuteilung von Familien­namen an uneheliche Kinder muß außerdem noch vermieden werden, daß irgendein Name einer berühmten Persönlich­keit gewählt oder daß ein Name ausgesucht wird, der irgendeine Andeutung auf die Herkunft des Kindes ent­halten kann. Bei Zuwiderhandlungen ist der Standes­beamte befugt, andere Vornamen oder Familiennamen auszusuchen.

120 Todesopfer in Sankos. Nach dem letzten Bericht der Behörden sind bei dem Erdrutsch in Santos etwa 120 Men­schen ums Leben gekommen. Einige Frauen, die nach 26- stündiger Verschüttung lebend ausgegraben wurden, sind wahnsinnig geworden. Nach dem Urteil der Ingenieure, die die Lage untersuchten, sind weitere Rutschungen zu erwarten, vielleicht werde der ganze Monserrat-Verg zu- sammenstürzen. Man glaubt, daß es notwendig werde, die Bergungsarbeiten einzustellen, um die Rettungsmann­schaften nicht der Gefahr weiterer Erdrutsche auszusetzen. In der Stadt sind Handel und Verkehr lahmgelegt.

Geburtenüberschuß ln Frankreich. Nach einer Aufstel­lung des Arbeitsministeriums betrug die Zahl der Lebend­geburten in Frankreich 1927 741 708 gegenüber 766 266 im Jahre 1926. Die Zahl der Sterbefälle belief sich auf 676 666 (712 858). Für 1927 ist somit ein Geburtenüberschuß von 65 042 zu verzeichnen gegenüber 53 368 im Jahr 1926. Die Zunahme des Geburtenüberschusses ist auf die Abnahme der Todesfälle zmückzusiihren.

Verhaftete Mörder. Unter dem dringenden Verdacht, den Postagenten Karl aus Fall bei Lenggries ermordet und beraubt zu haben, wurden der 21jährige Schäftemacher Kernlinger in München und sein 27jähriger Bruder Sebastian, letzterer wegen Begünstigung, verhaftet.

Hafer als Nahrungs- und Heilmittel. Im Mittelalter war Hafer als Nahrungsmittel für Mensch und Tier sehr bekannt und die verschiedensten Speisen wurden aus ihm hergestellt, während er später fast in Vergessenheit geriet. Erst in den letzten Jahrzehnten hat sich der Hafer wieder mehr Beachtung verschafft, und zwar mehr als Heilmittel, denn als Nahrungsmittel. Die sogenannte Haferkur hat in letzter Zeit große Bedeutung erlangt. Besonders findet diese bei Verdauungsstörungen und bei Zuckerkranken, in­folge Verordnung von Haferschleimsuppen reichliche Ver­wendung. Diese Haferkuren finden um so mehr Beachtung, da sie in vielen Fällen Zuckerkranke vorübergehend von Zucker gänzlich befreiten. Wenn auch noch nicht einwand­frei festgestellt ist, wie derartige Wirkungen zustande kom­men, so steht doch diese Tatsache fest.

Die Fütterung von Haferflocken, gequetschtem oder ge­keimtem Hafer ist Hühnern sehr zuträglich und fast unent­behrlich. Da nun Hafer auch sehr eiweißreich ist, dürfte seine Fütterung, besonders während der Legezeit zu empfehlen sein. Haferflocken roh, wie gekocht verabreicht, sind ein ganz vorzügliches Futter für Kücken und es sollte dieses Futtermittel weit mehr denn bisher gerade Kücken verabreicht werden. Von besonderer Bedeutung ist auch das Wasser von gekeimtem Hafer den Hübnern und be­sonders den Kücken als Tränke zu reichen, da das Wasser sehr gehaltreich ist.

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Man lernl nie aus. Die mittlere Lebensdauer der deut­schen Bevölkerung hat sich von 1871 bis 1910 um mehr als neun Jahre verlängert. Von 1000 Menschen starben 1872 jährlich 30,6, 1913 nur noch 15. Der am dichteten bevöl­kerte Erdstrich ist das Niltal unterhalb deo zweiten Kata­raktes. Er ist etwa so groß wie Belgien oder Pommern und zählt 13 Millionen Einwohner, demnach 414 auf den Quadratkilometer. In Deutschland wohnen 132 Einwohner auf den Quadratkilometer, in Frankreich 71, in Belgien 256, in Rheinland-Westfalen 259 und in Sachsen 311). Die höchstbewohnten Orte der Erde sind: Homle in West-Tibet (4598 Meter), Cerro de Pasco (4598 Meter), Potosi (4069 Meter), beide auf der peruanisch-bolivianischen Hochebene, Ladak in West-Tibet (3600 Meter) und Santa Maria am Stilfserjoch (Alpen 2353 Meter).

Wieviel deutsche Minderheiten gibt es? Die deutschen Minderheiten stehen in schwerem Kampf um ihre Existenz, um ihre Besserstellung, um ihre Rechte. In Elsaß-Loth­ringen sind 1 600 000 Deutsche, in Dänemark, d. h. im ab­getretenen Teil Nordschleswigs ca. 30 000 Deutsche, Estland 25 000, in Lettland 80 000 Deutsche, in Litauen und Memel­land zusammen 100 000, in Polen 1 200 000, in der Tschecho­slowakei 3 500 000, in Rumänien 800 000, in Jugoslawien 600 000, in Ungarn 350 000, in Südtirol 250 000. Im Saar­gebiet und in Danzig kann von deutschen Minderheiten nicht gesprochen werden.

Der Ausbau des Deutschen Museums

Das Deutsche Museum in München, die großartige Schöpfung des Ingenieurs Geheimrat Oskar o. Miller, wird einen Ausbau erfahren, der das Museum zu einem einzig dastehenden Unternehmen auf der Welt macht. Wie Herr v. Miller in einer Pressebesprechung mitteilte, wurde für die gewaltigen Neubauten der Entwurf des Leiters der Akademie der bildenden Künste in München, Geheimrats Bestelmeyer gewählt! Den Anlaß zu den Neubauten gab die Erwägung, daß dem größten technischen Museum der Welt eine entsprechende Bücherei mit etwa einer Million Bände sowie eine umfangreiche Plansammlung beigegeben werden müsse. Die Neubauten umfassen ein stattliches Ge­bäude für die verschiedenen Versammlungssäle (der größte hat 1200 Sitzplätze) und ein Riesengebäude für die Bücherei. Die ganze Anlage an der Isar-Insel umschließt im Rechteck

mit zierlichen Arkaden einen Hof, 8er etwa 10 000 Menschen faßt. Die Kosten der Neubauten sind, auf 7 Millionen ver­anschlagt. Davon hat die Stadt München bereits eine Million, die Großindustrie 500 000 Mark bewilligt, und vom Reich steht ein Beitrag von 250 000 Mark in Aussicht. Wer in Zukunft eine Wasserstraße, eine Brücke, einen Motor oder was sonst immer ausbauen will, braucht bloß in das Deutsche Museum zu gehen, um die aus allen Ländern und Erd­teilen stammenden Pläne ähnlicher Anlagen dort einsshen zu können.

Die feierliche Grundsteinlegung zu den Neubauten soll in Anwesenheit des Reichspräsidenten v. Hindenburg im Herbst ds. Is. stattfinden und in einem Jahr soll der Rohbau fertig fein. Die Bauweise Bestelmeyers erinnert an klassische Vorbilder der Renaissance und hält sich fern von kubistischen oder sonstigen Auswüchsen der Neuzeit.

Nach dem Muster des Deutschen Museums werden jetzt in Neuyork, Chicago und Wasbington ähnliche Museen an­gelegt. Diese amerikanischen Museen haben sich aber nicht von der Versuchung freizuhalten vermocht, die großen In­dustrien Amerikas augenfällig in den Vordergrund zu stellen. So sind aus ihnen sehr stattliche Jndustriemuseen geworden, nicht aber der allgemeinen technischen Volksbelehrung die­nende Anstalten, wie das Deutsche Museum. Auch in Schwe» Len, Rußland und Japan werden Museen nach dem Münch­ner Vorbild errichtet.

Das Ueberschwemmungsunglück von Canon

Die neueren Nachrichten aus Los Angeles (Kalifornien) lassen das durch den Dammbruch des 8 Kilometer langen Wasserstaubeckens bei San Francisquito-Canon verursachten Unglücks weit größer erscheinen, als man nach den ersten Meldungen annehmen konnte. Durch den auf 2 Seiten erfolg­ten Dammbruch wurden 6101,76 Millionen Hektoliter Wasser frei, die sich tosend durch das von steilen Uferwänden ein­gefaßte enge Tal ergossen. Der Damm gehört zu dem Wasserleitungssystem, das das Trinkwasser über 300 Km. weit in südwestlicher Richtung durch die Wüste nach Los Angeles leitet. Mehrere Kilometer unterhalb des Stau­beckens breitet sich ein wellenförmiger Landstrich mit zahl­reichen Farmen und Wohnstätten aus. Saugus, New Hall, El Rio und andere Talorte liegen südlich des Damms. Etwa 500 Menschen wohnten im oberen Tal (Eannon), also in der Nähe des Damms. Diese Wohnstätten sind vollständig verschwunden. Sie sind entweder ganz weggerissen oder unter einer tiefen Sand- und Schlamm­schickt begraben. Mit voller Wucht stießen die ungeheuren Wassermassen gegen das offene Gelände vor. Was sie erreichten, war der Vernichtung verfallen. Die Flut ergoß sich schließlich in den Santa-Clara- und Santa-Paula-Flutz, die furchtbar anschwollen, doch war dem Zerstörungswerk hier eine Grenze gesetzt.

Es war noch nicht möglich, einen Ueberblick über die ganze Größe der Verheerungen zu gewinnen, doch glaubt man, daß über 800 Menschen umgekommen sind. Die Süd- Pazifik-Bahn mußte den Betrieb einstellen, da mehrere Cisenbahndämme und Brücken weggerissen sind. Auf un­übersehbare Strecken ist das Ackerland fortgeschwemmt oder mit Steinen, Sand und Schlamm bedeckt.

Der Unglücksdamm war 182 Meter lang und 68 Meter hoch. Es wird nach den Untersuchungen angenommen, daß das in der Talsperre angesammelte Wasser den Bergaibhang. auf den sich der Westflügel des Staudamms stützte, durch Sickerung unterspült hat, so daß der Berg zusammen­stürzte. Die Meldung, daß der Dammbruck auf ein Erd­beben zurückzuführen sei, findet keine Bestätigung. Ein Erdbeben wurde nirgends wahrgenommen.

An der Unglücksstätte sind 600 Polizisten der Umgebung und 1000 Mann aus Los Angeles zur Hilfeleistung tätig. Das Unglück hat dadurch ein besonders großes Ausmaß ge­nommen, daß die Ueberschwemmung nachts eintrat und die Bevölkerung im Schlaf durch die Fluten überrascht wurde. ,

Sport

Das Ende der Solikuderennen. Die Stuttgarter Solitude-Rennen G. m. b. A. will sich demnächst auflösen, das bedeutet den Schluß der größeren Solituberennen. Bekanntlich konnte eine Einigung zwi- Staat und Stadt über den Ausbau der Rennstrecke nicht erzielt werden. Kleinere Club-Rennen können auch künftig noch abgchal- ten werden.

Ein deutscher Amerikaflug in Vorbereitung. Hnuptmonn a. D. Köhl, der im vorigen Jahr zu der Besatzung der beiden llunkers- maickinen gehörte, die am 14. August in Dessau zum Amerikaflug aufstieaen und über Orland hinaus das offene Meer erreichten, we- a-m stürmischen Regenwetters sich aber zur Umkehr entschließen mußten, trifft jetzt auf dem Flugplatz Berlin-Temvelhof Vor- ^reitungen für einen neuen Amerikaflua mit der Junkersmaschine D 1231.

Hinchclisfe abgeslogen. Der englische Flieger Hinchcliffe ist am 13. März bei günstigem Wetter mit Miß Mackoy in einem einmotorigen .Stinson-Aieseneindecker (Londflugzeug) vom Lon­doner Flugplatz Croydon nach Amerika abgesloqen. Rackmi'tagS 1.30 Uhr wurde das Flugzeug beim Leuchtturm Mizzenbead (Graf­schaft Jork, ürland) gesichtet. Von da ab fehlten weitere Nach­richten.