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Nummer 63

F-tM-Uf 179

Donnerstag den 15. März 1928

Fernruf 179

63. Jahrgang

Einmal elwas Erfreulich« von der Ratstagung

Man mag über die verflossene 49. Tagung des Völker» bundsrats in Gens denken, wie man will, das eine wird man nicht bestreiten können, daß sie wenigstens eine für uns Deutsche erfreuliche Tatsache gezeitigt hat. Deutschland ist in der Beurteilung des Völkerbunds noch nie so verständig- zurückhaltend gewesen, wie diesmal. Es gab keine Gondel­fahrten mit Mondscheinromantik zu besingen wie in Locarno, und es gab kein Frühstück zu zweit in lauschiger Laubs wie in Thoiry. Es gab dafür, soweit man bis jetzt sehen kann, auch keinen deutschen Vertreter, der ein gewickelt wurde, und der sich hinterher sagen lassen mußte, daß er noch gar nicht begriffen habe, zu welchem Zweck er von dem Schauspieler-Staatsmann Vriand eingewickelt worden sei.

Wir Deutschen sind einstweilen nur eine Schein-Groß­macht und als solche gar nicht berufen, sti Gens die erste Flöte zu spielen Wir dürfen also ohne weiteres überzeugt sein, daß wenn dieGroßkopfeten" uns dies Soloinstru- ment in die Hand drücken wollen wirhineingelegt werden sollen. Daß wir das in der 49. Tagung endlich begriffen hatten, scheint für uns der Hauptgewinn aus die­ser Tagung zu sein. Wir standen dermalen ganz und gar nicht im Vordergrund, und wir waren verständig genug, uns weder vorzudrängeln noch nach vorn zerren zu 'lassen. Im Vordergrund stand zweimal Ungarn, und wir müssen ihnen neidlos zugestehen, daß sie eineerste Rolle" in Gens besser zu spielen verstehen als wir.

Bei der Waffenschiebung, die der Hohe Rat an erster Stelle behandelte, war Ungarnder Angeklagte", und man wäre auch mit Ungarn vermutlich weniger säuberlich ver­fahren, wenn hinter Ungarn als Waffenlieferant nicht das schwergerüstete Italien, und wenn hinter Italien nicht das noch schwerer gerüstete und außerdem immer noch recht finanzkräftige England als hoher Gönner und heimlicher Verbündeter gestanden hätten. Frankreich hätte gar zu gern Arm in Arm mit der Kleinen Ententeein Cxempel sta­tuiert", wagte das aber nicht, da es ganz genau wußte, daß es zu gegebener Zeit statt auf den armen Sünder Ungarn auf den Allerweltsstörenfried Italien und seinen Schutzherrn England stoßen würde. So willigte es in das unfehlbare Auskunftsmittel der Vertagung bis zur nächsten Rats­tagung nachdem ein ziemlich plumper Versuch, Deutschland als Sturmbock für französische Interessen zu benutzen, fehl­geschlagen war. Der Versuch war deshalb so plump, weil es ja auf der Hand lag, daß das französische Interesse sich we­niger gegen Ungarn als gegen Deutschland richtete. Daß Deutschland sich nicht zu einer Anklägerrolle mißbrau­chen ließ, zu der andere, wenn schon, denn schon, weit eher berufen waren, ist ein Fortschritt, von dem man nur noch nicht so recht zu hoffen wagt, er möchte mehr als vorüber­gehend sein.

In der zweiten Sache stand Ungarn nicht allein dem Völ­kerbund gegenüber, sondern es war eine ungarisch-rumänische Streitfrage, die den Völkerbund zum 18. Male beschäftigte und die der Hohe Rat auch diesmal wieder nicht zu ent­scheiden gewagt hak. Es handelt sich um die Optanten in den ehemals ungarischen Landesteilen Rumäniens, die für Ungarn entschieden haben und die Rumänien in Anwen­dung der bei den Kriegsgewinnern allgemein so beliebten bol­schewistischen Methode einfach enteignet hat. Der Völker­bundsrat neigte offenbar dazu, der ungarischen Rechks- auffassung zuzustimmen, gekraute sich aber nicht, das offen auszusprechen, und flüchtete auch hier zu seinem alten Äus- kunftsmiktel der Vertagung. Der ungarisch-rumänische Opkankenstreit wird also die 50. Ratstagung im. Juni aber­mals zum 19. Male beschäftigen, und nichts steht im Weg, daß er auch die beiden anderen Tagungen des Jahrs 1928 noch zum 20. und 21. Male beschäftige, bevor ihn das Jahr 1928 mit anderen ungelösten Problemen dem Jahr 1929 vertrauensvoll übergibt.

Noch nie ist es so offen hervorgetreten, wie in dieser 49. Ratstagung, daß der Völkerbund ein Machtwerkzeug der Kriegsgewinner nur gegen die Kriegs­verlierer ist. daß er dagegen selbst gegenüber Mächten zweiten Rangs unter den Kriegsgewinnern ohnmächtig bleibt. Die entwaffneten Kriegsverlierer durch moralischen Ueberdruck der schwerbewaffneten Kriegsgewinner gefügig zu machen und gefügig zu erhalten, dazu ist der Völkerbund vortrefflich geeignet. Eine Streitfrage zu lösen, woran auch nur einer der Kriegsgewinner beteiligt ist, geht über die Kraft des Völkerbunds, ist auch nach dem Willen derer, die sich im Völkerbund ein Machtwerkzeug zur Niederhaltung der Kriegsverlierer geschaffen haben, gar nicht sein eigent­licher Daseinszweck. Man muß es nur wissen, und sich nicht wissentlich selbst darüber hinwegtäuschen wollen, dann ist das Mitspielen in Genf nur mehr halb so gefährlich.

IM an die MeMrg-Mllänins-WeMwze!

Nach Londoner Meldungen soll die deutsche Reichsre­gierung geneigt sein, den von Amerika angebotenen Schieds- und Versöhnungsverkrag anzunehmen, auch wenn Frank­reich ihn ablehnen würde.

Die preußische Regierung beabsichtigt gegen die Bauern- kundgebungen einzuschreiken. ^

Ueber die verhafteten Ingenieure in Südrußland geben die Sowjetbehörden keine Auskunft. Der Fall wird in Ber­lin sehr ernst genommen, da es, wie es scheint, auch der amtlichen Vertretung Deutschlands verwehrt worden ist, mit den verhafteten in Verbindung zu treten, obgleich nach dem deutsch-russischen Berliner Vertrag dies zulässig sein müßte.

Briand hatte eine Besprechung mit dem amerikanischen Botschafter Herrick.

Uebergang der evang.-kheol. Seminare in kirchliche Leitung

ep. Nach zweitägigen, eingehenden Verhandlungen am letzten Montag und Dienstag hat der Evang. Landeskirchen­tag unter der Leitung seines Präsidenten Rocker eine be­deutungsvolle Entscheidung getroffen, indem er einer Vereinbarung zustimmte, die auf Grund des staatlichen Kirchcngesetzes kürzlich zwischen Staat und Kirche über den Uebergang des Tübinger Stifts und der niederen theologischen Seminare in kirchliche Leitung und Verwaltung getroffen wurde.

Nach den Darlegungen des Kirchenpräsidenten wurden diese Anstalten unter den Herzögen der Reformation ge­gründet, aus dem Kirchsngut unterhalten und von Anfang an unter kirchliche Leitung gestellt. Mit der Beschlagnahme des Kirchenguts durch König Friedrich wurden sie aber im Jahr 1806 der staatlichen Schulleitung untergeordnet und erst infolge der neuen Verfassung vom Jahr 1919, die die Entstaatlichung der Kirche brachte, gehen sie jetzt wieder in kirchliche Leitung über. Dies gilt von den niederen Seminaren nur insoweit, als sie Erziehungs­heime sind und der besonderen Vorbereitung auf den Kirchendienst dienen, dagegen bleiben die Semi Vor­schulen den oberen Abteilungen von Gymnasien mit dem Recht der staatlichen Reifeprüfung gleichgestellt und der staatlichen Schulleitung untergeben. Dabei sind die kirchlichen Belange durch die Errichtung einer Seminarstif­tung, der auch ein staatliches Mitglied angehört, und durch Bestimmungen über die Ernennung des Ephorus, der Reli­gionslehrer und des sonstigen Lehrpersonals gewahrt. Das Stift tritt unter kirchliche Leitung und Verwaltung: die wissenschaftliche Ausbildung der Stiftler und die erste theologische Dienstprüfung wird der theologi­schen Fakultät übergeben, wobei aber die Kirchen­leitung im Prüfungsausschuß die Leitung und eine starke Vertretung hat. Die Staatsleistungen an allen theologi­schen Seminaren sind sichergestellt durch Pauschsumme, die sich der Lohn- und Preisbewegung anpaßt: ein Sechstel bis ein Fünftel des Gesamtaufwands muß jedoch aus kirchlichen Mitteln zugeschossen werden. Die kirchliche Benützung der Seminargebäude ist sichergestellt und mit Ausnahme von Schöntal und Maul­bronn auch das kirchliche Eigentum. Mit der Annahme der Vereinbarung steht Kirchenleitung, Kirchentag und Kirchen­volk vor der neuen wichtigen Aufgabe, die Gewinnung und Ausbildung von Kräften für den Kirchendienst in ihre Hand und auf ihr Gewissen zu nehmen.

Die Berichterstatter des Landeskirchentags, Mayer 1 und Reiff, beurteilten das Abkommen überwiegend günstig, wenn sie auch die neuen Rechte der theologischen Fakultät als auffallend und die neuen finanziellen Lasten der Kirche als schwer tragbar beurteilten, so anerkannten sie doch, daß kein lebenswichtiger Belang der Kirche ver­letzt sei und daß der Zusammenhang der theologischen Bil­dung mit dem allgemeinen geistigen Leben gewahrt werde. Auch die Abg. Gaub und Frasch als Seminarleiter und Abg. v. Volz als Vertreter der eoang.-theol. Fakultät schlossen sich dieser Beurteilung an. Letzterer erklärte, daß d>e Fakultät zwar ihren staatlichen Auftrag pflichtgetreu er­fülle, aber sich zugleich als Glied der Kirche fühle, mit der sie stehe und falle.

Widerspruch gegen die Vereinbarung erhob Abg. Voll- m e r, der die niederen Seminare als kirchliche Privatschule^ aufgebaut und der Kirchenleitung einen bestimmenden Ein- ^^.""^e.^cmmensetzung der Fakultät wünschte.

Die Vereinbarung wurde mit überwältigender Mehrheit angenommen und sodann einstimmig eine Erklärung beschlossen, wonach der Landeskirchentag Im Blick auf den Inhalt etwaiger Vereinbarungen gleicher Art mit der katholischen Kirche von der Staatregierung er- der katholischen Kirche von der Staatsregierung er- Be Handlung der evangelischen Kirche Rech­nung trägt. In einigen Wochen wird der Landeskirchentag M Festsetzung des kirchlichen Haushalts wieder einberufen.

Deutscher Reichslag

Das Notprogramm

Berlin, 14. März.

Der Reichstag setzte die Beratung des Notprogramms fort. Reichsernährungsminister Schiele führte zu dem Gesetz betr. die Äerminderung der zollfreien Einfuhr von Gefrierfleisch aus, die Einschränkung sei notwendig, um die Viehzucht wieder einigermaßen lohnend zu machen. Der Bestand an Schlachtvieh in Deutschland stelle einen Wert von 5,5 Milliarden dar und die Landwirtschaft sei in der Lage, den Fleischbedarf voll zu decken. Bei der Verteilung der zollfreien 50 000 Tonnen Gefrierfleisch sollen in erster Linie diejenigen Gebiete berücksichtigt werden, die bisher schon den größten Verbrauch hatten.

Zur Einführung von Einfuhrscheinen für Schweine und Schweinefleisch erklärte der Minister, wenn man die veränderten Geld-, Arbeitslohn- und Steuerverhält­nisse in Betracht ziehe, sei der Zentner Lebendgewicht für Rinder gegen 1913 um 20 gefallen. Wenn dies so weiter­gehe, werden die kleinen Betriebe einen Verlust von 30 Millionen monatlich haben. Die Schweinehaltung stelle einen Wert von 3,75 Milliarden dar und daran seien gerade die kleinen Landwirte, Landarbeiter usw. beteiligt. Der ein­heimische Schlachtviehmarkt liege so darnieder, daß es so nicht weitergehen könne.

Die Vorlage wurde an den handelspolitischen Ausschuß verwiesen.

Bezüglich des Wohnungsbauplans liegen An­träge des Ausschusses vor, daß ein solcher bis Ende 1933 reichender Plan mit einer jährlichen Einstellung von 200 00E Wohnungen vorgelegt werden soll. Der von 1927 geblieben« Fehlbetrag soll durch Ausländsanleihen bis zum Betrag von 350 Millionen gedeckt werden. Die Anträge werden mit großer Mehrheit angenommen.

Neueste Nachrichten

Vorkrag Stresemanns beim Reichspräsidenten

Berlin, 14. März. Der Herr Reichspräsident empfing heute den Reichsminisker des Auswärtigen Dr. Skrese- mann zum Vorkrag über die letzte Tagung des Völker- bundsraks in Genf.

Der Phöbusausschuß

Berlin, 14. März. Der zur weiteren Klärung der Phöbusangelegenheit eingesetzte 15gliedriae Unterausschuß besteht aus je 3 Deutschnationalen und Sozialdemokraten, aus je 2 Abg. des Zentrums, der Deutschen Volkspartei und der Kommunisten und aus je 1 Abg. der Demokraten, der Bayerischen Volkspartei und der Wirtschaftspartei. Der Unterausschuß soll seine Arbeiten noch in dieser Woche beenden.

Die Besoldungsordnung

Skuktgark, 14. März. Der Finanzausschuß nahm einen Antrag Winker (Soz.) mit 10 Ja bei 5 Enthaltungen an, den Bezirksnotaren, die ausschließlich im Grundbuchwesen tätig sind, widerrufliche Zulagen bis zu 600 Mark zu ge­währen. Besoldungsgrupe 5 (4800 bis 7000 Mark) entspricht der Gruppe 3 der Aeichsbesoldungsordnung. In ihr sind die Beamten zusammengefaßk, die in der alten Befoldungs- ordnung besonders herausgehobene Stellen des mittleren Dienstes innehakken. Neu eingefügk sind Beförderungsstelleu für Seminar- und Taubstummenoberlehrer. Gruppe 5 wird im übrigen nach der Vorlage genehmigt. Gruppe 4 c (4800 bis 6000 Mark) enthält nur die Polizeihaupkleuke. Sie wird ohne Aussprache genehmigt. Die Gruppe 4 b (4800 bis 7500), die der alten Gruppe 10 entspricht, hat die Vorlage ab­weichend von der Reichsbesoldungsordnung mit Rücksicht auf die besondere Organisation der württ Behörden beibe­halten. Sie ist die Eingangsgruppe für die akademisch ge­bildeten Beamten des höheren Dienstes. Neu ausgenommen sind die Direktoren der Taubstummenanstalten, sowie nach badischem Vorgang die Landtags- und Ministerialaml» Männer (bisher Oberrechnungsräte).

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Die italienischen Flolkenrüfkungen

Rom, 14. März. Die Kammer hat folgende Forderungen der Marineverwalkung angenommen: Den Neubau von 2 Kreuzern von 10 000 Tonnen, 4 Torpedobooksjägern und von 4 Unterseebooten mittlerer Größe. Italien wird Ende 1931 über folgende moderne Schiffseinheiken verfügen: 4 Kreuzer von 10 000 Tonnen, 4 Aufklärungsschiffe von 5000 Tonnen, 12 leichte Aufklärungsschiffe von 2000 Tonnen, 20 Torpedo­bootsjäger von 1200 und 1400 Tonnen, 25 Unterseeboote, da­von 5 von 1400 und 20 von etwa 800850 Tonnen. Die Mannschaftsstärke betrage 43 000 Mann, darunter 6000 Unteroffiziere.