"wlrdUs „Vorwärts" gesagt.- Wir begrüßen die JnitiNve"8er° Hamburger Eenoßen, die hoffentlich den Zusammenschluß und die Gesundung der Arbeiterbewegung fördern wird. Ungeachtet der politischen Meinungsverschiedenheit der einzelnen Parteien kann ein Zusammenschluß erfolgen, wenn alle Teile sich auf den Boden der proletarischen Solidarität und der kameradschaftlichen Unterordnung unter gemeinsam gefaßte Beschlüße stellen. — Wie die „Rassische Zeitung" erfährt, haben die Hamburger Demokraten auf die Ankündigung einer sozialdemokratischen Annäherung an die Kommunisten an den Vorstand der sozialdemokratischen Partei Hamburg ein Schreiben gerichtet, in dem sie eine klare Antwort fordern, ob die Sozialdemokraten ihre bisherige Regierungskoalition aufrecht zu erhalten wünschen und betonen, daß eine Koalition mit den Kommunisten für sie untragbar wäre, weil der Kredit Hamburgs vollständig untergraben würde.
Unruhen.
Berlin, 12. Okt. Etwa 1000 Personen, die heute Mittag das Rathaus in Schöneberg zu stürmen versuchten, um von dem Bürgermeister die Herabsetzung der Lebensmittelpreise zu erzwingen, wurden von der Polizei ohne besondere Zwischenfälle zerstreut. Auf dem Güterbahnhof in Steglitz wurden etwa 800 Personen, die einen mit Kartoffeln beladenen Wagen umstellten, um ihn zu plündern, rechtzeitig von der Schupo auseinandergetrieben. Gerüchte über Plünderungen von Lebensmitteln in Groß-Berlin sind, wie wir von zuständiger Seite erfahren, völlig haltlos. Ebenso kann von einer Alarmbereitschaft der Schupo keine Rede sein.
Wiesbaden, 12. Okt. Gestern nachmittag kam es hier in der Altstadt und im westlichen Stadtteil verschiedentlich zu Unruhen und Plünderungen. Die Erwerbslosen zogen nachmittags vor das Rathaus und wurden durch eine Abordnung wegen einer einmaligen Beihilfe — man spricht von 10 Milliarden vorstellig. Im Anschluß an diese Kundgebungen stürmten einige Trupps halbwüchsiger Burschen verschiedene Geschäfte und verursachten Zerstörungen und Plünderungen. Die Geschäftswelt, die nichts gutes ahnte, hatte zum großen Teil geschlossen. Die Unruhen auf der Straße dauerten bis zum Abend an, wo es dem scharfen Vorgehen der Polizei gelang, Ruhe und Ordnung wieder herzustellen. Verschiedene Verhaftungen wurden vorgenommen. Die Arbeiter des graphischen Gewerbes sind nun seit Samstag ausständig. Gestern abend sind auch die Bauarbeiter wegen Lohndifferenzen in den Streik getreten.
Frankfurt a. M.» 12. Okt. Heute Abend gegen 7 Uhr kam es iM Stadtteil Bornheim infolge der neuen großen Lebensmittelpreissteigerungen zu Ansammlungen und Ausschreitungen. Mehrere Fenster eines Lebensmittelgeschäfts in der Bergerstraße wurden hierbei zertrümmert, ebenso ein Fenster einer Filiale der Deutschen Bank. Sofort herbeigeeilte Schutzpolizei zerstreute die Demonstranten und stellte die Ordnung wieder her, ohne daß es zu weiteren Ausschreitungen kam. Auch in der inneren Stadt kam es an einer Stelle zu einem Auflauf, der jedoch keinen größeren Umfang annahm.
Höchst a. M., 12. Okt. Die Lage ist hier zur Zeit, um 5 Uhr nachmittags, katastrophal. Es haben Plünderungen eingesetzt. Die Menge drang in verschiedene Lebensmittelund Konfektionsgeschäfte ein und warf die Waren auf die Straßen, um sie fortzuschleppen. Aus Befehl des Kreisdelegierten beginnen Patrouillen durch die Stadt zu ziehen. Dem Vernehmen nach sollen auch im Brüningschloß die französischen Truppen zur Säuberung der Stadt bereit steben. Die Stadtverwaltung hat einen Aufruf an die Bevölkerung erlaffen, in dem sie die Ursachen der heutigen Ereignisse darlegt und die Bevölkerung zur Ruhe ermahnt. Die deutsche Polizei ist zurückgezogen worden. Die Grenze zwischen Frankfurt und Höchst ist seit heute vormittag infolge der hiesigen Vorgänge verschärft gesperrt.
Köln, 13. Okt. Während des gestrigen Vormittags wimmelte .'s wieder von Menschenansammlungen in den verschiedenen Straßen. Die Polizei zerstreute die Maßen. Beim Plündern eints mit Brot beladenen Wagens wurden fünf Plünderer festgenommen. Nachmittags fanden größere Ansammlungen vor
Amtliche Bekanntmachungen.
Verfügung.
Für die Dauer des Ausnahmezustandes wird bestimmt:
1. Jede Neuerscheinung von Zeitungen unterliegt meinet Genehmigung. Diese ist mit genauen Angaben über die Ziele und Zwecke sowie Art und Form des Erscheinens bei mir zu beantragen.
2. Die Herstellung und der Vertrieb von Flugblättern politischen Inhalts sowie Maueranschläge solchen Inhalts sind verboten.
3. Zuwiderhandlungen gegen diese Bestimmungen werden nach §4 der Verordnung des Reichspräsidenten vom 26. September 1923 bestraft.
Stuttgart, den 5. Oktober 1923.
Der Militärbesehlshaber:
Reinhardt, Generalleutnant.
Maul- und Klauenseuche.
Wegen Ausbruchs der Seuche in Langenbrand OA. Neuenbürg fallen die Gemeinden des Oberamtsbezirks Calw in den lö-Km.-llmkreis.
Die Abhaltung der Markte wird verboten.
Lalw, den 12. Oktober 1923.
Oberamt: Vögel, Amtmann.
Bekanntmachung des Ministeriums des Innern, Abteilung für das Hochbauwesen, betr. die Gebühren der Kaminfeger.
Die Gebühren der Kaminfeger, deren Kehrbezirk mehr als eine Ortschaft umfaßt, werden mit Wirkung vom 9. Oktober 1923 an bis auf Weiteres auf das 29,6 Millionenfache
der Festsetzung vom 1. Juli 1919 (Staatsanzeiger Nr. 249 von 1921) bestimmt. Umsatzsteuer darf noch besonders angerechnet werden.
Die Oberämter werden beauftragt, Vorstehendes in den Bezirksamtsblättern zur allgemeinen Kenntnis zu bringen. Stuttgart, den 10. Oktober 1923.
Scheurlen.
der Börse und dem Volkshause statt. Die Ansammlungen vor dem Volkshause (sozialdemokratisches Vereinshaus) wurden durch Einsatz berittener Polizei zerstreut. Eine große Anzahl durch die Hohestraße ziehender Demonstranten wurde ebenfalls zerstreut. Gegen 6 Uhr abends demonstrierten vor dem Direktionsgebäude der Firma Velten und Euillaume in Mühlheim eine große Anzahl Arbeiter. Um die Menge zu zerstreuen, mutzten die Beamten von der Hieb- und Schußwaffe Gebrauch machen, wobei ein Junge durch einen Oberschenkelschuß verletzt wurde. Zahlreiche Personen wurden festgenommen. Auch in Kalk zeigten sich große Menschenmaßen auf den Hauptstraßen. Sie wurden durch berittene Schutzpolizisten zerstreut. Auf der Severingstraße zeigten sich auch abends wieder große Menschenmaßen, die die Beamten mit Steinen und Glasscherben bewarfen. Aus Häusern wurden die Beamten mit glühenden Kohlen beworfen, sodaß sie gezwungen waren, von oer ftieb- und der Schußwaffe Gebrauch zu machen.
Solingen, 12. Okt. Am Donnerstag kam es wegen der Erhöhung des Preismultiplikators für Lebensmittel in den Geschäftsstraßen zu Ansammlungen meist jugendlicher Erwerbsloser. Zwei Geschäfte würben geplündert. Im Postamt wurde das Publikum aus dem Schaltervorraum vertrieben und das von ihm zurückgelassene Geld geraubt. Auch zur gemeinsamen Wegnahme von Geld ist es gekommen. Abends versammelte sich eine größere Menge vor dem Rathaus. Heute vormittag wiederholten sich die Aus- schreitungen. Die Polizei wurde mit Steinen beworfen. Sie machte von der Waffe Gebrauch, wobei einige Demonstranten verletzt wurden.
Elberfeld, 12. Okt. Hier fanden gestern in den verschiedenen Stadtteilen Ansammlungen statt. Zu Ruhestörungen kam es nicht.
Da« Spiel mit dem Feuer.
Berlin^ 11. Okt. Dem „Berliner Tageblatt" zufolge versam,! ;weiten sich gestern in Niederplanitz an der bayerisch-thüringischem Grenze bewaffnete Nationalsozialisten, angeblich, um ihre in! Hirschberg von der thüringischen Landespolizei verhafteten Parteimitglieder zu retten, llm den Uebertritt 'der nationalsozialistischen Trupps zu verhindern, wurde ein Kommando der thüringischen Landespolizei herbeigerufen und auch die Gemeindewehr in Hirschberg alarmiert. Ihr Einsatz war aber nicht erforderlich. Im Laufe der Nacht wurden die Nationalsozialisten durch bayerische Schupobeamte abgelöst. Nach Verhandlungen des Führers des thüringischen Polizeikommandos mit dem des bayerischen rückten beide Polizeiabteilungen wieder ab. Die Hirschberger Arbeiter veranstalteten eine Protestversammlung, in der die sofortige Entfernung der thüringischen Hitlerleute aus den Betrieben gefordert wurde.
Die vaterländischen Vereine für Kahr.
München, 11. Okt. Eine Mitgliederversammlung der vaterländischen Vereine Münchens hat in einer Kundgebung beschlossen, dem derzeitigen Eeneralstaatskommißar ihre positive Mitarbeit zur Verfügung zu stellen.
AnzeM-SchlWWl MM
An» Stadt und Land.
Calw, den 13. Oktober 1923.
Verfügungen des Militärbefehlshabers.
Der Militärbefehlshaber des Wehrkreiskommandos V, Generalleutnant Reinhardt, hat noch folgende Verfügungen erlaßen: 1. Ich verbiete die Bildung von Verbänden, die in der Form von Hundertschaften, Sturmtrupps und dergl. wirtschaftliche oder innerpolitische Ziele erzwingen wollen, ebenso die Aufforderung zur Bildung solcher Verbände und die Teilnahme an denselben. Bereits bestehende Verbände dieser Art sind hierdurch aufgelöst- 2. Zuwiderhandlungen werden nach Paragr. 4 der Verordnung des Reichspräsidenten vom 26. September ds. Zs. betr. die zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung für das Reichsgebiet nötigen Maßnahmen bestraft. 3. Diese Verfügung tritt sofort in Kraft.
Die in den einzelnen Teilen meines Wehrkreises zit Tage getretene unterschiedliche Anwendung des Versammlungsverbots gegenüber vaterländischen Feiern veranlaßt mich, zum Zweck einer in diesem Punkte gleichmäßigen > Handhabung zu bestimmen, daß alle vaterländischen Feiern mir zur Genehmigung angemeldet werden. Ich ersuche, bet diesen Vorlagen dahingehend Stellung zu nehmen, ob und aus welchen Gründen ein Verbot für angezeigt erachtet wird. Rechtzeitige Anmeldung ist erforderlich, die Entscheidung behalte ich mir vor.
*
Dom Rathaus.
Jn-der am Donnerstag stattgefundenen Eemeinderotsfitzung,' wurde der Voranschlag für das Etatsjahr 1022/23 beraten. Während in früheren Jahren die Beratung des Etats viele Stunden dauerte, war in der gestrigen Sitzung die Sache in kürzester Zeit erledigt. Der Beratung standen zusammengestellte Rechnungsergebniffe zu gründe, so daß auf die Einzelheiten der Positionen nicht näher eingegangen zu werden brauchte. Das Ergebnis war nicht ungünstig, es stellte sich noch ein kleiner Ueberschuß heraus, der auf die Betriebsmittel über- i nommen wird. Im Etatsjahr 1923/24 wird der Voranschlag ein ' anderes Gesicht zeigen. Der Vorsitzende, Stadtschultheiß Eöh- ner, wies auf die eingetretenen, vom Städtetag schon längst! vorausgesehene schwere Notlage der Gemeinden hin und übte , scharfe Kritik an den Maßnahmen des Reichs. Es sei dringend
40)
Steffani Drehfa.
Roman von Alexandra v. Bosse.
Da schlug Tante Hermine erstaunt die Hände zusammen: „Was — solltest du wirklich noch so ahnungslos sein, liebster Wilhelm? Ganz Dresden nennt sie doch zusammen! Ganz Dresden spricht heute von nichts anderem!"
„Was — was sagst du da?"
„Aber ich bitte dich, Wilhelm; ist doch nichts Neues! Den ganzen Winter ging das ja schon! Allwöchentlich die gemeinsamen Fahrten nach Dohneck — jawohl! Die Kinder zu besuchen? Lächerlich! Und um ihn ganz zu behalten, hat ja die Steffi es zu verhindern gewußt, daß der Ottokar! sich mit Lotti verlobte, hat ihr dafür den Philipp Werdan aufgedrängt."
Da sprang Lotti auf und rief empört: „Das ist ja nicht wahr, Tante Hermine! Wie kannst du das nur lagen!"
Plötzlich schien es Herrn v. Wagnitz, als ob das Gespräch eine Wendung genommen, die sich für die Ohren eines jungen Mädchens nicht mehr schicke.
„Du, geh hinaus, Lotti! In dein Zimmer!" befahl er. Lotti gehorchte zögernd; ihre Augen füllten sich mit Tränen.
Als die Türe sich hinter ihr geschaffen, herrschte zunächst beängstigendes Schweigen. Steffani war totenblaß. Immer mehr erkannte sie, daß es fast unmöglich war, sich gegen die halben Wahrheiten, die Tante Hermines Anschuldigungen enthielten, zu verteidigen. Wenn man die Hälfte zugeben muß. um die andere Hälfte zu leugnen, ist man ja schon fast so gut wie verurteilt. Dazu lähmte der. Gedanke an den Auftritt, den sie in der Nacht,nach
dem Rennen mit Treben gehabt, ihre Willenskraft. Verstört irrte ihr Blick durchs Zimmer: für den Augenblick machte sie ganz den Eindruck einer Schuldigen.
„Steffani, wie konnte solches Gerede entstehen?" fragte vorwurfsvoll und zugleich drohend ihr Vater.
„Gerede, Vater, leeres Gerede!" sagte Steffani, sich aufraffend.
„Ganz sicher leeres, haltloses Gerede, Wilhelm, glaube das nur!" suchte die Mutter ihr zu Hilfe zu kommen.
„Kannst du mir versichern, daß du an solchem Gerede unschuldig bist?" fragte er.
Nun fiel wieder Tante Hermine ein: „Leeres Gerede? Lächerlich. Wo man Rauch sieht, da ist auch Feuer. Steffi benahm sich eben nicht wie eine anständige Frau, so viel weiß ich. Ilnd was ich weiß, ist Tatsache!"
.. „Steffani!" rief Wagnitz die Tochter an, ihr Schweigen Nicht begreifend.
„Klatsch ist alles!" kam es mühsam über ihre Lippen.
„Klatsch? Na, da verteidige dich doch dagegen!" forderte Tante Hermine heraus und wies mit ausgestrecktem Zeigefinger auf die Nichte: „Sieh sie dir doch nur an, Wilhelm. Verteidigen kann sie sich eben nicht. Wundert mich gar nicht — gar nicht! Welche anständige Frau fährt denn nachts allein mit ihrem Verehrer über Land, wie sie es getan? Und übernachtet hat er dann doch sicher auch bei ihr, in Dohneck! — Skandal!"
„Nein!" rief Steffani aus.
„Wer dir das glaubt!"
„Nein, es ist nicht wahr!" Langsam kehrte etwas Farbe kn ihr Gesicht zurück. Mit ihren klaren Augen sah sie den Vater offen und frei an. dessen Blick streng auf ihr ruhte.
„Du weißt doch, wie es kam, daß ich damals nach dem Rennen mit Ottokarls Auto fuhr. Binchen war erkrankt. Ottokar! brachte mich bis ans Haus, kehrte dann um, alles andere ist nichtswürdige Erfindung, gegen die mich zu verteidigen, ich als unter meiner Würde ansehe."
„Alles verbürgte Tatsachen!" spottete Tante Hermine.
Nun erhob sich Steffani und sagte stolz: „Länger kann ich mich den maßlosen Beleidigungen Tante Hermines nicht aussetzen, darf ich dich darum bitten, Vater, mir den Wagen zu bestellen?"
„Kann sich nicht verteidigen — kann eben nicht, macht sich aus dem Staub!" rief Tante Hermine.
„Erkläre mir wenigstens, wie solcher Klatsch entstehen konnte. Steffani!" sagte Wagnitz.
„Wie aller Klatsch entsteht, Vater, wo es Klatschweiber gibt!" erwiderte Steffani.
„Gar kein Klatsch! Tatsachen! Tatsachen!" rief Tante Hermine. „Außerdem entsteht Klatsch nie grundlos!"
Vergebens hob ihre Schwester beschwörend die Hände gegen sie auf, sie mit Blick und Geberde zum Schweigen veranlassend.
„Wo Rauch aufsteigt, ist auch Feuer!" wiederholte Hermine giftig ihr Sprichwort.'
Da wandte Steffani sich ihrer Widersacherin zu und sagte mit schneidender Schärfe: „Das Feuer zu dem Rauch hast du geschürt! Böse Zungen können auch das Harmloseste verdrehen und zu Verbrechen stempeln. Wer dich kennt, weiß, daß dir nichts schlecht genug ist, um es von mir nicht zu glauben und als Tatsache weiterzuverbreiten! Ich weiß nicht, was ich dir getan habe, daß du mich von jeher mit Gehässigkeit verfolgtest. Ich tat dir meines Wis-