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Nummer 60
Fernruf 17S
Montag den 12. März 1828
Fernruf 179
63. Jahrgang
Die Finger weg von Szenl Gotthard!
Im Mittelpunkt der dermaligen Ratssitzung in Genf steht die Waffenschiebung von Szent Gotthard. Eine Sendung von Maschinengewehren und anderen Waffen wanderte aus italienischen Gefilden gen Ungarn, wurde aber von braven österreichischen Zöllnern angehalten und dem Völkerbund sozusagen „auf den Tisch des Hauses" gelegt. Daß die Oesterreicher so ganz auf eigene Faust vorgegangen sein , sollten, ist nicht recht wahrscheinlich. Aber, wer ihnen ins Ohr geflüstert, irgend eine „höhere Macht" erwarte, daß Oesterreich seine Pflicht tun werde, ist nicht bekannt geworden. Immerhin darf es auffallen, daß die italienische Faszistenpresse gewaltig zu lärmen anhub gegen die Art, die die Kleine Entente den Zwischenfall in der Pariser Presse aufgebauscht habe. Die Pariser Presse soll sich doch lieber um die Waffensendungen von Toulon nach Südslawien kümmern oder um die französischen Waffen, die Italien in Abessinien und Libyen vorgefunden Hobe.
Wir Deutsche haben wahrlich keinen Anlaß, die Geschäfte Italiens gegen seine alten Bundesgenossen wahrzunehmen. Aber warum wir in diesem Fall just die Geschäfte Frankreichs gegen Italien und Ungarn hätten besorgen sollen, das ist auch nicht einzusehen. Vorerst darf man zur Kenntnis nehmen, daß in Paris offenbar starke Enttäuschung darüber geherrscht hat, daß gewisse Richtungen in Deutschland sich nicht wieder freiwillig als Hilfstruppen angeboten haben. Briand ließ also durch seinen getreuen Schildknappen Sauerwein im „Matin" dem alten Locarnogenossen moralisch auf die Schulter klopfen und ihn treuherzig und bieder ungefähr so anzureden: „Gustav Hannemann, geh du voran, du hast die größten Stiefel an." — Deutschland ist gänzlich unbeteiligt an diesem ungarischen Zwischenfall. Welch herrlichen Beweis guten Willens könnte es geben, wenn es laut und sittlich entrüstet die Absendung eines Schnüffelausschusses nach Ungarn forderte! Könnte sich Deutschland würdiger auf die hohe Auszeichnung vorbereiten, selbst- einmal solch einen Schnüffelausschuß des Völkerbunds in Empfang zu nehmen, ein Vergnügen ganz besonderer Art, das ihm Herr Briand in feiner großen Anti-Stresemann-Rede vom 3. Februar bereits in so leuchtenden Farben ausgemalt hat? Ja, wenn Deutschland jetzt Frankreich den Liebesdienst erweise und es auf sich nähme, die Beschnüffelung seines eigenen ehemaligen Verbündeten geradezu zu fordern — so könnte das kaum ohne günstige Rückwirkung auf die Räumung der Rheinlande bleiben.
So ungefähr Herr Jules Sauerwein an die Deutschen, die nicht alle werden, im Namen seines Herrn und Meisters Briand. Cs klingt schier märchenhaft, aber soweit man sieht, hat bisher in Deutschland niemand auf den alten Köder angebissen. Die Anti-Stresemann-Rede Briands scheint also doch einigermaßen aufklärend gewirkt zu haben. In Frankreich ist man darüber so beunruhigt, daß man uns auf bekannten Umwegen nahelegt: doch ja in der Iunitagung des Völkerbunds das Rüumungsthema zur Sprache zu bringen. Worauf vernünftigerweise nur zu erwidern wäre, daß die Räumung der zweiten Zone im Januar 1930 ohnedies erfolgen muß.
Die beiden hauptsächlichsten Mittel des Völkerbunds zur Losung mißlicher Fragen sind bekanntlich dieVertagung im u 2 schuß. Nachdem für die italienisch-ungarische Waffenschiebung eme Lösung, wobei das dumme Deutschland das Odium auf sich nimmt, wohl nicht mehr in Frage kommt, scheint man sich auf eine Verbindung der beiden Hauptmittel geeinigt zu haben: Man setzt einen Ausschuß ein und vertagt. Es sieht so aus, als geschehe etwas. Ohne oaß einem der hohen Mitschuldigen weh getan wird; und Frankreich behält zugleich die Möglichkeit, die ihm so liebe Angelegenheit immer wieder wie Kaugummi langzuziehen. Ein Erfahren, das es mit so schönem Erfolg in Sachen . "usprobiert hat. Heute hat Frankreich die Sicherheit, daß der Volkerbund mit der Frage seiner Sicherheit niemals zu Rande kommen wird, und das ist ihm sicher mehr wert als ein dreifacher Festungsgürtel an seiner Ostgrenze gegen das wehr- und waffenlose Deutschland
Man muß zugeben, es ist Frankreich mit seiner Sicherheit seltsam ergangen. Völker beurteilen andere Völker natürlich nur nach sich selbst. Und die Franzosen hätten es niemals für möglich gehalten, daß die Deutschen die Entwaffnung durchführen würden, weil sie sich sagten: Wir an Stelle der Deutschen hätten das niemals getan. Nun läuft ihre ganze Völkerbundspolit'k darauf hinaus: Wie Verbindern wir es, daß wir Franzosen zur Erfüllung der Gegenleistung für die deutsche Entwaffnung angebalten werden, die wirselb st in das Versa! lle r F r i e - densdiktat h i n e i n g e s ch r i e b e n haben, in der Annahme, sie werde niemals fällig werden? So kommt
daß die Verhandlunaen über die Sicherheitsfraa- für Frankreich eine sehr ernste Bedeutung haben, wenn Mitte Alarz der vorbereitende Abrüstungsausschuß zulammentritt. ->atz zu den Verhandlungen nun auch die Türkei zugezogen werden soll, kann uns Deutschen nur sehr recht sein.
Die Reichsberakungsstelle für Ausländsanleihen, 'die bekanntlich die Auslandsanleiheabflchlen von Gemeinden usw. dem Reichswirlichaflsminifkerium gegenüber zu begutachten hak, wird ihre Tätigkeit demnächst wieder aufnehmen.
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Nach amtlicher Mitteilung ist eine Abänderung des Opiumgesehes in Vorbereitung.
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An Stelle des ausscheidenden Mitglieds der Saarregierung, Lambert, ernannte der Völkerbundsrat den Bürgermeister , der finnischen Hauptstadt helsingfors, Ehrenroth, zum Mitglied.
Das afghanische Königspaar ist in Paris «inkognito" ein- gekroffen. Ein amtlicher Empfang fand nicht statt.
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Die Unterzeichnung des amerikanischen Areigabegesehes wurde verzögert, weil das Gesetz nach der Ansicht Loolidges und des Schahsekretärs Mellon in der Fassung des Parlaments für Amerika weniger günstig sei als nach der ursprünglichen Regierungsvorlage.
Privaknachrichken aus Lissabon zufolge verlassen viele Familien die Stadt, da man neue Unruhen in Portugal befürchte.
Der Völkerbundsrak hat ein Anleihegesuch Portugals „vertagt".
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3m ski-russischen Donezbecken soll eine Verschwörung von Ingenieuren und anderen Angestellten der Gruben- induskrie entdeckt worden srstl, die im Auftrag der früheren Besitzer der Werke die Betriebe durch Brandlegungen und andere Störungen planmäßig geschädigt haben sollen. Es wurden viele Verhaftungen vorgenommen.
Die diplomatischen Vertretungen in China haben bei ibren Regierungen angeregt, die Ein- und Durchfuhr von Waffen in China wie 1919 ganz zu verbieten, da auf andere Weise den unaufhörlichen Bürgerkriegen, die sich nun über das ganze Land ausgebreiket haben, kein Ende gemacht werden könne.
Der Opkankenstreit wieder vertagt
Genf, 11. März. Der Rat hat gemäß dem Vorschlag Chamberlains beschlossen, der rumänischen und der ungarischen Regierung zu empfehlen, in dem Optantenstreit sich im Schiedsgericht zu einigen, ferner soll das gemischte Schiedsgericht (ein Rumäne, ein Ungar und ein schwedischer Vorsitzender) durch zwei neue Richter aus Staaten, die im Krieg neutral blieben, erweitert werden. Rumänien solle seinen abberufenen Richter wieder in das Schiedsgericht entsenden. Die Empfehlung vom 19. September 1927 (s. u.) sei auch weiterhin als nützlich zu erachten.
Titulescu erklärte, die rumänische Regierung werde der Erweiterung des Schiedsgerichts nur unter der Bedingung zujttmmen, daß oas Gericht tm vornherein andie drei Grundsätze von 1927 gebunden werde. Da Titulescu trotz des Zuredens Chamberlains. Vriands und Stresemanns beharrlich hieran festhielt, beschloß der Rat, die Optantenfrage bis zur nächsten Ratstagung zu verschieben. Der Rat hält den letzten Vorschlag Chamberlains aufrecht. Chamberlain gab Titulescu ernstlich zu bedenken, daß Rumäniens Ablehnung einer einstimmigen Empfehlung des Rats gegenüberstehe.
Wie verlautet, wäre man in Völkerbundskreisen nicht abgeneigt, Rumänien die Erfüllung berechtigter Forderungen Ungarns durch eine Völkerbundsanleihe zu erleichtern.
Der Optantenstreit
Worum handelt es sich in dem vielgenannten ungarischrumänischen Optantenstreit, der gegenwärtig den wichtigsten der 34 Punkte der Tagung des Völkerbundsrats bildet, den aber der Rat nach Möglichkeit als sehr heikle Sache wieder von sich abzuschütteln bestrebt ist.
Rumänien hat 1907 mit einer „Agrarreform" genannten Zwangsenteignung größerer Güter begonnen, die nach den Verhältnissen des damaligen verhältnismäßig noch kleinen Landes berechtigt war, denn von den 8 Millionen Hektar bebauungsfähigen Lands war fast die Hälfte im Besitz von nur 4000 Personen. Ais nach dem Krieg Rumänien im Frieden von Trianon den ungeheuren Gebietszuwachs auf Kosten Ungarns und Rußlands (Beßarabien) erhielt, wurde die Enteignung auf die ungarischen „Optanten", das heißt solche Bewohner des bisher ungarischen, jetzt neurumänischen Gebiets ausgedehnt, die auf Grund von Bestimmungen des Vertrags von Trianon für Beibehaltung ihrer ungarischen
Staatsangehörigkeit stimmten- Für die enteigneten Güter wurden sie nur ganz gering entschädigt (wie die Deutschen in Polen) und als dann in der folgenden Inflation die rumänische Valuta fast ganz entwertet wurde, da waren sie am Bettelstab, während der rumänische Staat im vollen Besitz ihrer Güter blieb.
Die Optanten wandten sich nun an die ungarische Regierung und diese legte die Angelegenheit dem PariserBot- s ch a f t e r r a t vor. Der aber erklärte, er sei in der Sache „nicht zuständig". So kam der Streitfall 1923 zum erstenmal vor den V ö l k e r b u n d s r a t. Der Rat, der nicht gut sich ebenfalls hinter die „Nichtzuständigkeit" verschanzen konnte, ernannte zum Vermittler den jetzigen japanischen Botschafter in Paris, A d a t s ch i. Es kam aber keine Einigung zwischen den beiden Regierungen zustande. Darauf wandten sich 22 Optanten im Klageweg an das ungarisch-rumänische Schiedsgericht, das gemäß Artikel 239 und 250 des Vertrags von Trianon für Streitigkeiten zwischen ungarischen Staatsangehörigen und Rumänien eingesetzt ist, und das in Paris tagte. Der Artikel 250 besagt ausdrücklich, daß dieGüter, Rechte und Interessen von Ungarn auf dem Gebiet der alten österreichisch-ungarischen Monarchie von jeder Beschlagnahme ausgenommen sein sollen. Rumänien legt das so aus, daß in dem Artikel nur Maßnahmen gegen ehemalige Feinde als solche gemeint seien.
Rumänien bestreitet daher die Zuständigkeit des Schiedsgerichts und hat seinen Richter abberusen, nachdem das Schiedsgericht mit Mehrheit Ungarn recht gegeben hatte. Es wandte sich wieder an den Völkerbundsrat, und zwar mit der neuen Begründung, der Rat wolle nach Artikel 11 der Dölkerbundssatzungen (Gefahr des Bruchs zwischen Mitglie- dern) eine Vermittlung herbeiführen. Auch Ungarn richtete eine Bitte an den Rat, nämlich, gemäß Artikel 239 des Vertrags von Trianon für den abberufenen rumänischen Schiedsrichter einen Ersatzmann zu bestellen.
Auf der Ratstagung im März 1927 wurde ein drei- gliederiger Ausschuß unter dem Vorsitz Chamberlains eingesetzt, der drei Grundsätze aufstellte: 1. Die Durchführung der Agrarreform sei auch im Hinblick auf Artikel 250 zulässig: 2. ungleiche Behandlung von Rumänen und Ungarn durch Wortlaut oder Anwendung des Agrargesetzes ist »er- boten; 3. Beschlagnahme und Liquidation in Artikel 250 sind als Maßnahmen zu betrachten, die sich in Neurumänien gegen die Ungarn alssolche richteten.
Bei der Aussprache über den Ausschußbericht erklärte der greise ungarische Graf Apponyi, der Rat habe die rechtliche Pflicht, einen Ersatzrichter zu bestellen; gegebenenfalls müsse die Frage der Vollmachtüberschreitung dem Bölksr- bundsgerichtshof im Haag unterbreitet werden. Die vom Ausschuß aufgestellten drei Grundsätze lehnte Apponyi ab. Rumänien nahm die Grundsätze an, lehnte aber die Entscheidung des Haager Gerichtshofs ab. Da eine Einigung somit nicht zu erzielen war, hat der Rat die oben genannten neuen Vorschläge Chamberlains zum Ratsbeschluß erhoben.
Welche Bedeutung der Optantenstreit hat, kann man schon daraus ersehen, daß Rumänien nicht weniger als 47 Euachten von Völkerbundsgetehrten eingeholt hat, darunter drei deutsche (Prof. Strupp-Frankfurt, Prof. Niemeyer und Prof. Schücking), die kürzlich in einem 1000 Druckseiten umfassenden Band veröffentlicht worden sind. Auch Ungarn hat solche Gutachten eingeholt. Ganz entschieden spricht sich z. B. der Reichsgerichtspräsident Dr. Simons und Prof. Dr. Erich Kaufmann- Berlin für den ungarischen Standpunkt aus. Die Forderungen der ungarischen Optanten an Rumänien belaufen sich auf etwa 400 Millionen schweizerische Goldfranken.
Man sieht daraus, daß es oft recht leicht ist, ein Unrecht zu begehen, aber sehr schwer, es wiedergutzumachen
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London, 11. März. Bei den Wahlen zum Londoner Grafschaftsrat wurden gewählt: 77 Konservative, 42 Ar- beiterparteil-r und 5 L^-imle. Die Konservativen verlieren
7 und die Liberalen 1 Sitz, während die Arbeiterparteiler
8 Sitze gewinnen.