^romcrn Fettung
des Mirdvcrder
AZ2 18 BSttdvcrk», den 10 MNVZ 1928
Hatz aus Liebe.
Roman nach dem Englischen von Hugo Falkner.
Copyright by Greiner ^ Comp. Berlin 83 30.
Nachdruck verboten.
g Fortsetzung.
„Ihre Blicke begegneten sich, ihn überkam mit einem- mal ein unklares Bewußtsein dessen, was sie meinen könnte und trotz ihrer zauberischen Schönheit fühlte er plötzlich eine unüberwindliche Abneigung, vor ihr. Er erhob sich und blickte um sich.
„Ich habe Ihre Frau Mutter heute noch nicht gesehen, befindet sie sich wohl?" fragte er befangen.
„Ja, aber sie hat politische Nachrichten ans Frankreich bekommen und ist deshalb sehr bestürzt. Sie vergißt ihr Heimatland nicht und mir ergeht es ebenso. Wenn ich einst nach Frankreich zurückkehre, werde ich die Erinnerung an die kalten Herzen und eisigen Naturen Ihrer Landsleute mit mir nehmen "
Und mit diesen Worten verließ sie ihn.
Hohe Ziele.
Die Tage vergingen, der alte Baron war glücklich und zufrieden. Er konnte sich jetzt nach aller menschlichen Voraussicht wieder einen reichen Mann nennen. Lord Nisworth hatte ihm ein so ansehnliches Jahreseinkommen ausgeworfen, daß er bis an sein Lebensende in ungestörtem Behagen in White Cliffe leben konnte; nach seinem Tode fiel das Kapital an Bianca; diese vergaß die Stünde nie im Leben, in der ihr Verlobter mit allen zu dieser Schenkung erforderlichen Papieren gekommen war und verlangt hatte, sie zu sehen. Sie befolgte stets den geringsten seiner Wünsche, so auch jetzt.
Sie fand, daß er außergewöhnlich ernst aussähe und fragte, ob ihm irgend etwas Unangenehmes zugestoßen sei. Er verneinte, bat aber, daß sie ihm aufmerksam zuhören möge.
„Du mußt wissen, meine Bianca," Hub er an, „in unserem Hause ist es Sitte, daß die Familienhäupter, die heiraten, ihren Bräuten kostbare Geschenke, Geschmeide und Juwelen zu Füßen legen. Brächte ich dir die seltensten Kleinodien, die sich im ganzen Weltall auftreiben lassen, so wären sie noch immer nicht gut genug für dich, Geliebte, anstatt ihrer übergebe ich dir hier den Schenkungsakt, der deinem Vater Wohlstand sichert; nimm diese Papiere und gib du sie deinem Vater."
Sie dankte ihm in schlichten Worten, die aber aus warmfühlendem Herzen kamen
„Ich wünsche mehr, Bianca," bat Lord Risworth liebevoll; „errätst du nicht, was es sein könnte?"
„Nein," entgegnete. sie mit voller Unbefangenheit: sie besaß ja so wenig, was sie ihm hätte geben können.
„Ich möchte ein Ding, das du mir noch nie zuvor gegeben; um ihm vollen Wert zu verleihen, muß es aber ans freien Stücken mir geboten werden. Ich möchte einen Knß, Bianca, nur einen! Willst du ihn mir gewähren?"
Erbleichend senkte sie den Blick, dann plötzlich trat sie an ihn heran und bot ihm ihre frischen, vollen Lippen zum Kusse dar. Es lag so viel mädchenhafte Unschuld und dabei auch wieder so ernste Feierlichkeit in ihrem Wesen, daß er sich bewegt fühlte.
„Von jetzt an will ich keinem Manne auch nur mehr den flüchtigsten Gedanken schenken", sprach sie leise.
„Ich weiß es", rief der entzückte Bräutigam. „Wie kommt es nur, daß gerade ich mit der Liebe eines so edlen, reinen Herzens gesegnet werde — Bianca," sprach er nach einer Pause, „wenn ich dir jetzt auch keine Juwelen schenke, so wirst du doch den kostbarsten Schmuck unter allen Damen der Umgegend besitzen. Die Diamanten des Hauses Risworth zählt man zu den wertvollsten des Reiches."
Das Mädchen umfaßte mit der kleinen Hand die Paviere. die der Gras aebrackst
„Das Glück meines Vaters ist mir der kostbarste Juwel, den ich mit keinem Herrschcrdiadem vertauschen möchte", entgegnete sie einfach.
Sie hatte den Grafen gebeten, mit ihr zu dem Baron zu gehen, er aber weigerte sich.
„Nein, es ist dein Geschein für den Vater," sprach er, „du sollst es ihm allein geben."
Der Nachmittag ging bereits zur Neige, als sie in die Bibliothek trat; die letzten Strahlen der untergehenden Sonne fielen in das Zimmer und beleuchteten das greise Haupt des Vaters, dev schlafend aus dem. Sofa lag. Ihr Eintritt erweckte ihn.
Mit den Papieren in der Hand, kniete sie vor dem Ruhebette nieder. Wie kam es nur, daß es ihr plötzlich war, als stehe mit Flammcnschrift auf den Blättern geschrieben, es sei dies der Preis ihres Lebens.
„Ich bringe dir Reichtümer, Papa, Freiheit von jeder Sorge, Glück und heitere Tage."
Er war tief bewegt, als er die Papiere in Händen hielt; er segnete sie und dankte ihr in beredten Worten. Ja, sie gestand es sich in diesem weihevollen Augenblicke zu, sie hatte recht gehandelt.
Der Graf wünschte die Vorbereitungen zur Hochzeit nach Möglichkeit zu beschleunigen. Weshalb sollten sie warten? Er war sein eigener Herr und brauchte weder Freunde noch Verwandte zu berücksichtigen, wenn der Baron keine Einwendung erhob, so konnte die Vermählung in allerkürzester Zeit stattfinden.
„Ich habe lange genug ein einsames Dasein geführt. Komm, Bianca, und mache mir das traute Heim zum Paradies", bat er.
Sie hatte keinerlei stichhaltige Ausrede, um die Hochzeit zu verschieben und so wurde der Tag festgesetzt.
„Wen wählst du zu deinem Brautfräulein, Bianca?" fragte der Graf eines Tag-Z, als er an der Seite seiner holden Braut durch den Garte:, schritt.
Sie blickte überrascht empor.
„Brautfränlein," wiederholt, sie; „ich hatte das ganz vergessen."
Er erfaßte plötzlich mit hervorbrechender Leidenschaft ihre Hand.
„Isis, weil du glücklich bist, daß du diese Einzelheiten nicht berücksichtigst?" fragte er, nicht ohne eine geivisse Gereiztheit.
Tie sanften Augen des Mädchens ruhten mit einiger Verwunderung auf thHi.
„Ich bin sehr zufrieden", entgegnete sie gleichmütig.
„Du mußt Brautfränlein haben," fuhr er gefaßter fort. „Weshalb nicht jene hübsche Französin, deine Freundin Lola de Ferras. und die Schwestern Fielden einladen? Es sind deren drei und Mademoiselle de Ferras wäre dann die Vierte."
„Ich vermute, Brantsräulein sind nach der herkömmlichen Sitte ein unerläßlich notwendiges Uebel, aber eigentlich würde ich lieber ohne deren Beteiligung getraut."
Er sah sie überrascht an.
„Ich war schon bei zahlreichen Hochzeiten anwesend, Bianca, aber die Freundinnen der Braut bildeten stets die unerläßliche Umgebung als niedlich geschmückte Brautjungfrauen."
Sie lachte unbefangen und die Wolke, die sich auf seiner Stirn gelagert hatte, schwand dahin.
„Ich hoffe, mein Kind, daß, kvenn du auch einen Mann heiratest, der um so viele Jahre älter ist, als du, die kleinen Details, die als Ganzes zusammengesügt, den Glanz eines Hochzeitsfestes ausmachen, dich doch nicht weniger lebhaft interessieren als andere Mädchen."
„Du vergißt, wie zurückgezogen ich gelebt habe und wie mir daher all dieses fremd ist", entgegnete sie, denn sie hatte bemerkt, daß eine leise Verstimmung sich seiner bemächtigt hatte.
Der Graf war mit der Erklärung zufrieden.
„Ich habe auch darüber nachgedacht, wen wir als Brautführer bitten sollen." suhr er nach einer Pause fort. „Ich möchte Karl v. Allanmore darum angehen. Was meinst du dazu?" .
Sie schwieg. Sie fragte ihr eigenes Herz, ov es die Kraft haben werde, auch das noch zu ertragen und die Antwort lautete verneinend. Sie wollte dem großherzigen, edelmütigen Manne an ihrer Seite eine gute, treue Gattin sein, treu in Gedanken, Worten und Handlungen, aber der Mann, den sie einst lieben zu dürfen gehofft, er sollte nicht in ihrer Nähe weilen, wenn sie am Altäre das entscheidende Wort sprach, das sie ja fürs ganze Leben von ihm trennen mußte.
„Wäre es nicht besser, jemand von deinen Verwandten darum zu bitten," sprach sie endlich ruhig, „Sir Karl Allanmore steht uns ja doch am Ende nicht nahe".
„Tu magst recht haben, wenigstens, wenn du es wünschest, so sei mir dein Wunsch Befehl."
„Ja, mir wäre es lieb."
Er war entzückt über das Interesse, das sie an den Tag legte, und willfahrte ihrem Begehr.
Am selben Abend noch wurden die Einladungen zu der Hochzeit geschrieben.
Lola erhielt die ihre am folgenden Morgen, ar^ zu- fällig Karl von Allanmore in Geschäften ihrer Mutter einen Besuch abstattete; sie lachte, als sie das Schreiben gelesen hatte.
„Was glauben Sie wohl, was ich hier in Händen halte?" fragte sie, plötzlich emporblickend. „Eine dringende Einladung als Brautjungfrau zu Bianca Cliefdens Hochzeit. Sind auch Sie etngeladen? Wie das Schicksal uns armen Sterblichen doch zuweilen sonderbar mitspielt. Als ich aus Deutschland zurückkehrte, wähnte ich, daß ich ganz gewiß zuerst heiraten werde und meinte es schon zu sehen, wie alle Mädchen der Umgegend Tränen des Neides durob vergießen würden, und nun —"
„Und nun?" fragte er, als sic plötzlich innehielt. „Worin besteht der Unterschied zwischen einst und jetzt?"
„Jetzt sehe ich meine Rivalin, die weiße Rose, zuerst heiraten und ich bin es, die die Tränen des Neides vergießen muß."
„Wissen Sie, daß W sehr schwer ist, zu unter.Heiden, wann Sie im Ernste und wann im Scherz reden?"
„Weiß ich's doch selbst kaum! Der Weise spricht: „Lerne dich selbst erkennen'" Ich glaube, es gibt lein Mädchen, das ihr eigenes Ich weniger kennt, als Ihre ergebenste Dienerin Lola de Ferras", rief sie, ihm eine neckische Verbeugung machend. „Ich weiß niemals recht, was ich eigentlich will, ich bin aus Widersprüchen zusammengesetzt. Daß ich guter Impulse fähig bin, weiß ich, aber ich fühle dieselben nicht aus. Ich habe hohe Ziele im Auge und es gibt Zeiten, in denen ich ein heißes Sehnen verspüre, große Taten zu vollsühren."
Während seine Augen sinnend auf ihr ruhten, sagte er sich, daß es sür sie wohl das Beste wäre, wenn sie irgendeinen Mann heiraten würden der die richtigen Eignungen besäße, ihren Charakter zu modelnder selbst aber würde es nicht wagen, diese Aufgabe zu übernehmen. Trotz ihrer heiteren Lebhaftigkeit fühlte er recht gut, daß sie einer Gewalt des Fühlens fähig sei, die sie selbst vielleicht nicht ahnte: sie war eine leidenschaftliche Natur und er fragte sich im stillen, was wohl aus ihr werden könne, wie ihr Leben dereinst enden solle? Warum ließ sich nicht voraussehen, was im Buche des Schicksals geschrieben stand?
Sir Karl war sich in unklarem Empfinden nach und nach darüber bewußt geworden, daß sie ihn lieber sah, als chm angenehm war. Er versuchte anfangs, den Ge- danken von sich fernzuhasten, darüber zu lachen, vergeb- lich, er wurde nach und nach Gewißheit. Sie sagte so Vielerlei, wofür nur eine Auslegung möglich war.
War es nicht das Klügste, gar nicht nach Beaulieu zu gehen und Lola de Terras zu melden? Ach, er wußte nicht, wie klug Frauenlist zu Werke gehen könne, sobald sie ein bestimmtes Ziel im Auge hat.
Trotz seines Entschlusses, Beaulieu zu meiden, wußte Lola fast täglich irgendein Ersuchen an ihn zu stellen, das seine Anwesenheit erheischte. Sie hatte ihre Mutter veranlaßt, in landwirtschaftlichen Fragen Karl v. Allanmore zu Rate zu ziehen; daraus ergaben sich unabweis- lich häufige Zusammenkünfte.
ver Mann im Automantel.
Amerikanischer Detektivroman von Carolyn Wells.
„Beschreiben können Sie ihn nachher, Fräulein Leslie. Fahren Sie jetzt bitte in Ihrer Aussage fort."
„Nun, als ich Philipp zu dem Revolver greifen sah, hatte ich nur noch den einen Wunsch, beide Männer ein Schießen zu verhindern. Ich muß wohl halb toll vor sein und kaum noch gewußt haben, was ich ttt. Aber mein einziger Gedanke war der, daß ich den ^lb"w müßte, der Philipp bedrohte, und des-
. Mildred hielt plötzlich in ihrem Bericht inne. T Sheldon und die Pflegerin beugten sich vor, um zu sehe ob sie ohnmächtig wurde, aber das war nicht der Fa Sie schien nur, einem plötzlichen Einfalle gehorchend, : schwanken, was sie aussagen wollte. Mein Blick fiel u Lord Clarendon, und ich sah, daß er Milly gespannt k obachtete, wahrend seine Finger sich fest, ja fast kramr Haft ineinander schlangen. Es sah fast so aus, als ob sich bemühte, Millys Aufmerksamkeit auf sich zu lenke und wenn es so war, so gelang es, denn sie drehte st langsam um und blickte nach seiner Richtung hinübc Einen Augenblick trafen sich ihre Blicke, -dann warf sie d, Kopf mit einer charakteristischen kleinen Gebärde zur, und wandte sich wieder dem Coroner zu.
»Bitte, weiter, Fräulein Leslie. Sie warfen —?"
.. ^ dachte, wenn es mir gelänge, ihn zu treffe
wurde ich ihn vielleicht am Schießen verhindern. Tesha griff ich nach einem schweren Kristalltintenfaß voller T.. mnd warf es nach ihm. Ich weiß nicht, ob ich ihn s grossen habe oder nicht, aber in der nächsten Sekun
raffte ich ein Bronzepferd — einen Briefbeschwerer — vom Tisch auf und warf ihn hinterher."
Mildred geriet immer mehr in Erregung. Ihre Worte jagten einander, iM Wangen glühten, die blauen Augen wurden immer größer und glän„.nder und ihre Finger zupften nervös an den Stuhllehnen.
Der Coroner blickte sie forschend an. „Sie haben diese schweren Sachen nach ihm geworfen?" fragte er fast zweifelnd.
„Ja, das tat ich, und es ging rascher, als ich es erzählen kann, denn meine Hände flogen nur so. Ich konnte weder sprechen noch einen Laut von mir geben, aber ich fühlte einen wilden Trieb zu handeln."
„Sind Sie ganz sicher, daß Sie diese Gegenstände geschleudert haben?" fragte der Coroner nochmals, und diesmal klang es durchaus ungläubig.
„Natürlich bin ich meiner Sache ganz sicher!" lautete die entrüstete Antwort.
„Und hat einer von diesen Gegenständen den Mann getroffen?"
»Ich sage Ihnen ja, daß ich das nicht weiß! Es ist alles wie verwischt — der ganze Auftritt. Aber ich weiß, daß Philipp und jener Mann nicht auf mich achteten und beide mit erhobenen Revolvern dastanden. Tann sagte Philipp wieder —es klang fast wie ein Wimmern: „O, daß er auf mich schießt!" und im selben Augenblick drückte der Mann ab."
„Und was —?"
„Philipp stürzte hintenüber, und dabei fiel ihm fein Revolver aus der Hand und auf die Schreibtischplatte." Mildreds Erregung erstarb, und sie sprach jetzt mit leiser, gepreßter Stimme, als ob sie sich nur noch mit Anstrengung aufrecht hielte. Ihre Augen blickten wie verloren,
während sie fortfuhr: „Ich weiß nicht, woher mir der Mut dazu kam, denn ich hatte noch nie einen Revolver angerührt. Aber das Entsetzen muß mir wohl Kraft verstehen haben, denn ich griff nach Philipps Revolver und zielte nun selbst auf den Mann. Und da —" ihre Stimme wurde zum Flüstern — „da richtete er seinen Revolver auf mich — ich hörte einen Knall und weiß noch, daß ich vornüber fiel. Aber dann weiß ich von nichts mehr."
Es war totenstill im Zimmer, als Mildred verstummte. Fräulein Maxwell schmiegte sich zitternd und bebend an ihren Bruder, der wie ein Steinbild dafaß :d nur einen Teil der Aussage gehört haben mochte. Edith und ihr Gatte blickten voller Besorgnis auf Mildred, und Irene verwandte ebenfalls kein Auge von ihr, bewahrte aber eine krampfhafte Ruhe. Lord Clarendon sah vor sich hin und schüttelte nur ein paarmal den Kopf, wäh-, rend Gilbert Crane offenbar sehr nervös war und fortwährend mit feiner Uhrkette spielte.
Aber der Coroner fetzte sein Verhör jetzt fort.
„Fräulein Leslie", sagte er, „wir sind Ihnen sehr dankbar für Ihre klare und erschöpfende Schilderung. Wenn Sie jetzt noch diesen unbekannten Eindringling beschreiben wollen, brauchen wir Sie heute nicht weiter zu behelligen."
„Ich kann nicht viel mehr sagen, als daß er Automobilfachen anhatte: einen großen Mantel, eine Mütze mit Visier und eine große Autobrille. Man sah fast nichts von feinem Gesicht."
„Auch nicht die untere Hälfte?"
„Nein, denn der Mantelkragen war in die Höhe geschlagen und zugeknöpft, so daß er den Mund fast verdeckte." ' - ,
(Sortkeburra lotst.) ^