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Nummer 57
Fernruf 179
Donnerstag de« 8. März 1828
Fernruf 17S
63. Jahrgang
Ein englischer Anschlag s ans Seulsch-Sslasrika
Hiegegen protestierte am letzten Freitag auf Antrag des Gouverneurs z. D Dr. Schnee die Koloniale Reichsarbeitsgemeinschaft. Zurzeit gehe die englische Politik darauf aus, unter der Hand „die tatsächliche Anne ktion D e u t s ch - O st a f r i k a s" vorzubereiten und die Welt vor eine vollendete Tatsache zu stellen. In der einmütig getroffenen Entschließung heißt es u. a.: „Die zu einer von der Kolonialen Reichsarbeitsgemeinschaft veranstalteten Kundgebung in Berlin versammelten Männer und Frauen aller Volksschichten und Parteien erheben einmütigen Protest gegen die in letzter Zeit immer deutlicher zutage tretenden B e st r e b u n g e n, unter Verletzung ! der Völkerbundssatzung, deutsche, unter Mandatsver- ! waltung gestellte Kolonien ihres Charakters als Mandatsgebietezu entkleiden und fremden Staaten einzuverleiben."
Es ist zwar noch nicht so weit, aber es sind bereits im letzten Sommer alle Anstalten dazu getroffen worden. Denn s im Auftrag der englischen Regierung und mit Zustimmung ! des Unterhauses ist damals eine Spezialkommission s nach Afrika abgereist. Diese hatte von dem Kolonial-Staats- sekretär Amery den Auftrag erhalten, u. a. zu prüfen, ob i die Einverleibung des Mandatsgebiets Tanganjika —
1 die jetzige englische Bezeichnung für das ehemalige Deutsch- ! Ostafrika — in die geplante Ost afrikanische Föde-
i ration mit den Vorschriften des Artikels 10 für die Ver
waltung der Mandate in Einklang stehe.
> Ueber diesen Punkt wurde in dem im Juli v. I. dem i Unterhaus vorgelegten Weißbuch bemerkt: „Die Tatsache,
daß wir Verantwortlichkeiten als Mandator betreffs Tanganjika übernommen haben, schafft keine Schwierigkeiten oder Komplikationen hinsichtlich des Problems einer engern Union. Artikel 10 des Mandats für Tanganjika ermächtigt ausdrücklich die Mandatormacht, das Man- i datsgebiet in eine Zoll-, fiskalische oder Verwaltungsunion ! oder Föderation mit den anliegenden Gebieten unter ihre
i eigene Souveränität oder Kontrolle zu bringen, immer
! vorausgesetzt, daß die dazu ergriffenen Maßnahmen nicht : die Vorschriften des Mandats verletzen."
Dieses, allerdings vom Völkerbund genehmigte Man- ^ datsstatut war schon ein grober Verstoß gegen den Versailler Vertrag bzw. die Völkerbundssatzung. Letztere be- i ruht auf der ausdrücklichen und bewußten Voraussetzung, s daß die Mandatare die Verwaltung der Mandatsgebiete „zu treuen Händen" des Völkerbunds zu führen haben. Auch hat am 20. Nov. 1920 Präsidant Wilson, der Vater des Völkerbunds, vor einem „Mißbrauch der durch den gemeinsamen Sieg der Alliierten erworbenen vorübergehenden Herrschaft" gewarnt. Das Mandat sei kein Dauerbesitz, sondern nichts anderes als „eine denkbar strikteste Treuhänderschaft".
Wir haben also in dem neuerlichen Anschlag Englands auf Deutsch-Ostafrika eine glatte Verletzung des Vertrags, eine Gewalttat, die Deutschland sich absolut nicht gefallen lassen kann. Oder glaubt die englische Regierung, sie könne Tanganjika, auch wenn das Territorium in eine andere
> Kolonie einverleibt sei, dennoch seinen Mandatscharakter wahren?
Selbst wenn Deutschland in absehbarer Zeit auf eine ! Rückerstattung Deutsch-Ostafrikas nicht rechnen kann, kann
j und darf es, vollends jetzt, wo es Sitz und Stimme in der
Mandatskommission hat, die geplante Annektion sich nicht bieten lassen.
Im übrigen aber begreift niemand, wie das größte Kolonialreich der Erde mit 34 Mill. Quadratkilometer und ^ 400 Millionen Einwohnern (soviel wie der vierte Teil der
> Menschheit!) immer noch nicht genug hat, sondern in einem unersättlichen Kolonial-Heißhunger nach weiteren Gebieten
' seine gierigen Hände ausstreckt. Es ist Zeit, daß wir uns - wehren. Alle Kolonialfreunde Deutschlands müssen jetzt — es ist höchste Zeit — laute Proteste gegen Englands unverantwortlichen Uebergriff erheben.
Neueste Nachrichten
Abschiedsbesuch des afghanischen Königs beim Reichspräsidenten
Berlin, 7. März. Heute nachmittag 1 Uhr stattete König Aman Ullah dem Reichspräsidenten v. Hin den - burg einen Abschiedsbesuch ab. Der Reichspräsident erwiderte den Besuch um 2 Uhr.
König Aman Ullah reiste 3.30 Uhr nach Essen ab, wo er u. a. die Kruppwerke besuchen wird, um dann über Paris nach London zu reisen, wo er am 11. März erwartet wird.
Mittags hatte der König Vertreter der Presse im Prinz- Albrecht-Palais empfangen und sie gebeten, dem ganzen deutschen Volk seinen herzlichen Dank für die überaus freundliche Aufnahme in Deutschland zu übermitteln.
Tagesivieget
Der Reichskanzler empfing am Mittwoch mittag die verschiedenen Parteiführer, um ihnen Einzelheiten aus dem Bericht des Reichssparkommissars über die Phöbus-An- gelegenheit mitzuteilen. Die Verhandlung im Haupkausschuß des Reichstags wird erst Freitag oder Samstag erfolgen können.
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In den Schlichtungsverhandlungen im Streit der Berliner Metallindustrie war keine Verständigung zu erzielen. Die Lchlichtungskammer wird einen Spruch fällen.
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In den Lillooan-Werkstäkken der Ostindischen Eisenbahn sind wegen eines Streiks der ungelernten Arbeiter 14 006 Arbeiter ausgesperrk worden.
Schwierigkeiten des Arbeiksprogramms
Berlin, 7. März. Bei der Bearbeitung des Arbeitsprogramms im Reichsrat sind von verschiedenen Parteien und namentlich von Preußen wieder allerhand Bedenken gegen verschiedene Teile des Notprogramms, die Art der Ausführung usw. erhoben worden, so daß ihre Behandlung zurück gestellt werden mußte. — Inzwischen kann die Landwirtschaft zugrunde gehen, wenn nur die „B^enken" zu ihrem Recht kommen.
Eine Christlichnalionale Bauernparte!
Berlin, 7. März. Der Borstand der Bezirksbauernschaft für Nassau hat am Montag, 5. März, die Gründung der Csuistlichnalionalen Bauernparkei beschlossen. Der Reichs.« kagsabgeordneke He pp hat den Vorsitz übernommen. Er hat ferner die ihm angekragene Spitzenkandidatur -für den Wahlkreis Hessen-Nassau angenommen und führt als erster Kandidat die Reichsliste der Christlichnationalen Bauernpartei. Abg. Hepp ist aus der Deutschen Volkspartei und aus» der Reichstagsfraktion ausgeschieden.
Landvolkliste in Hannover
Hannover» 7. März. Auf einer Tagung von Vertretern der Landwirtschaft aus der ganzen Provinz Hannover wurde gestern beschlossen, bei den kommenden Reichstags- und Landtagswahlen eine L a n d v o l k l i st e in den drei hannoverschen Wahlkreisen aufzustellen. An die Spitze dieser Liste wurde der Reichstagäabgeordneke Weidenhöfer gestellt. Ferner wurde beschlossen, für diese Liste ein Zusammenarbeiten mit dem völkisch-nakionalenBlock zu erreichen.
Vom Völkerbundsrat
keine Investigation gegen Ungarn
Genf, 7. März. Im Hotel des Bergues, in dem Briand wohnt, fand gestern nachmittag die Besprechung der Vertreter der fünf ständigen Ratsmächte statt. Es nahmen teil Chamberlain, Briand, Stresemann, Scia- loja (Italien) und Adatschi (Japan), außerdem die Staatssekretäre v. Schubert, Berthelot und Lind- s a y. Es wurde beschlossen, in der Angelegenheit des Waf- senschmuggels gegen Ungarn kein eigentliches Jnvestiga- tionsverfahren einzuleiten. Dagegen soll in der Geheimsitzung am Mitwoch ein aus drei oder vier Mitgliedern bestehender Ausschuß unparteiischer Ratsmitglieder eingesetzt werden, der den vorliegenden Aktenstoff prüfen und dann dem Rat berichten soll. Dieser Beschluß hat in Paris nicht befriedigt: man wünscht dort unter allen Umständen eine Untersuchung gegen Ungarn, wenn es auch gerade keine militärische wäre. Auf jeden Fall sollte aber ein Vorgang geschaffen werden, den man bei Gelegenheit auch gegen Deutschland anwenden könnte. Titulescu vertritt in der heutigen Geheimsitzung die Anklage gegen Ungarn. *
Die drei Unparteiischen
Der Rat ernannte einen Ausschuß von drei „Unparteiischen", nämlich Außenminister Beelaerts van Blok- land (Holland), den chilenischen Gesandten in Rom, Villegas, und den finnischen Außenminister Procope, zur Untersuchung des Wasfenschmuggels nach Ungarn. Der Ausschuß ist ermächtigt, technische Sachverständige der verschiedenen Zweige des Völkerbunds zur Mitarbeit heranzuziehen.
In der heutigen geheimen Ratssitzung wurde der Streit der Danziger Eisenbahner gegen Polen abermals von der Tagesordnung abgesetzt. Verhandelt wurde sodann in der geheimen wie in der sich anschließenden öffentlichen Sitzung die Untersuchung gegen Ungarn.
Der „Petit Parisien" will wissen, Briand werde namens des Völkerbundsrats Spanien ersuchen, seine Austrittserklärung rückgängig zu machen, nachdem die Tangerfrage, die den Anlaß gab, geregelt sei, — Die Austritts
erklärung würde im September 1928 wirksam werden. Die Kündigungsfrist beträgt 2 Jahre.
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Der Bau des Völkerbundspalasts
Der Rat hat den Bericht des Fünfer-Ausschusses über den Bau des Völkerbundspalastes in Genf genehmigt und beschlossen, den Bau nicht nach dem mit dem 1. Preis ausgezeichneten deutschen Entwurf, sondern nach dem Plan des Pariser Architekten Nenot ausführen zu lassen, jedoch sollen in der Gestaltung des Versammlungssaals und des äußeren Bilds einige Aenderungen vorgenommen werden.
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Seipel ankworkek nicht?
Wien. 7. März. Der Wiener Berichterstatter des Mailänder „Popolo d'Jtalia" meldet, Bundeskanzler Dr. Seipel werde auf die Drohrede Mussolinis nicht antworten, da er den Zwischenfall mit Italien als erledigt betrachte.
Maurer kehrt in die Schweiz zurück
kakkowih, 7. März. Der schweizerische Schulfachmann Maurer, der in Ostoberschlesien die Prüfung der deutschen Minderheitsschulkinder vorgenommen hatte, verläßt nach Erfüllung seiner Aufgabe am Samstag Oftoberfchlesien.
Ausschreitungen in Lemberg
Warschau, 7. März. In Lemberg erhielten die zionistischen Juden bei den Wahlen zum polnischen Sejm zwei Mandate. Polnische Studenten schlugen darauf in jüdischen Geschäften Fensterscheiben ein und verprügelten einige jüdische Beamte.
Ein Streit um russische Handelsschiffe
Paris. 7. März. Am 26. Januar 1918 hatten die Sowjets sämtliche unter russischer Flagge fahrenden Handelsschiffe ohne Entschädigung beschlagnahmt. Der Gesellschaft Kopit gehörende Schiffe suchten, um der Enteignung zu entgehen, Zuflucht im Hafen von Marseille. Als die französische Regierung die diplomatischen Beziehungen zu der Sowjetregierung wieder anknüpfte, forderte letztere sofort die Rückgabe dieser Schiffe. Das französische Gericht, das die französische Regierung angerufen hat, hat aber diesen Antrag rund abgelehnk.
Ersparnisse der englischen Kriegsmarine
London. 7. März. Nach dem amtlichen Bericht über die Ausgaben der Kriegsmarine im Jahr 1926 find in diesem Jahr nahezu 20 Millionen Mark gespart worden. Es handelt sich um den Unterschied zwischen dem Voranschlag und den tatsächlichen Ausgaben der Admiralität während dieses Jahrs. j
Der englisch-ägyptische Streik --
Kairo, 7. März. Das ägyptische Abgeordnetenhaus hatte kürzlich ein Gesetz beschlossen, das für öffentliche Versammlungen größere Freiheiten gibt. Der britische Oberkommissar Lord Lloyd hat nun gegen das Gesetz Einspruch erhoben, das ägyptische Kabinett lehnt es aber ab, weiter darauf einzugehen, da es als zurückgetretenes Kabinett eine so wichtige Sache nicht erledigen könne.
Die Samoaner verlangen Selbstregierung
Wellington (Neuseeland), 7. März. Die Eingeborenen der Samoa-Inseln wollen sich dem britischen Dominion Neuseeland, dem sie nach dem Weltkrieg als „Völkerbundsmandat" zugesprochen worden sind, nicht fügen, zumal, da sie von Neuseeland schlecht behandelt werden. Der Gouverneur ließ einige hundert Samoaner, die für Selbstregierung tätig waren, ins Gefängnis setzen. Eine Abordnung der Samoaner erklärte nun dem Gouverneur, sie seien bereit, die Oberherrschaft Englands anzuerkennen, aber sie wollten sich selbst regieren ohne weiße Beamte und eine Polizei bilden, da die neuseeländische Polizei wegen ihrer Rücksichtslosigkeit verhaßt ist. Der Gouverneur lehnte ab, sich in eine Besprechung der Forderungen einzulassen. — Die Samoa-Inseln gehörten früher zu den ruhigsten und besten Kolonien Deutschlands, namentlich war das Verhältnis M den deutschen Beamten und Ansiedlern ein überaus freundschaftliches.
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Stuttgart, 7. März. Keine Aenderung des Wahlgesetzes. Der Verwaltungs- und Wirtschaftsausschuß des Landtags befaßte sich in seiner gestrigen Sitzung in 2. Lesung mit dem Jnitiatiogesetzentwurf zur Aenderung des Landtags Wahlgesetzes. Die beiden Regierungsparteien und die Deutsche Äoikspartei waren der Ansicht, daß man das Gesetz jetzt, unmittelbar vor den Landtagswahlen, nicht ändern könne. Die Antragsteller selbst übten Stimmenthaltung. Es bleibt also für die nächste Wahl bei dem seitherigen Wahlrecht. Der Ausschuß beriet dann noch das Polizeibeamtengesetz, das später in das kommende Beamtengeietz bineiizgenommen werden, soll. Die
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