„Zn spät, zu spät,
Ruf' ich mit tränenfeuchtem Blick,
Mein Glück ist mir entschwunden,
Kehrt nimmermehr zurück.
So leb' denn wohl, o lebe wohl Du mein Geliebter, du mein Glück.
Warst meine Seele, mein Idol,
Und kehrst doch nicht zu mir zurück!"
6. Kapitel.
Wie soll denn alle^ enden «och?
Alles war vorüber, ihr Traum zu Grabe getragen Bianca gestand sich's mit heißem Weh.
Eine andere hatte inzwischen ihre Stelle am Klavier eingenommen, die mit klangvoller Stimme ein Lied vor trug, Bianca aber fühlte sich keines klaren Gedanken? fähig; sie bemerkte cS nicht, daß Sir Karl sie mit Anger beobachtete, auS denen der gewaltige Schmerz sprach, de» er empfand; sic ahnt.' »S nicht, daß ihr schmerzatmendB' Ablchiedsgruß in seinem Herzen nachklang.
ES wer Karl v. Allanmor? «ich? entgangen, da« Bianca bei der Wahl ihres Vortrages einen bestimmten Zweck im Auge gehabt hatte; er nahm an, sie habe ihm einen Abschiedsgruß entbieten wollen. „Zu spät!" Ja, es war in der Tat zu spät; wenn ihr Glück aber damit begründet worden war, so mußte er sich bescheiden.
Sie sieht nicht aus wie ein Mädchen, das um deS pekuniären Vorteils willen heiratet; nach ihrem Antlitz zu schließen, sollte man viel eher meinen, sie könne opfer- mutig ihr Leben hingeben für den Mann ihrer Wahl, sagte sich der Baron.
Wie der Rest des Abends zur Neige ging, Bianca vermochte sich darüber niemals Rechenschaft zu geben. Fröhliches Lachen, Musik und Tanz umgaben sie, Bianca aber saß traumbefangen, ihr war es zumute, als habe sie in einer Theatervorstellung irgendeine Rolle durch« znführen, an der ihr Herz nicht teilnahm.
Sie hätie mir doch rußig und einfach Lebewohl sagen können, dachte Sir Karl, nicht aber ihren Abschiedsgruß in Worte kleiden, die mich bi? an mein Lebensende verfolgen müssen, weil sie mir verraten, was ich verloren habe; sie legte überdies einen vorwurfsvollen Ausdruck in den Klang ihrer Stimme, als sei es mein Verschulden, daß ich sie verloren. Ich wäre bis an mein Lebensende ihr Freund geblieben, sie aber hat sich losgesagt.
Wie jedwedes Ding auf Erden, so nahm auch das Fest in Beaulieu schließlich sein Ende. Sir Karl war der erste, welcher Abschied nahm, dann fuhr Bianca in Madame de Ferras' Auto heim. Das Mädchen war des Alleinseins froh, sah sie sich doch nun nicht genötigt, zu lächeln, während ihr Herz blutete. Die Sterne leuchteten mit mildem Glanze hernieder vom Himmelszelt, ihr war es, als entböten sie ihr einen Gruß ans besseren Welten. Trotz ihrer Jugend erkannte sie, daß es für sie nur mehr einen Pfad gab, den dornenvollen treuer Pflichterfüllung. Es r.übrigte ihr nur mehr, dem hochherzigen Manne zu schreiben, der 'hr sein Herz und sein Vermögen zu Füßen gelegt hatte, daß sie ihren endgültigen Beschluß gefaßt, daß sie bereit sei, sich ihm zu vermählen.
.Als sie in White Cliffe anlangte, erfuhr sie, daß der Vater sich bereits zur Ruhe begeben habe: daS Bewußtsein, ihn heute nicht mehr sehen zu müssen, gewährte ihr wesentliche Erleichterung: bis zum Morgen, so hoffte sie, werde es ihr möglich sein, ihre Fassung wiederzuerlangen und ihm lächelnden Mundes zu begegnen.
Zeitig am folgenden Morgen begab sie sich zu ihrem Vater. Sie fand ihn in seinem Lieblingszimmer, der Bibliothek. Vor ihm stand eine dampfende Tasse Kaffee. Er blickte bei ihrem Eintritt rasch empor, sie aber laS in dem Blick seiner Augen das Gemisch von Sorge, Hoffnung und Furcht, dem er nicht durch Worte Ausdruck verleihen wollte.
Sie kniete an seiner Seite nieder.
„Ich habe eine Entscheidung getroffen, Papa, und bin gekommen, es dir mitzuteilen, damit du nicht länger in der Ungewißheit verweilest. Ich habe beschlossen, die Werbung des Grafen anzunehmen."
Ter Baron schob den duftenden Mokkatrank zur Seite, er blickte seine Tochter ernst und forschend an.
„Ist es dein crnster Wille, Bianca?"
Sie schlang die Arme um seinen Nacken und zog sein Haupt auf ihre Schulter nieder.
„Ja, Papa! Du sollst bis zu deinem fernen Tode in White Cliffe verweilen, niemals unter Fremden leben müssen und in nichts dein gewohntes Behagen vermissen. Du sollst wieder reich werden und mit dem Gelbe nach Belieben schalten und walten können. Du sollst glücklicher werden, als du jemals gewesen."
War eS ihre Stimme, die ihm fremdartig klang, oder was war es sonst. Tatsache blieb, daß der Freiherr seine Tochter ernst und prüfend anblickte; selbst seinen schwachen Augen entging es nicht, daß eine merkwürdige Wandlung mit dem Mädchen vorgegangen war, die harmlose, muntere Fröhlichkeit schien aus ihren Zügen gewichen, die fanatische Begeisterung ihres Blickes war sür ein so junges Geschöpf nicht natürlich.
„Bianca," forschte er ängstlich, „bist du auch glücklich?"
„Ganz glücklich."
„Du liebst keinen anderen mehr als den Grafen? Sprich die Wahrheit, Kind! Ich will nicht, daß du dich etwa für mich opferst. Du sollst eS nicht. Liebst du einen anderen? Lieber wollte ich sterben, Kind, als es zugeben, daß du meinetwegen einen Mann heiratest, den du nicht liebst und einen anderen vielleicht verlierst, der deinem Herzen nahesteht."
Ein wehmütiges Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie, die Hand aus seine Schulter legend, entgegnete:
„Du magst mir immerhin glauben. Es ist niemand dL» dem an mir gelegen, wer sollt' es auch sein? Ich s<e nicht viel Menschen. Ich bin noch zu jung, um viel an derlei Dinge gedacht zu haben. Glaub' mir, Papa, niemand liebt mich!" —
Wenn er etwas weniger unbedacht gewesen wäre, so hätte ihm unmöglich die Tatsache entgehen können, daß sie zwar wiederholt betonte, niemand liebe sie, aber kein einziges Mal beteuerte, daß ihrem Herzen keine Menschenseele nahestehe.
„Ich war gestern ein Feigling, Bianca," fuhr der Baron fort. „Der Gedanke herantretender Armut erschreckte mich, ich hätte einem Kinde gleich weinen mögen, jetzt aber, meine Bianca, jetzt, da der erste Schmerz überwunden ist, fühle ich mich kräftiger, mutvoller. Nach dem Laufe der Natur kann ich nicht mehr viele Jahre leben, Kind. Was ist weiter daran gelegen, wenn nur
M .--
„Ich bin eS, Papa," entgegnete sie, das leise Beben ihrer Stimme gewaltsam beherrschend. „Sei stets in der Znkunst, wenn du dich im Geiste mit mir befaßt, der Tatsache eingedenk, daß ich glücklich und vollständig unbeeinflußt war, daß ich freiwillig dem großzügigen Manne, der uns erretten will, meine Hand reiche."
„Deine Worte klingen hoffnungsfreudig, Bianca, der Tonsall deiner Stimme aber widerspricht ihnen."
„Du magst mir glauben, Papa," sprach sie ernstlich, „ich bin ganz glücklich". . ^
Er küßte ihre reine Stirne und legte segnend die Hand auf ihren Scheitel.
„Ich glaube dir, mein süßer Liebling, und dieser Glaube gewährt mir reinstes Glück."
Sie erhob sich aus ihrer knieenden Stellung und machte sich am Schreibtisch zu schassen.
„Ich will au Lord Risworth schreiben," sprach sie, „und vielleicht kommt er noch heute herüber. Papa, gewähre mir die eine Gunst, wenn er heute kommen sollte, empfange du ihn, von morgen an will ich dann gerne jederzeit seines Besuches gewärtig sein."
Der Baron versprach, was seine Tochter von ihm begehrte und diese schrieb an den Grafen:
„Lieber Graf!
Ich habe die Frage, die Sie an mich gestellt, >m>hl überlegt und bin zu einem Entschluß gekommen. Ich danke Ihnen sür Ihren großmütigen Antrag; indem ich denselben annehme, gestatten Sie mir, die Versicherung daß es die ernste Bestrebung meines Daseins werden soll, Ihnen eine gute und treue Lebensgefährtin zu sein. Herzlichst Ihre Bianca Cliesden."
Es war kein begeisterter Liebesbrief, aber wahr in jeder Silbe; sie meinte alles genau so, ivte sie es sagte. War es ihr zu verargen, wenn sie im innersten Herzkämmerlein flehte, ihr Leben möge kein allzu langes sein!
Lord Risworth empfing das Schreiben und war hoch beglückt. Er fuhr sofort nach White Cliffe, wo der Baron ihn auf das herzlichste willkommen hieß; er sah Bianca nicht, sie sei von dem gestrigen Feste in Beaulieu zu sehr ermüdet, entschuldigte sie der Vater; am nächsten Morgen werde sie den Grafen erwarten.
Ohne das Mädchen, das er so heiß liebte, gesehen zu haben, mußte der Graf nach Hause znrücksahren; am selben Abend noch kam ein prächtiger Blumenstrauß sür Bianca.
Als am folgenden Morgen der Gras sich wieder einstellte, zog er mit ritterlicher Galanterie die Hand seiner jungen Braut an die Lippen.
„Sie haben mich zum Glücklichsten der Sterblichen gemacht," sprach er tief bewegt, „die Hingebung meines ganzen Lebens mag es Ihnen lohnen".
„Ich will mein Möglichstes tun, Sie glücklich zu machen", sprach Bianca in ihrer schlichte» Weise.
Das war alles, wodurch sie ihre wechselseitigen Beziehungen berührten. Es mochte sür den nüchtern-praktischen Verstand hinreichend sein, aber ach, wo bleiben die mädchenhaften Träume und Phantasiegebilde von Liebe und Romantik?
7. Kapitel.
Bestätigte Kunde.
In der kürzesten Zeit war die Nachricht von der Verlobung Bianca Cliefden's allgemein verbreitet, man begrüßte dieselbe mit Vergnügen, denn Lord Risworth erfreute sich großer Beliebtheit, und auf Bianca blickte die ganze Gegend mit Stolz. Sie war unter ihnen allen ausgewachsen, sie gehörte einer alten Familie des Reiches an, sie war schön und wohlerzogen. Einstimmig freute man sich des Glückes, das ihr geworden, wenn auch hier und da eine Frauenstimme sich erhob, die mit banger Miene die Bemerkung verlauten ließ, es sei undenkbar, daß das Mädchen den Grafen aus Liebe heirate; der Unterschied der Jahre wäre zu bedeutend, auf einer liebelosen Ehe aber
könne der Segen des Himmels nicht ruhen. Doch, wie gesagt, nur einzelne weltweise Frauen wagten derlei Behauptungen, von den Mädchen hätte eine jede freudig mit Bianca von Cliesden getauscht.
Lola lächelte triumphierend, als sie die Kunde vernahm. —
Es ist gekommen, wie ich es gewollt, und ich bin gewiß, daß an dem Tage, an dem ich nach White Cliffe hinüberfuhr, um Bianca zu unserem Feste zu holen, die Sache tm Entscheiden begriffen war. Wenn sie Lady Risworth wird und ich Lady Allanmore, dann sind wir erst recht Wvalinnen.
Kein Zweifel erstand in Lola'S Seele, ob sie auch wirklich jemals werde in die Lage versetzt sein, sich Lady Allanmore zu nennen. Sir Karl mochte vielleicht ein vorübergehendes Interesse für Bianca empfunden haben, jetzt aber mußte dasselbe enden, und sie war bestimmt, nicht nur jene Stelle in dem Herzen des jungen Mannes einzunehmen, die Bianca innegehabt, sondern sogar die Erinnerung an jene gänzlich aus seinem Gedächtnis zu verdrängen.
Eine „vernünftige Heirat" nannte Lola lächelnden Mundes die Verbindung, die ihre Freundin zu schließen im Begriffe stand, und wußte recht gut, daß die Leute, die diese Bezeichnung aus ihrem Munde vernommen, sie unter dem Eindrücke verließen, daß Bianca eben eine „Geldheirat" mache.
Der Baron v. Allanmo war einer der ersten, der die Bestätigung des Gerüchtes vernahm, das Lola ihm zugeflüstert; als er nämlich wenige Tage später seinen gewöhnlichen Morgenritt machte, begegnete ihm Lord Risworth —
anscheinend unbefangen; „mau sagt, Sie hätten das schör Mädchen der Grafschaft erobert."
In den Mienen des Grafen verriet sich tiefe Bewegu als er entgegnete:
„Ich bin allerdings der glücklichste Mensch auf Er! ü». 'ch es soll mir gelingen, das Leben mei
Bianca so hell und blumenreich wie möglich zu gestalte
„Möge Ihr Wunsch in Erfüllung gehen. Wann soll Hochzeit stattfinden?"
„Noch ehe der Winter beginnt, in sechs Wochen hc 'L "ut freundschaftlichem Händedruck trennten > die beiden Männer.
Sir Karl fühlte sich tief unglücklich, sein Heim dür ihm mit emem Male so leer und einsam; wie hatte er ! Zeitpunkt herbe-gesehnt, in dem ein holdes Frauenam "sid walten werde, ein Wesen, das Bia spracht mit ihrer süßen Stimme zu i
In seiner gegenwärtigen Stimmung konnte der junge Mann nicht helmkehren, nach White Cliffe reiten, wie es sonst häufig seine Gepflogenheit war, wollte er nicht, und so blieb ihm nur mehr Beaulieu, wo er eines herzlichen Willkommengrußes zu jeder Zeit gewiß sein zu können glaubte; eine Stunde erheiternden Gespräches mit der stets witzigen, munteren Lola, würde ihm gut tun.
Er fand Lola zu Hause und fühlte, daß es ihm Bedürfnis sei, von dem zu sprechen, was sein ganzes Denken und Empfinden erfüllte.
„Ich bin soeben Lord Risworth begegnet; das Gerücht, das Sie mir andeuwn, hat in der Tat seine vollste Begründung."
„Natürlich, sonst würde ich es Ihnen ja nicht mitgeteilt haben."
„Ich war trotzdem ein klein wenig überrascht."
Er hatte ein unklares Empfinden, als ob dies Mädchen keine wahre Freundin Bianms sei; aber er vermochte der Versuchung, von der Geliebten zu reden, nicht zu widerstehen. —
Wirklich, Sir Karl? Dann sind Sie nicht der Mann von Welt, für den ich Sie gehalten; daß irgend etwas in der menschlichen Natur Sie überraschen könnte, hätte ich nicht erwartet."
„Wie kommen denn Sie zu so viel Weltweisheit, Fräulein de Ferras; sie pflegt doch sonst bei jungen Damen nicht üblich zu sein."
„Wirklich? Weshalb überrascht es Sie denn so sehr, mehr zählt, denn sie, derlei kommt ja häufig vor."
„Leider!"
„Wozu sich also wundern; haben Sie Bianca Cliesden denn als ein ideales Phantasiegebilde angesehen?"
„Vielleicht."
„Je rascher Sie dckS Mädchen dann vergessen, desto besser; es gibt keine Ideale in diesem irdischen Jammertal."
Er blickte sie traurig an.
„Wissen Sie, mein Fräulein, daß es mir ganz entsetzlich ist, Sie in solcher Weise sprechen zu hören; Sie mögen ja im Recht sein, aber ich finde die Annahme weit wohltätiger, daß ein reines Mädchenherz den Glauben an daS Edle im Mens, f en besitze."
„Sie werden diese Einstellung bei mir nicht finden", entgegnete sie lachend. „Sie sagen, daß Biancas Handlungsweise Sie überrasche; offen gestanden, mich auch, ich wähnte, sie gehöre zu jenen romanischen Charakteren, die behaupten, die Liebe sei das einzige, wofür zu leben es sich überhaupt der Mühe verlohne. Ich habe bis jetzt gefunden, daß Blondinen in der Regel sehr sentimental sind."
„Hat Ihre Freundin Vermögen?" fragte Sir Karl nach einer Weile sinnend. ^
„Ja, ich glaube, aber kein bedeutendes."
Sie ahnte wohl nicht, wie sehr nahe Armut und Entbehrung dem Baron v. Cliesden als drohendes Gespenst vorgeschwebt hatten.
„Ihr Vermögen dürfte Wohl in ein Nichts zusammenschmelzen, verglichen mit der Jahreseinnahme des Grafen Risworth", meinte Lola sinnend.
„Sie sprechen Ihre Ansichte:, ziemlich unverhohlen aus, mein Fräulein; da Sie Geldheiraten so natürlich und an der Tagesordnung finden, wundert es mich, daß Sie nicht selbst einen Versuch wagten, Ihrer Freundin die Revenuen des Grafen Risworth streitig zu machen."
Sie lachte errötend.
„Ich weiß wohl, weshalb ich es unterlassen habe, doch kann ich Ihnen meine Gründe nicht auseinandersetzen. Sie spotten meiner Weltweisheit, ich aber kann Sie versichern, daß ich trotzdem um des schnöden Geldes willen keine Ehe eingehen würde. Heirate ich jemals, so geschieht es nur aus Liebe!"
„Sie überraschen mich!"
„Das kann ich mir denken. Sie wähnen, nur dort bestehe wahres Gefühl, wo es mit sentimentaler Ostentation zur Schau getragen wird. Sie irren. Ich weiß z. B., daß ich weit tiefer empfinde, weit mehr Romantik besitze als Bianca Cliesden. Meinen Sie nicht?"
„Wenn Sie gestern noch diese Frage an mich gestellt hätten, würde ich sie unbedingt verneinend beantwortet haben, jetzt gestehe ich offen, daß ich irr geworden bin."
Sie konnte nicht umhin, zu sehen, daß Bianca Cliesden /hm nicht gleichgültig gewesen.
„Es geschieht ja oftmals," bemerkte sie leichthin, „daß die süßesten, sympathischsten Züge doch mit einem kalten, berechnenden Herzen Hand in Hand gehen; ich glaube, es gibt kaum ein Mädchen, das mehr auf ihren Vorteil bedacht ist, als Bianca Cliesden."
Sie wußte, wie unwahr ihre Worte seien, sie wußte aber auch, daß einem Charakte. wie Karl v. Allanmore nichts mehr widerstrebe als Berechnung.
„Bianca wird glücklich sein," fuhr sie fort, „als Herrin eines riesigen Vermögens, als Schloßfrau von Deep Hurst; sie wird eine behagliche Existenz führen und den wirklichen Kummer des Lebens niemals kennenlernen."
„Einen wie öden Lebensweg Sie ihr Vorhersagen friedlich, leidenschaftslos, aber auch ohne jegliches Interesse, sie soll nach Ihrem Dafürhalten niemals weder die Wonne beseligenden Empfindens, noch die Macht des Schmerzes kennenlernen. Mich dünkt, es sei besser für eine Frau, zu sterben als nicht geliebt zu haben."
„Bianca wird in ihrer ruhigen, leidenschaftslosen Weise ihren Gatten lieben. Ich, freilich, beneide sie nicht um eine solche Existenz. Ich will das Leben genießen, voll und ganz, wenn es sein muß, auch die Leidenschaft des Schmerzes auf mich nehmen. Lieb'» oder hassen, das ist mein Wahlspruch, nur kein unklares, nüchternes Empfinden. Was immer meine Seele bewegt, dem muß ich mich ;anz und rückhaltslos hingebe:, können. Ja, würde ein 2eben fürchten, wie jenes, das Bianca bevorsteht. Mir väre es geistiger Tod."
„Es dürfte Ihnen auch nicht anheimfallen. Ihnen wird )ie Liebe Wonne und Weh bereiten."
„Sie bereitet mir's schon jetzt!" rief sie selbstvergessen und hielt dann plötzlich erschrocken inne.
(Fortsetzung folgt.)
Etwas fürchten und hoffen und sorgen Muß der Mensch für den kommenden Morgen, Daß er die Schwere des Daseins ertrage Und das ermüdende Gleichmaß der Tage,
Und mit erfrischendem Windesweden Kräuselnd beweg« das stockende Leben.
Schwer.