Nr. 238

Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

98. Jahrgang.

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Neueste Nachrichten

Wie wir schon gestern vermuteten» haben die Verhandlungen der Ruhrindustriellen mit den Franzosen, abgesehen von dem Ver­halten einzelner Persönlichkeiten, keinerlei das Ersamtinter- esse Deutschlands schädigenden Charakter gehabt, sondern sind

lediglich zur Information geführt morden.

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Die französische Presse vertritt auch heute noch den Lr-nrüpunkt, daß mit dem Ruhrgebiet getrennt verhandelt werden müsse, und daß erst nach Feststellung völliger Unterwerfung der Nuhr- industrie mit der deutschen Regierung verhandelt werden dürfe. Diese Haltung Frankreichs bezweckt natürlich nichts anderes als politische Abschnürung des Ruhrgebiets von Deutschland und weiterhin Verschleppung der Reparationsverhandlnngrn, weil die Ruhrindustrie und die deutsche Regierung solche offen­kundigen Demütigungsabsichten nicht hinnehmen kann. t - - > . .

Die Nuhr- und Neparationsfrage.

Lloyd George für Teilnahme Amerikas bei der »Regelung- in Europa.

». London, 11. Okt. Nach einer Reutermeldung aus ^Otawa erklärte Lloyd George auf einem ihm zu Ehren ivon der Regierung gegebenen Esten, Kanada habe das Recht und die Pflicht» seine Stimme bei der Regelung in Europa geltend zu machen. Der Präsident der Vereinig, ten Staaten wiederhole jetzt sozusagen das im letzten Win­ker von dem Staatssekretär Hughes gemachte Angebot ibetr. die Ernennung einer internationalen Kommission ivon wirtschaftlichen Sachverständigen zur Festsetzung der jdeutschen Zahlungsfähigkeit. Dieser Vorschlag sei von be­deutsamer Wichtigkeit und müsse angenommen werden. ^Kanada müsse seine Stimme Lei der Begünstigung eines solchen Planes laut werden lasten. Es sei von Wert, die Der. Staaten mit einer Regelung dieser Art in Verbin­dung zu bringen. Seiner Ansicht nach würde es für die alliierten Regierungen möglich sein, im Zusammenwirken -mit den Ver. Staaten diese äußerst kluge Politik anzu- mehmen.

Die Verhandlungen der Ruhrindustrre mit den Franzosen.

. Berlin. 11. Okt. DieVossische Zeitung" gibt eine Meldung derDüsseldorfer Zeitung" über den Gang der Düsseldorfer Besprechung zwischen den rheinisch-westfäli- ischen Industriellen und General Degoutte wieder. Danach stei an die Vertreter der Ruhrindustrie, die zu einer ge­meinsamen Beratung zusammen gewesen seien, eine Anre. ^gung des Inhalts ergangen, daß General Degoutte sie zu jsprechen wünsche. Selbstverständlich hätten die Industrie- ivertreter mit General Degoutte keine festen Abmachungen stressen können. Die Verwaltung des Phönix beziehungs- rweise die Gruppe Otto Wolfs, die zu tatsächlichen Abwa­schungen gelangt seien, hätten nicht im Einverständnis mit der übrigen Industrie gehandelt.

Jur Haltung der Ruhrindustrieklen.

Berlin, 10. Okt. Zu den Verhandlungen der Vertreter der Ruhrindustrie mit der Reichsregierung verlautet von unterichteter Seite, daß am Sonntag mündliche Bespre­chungen der Herren mit, dem Reichskanzler stattgefunden haben, wobei der Reichskanzler die Herren um schriftliche Niederlegung der von ihnen vertretenen Gesichtspunkte er­sucht hat. Dieses Schriftstück liegt nunmehr den Ressorts zur Prüfung vor und soll den Gegenstand einer Bespre- , chung im Kabinett bilden. Forderungen an die Regierung wurden nicht gestellt. Die von den Jndustrievertretern am Mittwoch abend vor ihrer Abreise nachgesuchte Besprechung mit dem Reichskanzler konnte deshalb nicht zustandekom- men, weil es der Stand der Krise in diesen Stunden dem Reichskanzler unmöglich machte, eine derartige Bespre­chung abzuhalten. Es wird festgestellt, daß sich die Vertre­ter der Ruhrindustrie der Reichsregierung gegenüber durchaus loyal verhielten und daß die in dieser Hinsicht gegen sie erhobenen schweren Vorwürfe nicht zutreffend sind. Die weitere Behandlung der Frage betr. die Wie­deraufnahme der Sachlieferungen hängt von dem Ergeb­nis der bei der französischen und belgischen Regierung unternommenen Schritte ab. Erst wenn eine offizielle Mitteilung darüber vorliegt, wird es sich zeigen, ob mit .Mer Wiederherstellung desjenigen Zustands gerechnet

werden kann, der eine Wiederaufnahme der Sachlieferun­gen überhaupt ermöglicht. Gegenüber abweichenden Mel­dungen über eine Unterredung des deutschen Geschäftsträ­gers in Brüssel mit dem belgischen Minister des Aeußern, Jaspar, ist festzustellen, daß der Geschäftsträger den Auf­trag hatte, zum Ausdruck zu bringen, daß die deutsche Ne­gierung es begrüßen würde, wenn eine Vereinbarung zu­stande käme, die Deutschland in die Lage versetze, die Sach­lieferungen wieder auszunehmen. Eine andere Erklärung zur Frage der Sachlieferungen hat der Geschäftsträger nicht abgegeben. Angesichts der Eesamtlage ist es begreiflich, daß die Vertreter der Nuhrindustrie inzwischen die Vor­aussetzungen für eine Wiederaufnahme der Arbeit festzu­stellen suchen.

Die französische Gewaltpolitik.

Die französische Abtrennungspolitik.

Beharrung auf Ausschaltung der Reichsregierung von den Ruhr­verhandlungen.

Paris, 10, Okt. Zu der Demarche, die heute vormittag der deutsche Geschäftsträger, Botschaftsrat von Hösch, am Quai d'Orsay unternommen hat, schreibt derTemps": Der Minister­präsident hat geantwortet, daß die Einstellung des passiven Wi­derstands einfach zu lokalen Abkommen zwischen den alliierten Behörden und den Bewohnern der besetzten Gebiete führen müsse. Es sei nicht angebracht, diese Abkommen mit Verhandlungen mit der Regierung zu vermengen. An Ort und Stelle werde man die Einstellung des Widerstands feststellen. Diese Antwort be­hindere keineswegs die Verhandlungen, die später zwischen sämt­liche» Alliierten und Deutschland eröffnet werden könnten, wenn der Widerstand aufgehoben und die deutsche Regierung einen Zahlungsvorschlag gemacht habe. Die .Liberia" bespricht den Abschluß eines Abkommens mit der Wolffgruppe und sagt: Wir dürfen uns nicht yon der Methode abbringen lasten, die wir an­genommen haben. Eine provisorische Lösung würde das Ergeb­nis der Besetzung in Frage stellen. Das ist übrigens auch die einzige Haltung, die die übrigen Gläubiger Deutschlands davon abhalten kann zu behaupten, wir wollten sie schädigen. Schon klagt uns ein Teil der englischen Presse an, daß wir das Ruhr­gebiet in eine französische Interessensphäre durch das Abkommen mit den rheinisch-westfälischen Industriellen umwandeln wollten. Nachdem man uns dort Katastrophen vorausgesagt hat, wirft man uns jetzt vor, wir triumphierten jetzt schon zu sehr. Aber wenn die Angelegenheit, wie Frankreich und Belgien dies wol­len, der Reparationskommission überwiesen wird, haben wir für alle Welt gesiegt. Aber die Befürchtungen, die man hinsichtlich unserer Aktion im Ruhrgebiet ausspricht, sind uns, so wenig sie gerechtfertigt erscheinen, angenehm. Es ist bester, beneidet als bemitleidet zu werden.

Belgien wie immer französischer Ansicht.

Paris, 10. Okt. Der Brüsseler Berichterstatter des Journal des Döbats" meldet, in offiziellen politischen Kreisen hoffe man, daß die Verhandlungen zwischen Paris und Brüssel über die auf die gestrige Demarche des deut­schen Geschäftsträgers zu erteilende Antwort heute nach­mittag beendet sein würden, sodaß die Minister Theunis und Jaspar ihre Haltung durch den Ministerrat billigen lasten könnten, der heute nachmittag unter dem Vorsitz des Königs zusammentrete. Der Berichterstatter zweifelt nicht daran, daß die deutschen Forderungen abgelehnt werden. Berlin müsse anerkennen, daß sich jetzt auch Eisenbahner in Masten bei der französisch-belgischen Regie meldeten, um wieder eingestellt zu werden. Aus diesem Grunde werde man mit der deutschen Negierung keine Verhandlung an- knüpsen. Sie werde an die Reparationskommission ver­wiesen werden.

Der systematische Geldraub.

Berlin, 10. Okt. Am 28. September besetzten belgische Truppen die Reichsbankstelle in Mörs, bemächtigten sich der auf den Kastentischen liegenden Beträge in Höhe von rund einer halben Billion Mark und verlangten die Herausgabe der Trestorbestände, die sich auf etwa 15 Billionen beliefen. Da die Oeffnung des Trestors verwei­gert wurde, wurden der schlüstelfllhrende Beamte, ein Geldzühler und zwei Angestellte verhaftet. Das im Kasten, raum anwesende Publikum wurde mit Gewalt gezwungen, die bei sich führenden Geldbeträge auszuhändigen. Erst nachdem am 1. Oktober an die belgische Besatzungsbehörde die Summe von einer Billion Mark bezahlt wor­den war, bequemten sich die Belgier dazu» das Eebäyde.

zu räumen und die Gefangenen, die während der Zeit ihrer Gefangenschaft, weder essen noch schlafen konnten, wieder freizugeben. Am 4. Oktober sind von dem Kommissar der belgischen Besatzungsbehörde auf der Nerchsbankstelle in Krefeld 599 910 845 000 Mark sortgenommen worden. Aus der Neichsbankstelle in Düsseldorf wurden auf Befehl des französischen kommandierenden Generals weitere 3800 Milliarden weggenommen.

Düren, 10. Okt. Hier wurden 500 Milliarden Mark auf dem Transport von der Reichsbank nach der Deutschen Bank von der Besatzungsbehörde fortgenommen.

Der päpstliche Delegat im Nuhrgebiet.

Paris, 9. Okt. Der päpstliche Delegat im R''ft-acbiek, Msgr. Testa, hat, wie Havas berichtet, heute .>. , .ni:ag dem General Degoutte einen Besuch abgestattet und sich lange mit ihm unterhalten. Msgr. Testa übermittelte dem General insbesondere das Verlangen des Papstes, eine ge. wisse Anzahl Deutscher, die wegen politischer Vergehen von den französischen Kriegsgerichten verurteilt wurden, zu be­gnadigen. General Degou tte hat dem Delegaten verspro­chen, diesen Wunsch mit größtem Wohlwollen und mit demk lebhaften Wunsch,seiner Forderung Folge leisten zu können, zu prüfen.

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Zur auswärtigen Lage.

Verhandlungen über einen deutsch-amerikanischen Konsularvertrag.

Berlin, 10. Okt. Zu derTimes"-Meldung, wonach Verhandlungen über einen Konsularvertrag zwiiL >r Deutschland und den Ver. Staaten stattgefundrn ln. ! sollen, wird den Blättern mitgeteilt, die Meldung ^ -

behre insofern nicht ganz einer Grundlage, als es rickft.g sei, daß die amerikanische Regierung den vorläufigen Ent­wurf eines Handelskosularvertrags der Berliner Regie­rung überreicht habe. Dieser Entwurf wurde einer Prü­fung unterzogen. Verhandlungen hätten aber noch nichts stattgefunden.

Die Rebe Lord Eurzons offiziell vom englische« Kabinett gebilligt.

London, 10. Okt. Das Foreign Office veröffentlicht fol­gende Mitteilung: Mit Bezug auf die Meldungen in der Presse, die versucht haben, den Eindruck hervorzurufen» daß eine Meinungsverschiedenheit zwischen den Wortfüh­rern der Regierung in der Frage der auswärtigen Ange­legenheiten bestehe, sind wir ermächtigt, mitzuteilen, daß die Rede Lord Eurzons vor den Mitgliedern der Reichs- konferenz am letzten Freitag dem Premierminister unter­breitet und von ihm gebilligt wurde, bevor sie gehalten wurde.

Die englische Arbeiterpartei fordert von der Regierung Aktivität.

London, 9. Okt. Arbeiterführer Henderson forderte gestern obend in einer Rede in Nelson (Lancashire) die Regie­rung auf, unverzüglich eine nicht mißzuverstehende Erklärung über ihre Haltung angesichts der neuen Lage im Ruhrgebiet ab- zugeben. Der gegenwärtige Augenblick sei für Zweideutigkeiten nicht geeignet. Die Zeit zum Handeln sei gekommen. Die Re­gierung müsse auch für Deutschland auf dem Recht zur Teil- nähme an den Verhandlungen bestehen und sich gegen jede An­nexion deutschen Gebiets erklären. In einer Rede in Chelms- ford sagte der vormalige Arbeitsminister, es sei nicht erstaunlich, daß das britische Volk über das ziellose Dahinschreiten, das an­stelle einer bestimmten Politik getreten sei, immer besorgter werde.

Der Schwindel der englischen Reichvkonferenz.

Paris, 10. Okt. Havas berichtet aus London, man habe noch keine Bestätigung der Nachricht erhalten, daß Lord Curzon am Donnerstag eine neue Erklärung über die Außenpolitik der Re­gierung vor der Reichskonferenz abgeben werde. Nach Mittei­lung von ermächtigter Seite sei es jedoch möglich, daß der Staatssekretär wieder das Wort ergreifen werde an dem Tage, an dem die Reichskonferenz die Frage.der Außenpolitik erörtern werde.

London, 10. Okt. Der diplomatische Berichterstatter desDaily Telegraph" schreibt, mehrere Premierminister der Dominions hätten konkrete Vorschläge über die eine oder andere Seite des Reparationsproblems ausgearbeitet und von seiner Seite sei der Konferenz ein umfassender Plan vorgelegt worden, welcher gegebenenfalls als Grundlage der Erörterungen dienen könne. Dieser Plan werde jetzt von der britische» Regierung und ihren Sachverständigen eingehend geprüft. - - ^