Amtliche Bekanntmachungen.
tzekanntmachung des Arbeits- und Ernährungsministeriums, betr. Kleinhandelspreise.
Vom 4. Oktober 1923.
II.
Bei der Durchführung der Vorschriften über Preisschilder und Preisverzeichnisse haben sich zahlreiche Unzuträglichkeiten ergeben, die das Arbeits- und Ernährungsministerium veranlassen, auf folgende Punkte hinzuweisen:
1. Die Preise sind in deutscher Währung, d. h. in Pass i e r m a r k anzugeben. Die. Berechnung der Papiermarkpreise hat nach den Grundsätzen über die Feststellung des angemessenen Preises, die vom Reichswirtschaftsministerium und vom Reichsministerium der Justiz im Dezember v. Js., im März ds. Js. aufgestellt worden sind, zu erfolgen; diese Grundsätze sind durch Bekanntmachung des Ernährungsministeriums vom 30. Jan. und 17. März (Staatsanzeiger Nr. 25, 67) bekanntgegeben worden. In dem Umfang, als bei der Berechnung der Preise die äußere Geldentwertung berücksichtigt werden darf und berücksichtigt wurde, sind die Papiermarkpreise den Schwankungen der äußeren Geldentwertung jeweils anzupassen.
Die häufigen und heftigen Schwankungen der Papiermark machen es schwierig, die Preise der Waren ständig in gewissenhafter und vorschriftsmäßiger Weise in Papiermark anzugeben. Das Arbeits- und Ernährungsministerium will, um diesen Schwierigkeiten zu begegnen, zulassen, daß die Preise im Einzelhandel in Eoldmark und Goldpfennig angegeben und mit einem Multiplikator, welcher dem jeweiligen Geldwert angepaßt wird, vervielfacht werden. Andere willkürliche Grundpreise könnennicht zugelassen und müssen als vorschriftswidrig und strafbar be - an standet werden.
L. Bei der Berechnung und Festsetzung der Preise in Eoldmark und Eoldpfennig sowie bei der Berechnung des Multiplikators ist folgendes zu beachten:
ol Die Verkaufspreise der Waren, zusammengesetzt aus Einstandspreis, besonderen und allgemeinen Unkosten, Zinsen für beide, Unternehmerlohn und Unternehmerreingewinn, sind aus Grund und nach Maßgabe der in- Ziff. 1 erwähnten Grundsätze über die Feststellung des angemessenen Preises zunächst in Papiermark zu berechnen. Diese Grundsätze sind insbesondere auch bei Berechnung des Unternehmerlohns und Unternehmerreingewinns genau zu beachten, d. h. beim Unternehmerlohn darf nicht die volle Geldentwertung berücksichtigt werden; der Unternehmerlohn ist vielmehr nach feststehender Praxis den Gehältern und Löhnen gleichzu-
- setzen, die Angestellten mit gleicher Beschäftigung in fremden Unternehmungen gewährt werden. Der Unternehmerrein-
!, gewinn muß entsprechend dem allgemeinen Rückgang des . Einkommens anderer Volkskreise gekürzt werden. Bei der ^ Risikoprämie darf die Geldentwertung nicht berücksichtigt , werden.
Der hiernach in Papiermark festgesetzte Verkaufspreis ist sodann nach dem letzten amtlichen Dollarbrieflurs der Ber- ^ liner Börse (1 Dollar — 4,20 Eoldmark) in Eoldmark und Goldpfennig umzurechnen und auf den Preisschildern anzu-
- bringen oder in das Preisverzeichnis aufzunehmen. Verfehlungen gegen diese Grundsätze unterliegen als Verfehlun-
> gen gegen die Preistreibereiverordnung deren Strafbestimmungen.
bl Der in Eoldmark und Eoldpfennig festgesetzte Verkaufspreis ist mit einem Multiplikator zu vervielfältigen, der dem Wert einer Eoldmark, errechnet auf Grund des letzten amtlichen Dottarbriefkurses der Berliner Börse und auf volle Millionen nach unten und oben (unter 500 000 Mark nach unten, von 501000 -4t ab nach oben) abgerundet, entspricht. Am Montag ist der Newyorker Schlußkurs vom Samstag zugrunde zu legen.
' cl Der Multiplikator gilt jeweils für einen ganzen Tag. Eine / Erhöhung des Multiplikators im Laufe eines Tages ist als ^: Preistreiberei unzulässig und strafbar. Der Multiplikator ^ ist in jedem Schaufenster sowie in den Läden an deutlich sichtbarer Stelle als wesentlicher Bestandteil der Preisangabe auszuhängen.
6! Eine willkürliche Erhöhung der einmal in Goldmark und Goldpfennig festgesetzten Verkaufspreise, die der Preistreibereiverordnung widerspricht, ist verboten und strafbar, ei Der Uebergang von der Papiermarkauszeichnung zur Auszeichnung in Eoldmark in den Preisverzeichnissen und auf den Preisschildern sowie umgekehrt ist sowohl für einzelne wie für sämtliche auszuzeichnenden Waren nur aus besonderen Gründen zulässig. Ein öfterer Wechsel begründet den Verdacht der Preistreiberei und hat polizeiliches Einschreiten zur Folge.
III.
Die Richtlinien des Polizeipräsidiums Stuttgart, Abteilung Wucheramt, für die Anbringung von Preisschildern und Preisverzeichnissen, die nähere Erläuterungen zu der Liste der auszeichnungspflichtigen Gegenstände enthalten, sind nachstehend abgedruckt.
Die Oberämter und die Ortspolizeibehörden werden beauftragt, auf die vorstehende Bekanntmachung sowie auf diese Richtlinien des Polizeipräsidiums in den Amtsblättern nachdrücklich hinzuweifen, soweit nicht ein wenigstens auszugsweiser Abdruck möglich ist. In Vertretung: Rau.
Richtlinien des Polizeipräsidiums für die Anbringung von Preisschildern und Preisverzeichnissen.
Zur Durchführung vöst KZ 37 und 38 der Verordnung über Handelsbeschränkungen vom 13. Juli 1923 (RGBl. S. 706) wird bekannt gegeben:
1. Die Verordnung vom 26. Juli 1923 (RGBl. S. 766) stellt eine Liste von Waren auf, die, soweit sie Gegenstände des täglichen Bedarfs sind, auszeichnungspflichtig sind. Um den Geschäftsleuten und der Bevölkerung Anhaltspunkte zu geben, in welchen Fällen die Polizei die Eigenschaft einer Ware als Gegenstand des täglichen Bedarfs verneinen wird, wird die nachstehende Liste mitgeteilt, aus der zu entnehmen ist, in welchen Fällen eine Auszeichnungspflicht als nicht bestehend erachtet wird.
Torten und tortenähnliches Kleingebäck (Leckereien), ausgesprochene Delikateßfische sowie Hummern und Austern, reiner Bohnenkaffee, überseeischer Tee,
alle Schokolade- und Kakaoerzeugnisfe, soweit es sich nicht um Kakaopulver und Tafelschokolade handelt, alle Zuckerwaren, soweit sie ausgesprochene Leckereien sind, alle Bckleidungs- und Ausstattungsgegenstände, die über eine mittlere Qualität und Preisgrenze hinausgehen und vom Arbeiter- und Bürgerstand derzeit nicht notwendig gekauft werden müssen, insbesondere alle Fabrikate aus Seide, Halbseide und Kunstseide,
Lackschuhe, Ballschuhe, Wildlederschuhe sowie alle übrigen luxuriös ausgestatteten Herren-, Damen- und Kinderschuhe, schwarze und farbige, aus echtem Chevreauxleder angefertigte Schuhe und Stiefel und alle Damenstiefel über 20 cm Schafthöhe, außerdem alle Sportsstiefel, mit Ausnahme von Turnschuhen, Lederwaren, soweit sie aus besonderen feinen Ledersorten bestehend oder luxuriös ausgeführt sind, ausgesprochene Luxusmöbel, insbesondere weißlackierte und Pitchpine-Möbel und alle Möbel aus überseeischem Holz, ausländische Toilettenseifen,
Pfeifen mit Bernstein- und Meerschaumspitzen,
Spezialwerkzeuge, wie sie beim Handwerker und der Industrie gebraucht werden.
2. Da die Verordnung vom 26. Juli 1923 Lei Möbel, Hausund Küchengeräten die Auszeichnungspflicht auf die Fälle beschränkt, in denen es sich um Gegenstände handelt, die zur Füh
rung des Haushalts nötig sind, wird nachstehende Liste bekannt gegeben, aus der diejenigen Gegenstände hervorgehen, die von der Polizei als auszeichnungspflichtig angesehen werden:
einfache rohe und farbig lackierte tannene Küche ' schränke, -tische, -stühle,
emaillierte Koch-, Brat-, Eß-, Kaffee- und Waschgeschi::e. eiserne Brat- und Backpfannen sowie Bleche, verzinkte Wassereimer, Kehrichteimer, Spülwannen, Wasch kessel und Bettflaschen,
Kücheartikel aus blankem und lackiertem Weißble^ als Suppen-, Tee-, Salatsicbe, Backformen, Brotkörbe und -kästen rund und oval, Kaffee- usw. Büchsen und Dose», unvernickelte eiserne Bügeleisen, Bügelröste und Feuergeräte,
schwarz lackierte unbemalte Kohlenfüller, Ofenschirme und Ofenbleche,
Holzbretter, Kochlöffel,Holz-Salatbestecke sowie sonstige einfache Holzgeräte aus Buchen- und Tannenholz, Waschbretter, Wäscheleinen, Wäscheklammern,
Eisen-undBlechlackierte und emaillierte Fleischhackmaschinen, Kaffeemühlen und Tellerwagen, einfache Wasch-, Putz-, Spül-, Kleider-, Schuh- und Möbel- biirsten sowie Kehrbesen,
weiße unbemalte Steingut- und Porzellanteller, -Lassen Suppen-, Fleisch-, Gemüse-, Salat-, Saucen- und Kompottschüsseln, Kaffee-, Tee- und Milchkannen, weiße und elfenbein farbige unbemalte Steingut- Waschgeschirre und Zubehör,
Küchen- und Einmachtöpfe und Schüsseln aus grauem braunem Ton. Krüge aus grauem und gelbem St: u zeug.
glatte geblasene und gepreßte Wasser-, Bier- und Weingläser, sowie Likörgläser aus ungefärbtem Hellem Glas,
unvernickelte und unversilberte einfache Küche- und Tafelbestecke aus Stahl, Aluminium und Zinnlegierung, Schlichthobel, Simshobel und Aexte.
Verfügung des Ernahrungsministeriums über die Kartoffelversorgung aus der Ernte 1923.
Auf Grund des Z 6 Abs. 2 der Reichsverordnung über Notstandsversorgung vom 13. Juli 1923 (Reichs-Gesetzbl. I S. 699) wird zur Verhinderung eines Notstandes in der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln mit Zustimmung des Reichsministers für Ernährnug und Landwirtschaft folgendes bestimmt:
8 1 -
Kartoffeln dürfen auf der Bahn in Wagenladungen, sowie mittels Schiff nur mit Beförderungspapieren, die einen besonderen Stempel tragen, versandt werden.
8 2 .
(1) Die Stempelung der Beförderungspapiere erfolgt durch die württ. Landesversorgungsstelle in Stuttgart oder die von ihr beauftragten Stellen.
(2) Für die Stempelung werden Verwaltungsgebühren erhoben.
lZI Die näheren Bestimmungen trifft die Landesversorgungsstelle.
8 3-
Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften in Z 1 sowie gegen die auf Grund des Z 2 Abs. 3 erlassenen Bestimmungen unterliegen den Strafvorschriften des Z 13 der Reichsverordnung über Notstandsversorgung vom 13. Juli 1923 (Reichs-Gesetzbl. I S. 699).
8 1 -
Die vorstehenden Bestimmungen treten für den Versand nach Orten außerhalb Württembergs am 8. Oktober 1923 in Kraft; für den Kartoffelverkehr innerhalb Württembergs bleibt der Zeitpunkt des Inkrafttretens bis auf weiteres Vorbehalten.
In Vertretung: Rau.
rs; Steffani Drehsa.
Roman von Alexandra v. Bosse.
„Ach — aber Ottokarl ist doch ihr Vetter — beinahe wie ein Bruder!" stammelte Frau v. Wagnitz.
„Na — die Vetternschaft ist doch auch so ziemlich von Adam her, nicht? Es wird doch so schon allerlei geredet — man findet, daß die beiden zu viel miteinander verkehren, nicht wahr, Hulda?"
„Allerdings!"
In diesem Augenblick kamen die Herren zurück. Die Lästerzungen Frau v. Wyborgs und ihrer Tochter vermummten. —
Die beiden großen Leuchtkörper warfen blendende Strahlen voraus, aber ihr Licht war heute kaum nötig, so weiß lag die Landstraße im Hellen Mondenschein; in sanften Windungen zog sie sich durch die dunkleren Fewer gleich einem silbernen Band, über das der Wagen, von unsichtbaren Kräften gezogen, dahinflog. Steffani hatte sich den Schleier fest um den Kopf gewunden und den Mantel dicht um die Schultern gezogen, denn die Nachtluft war kühl, und hier in der Ebene, wo die Straße fast kilometerweit zu übersehen war, ließ der Führer die Maschine mit voller Kraft laufen. Surrend, mit singendem Laut sauste der Wagen dahin, und die dunklen Baummassen zu beiden Seiten der Straße glitten in rascher Folge vorbei. Zn brei- ten Wellen wogte die frische Luft ihnen entgegen, gewürzt vom Duft der Felder, auf denen die Ernte im Gange war. Steffani genoß die eigenartige Erregung der blitzschnellen Fahrt, und ihre Sorge um Binchen schwieg, weil sie sicher war, bald am Bett des kranken Kindes stehen zu können.
Nach dem Bahnübergang fuhren sie in das enge Rö-
denauer Tal ein. Dann stieg die Straße leicht bergan und führte, schmäler werdend, dicht am rauschenden Bache hin. Die Schatten der Hügelwände zu beiden Seiten hielten das Mondlicht ab, scharfe Kurven verhinderten den Ileber- blick, und der Führer verringerte die Fahrtgeschwindigkeit. Nichts war zu hören als das Rauschen des Baches und das geschäftige Surren des Motors.
Bisher hatten Steffani und Treben geschwiegen, weil der scharfe Luftzug eine Unterhaltung unmöglich machte. Jetzt fragte er, ob sie warm genug eingehüllt wäre.
„Ja, vollkommen! Die Fahrt ist wunderschön!" erwiderte sie.
„Du bereust nicht, dich mir anvertraut zu haben?"
„Nein; ich Lin dir dankbar, daß du auf den guten Gedanken kamst, mich herauszufahren."
„Das war ja selbstverständlich; ich fürchtete nur, du würdest nicht darauf eingehen."
„Warum nicht?"
„Weil du bisher dich immer geweigert hast, mit mir zu fahren."
„So? — Nun, heute bin ich dir um so dankbarer für dein Anerbieten. Im Mietwagen wäre ich vielleicht» wirklich irgendwo auf der Straße liegen geblieben."
„Es macht mich glücklich, mit dir zu fahren," sagte er leise.
Sie antwortete nicht darauf. Er konnte ihren Eesichts- ausdruck nicht erkennen, so dunkel war es; selbst ihre Gestalt nahm er nur im Umriß wahr, aber er fühlte ihre Nähe um so stärker, und das Bewußtsein, mit ihr allein zu sein, berauschte ihn. Heftig und unruhig pochte sein Herz. Er wußte allerdings, daß sie nur so rasch und freudig sich entschlossen, mit ihm zu fahren, weil ihre Sorge um
Binchen alle Bedenken gegen die nächtliche Fahrt Lberwog. Er wußte, daß sie nicht ihm zuliebe mit ihm fuhr; aber er hoffte, daß jetzt, wo sie mit ihm allein war, auch sie etwas von dem Glück empfinden müßte, das ihn durchströmte, weil sie bei ihm war. — Einmal hatte sie ihn doch geliebt! Mußte nicht die gemeinsame Fahrt durch die tiefe Stille der Nacht und an seiner Seite alte Empfindungen in ihr wieder wecken? Was sie einst für ihn gefühlt, konnte ja wieder erwachen. Er nahm an, sie sei nur so still, weil sie fürchtete durch ihre Stimme zu verraten, was sie be- wegte. Sein gespannt erregter Zustand machte es ihm unmöglich, irgend ein gleichgültiges Gespräch mit ihr zu beginnen, jetzt, wo die langsamere Fahrt es ermöglichte. Er wußte, daß er nichts sagen konnte, ohne die leidenschaftlichen Regungen zu offenbaren, die sein Herz beklemmten, und er zwang es, zu schweigen.
So kamen Steffani und Treben schweigend der letzten, starken Steigung vor Rödenau näher. Der Führer schaltete um; surrend begann die Maschine die Höhe zu überwinden. Aber immer langsamer wurde ihr Gang und plötz- lich setzte die Zündung aus, rasch zog der Führer die Bremse an; der Wagen stand still.
Der Führer stieg ab, kurbelte an; der Motor begann zu arbeiten, aber mit knurrendem Laut setzte er gleich wieder aus Ein zweites, ein drittes Mal wurde angekurbelt, und endlich schien die Maschine wieder in Gang zu kommen. Kaum saß der Führer an seinem Platz und schattete die Kupplung ein, als der Motor abermals versagte.
Nun stiegen sie alle aus.
(Fortsetzung foljft.)