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Telephsu 17S.
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Verlag mrd Gchrifueitmrgr Theodor Gack
Wohmmg: Bismarckstratze 237
Nummer 1v
Fernruf 17»
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Der ungeheure Skandal in den deutschen Sachlieferun- gen erregt in Berlin und Paris das peinlichste Aufsehen. Es scheint, daß gewisse Amtsstellen hüben und drüben durch Fahrlässigkeit kompromittiert sind. Die ganze Ausmachung der Sachlieferungen auf Entschädigungskonto ist ja auch derart, daß sie für Schmarotzergeschäftsleute, wenn sie nur di« nötige Findigkeit besitzen, geradezu eine Einladung bietet, aus unredliche Art Millionen zu erwerben. Schon vor längerer Zeit waren die zuständigen Stellen in Berlin darauf aufmerksam gemacht worden, daß bei den „Sachlieferungen" grobe „Unregelmäßigkeiten" unterlaufen. Die amtlichen Stellen ließen Nachforschungen anstellen, die den Verdacht vollauf bestätigten. Verschiedene betrügerische Firmen sind darauf von dem Geschäft ausgeschlossen worden.
Wer ist der Geschädigte?
Die amtlichen Stellen in Berlin sind in die Prüfung der Frage eingetreten, wer als der geschädigte Teil anzusehen sei. Und dabei scheinen gewisse „juristische" Bedenken aufgetaucht zu sein. Der Tatbestand ist so, daß von Deutschland auf Entschädigungsrechnung laufende Zahlungen geleistet werden müssen. Wann und in welch e r F o r m diese Zahlungen dann an die Gläubigerstaaten Deutschlands überwiesen werden, ist Sache des Ueber- wachungsagenten, auf dessen Ueberrveisungen Deutschland keinen Einfluß ausüben kann. Jedoch muß der Ueberweisungsagent die im Londoner Vertrag festgelegte Rücksicht auf die deutsche Währung nehmen; insofern also ist Deutschland als stark interessierter Teil anzusehen, das seine Aufmerksamkeit darauf richten muß, ob Schwierigkeiten für die Ueberrveisungen entstehen. Es scheint nach dem eben Gesagten zunächst der als Verwalter der Entschädigungsrechnung, der Ueberweisungsagent, als geschädigter Teil in Frage zu kommen.
Der Geschäfksverlaus
Hinsichtlich der Lieferung von Sachleistungen und deren Aufrechnung auf die Entschädigungsschuld ist festzustellen: Die bei einem Geschäft beteiligten Firmen müssen sich über die Lieferungen und die Lieferungsweise einig werden. Wenn der Vertrag zustande gekommen ist, geht er zunächst in Paris an die deutsche Abrechnungsstelle und an den Entschädigungsausschuh. Beide Stellen prüfen den Vertrag. Sobald diese Prüfung abgeschlossen ist, wird der Vertrag an die zuständigen Stellen in Berlin weitergeleitet. Die von den erwähnten Stellen ausgeübte Prüfung erstreckt sich daraus, festzustellen, ob die Lieferung sich im Rahmen der vertraglichen Bestimmungen bewegt, wie sie durch das Londoner Protokoll festgesetzt worden sind, d. h. u. a. auch darauf, ob es sich bei dem Geschäftsvertrag nicht um die Lieferung verbotener Waren handelt. Der weitere Verlauf des Geschäftsgangs ist dann Sache der kaufenden und verkaufenden Firmen. Die Bezahlung wird aus dem Entschädigungskonto geleistet. Soweit man bisher sehen kann, ist in die erwähnte Prüfung also nicht eine Prüfung der gelieferten Waren einbezogen. Diesen Umstand haben die betrügerischen Firmen ausgenutzt, um auf Kosten des Entschädigungskontos übermäßige Gewinne einzustecken. Aus jeden Fall dürfte so viel feststehen, daß die Organisation der Sachlieferungen in ihrer bisherigen Form starke Mängel, vor allem in der Prüfung der Waren, aufzuweisen hat.
Die Untersuchung in Paris
Die in Paris geführte Untersuchung erstreckt sich auf eine große Zahl von Personen, jedoch ist bis jetzt noch keine Verhaftung erfolgt — es handelt sich nämlich auch hier fast durchweg um „hochangesehene" Firmen, die, wie gewöhnlich, gewisse Verbindungen mit politisch einflußreichen Persönlichkeiten haben. Gerade von den letzteren sind mehrere in die Angelegenheit verwickelt. Die Hauptschieber scheinen große Vieh- und Getreidehändler zu sein. Ein Hauptbeteiligter ist auch der Direktor der Para-Einfuhr- und Ausfuhr- Gesellschaft in Berlin, ein Herr Goldschmidt. Im übrigen werden noch keine Namen genannt, was verschiedenen Zeitungen Veranlassung gibt, die Regierung scharf anzugreifen und sie der Beihilfe zur Verdunkelung zu beschuldigen. Die Pariser Staatsanwaltschaft ist indessen bereits zu Haussuchungen in Paris und in der Provinz geschritten, die zur Beschlagnahme wichtiger Schriften geführt hat. Es soll festgestellt sein, daß alle diese betrügerischen Geschäfte in Anwesenheit von Beamten des französischen Finanzministeriums und des Ministeriums „für die befreiten Gebiete" gemacht wurden.
Von der französischen Regierung nahestehenden Personen wird erklärt, es sei übertrieben, wenn von einem Blatt die Höhe der Betrügereien auf 75 Millionen Franken angegeben werde.
Von Berlin wird gemeldet, daß es eine Firma Goldschmidt in der Potsdamer Straße 122 a nicht gebe.
Gefälschte Verträge über 200 Millionen Mark
In Pariser Kreisen, die in den Gang der Untersuchung Einblick zu haben scheinen, wird behauptet, die Summe der en Lieferungsverträge übersteige 200 Millionen ark und der dadurch erzielte betrügerische Gewign^an
Freitag, den 13- Januar 1S28
Fernrufi?»
63. Jahrgang
ragesspiegel
Der Mdunasausschuß des Reichstags, dem die Vorberatung des Schulgesetzes obliegt, ist am 12. Januar vormittags wieder zusammengekreken, um zunächst die Beratung des Paragraphen 13 des Gesetzes (Schulaufsicht und -Ver- waltung) fortzusehen.
Rach pariser Blättern sollen an den Sachlieferungs- schiebungen besonders die Firma Minerva in Paris, die Para-Gesellschaft (Louis Goldschmidt), die Firma Gutberg u. Levy, sowie Dauphin in Paris beteiligt sein. Letzterer habe in den letzten Monaten über 20 000 Schafe nach Frankreich gebracht. Bei den Lieferungen habe auch Hotz eine große Rolle gespielt.
dem hauptsächlich zwei Pariser Großfirmen teilhaben, müsse sich auf mindestens 30 Millionen Goldmark belaufen. So hat z. B. ein französischer Viehhändler einige hundert von Deutschland zu liefernde Pferde bestellt, die angeblich für die Landwirtschaft in den Kriegsgebieten bestimmt fein sollten. Diese Pferde hatten einen durchschnittlichen Ankaufswert von 300 Mark. Im ersten Vertrag wurde dagegen ein Wert von 1200 Mark und in einem Ergänzungsvertrag ein solcher von 1600 Mark, in einem dritten Vertrag gar ein Wert von 3000 Mark für jedes Pferd eingesetzt. Der Viehhändler hat also neben dem gewöhnlichen Handelsgewinn noch betrügerisch einen Gewinn von mehreren hunderttausend Mark gemacht. Dieser ungeheuerliche Vertrag rief denn auch die Aufmerksamkeit der deutschen Behörden wach und gab den Anlaß zu einer Nachforschung.
Aehnliche Schiebungen wurden mit Kohle, Zucker, Getreide, Hopfen usw. gemacht. Ein französischer Großhändler verkaufte z. B. 1200 Kilogramm Zucker, die sich im Vertrag in 12 000 Kilogramm verwandelten, sofort mit großem Gewinn nach — England weiter. Das nennt man dann „Sachlieferungen für Kriegsentschädigung". Die französischen Händler ließen auch meist in Deutschland geringwertig« Ware zu möglichst niederen Preisen aufkaufen; in den Verrechnungsverträgen wurden daraus „erstNassige Waren", ganz abgesehen davon, daß sich die Menge gewöhnlich verzehnfachte.
Ein Schrill M VerWMguW über das
Berlin, 12. Jan. Zn den gestrigen interfraktionellen Verhandlungen über das Reichsschulgeseh ist auf dem Weg zur Verständigung der erste Schritt getan worden. Der Verhandlung lagen die von den Parteien zu den Paragraphen 14, 16 und 20 formulierten Anträge sowie eine Kompromißfassung des Reichsministeriums des Innern vor. Eine vollkommene Uebereinstimmung ist über den Paragraphen 16 erfolgt, bei dem der erste Sah, der einen besondern Beauftragten für Einsichtnahme in den Religionsunterricht vorsiehk, gestrichen wurde, so daß es auch für den Religionsunterricht bei der allgemeinen staatlichen Aufsicht bleibt. An Stelle des zweiten S ah es des Paragraphen 16 ist folgende Fassung beschlossen worden:
1. Den Religionsgesellschaften ist unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechks (Artikel 144 und 149 Absatz 1 der Reichsverfassung) Gelegenheit zu geben, sich davon zu überzeugen, ob der Religionsunterricht in Uebereinstimmung mil ihren Grundsätzen erteilt wird. Die zuständigen oberen Stellen der Religionsgesellschafken haben zu dem Zweck dasAechtderEinsichtnahmeinden Religionsunterricht. Dieses Recht kannnichk an den Orksgeistlichen als solchen übertragen werden. 2. Die Religionsgesellschafken und ihre Vertreter haben gegenüber den Lehrern, die den Religionsunterricht erteilen, kein« Befugnis der Dienstaufsichk.
In einem Zusatz zu Paragraph 16 wird bestimmt: In den Gebieten des Reichs, in denen ein Zusammenwirken zwischen staatlichen Behörden und Religionsgesellschasten hinsichtlich der Einrichtung und Erteilung des Religionsunterrichts in den Volksschulen durch Gesetz oder Vereinbarung festgelegk ist, kann es bei dieser Regelung verbleiben.
Die neue Fassung des Paragraphen 16 wird in der heutigen Sitzung des Einigungsausschusses als Antrag der Deutschen Volkspartei und der Deukschnationaten eingebracht werden. Das Zentrum, das diesen Antrag nicht unterzeichnet hak, hat sich bereit erklärt, für ihn zu stimmen.
Durch die neue Fassung ist der Religionsunterricht der allgemeinen staatlichen Schulaufsicht unterstellt worden. Die geistliche Orksschulaussicht ist beseitigt und nur den oberen Religionsbehörden die Befugnis zur Einsichtnahme gegeben worden. Die Verhandlungen über den Paragraphen 14 haben zu keiner Einigung geführt. Er bestimmt, daß die Bestimmungen über Lehrpläne und Schulbücher für den Religionsunterricht im Einvernehmen mit den Religionsgesellschafken erlassen werden. Hier hat die Deutsche Volkspartei beantragt, statt Einvernehmen ein Benehmen oorauszusetzen oder für den Fall, daß die bisherige Fassung hefteben bleibt, festzulegen. daß der Staat bei Meiimnqsrer-
lchiedenheiten das Recht der Entscheidung hak. Die Entscheidung über diese Frage ist einstweilen noch zurückgestellt. Zu Meinungsverschiedenheiten kam es über den Paragraphen 20, der die Bestimmungen über die süddeutschen Gemeinschaftsschulen enthält. Hier blieb hie Deutsche Volkspartei auf ihrem Willen bestehen, den süddeutschen Simultanschulen keine Schonzeit, sondern einen lauernden Schutz zu verschaffen. Für eine Einigung mit dem Zentrum besteht in diesen Fragen einstweilen noch Heine Mlssichk.
Der Schulgesetzentrvurf im Bildmrgsausschutz
Berlin, 12. Jan. Der Bildungsausschuß nahm den § 13 des Schulgesetzes in folgender Fassung an: „Die Aufsicht über alle Volksschulen führt der Staat; die Zahl der Geistlichen darf die Zahl der den örtlichen Schulver- waltungskörpern angehörenden Vertreter der Lehrerschaft »icht übersteigen. Bei der Besetzung der Stellen der unmittelbaren fachmännisch vorgebildeten Schulaufsichtsbeamten ist auf die Art der ihnen unterstellten Schulen nach Möglichkeit Rücksicht zu nehmen.
In die örtlichen Schulverwaltungskörper für Schulen, an welchen Religionsunterricht ordentliches Lehrfach ist, ist je ein Geistlicher der entsprechenden Religionsgesellschaft (evangelischer, katholischer Geistlicher, Rabbiner) aufzunehmen. Den Geistlichen beruft die Schulaufsichtsbehörde auf Vorschlag der betreffenden Religionsgesellschaft. Das Nähere bleibt dem Landesrecht überlassen. In den Ländern, in denen den örtlichen Schulverwaltungskörpern auch Aufgaben der Landesschulverwaltungsinstanzen übertragen weräen, ist die Teilnahme dieser Vertreter der Religionsgesellschaften an der örtlichen Schulverwaltung durch Landesgesetz zu regeln."
Der Ausschuß wendet sich Hann den W 14 und 16 der Vorlage, die gemeinsam behandelt werden, zu. Es handelt sich um die Bestimmungen, die den Religionsunterricht in den Volksschulen und die Einsichtnahme in den Religionsunterricht regeln. Hierzu liegt die bekannte Kompromißfasiung der Regierungsparteien vor. — Abg. Dr. Schreiber (Z.) erklärte, eine Wiedereinführung der geistlichen Schulaufsicht sei nicht beabsichtigt. — Darauf begründete Abg. O. Mumm (Dn.) den Kompromißantrag der Regierungsparteien. — Me Beratung wird am Freitag fortgesetzt.
Die Demokraten beantragen Streichung des Paragraph 18 -es Schulgesetzes
Wie der «D. Z." mitteilt, werden die Vertreter der demokratischen Fraktion im Bildungsausschuß des Reichstags u. a. beantragen, daß der Paragraph 16 des Keudellschen Schulgesetzentwurfes, der die Einsichtnahme in den Religionsunterricht behandeln soll, überhaupt gestrichen wird.
Neueste Nachrichten
Reichsminister Vr. hergt über die verreichlichung der Justiz
Berlin, 12. Jan. Bei der Weiterberatung des Justizhaushalts im Haushaltsausschuß des Reichstags ergriff Reichsjustizminister Dr. Hergt das Wort zu folgenden Ausführungen über die Verreichlichung der Justiz.
Im Vordergründe stehen für manche Kreise allgemeinpolitische und militärische Gesichtspunkte: Verstärkung derHoheitsrechts des Reichs auf Kosten der Länder. Zu dieser politischen Frage wolle er sich heute nicht äußern. Er persönlich mache sich solche Gedankengänge nicht zu eigen. Andere stellen die Fragen des Rechts selbst in den Vordergrund. Man denke dabei an die Berschiedenartigkeit der Ausführungsgesetze in den deutschen Ländern, an die Verschiedenartigkeit der Ausbildung der Juristen, der Handhabung der Strafverfolgung durch die Staatsanwaltschaft, des Begnadigungsrechts der Länder usw. Weiter falle auch der Gedanke der Rationalisierung ins Gewicht.
Heute sei die brennendste Frage das Interesse von solchen Ländern, die notleidend und finanzschwach sind, denen man zu helfen gedenke durch Abtretung einer Teilhoheit der Länder an das Reich auf dem Gebiete, auf dem gerade das Defizit in die Erscheinung trete. Bekanntlich weise jede Justizverwaltung ein Defizit auf. Das seien aber keine fragen des Reichsjustizministeriums für sich allein, sondern eine hochpolitische, die mit der Verfassung und der Verwaltungsreform Zusammenhänge. Deshalb werde sich mit ihr auch die Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin am 16. und 17. Januar zu beschäftigen haben.
Der Reichskanzler habe in München schon zum Ausdruck gebracht, daß man an die Frage: Verwaltungsreform von Reich und Ländern nicht einseitig von Reichs wegen Herangehen könne. Er für seine Person mache sich diesen Standpunkt des Herrn Reichskanzlers aus vollster Ueberzeugung zu eigen. Die Frage, den Jnstanzenzug zu verringern.usw., verfolge die Reichsjustizverwaltung mit