Württemberg
Skullgart, 26. Okt. Vom Landtag. Der Ausschuß für Verwaltung und Wirtschaft nahm in zweiter Lesung den Gesetzentwurf eines Landesjugendwohlfahrtsgesetzes nach den Beschlüssen der ersten Lesung an. Vor der Beratung im Landtag soll auch den freien Verbänden Gelegenheit zur Aeußerung über den Gesetzentwurf gegeben werden. Eine Eingabe evangelischer und katholischer Verbände betr. Einschränkung der Fastnachtslustbarkeiten wurde der Regierung zur Berücksichtigung übergeben.
Karlsruhe der Sitz eines Landesarbeitsamts für Baden und Württemberg? Wie das „Deutsche Volksblatt" von gut unterrichteter Seite erfährt, soll Württemberg und Baden zu einem Landesarbeitsamtsbezirk mit dem Sitz in Karlsruhe zusammengelegt werden. Bayern soll mit der Pfalz zusammen einen eigenen Bezirk bilden. Trotz der eindringlichen Vorstellungen der württ. Regierung wie der württ. Wirtschaft und weiter Kreise der Arbeiter- und Angestelltenschaft halten also die Berliner Stellen an der Zusammenlegung von Baden und Württemberg fest, während die Gegenvorstellungen der bayerischen Regierung mehr ins Gewicht gefallen zu sein scheinen. Württemberg wird also jetzt nicht nur das Vergnügen haben, die größere Zahl der Arbeitslosen, die Baden stellt, durch erhöhte Beiträge durchzuhalten; es verliert zudem auch noch den Sitz dieses großen Landesarbeitsamts an das badische Nachbarland.
Opferspende am Tokensonnkag für die Kriegsopfer. Auf
Antrag des Württ. Kriegerbundes wurde den Kirchengemeinden der Evang. Landeskirche und der Kath. Kirche empfohlen, am Totensontag, den 20. November anläßlich der Gefallenengedenkfeier das Opferbecken aufzustellen und den Ertrag der Kriegsbeschädigten- und Kriegshinterbliebenenfürsorge zuzuwenden. Auch der Oberrat der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs hat beschlossen, die Thoraspende am Sabatt vor der Totengedenkfeier zur Hälfte für die Kriegsbeschädigten- und Kriegshinterbliebenen- und zur anderen Hälfte für die Kriegsgräber-Fürsorge zu verwenden.
Eifenbahnunfall. Der Schnellzug 238 Berlin — Stuttgart (Stuttgart an 9.05 Uhr) ist am Mittwoch früh auf der Station Vach zwischen Bamberg und Nürnberg auf einen Güterzug gefahren. Der Schlußschaffner des Güterzuges wurde getötet. Von den Reisenden des Schnellzuges ist niemand verletzt. Der Zug ist auf der Strecke Nürnberg—Stuttgart ausgefallen. Die Reisenden Richtung Stuttgart sind mit D 118 (Stutgart Hauptbahnhof an 12.33 Uhr) weiter befördert worden. Der Unfall ist darauf zurückzuführen, daß der Güterzua außerhalb der Station Vach infolge Platzens eines Vremsschlauches zum Stehen kam. Der Stationsbeamte hatte davon keine Kenntnis und gab die Durchfahrt für den Schnellzug frei.
In dem Zug befand sich auch der deutsche Kronprinz, der zu der Beisetzung des Fürsten Wilhelm von Hohenzollern nach Sigmaringen reiste. Der Kronprinz hielt sich heute vorübergehend in Stuttgart auf.
Die Gasabgabe des Stuttgarter Gaswerks dürfte im Rechnungsjahr 1927 65 Millionen Kubikmeter betragen, das sind 55 v. H. der Gaserzeugung in ganz Württemberg. Zur Förderung einer zweckmäßigen Gasversorgung haben sich 45 württembergische Gemeinden zu einem "Landesverband zusammengeschlossen. In Bayern und Baden sind gleiche Bestrebungen im Gang. Dabei ist eine Zuschußleistung von Gas aus den rheinisch-westfälischen Kohlengebieten von der Aktiengesellschaft für Kohlegasversorgung in Essen, die ein Angebot für die gesamte Gasfernlieferung gemacht hat, nicht ausgeschlossen: in der Hauptsache wollen aber die süddeutschen Gaswerke selbständig bleiben und sie behaupten auch innerhalb des württ. Landesverbends ihre Selbständigkeit. Auf diese Weise kann zwar gegenseitige Aushilfe geleistet werden, das Fortbestehen des Wettbewerbs beugt aber der Gefahr der Monopolisierung der Wärmewirtschaft vor. Die Gasfernversorgung wird also kommen, aber nicht von einer einzigen Hauptstelle, wie Essen oder Stuttgart, sondern von den verschiedenen größeren Werken des Landes.
Neben der geplanten deutschen Großgasversorgung ab Rheinland-Westfalen in Essen tritt nun auch die von großen Braunkohlenwerken neu gegründete Gesellschaft zur Förderung der Braunkohlengaserzeugung in Halle als Wettbewerber auf.
Tagung der würkt. Deamkenschafk. Der württ. Beamtenbund, der mit Ausnahme des Reichsbunds der höheren Beamten sämtliche Landes-, Reichs- und Gemeindebeamken in Württemberg umfaßt, nämlich ungefähr 16 000 Landes- aeamte, 18 000 Reichsbeamte (dost und Eisenbahn usw.)
und 8000 Gemeind"beamte, hielt letzter Tage eine Vertreterversammlung ab. Zur Besoldungsfrage wurde behauptet, daß im Einzelfall sich nach den Uebergangsbestimmungen eine Gehaltserhöhung nicht von 16—17 v. H., wie der Reichsfinanzminister mitaeieiit hatte, sondern in vielen Fällen nur von 10 v H. ergebe. Finanzminister Dr. Deh- linger erklärte, die Besoldungsfrage sei zurzeit die wichtigste Frage. De Erhöhung sei notwendig, jetzt habe aber der Reichstag das Wort. Die Frage müsse rasch gelöst werden. Es sei in Württemberg keine grundsätzliche Abweichung von der Reichsregelung geplant, es könne aber auch keine Sonderlösung vorgcnonimen werden, sonst entstünde der Eindruck, als ob Württemberg in Geld schwimme. Keinesfalls werde Württemberg wegen der Besoldungsregelung eine Steuererhöhung vornehmen. Cr werde mit der Beamtenschaft in Fühlung bleiben. Württemberg verlange Zuschüsse vom Reich in irgendeiner Form. — Bei der Wahl des Gesamtvorstands wurden die seitherigen Führer wieder gewählt.
Arbeiksjubiläum. Am 17. Oktober waren es 25 Jahre, daß der Schlosser Karl Ortlieb bei der Firma Wilh. Conrad, Eisen- und Fensterbau in Stuttgart und Kornwestheim, eingetreten ist. Ans diesem Anlaß versammelten sich sämtliche Angehörige der Firma zu einer Feier, die sehr harmonisch verlief und bei welcher Gelegenheit dem Jubilar neben der Ehrenurkunde der Handelskammer ein ansehnliches Geldgeschenk vom Geschäftsinhaber überreicht wurde.
Stuttgart, 26 . Okt. Die Wohlkäkigkeiksver- instaltungzugunsienderKleinrentner, dieam !2. Oktober im Kunstgebäude stattfand, hakte nach Abzug riler Unkosten eine Ergebnis von über 4000 RM. Die Summe wurde dem Stuttgarter Renknerbund überwiesen. Alle, die zum Gelingen der Veranstaltung beigetragen haben, )ürfen des Danks der Kleinrentner versichert sein.
Sparkonten bei den Danken. Den Mitgliedern der Stempelvereinigung ist freigestellt worden, Bank-Sparkonten einzurichten mit höherem Zinsfuß, als diese Banken für sonstige Geldanlagen bei ihnen bezahlen. Vielfach wird dies so ausgelegt, als ob die Banken wieder in den Sparwettbewerb mit den Sparkassen eintreten wollten.
Vom Tage. Eine 48 Jahre alte Frau aus Berg sprang in den dortigen Mühlkanal, wo sie bald darauf als Leiche geländet wurde. — In einem Hause der Neckarstraße hat ein 2 Jahre altes Kind in der Küche seiner elterlichen Wohnung in einem unbewachten Augenblick einen Tops heißer Wassers vom Gasherd heruntergezogen und hat sich dadurch io stark verbrüht, daß es im Cannstatter Krankenhaus gestorben ist.
Heilbronn, 26. Okt. NeueOrgelfürdieKilians- lirche. Die jetzige Orgel der Kilianskirche ist 100 Jahr? alt, es häufen sich die Störungen im Gebläse, Mechanik, Manualen und Pedalen, so daß man ihrer nicht mehr Herr wird. Die Firma Walcker-Ludwigsburg hat nun einen genauen Plan für den Umbau gefertigt, wie ihn die Technik der Gegenwart fordert. Von der bestehenden Anlage soll das Wertvolle beibehalten werden.
Geislingen-Steige, 26. Okt. Das Württ. Lande s- jchießen 1928 in Geislingen. In einer außerordentlichen Mitgliederversammlung der Schützengesellschaft im Lengenkal wurde beschlossen, den vom Württ. Landes- schühenverein angebotenen Vorschlag, das nächstjährige Landesschießen in Geislingen abzuhalten, anzunehmen. Das Lan- desschühenfest wird also Anfang Juli nächsten Jahres in dem idyllisch gelegenen, im Jahr 1914/15 neu erbauten Schießhaus der Schützengesellschaft im Lengenkal abgehalken. Es sind Schießskände für 175 und 300 Meter und Kleinkaliber- schießstände in genügender Anzahl vorhanden.
Aus dem Lande
Hohenheim, 26. Okt. Starkes Fernbeben. Montag abend 17 Uhr 11 Minuten 10 Sekunden begann der hiesige Seismograph den ersten Wellenzug eines starken Fernbebens aufzuzeichnen. Die Bebenwellen dauerten über vier Stunden. Die errechnete Herdentfernung beträgt 7800 Kilometer. Es handelt sich wahrscheinlich um einen Bebenherd im oder am Alaska-Golf.
Ludwigsburg, 26. Oktober. Ueberfahren und schwer verletzt. Als am Montag Abend der verh. Schreiner Albert Engler die Vordere Schloßstraße über- chreiten wollte, wurde er von einem Personenauto über- ahren und zu Boden geschleudert. Er erlitt einen Unter- chenkelbruch und Gesichtsverletzungen und mußte ins Bezirkskrankenhaus eingeliefert werden.
l Bönnigheim OA. Besigheim, 25. Okt. Autobrand.
Zwischen hier und Hofen verbrannte ein Stuttgarter Last- ! auto, das in Hofen Obst holen wollte, vollständig, sodaß nur noch das Eisengerippe übrig blieb.
Heilbronn, 26. Okt. Süddeutsche Funkausstellung. Der Süddeutsche Rundfunk veranstaltet, angeregt durch den rührigen Funkverein Heilbronn, in der Zeit vom 5.—13. November in Verbindung mit den stattlichen und städtischen Behörden hier in den Räumen der Harmonie eine Ausstellung.
In der Chemischen Fabrik Rhenania-Kunheim (Wohlgeiegen) Abteilung Kesselschmiede, sind am Samstag zwei Arbeiter schwer verunglückt. Dem Arbeiter Albert Brod- beck muß die linke Hand voraussichtlich abgenommen werde».
Der Arbeitszeitprozeß um das Salzwerk wurde gestern in zweiter Instanz verhandelt- Die Staatsanwaltschaft Halle gegen das den Direktor Schlafke freisprechendc Arkeiil des Amtsgerichts Berufung eingelegt. Die Skrafkammei sprach jedoch den Angeklagten frei.
kirchheim m. N., 26. Oktober. Schwerer Sturz; Am Sonntag morgen wurde der hier wohnhafte verh. Schuhmacher Fr. Brenner schwer verletzt auf dem Leinpfad in der Nähe der Neckarbrücke aufgefunden. Der Verunglückt! ist wohl in der Dunkelheit die hohe Eisenbahnböschung hinabgestürzt und die ganze Nacht an der Unglücksstelle ge-, legen. An der gleichen Stelle ereigneten sich schon einmal zwei Abstürze, die einen tödlichen Ausgang nahmen.
Nassau, OA. Mergentheim, 26. Okt. Schadenfeuer Am Montag morgen ist der Holzschuppen des Landwirts Leonhard Herbst vollständig abgebrannt. Zündelnde Kinder hatten das Feuer verursacht.
Neresheim, 26. Okt. Brandfall. In dem benachbar- len Marktflecken Dischingen ist in der Nacht auf Montag das große landwirtschaftliche Gebäude der Gastwirtschaft zum Hirsch abgebrannt. Die Getreide- und Fukterernke dieses Jahrs ist mitverbrannt. Das Vieh konnte noch in Sicherheit gebracht werden. Der Schaden ist bedeutend. Die Brandursache bedarf noch der Ermittlung.
Tübingen, 26. Okt. Wegzug. Dieser Tage hat Herzog Philipp Albrecht von Württemberg seinen Wohnsitz von Tübingen nach Stuttgart verlegt. _
Kilchberg OA. Tübingen, 26. Okt. Erdbeben. Am Sonntag, morgens kurz nach 4 Uhr, wurde hier ein ziemlich starker Erdstoß verspürt. Einige ängstliche Gemüter sprangen aus den Betten, als die Wände der Häuser zitterten. Viele glaubten, es könnte wieder kommen wie 1911, wo verschiedene Kamine einstürzten und etliche Dächer beschädigt wurden. Doch gab es auch Leute mit so gutem Schlaf, die von der Erschütterung nichts bemerkten.
Behweiler OA. Oberndorf, 26. Okt. Kirchenein- weihung. Am Sonntag wurde die neue Kirche ein- gsweiht. Die Festpredigt in der überfüllten Kirche hielt Prälat Dr. H o f f m a n n - Ulm.
Rottkveil, 26 Okt. Sch werer Motorradunfall. Der mit seinem Motorrad von Rottweil herkommende 20 I. a. Kaufmann Paul Ruß fuhr in ein vor ihm fahrendes unbeleuchtetes Kohlenfuhrwerk von Böhringen. Während Ruß am Kopf sehr schwere Verletzungen erlitt, kam der Beisitzer, Ernst Burkhardt von Rottweil, mit leichten Verletzungen davon.
Ebingen, 26. Okt. Gründung eines Reitervereins. Hier wurde im Anschluß an einen Vortrag von Oberstleutnant a. D. Lauffer über Zwecke und Ziele ländlicher und städtischer Reitervereine ein Reiterverein gegründet mit der stattlichen Zahl von 56 Mitgliedern. Zum Vorstand wurde Herr Karl Maag, Ebingen, gewählt.
Alm, 26. Okt. Kaminsprengung. Gestern nachmittag wurde das seit 38 Jahren stehende, ungefähr 40 Meter hohe Dampfkamin des Elektrizitätswerks durch Pioniere gesprengt. Das Fundament wurde unterminiert und fast senkrecht fiel das Kamin in sich zusammen. Das Elektrizitätswerk errichtet auf diesem Platz ein großes Verwaltungsgebäude.
Schnaitheim a. Brz., 26. Okt. Hohes Alter. Heute begebt die älteste Mitbürgerin der-Gemeinde, die Witwe Christine E l s e n h a n s, ihren 90. Geburtstag. Sie erfreut sich noch guter körperlicher und geistiger Frische.
Laupheim, 26. Okt. Hunde im Schafpferch. In der Nacht auf Montag sind wieder Hunde in den Pferch des Schäfers eingedrungen, haben die Schafe versprengt und 15 durch Bisse verletzt, so daß vier Tiere geschlachtet werden mußten. Die Hundebesitzer sind ermittelt worden
Der Fluch eines Dorfes
Roman von L. Hanson.
21. Forste trug Nachdruck verboten
„Sie sind aber ein Kerl!" rief Jude zu Nenner hin, „kann die schönsten Mädchen nicht leiden! Prosit! Es lebe die Liebe und die Jägerei! Jetzt singen wir noch einmal!" Dann stimmte er an: „Ich schieß den Hirsch im wilden Forst..." Alle sangen mit, mit recht rauhen Stimmen.
„Zum Teufel, Jörg, jetzt hast du das Lied schon dreimal hcruntergeorgelt!" rief der Schneider Ro- mann, „du schiebt ja doch keinen Hirsch und keinen Adler!"
„Aber Nehböcke und keine Ziegenböcke!" lachte Jörg, „Hurrah! Jetzt singen wir mal dem Romann sein Nationallied: Zu Regensburg auf der Kirchturm
spitz ..."
Der Schneider sprang auf: „Dann geh ich fort — heim!"
„Setz dich nur, Schneider!" Jörg zog ihn nieder, dann stimmten sie an: „Gestern Abend in der stillen Ruh..."
Alle, selbst Renner, stimmten ein und es kam noch zu schönster Harmonie und Gemütlichkeit, stundenlang.
Dem jungen Lehrer war solch lange Sitzung noch nie passiert. Wenn seine Eltern, die einfachen, sparsamen Leute es sehen würden!
Endlich brach er aus und hatte seine Not. daß er Peter mit hoch bekam. Der Mann war das Trinken nicht gewohnt. Unendlich langsam gings der Höhe zu in der bleichen, schwermütig stimmenden Nachmitternacht. Schon krähten frtthwache Hähne in den nüchternen Vormorgen. Dem jungen Lehrer wars mit einem Male weh zum Sterben vor innerem Leide, vor Ver- einsammung nach den betäubenden, täuschenden Stunden. Ihm erschien alles als Trug und Täuschung.
Hier waren sie gegangen, vor Stunden erst, er und die, die ... Dirne, anders war sie nicht zu nennen, Wange an Wange. Ein Leben schien dazwischen zu liegen, es schien gar nicht wahr zu sein. Welch ein Herzensunglttck und doch welch ein Glück, daß er beizeiten gesehen hatte, daß er sich nicht noch viel tiefer mit ihr erniedrigt hatte. Und noch ein Glück war es: Niemand wußte um den Gang, am stillen Abend, niemand um die Küste und Liebesbeteuerungen als der stille Mond, niemand um das Versprechen ewiger Treue. O, schändlichster Mißbrauch des heiligsten Wortes! Fluch über Falschheit und Leichtsinn!
Mühevoll brachte Nenner den alten Peter in seine Stube, wo er machtlos aufs Bett sank. Was sollte nun werden? Der Kommerzienrat wollte auf Tage fort, wollte am Morgen schon zur Station fahren.
„In einer Stunde müssen Sie auf!" mahnte Renner.
„Ja, ja, in einer Stunde!" lallte Peter.
„Können Sie auch wirklich fahren, Peter?"
„Ja, ja. ich kann — fahren!" und eingeschlafen war er.
Der junge Lehrer schlich auf sein Zimmer. Er wollte sich zum Schlafen zwingen, es ging nicht. Eine Stunde schlich müde hin, da rumorte es schon unten. Der Gewaltige rief dem Knechte. Es wurde ihm keine Antwort. Nun regnete es die schrecklichsten Schimpfworte. Peter hörte es nicht. — In Hast hatte sich Renner angezogen und flog hinab:
„Peter wird nicht können, Herr Kommerzienrat, ich will für ihn fahren heute!"
„Er muß, der Lump!" donnerte es ihm entgegen. „Haben Sie etwa zu fahren?"
Den jungen Lehrer packte der Zorn aus mehr als einem Grunde, doch er bezwang sich. Ohne noch etwas zu sagen, ging er zum Stalle, versorgte die Pferde und zog den Wagen in den Hof. Drinnen fluchte und polterte der Kommerzienrat und schien Miene zu machen.
den Kutscher herauszuwerfen. Endlich erschien er im Hofe, wo alles zur Abfahrt bereit stand, stieg ein und grunzte nur: „Das war einmal — einmal!"
Renner würdigte ihn keiner Antwort, schnalzte mit der Zunge und hinaus gings im Trab in den kalten Morgen. Kein Wort fiel zwischen den Beiden, die sonst soviel miteinander sprachen, selbst an der Station sprach man nur das Notwendigste. Es war eine Scheidewand zwischen ihnen, die keine Macht mehr niederließ.
Peter Kleindorf packte seine Sachen. Bestürzt war Theodora, als sie es gewahrte.
„Sie gehen nicht fort, Peter!" sagte sie bestimmt, flehend.
„Doch, Fräulein! Ihnen zu Liebe würde ich so gerne hierbleiben!"
„So bleiben Sie doch! Was soll werden?"
„Nein, ich kann nicht mehr! Fräulein Theodora, wir sind keine Leibeigenen mehr, und — er hat mich geschlagen!"
„O Gott, geschlagen? Heute Morgen?"
„Ja, es ist aus nun! Und wenn ich zu gründe gehe!"
„So bleiben Sie doch noch fünf, sechs Tage, Peter! Vor nächster Woche kommt der — Vater nicht zurück!"
Peter hängte den Kopf und sann: „Gut Ihnen zu Gefallen bleibe ich dann noch ein paar Tage. Doch dann gehe ich bestimmt!"
Traurig ging Theodora. Auch Renner ging noch einmal mahnend zu Peter, umsonst. Es war ausgemacht, er ging ehe der Sonntag kam. Renner mutzte ihm Recht geben. Doch machte er sich, selbst schwere Vorwürfe. Früher oder später wäre dieser Bruch doch gekommen, doch hier war nur er schuld, weil er den Kutscher zum Trinken verleitet hatte ohne etwas zu bedenken.
(Fortsetzung folgt.)