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Nummer 249
Fernruf 17L
Dienstag, den 25. Oktober 1927
Fernruf 17S
62. Jahrgang
Gilbekls Warnung
Seine unnötige Aufregung i
Am 1. September sind wir ins vierte Dawesjahr einge- Lreten. Zu leisten haben wir in diesem Jahre 1750 Millionen an Kriegstribut. Zu leisten hatten wir in den ersten drei Jahren 3440 Millionen. Dieweil es uns doch so gut geht und wir's dazu haben, sind es sogar ein paar hundert Millionen mehr geworden. Aber das kommt so genau nicht » darauf an, das Wesen der Sache liegt darin, daß — wenn die Leistungen der vier ersten Dawesjahre prompt und pünklich vollbracht sind — wir ungefähr in der Höhe dieser Leistungen an das amerikanische Finanzkapital verschuldet sein werden. Mag sein, daß die vier ersten Dawesjahre ursprünglich ganz ehrlich gedacht waren als äußerste Versuchszeit für die Vivisektion, mittels deren festgestellt werden sollte, wieviel Blut man dem Wirtschaftskörper eines Volkes von 60 Millionen entziehen könne, ohne daß er zusammenklappt. Für die Finanztechniker des Weltkapitals mag solch ein Versuch am lebenden Volkskörper seine besonderen Reize haben. Für uns wäre er schon im zweiten Jahr tödlich verlaufen, wenn er ernstlich durchgeführt worden wäre. Für das Blut, das unserem Wirtschaftskörper abgezapft wurde, wurde ihm von dem menschenfreundlichen Finanzkapital frisches Blut im Weg der An- leihe eingepumpt, und so erweist sich der Dawesplan in s Wahrheit als ein Mittel, die deutsche Kriegsschuld langsam, aber sicher in eine Schuld an Amerika umzuwandeln. 4 Warum auch nicht? Die Frage ist nur: wie lange soll
l und wie lange kann der Umwandlungsprozeß im bisherigen
' Stil weitergehen? Wenn wir am Ende der für die Vivi
sektion unseres Wirtschaftskörpers in Aussicht genommenenn t Jahre mit rund 5 Milliarden an Amerika verschuldet sind, so wa«dern jährlich 350—400 Millionen übers große Wasser, die für die Kapitalbildung in Deutschland verloren sind. Denn für das Leihkapital, das inzwischen hereln- zekommen ist, sind der deutschen. Wirtschaft Wertsummen in gleicher Höhe ohne Entgelt abgezapft worden. Parker Gilbert heißt der Mann, der dazu eingesetzt ist, um darauf achtzugeben, daß bei diesem verzwickten Verfahren d i e Interessen des Weltkapitals nicht zu Schaden ^ kommen.
Ist es zu verwundern, wenn dieser Herr für die finan- W, siellen Folgen der deutschen Gesetzgebung mehr als nur die s llufmerksamkeit eines unbeteiligten Zuschauers übrig hat? , Lr hat, wie schon früher bei Gelegenheit des Kriegsschäden-
> sesetzes, so jetzt bei Gelegenheit des Schulgesetzes und der ! besoldungsreform die verantwortlichen Reichsbehörden darin erinnert, daß er auch noch da ist. Er ist der mächtigste Mann in Deutschland. Er weiß, daß eine ganz sanfte Er- nnerung an sein Dasein in den hohen ReichZämtern aufmerksamer beachtet wird, als drei Dutzend Reichstagsreden and 300 Leitartikel der deutschen Presse über den gleichen Gegenstand.
Das Reklamsbedürfnis eines Teils der Berliner Presse )at aus der sanften Erinnerung ein Aufsehen gemacht.
; Gleichwohl wird man sagen müssen, daß die Warnung des Dawesagenten nicht ganz unberechtigt ist. Wenn alle Be- - teiligten ein wenig an den Ernst ihrer Verantwortung ge- s mahnt werden, so ist das kein Unglück. Und auch das wird kein Unglück sein, wenn das Gerede über eine sparsamere Verwaltung mit sanftem Druck genötigt wird, zu Taten ^ Überzugrhen. Wir leben halt ein bißchen in den Tag hinein. Wir vergessen nur zu gern, daß wir ein Volk unter , Vormundschaft sind. Wären wir ein politisch reifes Volk mit gesundem Staatsgefühl, so würden wir unfern Ehrgeiz darein setzen, so zu wirtschaften, daß der uns bestellte Vormund zu Warnungen gar keinen Anlaß hätte. Denn jen- ; . seits des Rheins sitzt einer, der über all unsere Verstöße gegen diesen Grundsatz einer vernünftigen und gesunden Geschäftsführung Buch führt. Poincare hält seine unfertige Währungsreform vermutlich doch nur deshalb so verzweifelt in der Schwebe, um eines Tags den „üblen Willen des deutschen Entschädigungsschnldners dafür verantwortlich machen zu können, wenn sein ganzes gekünsteltes System zusammenbricht. «
Reichsregierung und Dawesagenk
Berlin, 24. Okt. Die Unterredung des Reichsfinanzministers mit dem Dawesagenten Parker Gilbert am Samstag nachmittag war nach amtlicher Mitteilung nicht mehr als ein einzelner Akt des Gedankenaustausches, der ; nach dem Dawesplan laufend zwischen den beiden Stellen
l stattfinden soll. Das Schreiben Gilberts am 20. Oktober
! stellt eine Festlegung der in den verschiedenen mündlichen
> Besprechungen heräusgestellten beiderseitigen Auffassung dar. Keineswegs strebe Gilbert eine Erweiterung seiner schon überreichlich bemessenen Befugnisse an, dem die Reichs- regierung entschieden entgegentreten würde. Er steht auf
' dem Standpunkt, daß eine NachprüfungdesDawes- ! Plans erst nach Inkrafttreten der Höchstleistung unternommen werden könne. So wird auch die Vermutung hinfällig, als stehe Gilberts Schreiben in Zusammenhang mit der Forderung zur Besoldungserhöhung. Der unbedingt erforderliche Mehraufwand muß in erster Linie durch Er-
Der Auswärtige Ausschuß des Reichstags versammelle sich am Montag, um die Aussprache über die Genfer Verhandlungen forkzusetzen. Vom Reichskabiuett nahm nur Außenminister Dr. Stresemann an der Sitzung keil.
sparnisse auf anderen Gebieten gedeckt werden. Die Meichsregierung wird durch die Bedenken des Dawesagenten nicht veranlaßt werden, die Besoldungsvorlage zurückzuziehen, aber es scheint noch nicht festzustehen, in welchem Umfang sie durchgeführt werden kann. Darüber hat der Reichstag das entscheidende Wort. Jedenfalls wird das staatliche Schicksal des Reichs in den nächsten Jahren in erster Linie durch finanzpolitische Gesichtspunkte bestimmt.
Steuererleichterungen bei Unwetterschäden
Nach einem Erlaß des Reichsfinanzministers soll den durch Unwekkerschäden im August und September ds. Is. betroffenen Landwirken in steuerlicher Hinsicht Rechnung getragen werden, ohne daß die betreffenden Gebiete zu einem Not,
gebiet erklärt zu werden brauchten. In den durch Hochwasser geschädigten Gebieten soll von den Steuerbehörden besonders wohlwollend verfahren werden. Außerdem sind mit Rücksicht darauf, daß die Erntearbeiten vielfach erheblich in Rückstand gekommen sind, die Präsidenten der Landesfinanzämter ermächtigt worden, zu bestimmen, daß in besonders schweren Fällen von der Erhebung von Zuschlägen bei Landwirten abgesehen wird, wenn sie die Steuererklärung bzw. die Fragebogen erst Ende Oktober einreichten. Ferner soll nach einem Erlaß vom 4. Oktober in Fällen, wo die Ernte zu einem bedeutenden Teil vernichtet worden ist, nach Prüfung der Fälle die rückständige Einkommensteuer früherer Jahre ganz, die Umsatzsteuer je nach Größe und Umfang der Schäden, die rückständige Vermögenssteuer zum Teil erlassen werden. Auch den Stundungs- und Erlaßankrägen von Renkenbankzinsen soll in geeigneten Fällen entsprochen werden. Nach Lage des Falls wird vielfach von dem Erfordernis der Stellung eines besonderen Erlaßantrags und dem Nachweis der Schädigung abgesehen werden können.
Neueste Nachrichten
Der Schiedsspruch ist verbindlich
Der Bergarbeikerstreik beendet
Berlin, 24. Okt. Der Reichsarbeitsminister hak den vom Schlichter gefällten Schiedsspruch auf Antrag der Bergarbeiter für verbindlich erklärt.
Der Schiedsspruch sieht bekanntlich eine Lohnerhöhung von etwa 11,8 v. H. vor. Die Vertreter der Bergarbeiter haben fast einstimmig beschlossen, daß die Arbeit am Montag wieder aufgenommen werde. Die Arbeitgeber haben den Schiedsspruch bekanntlich abgelehnt. Sie werden nun wieder eine Erhöhung des Braunkohlen- und Brikettpreises beantragen.
Der Reichskohlenrat hat vor einiger Zeit einen gemischten Ausschuß eingesetzt, der untersuchen soll, ob die Handelsspanne zwischen den Produktionskosten für Kohlen und den Kleinverkaufspreisen angemessen oder zu hoch sei. Der Hauptverband der Kohlenhändler Deutschlands behauptet, der Handelsgewinn sei nicht zu hoch, man könne auch nicht von einer Uebersetzung des Kohlenhandels sprechen, daß es also zu viele Händler gebe oder daß die Kohle durch zu viele Hände gehe, bis sie an die Verbraucher komme. Im Ausschuß wurde dagegen die Aussicht bekundet, daß eine Verkürzung der Handelsspanne bis zu einem Ausmaß möglich sei, daß eine nennenswerte Wirkung zugunsten der Kohlenwerke oder der Verbraucher verwertet werden könne.
Vertagung des Reichstags bis 22. November
Berlin, 24. Okt. Der Reichstag erledigte noch einige kleinere Vorlagen. Das Abkommen mit der Regierungskommission des Saargebiets über Angelegenheiten der Sozialversicherung im Saargebiet (Weitergewährung der Unterstützungen an die sogenannten Saargänger) wird in 1. und 2. Lesung angenommen. Gegen die Abstimmung in 3. Lesung erhebt Abg. Stöhr (Nat.-Soz.) Widerspruch, da ihm das Wort abgeschnitten worden sei. (Große Unruhe im Hause.) Die Vorlage konnte, da Abg. Stöhr seinen Einspruch, unterstützt von Abg. Dr. Frick (Nat.-Soz.) aufrechterhält, in dritter Lesung nicht beendet werden. Präsident Löbe gibt noch von dem Ableben des deutschnationalen Abgeordneten Wormit (Ostpreußen) Kenntnis, dessen Andenken in der üblichen Weise durch Erheben von den Sitzen geehrt wird.
Darauf vertagt sich der Reichstag bis 22. November.
Eine Rede des Reichsernährungsminiskers Schiele
Zittau, 24. Okt. Der Wahlkreisverband Ostsachsen der Deutschnationalen Volkspartei hielt hier seinen Parteitag ab, an dem außer dem sächsischen Wirtschaftsminister Dr. Krug v. Nidda zahlreiche deutschnationale Reichs- und Landtagsabgeordnete teilnahmen. Reichsernährungsminister Schiele forderte in einer Rede, das deutsche Volk möge sich wieder auf seine Helden und Führer besinnen. Man müsse den Massenstaat überwinden und zum Persönlichkeitsstaat zurückkehren, zum größten Führer Hin- denburg. Die Deutschnationale Volkspartei umfasse jetzt sechs Millionen Männer und Frauen. Das deutsche Volk habe die natürliche Grundlage seiner Daseinsbedingungen verlassen. In der auf geborgter Grundlage stehenden Nahrungsmitteleinfuhr und der Abhängigkeit von den Börsen des Auslands erblicke er eine ständige Gefahr für Deutschlands Dasein und Freiheit. Deutschland brauche eine starke Landwirtschaft und ein kräftiges Bauerntum. Auch die Außenpolitik stehe vor einem Wendepunkt. Man müsse klar darüber sein, daß ein Volk in der Welt nur immer so viel Recht habe, wie es Macht besitze.
In diesem Zusammenhang sei an Gerüchte erinnert, die sich in Berlin seit einiger Zeit erhalten, daß nämlich Außenminister Dr. Stresemann angesichts der fortgesetzten Mißerfolge seiner Verständigungspolitik nunmehr selbst an der Richtigkeit seiner Politik zweifle und zurückzu- treten beabsichtige. Der erledigte deutsche Botschafterposten in Washington sei bis jetzt nicht besetzt worden, weil Stresemann ihn für sich Vorbehalten wolle, wenn das Kabinett oder der Reichstag sich gegen seine bisherige Politik entscheiden sollten.
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Lecil gegen die englische Regierung
London, 24. Okt. In einer Versammlung der Völkerbundsfreunde legte Lord Robert Cecil in einer Rede dar, Großbritannien sei mehr als je darauf angewiesen, einen neuen Krieg auf dem Festland zu verhüten, in den es unweigerlich vernickelt werden würde, weil es zur See nicht mehr so gesichert sei wie früher. Das ganze britische Reich würde auseinanderfallen, wenn die britische Insel erobert
würde. Die Regierung sollte sich daher der Schiedsgerichtsbarkeit zugänglicher zeigen, als Chamberlain es in Gens getan habe; sie dürfe daher auch nicht vor neuen internationalen Verpflichtungen (Genfer Protokoll) zurückschrecken. - v ' dl' --
Am gleichen Tag wurde in London der Gedenktag der Seeschlacht bei Trafalgar (des Seesiegs Nelsons über die vereinigte spanische und französische Flotte 1805) gefeiert. Unter stürmischem Beifall sagte Admiral Lord Beatty in seiner Rede, Großbritannien könne sich den Frieden nur sichern, indem es die Herrschaftzur See behalte. Marineminister Bridgeman verteidigte die unnachgiebige Haltung der Regierung auf der letzten Seeabrüstungskonferenz mit Amerika und Japan. ,
- * Reberfall in Marokko ^
Paris, 24. Okt. Der „Temps" meldet, der Schwiegersohn und der Neffe des Generalgouverneurs von Marokko, Steeg, sowie eine Baronin Steinheil und deren verehelichte Tochter von Prokoroff, beide aus Wien gebürtig, seien von Eingeborenen des Stammes der Ait Lhokman auf einem Jagdausflug, 200 Kilometer von Casablanca am mittleren Atlas, überfallen und entführt worden. Das Stammesoberhaupt behalte sie als Geiseln. Neben dem leeren Kraftwagen fand man die beiden Jagdhunde erdolcht vor.
Englische Anleihe an Tschangtsolin
Schanghai» 24. Okt. Aus Nanking wird gemeldet, zwei britische Handelsfirmen hätten Tschangtsolin eine Anleihe von 30 Millionen mexikanische Dollar geliehen, wogegen sie das Recht erhielten, eine Bahn von Tschangtschau nach Tientsin und Nanking zu bauen.
Die Militärbehörden von Nanking erklären den Diktator von Hankau, General Tangsengtschih, als einen überführten Verräter der nationalen Sache. Er habe sich im geheimen mit Tschangtsolin (Peking), Sunschuanfang und Tschang- tschungtschang verbunden, um die nationalistische Regierung zu stürzen. Bei Wuhu fand ein Kampf zwischen den Truppen von Nanking und Hankau statt; letztere mußten sich zurückziehen.
Fürst Wilhelm von Hohenzoilern 1°
Fürst Wilhelm von Hohenzollern ist am Samstag abend einem Herzschlag erlegen. In der Nacht zum 17. Oktober war eine Herzschwäche mit Fieber eingetreten, die so besorgniserregend war, daß die Fürstin Adelgunde ihm an ihrem Geburtstag die Sterbesakramente reichen ließ. Nach scheinbarer Besserung stellte sich am Samstag abend ein neuer Anfall ein; die Herztätigkeit wurde immer schwächer und um 9.10 Uhr trat der Tod ein. Der Fürst war bis wenige Minuten vor dem Verscheiden bei vollem Bewußtsein. Die Leiche wurde in der Kanonenha.ye von der Schloß-