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Nummer 244

Feriruf 178

Mittwoch, den 19. Oktober 1927

Fernruf 179

62. Jahrgang

Ne Arbeit der Alltags

Wir leben seit Jahren unter einem Druck. Manchmal schien eine Erleichterung zu kommen, aber dann war es schon wieder da, dieses schwere Dunkel. Immer noch lastet über unserem Volk eine große Unsicherheit. Man hört es täglich sagen:Was soll nur werden?" Oder es heißt:Wer weiß, was einem noch alles bevorsteht?" Die jüngst in Genf gepflogenen Unterhaltungen haben uns jedenfalls nicht das Gefühl einer schönen Geborgenheit gebracht. Und der Kampf um den Reichsschulgesetz-Entwurf zeigt wieder ein­mal, wie sehr wir im eigenen Deutschland zerrissen sind. Besonders drückend aber wirkt die brutale Verwilderung auf ethischem Gebiet, wie sie uns in einer täglichen viel­seitigen Skandalchronik in manchen Zeitungen usw. ent­gegentritt ... Merkwürdig, wie manchmal ein gutes Wort aus vergangener Zeit wie eigens für die Gegenwart gesagt erscheinen muß! Es handelt sich diesmal um das Wort von Herder:Lasset uns, meine Brüder, mit mutigem, fröh­lichem Herzen auch mitten unter der Wolke arbeiten, denn wir arbeiten an einer großen Zukunft. Und lasset uns unser Ziel so rein, so schlackensrei annehmen, als wir können!" Das ist wirklich eine zeitgemäße Losung. Wir können die Wolke nicht leugnen, auch nicht kurzerhand wegblasen. Wir müssen mit ihr rechnen, und zwar mit allem Ernst und aller Gewissenhaftigkeit. Das heißt aber nun auch mitten in den vorhandenen Nöten für das Kommende arbeiten, auf daß ein Besseres komme. Reine, bestimmte Ziele! Wir müssen zunächst einmal ein deutsches Ziel haben. Und wir haben uns dabei mit aller Deutlichkeit zu sagen, daß wir im Grunde immer nur auf uns selber angewiesen sind. Wer da wähnt, die anderen da und dort würden uns aus reiner Menschlichkeit und Gerechtigkeit helfen, der gehört zu den naivsten aller politischen Kinder. Es ist nun schon nicht anders, wir sind lediglich auf uns selbst gestellt, und sogar der Fall, daß sich unserefrüheren" Feinde unter­einander in die Haare geraten möchten, dürfte' nicht ohne weiteres als Vorteil für uns vorausgebucht werden. Denn die Herrschaften dazu gaben die letzten Jahre mit ihren endlosen Konferenzen wohl genug Anschauungsmaterial sind verhältnismäßig schnell einig, wenn es gilt, Deutsch­land mehr zu demütigen und möglichst viel aus ihm heraus­zuschlagen. Beim Thema aber von der eigenen deutschen Kraft, die angespannt werden soll, darf man die Wirklich­keit erst recht nicht aus den Augen verlieren. Wenn wir an einer besseren Zukunft arbeiten wollen, dann muh es geduldige, ruhige, das Mögliche und Erreichbare ins Auge fassende Kulturarbeit sein. Es ist immerhin ein Lichtblick, daß in den schweren Jahren nach dem Krieg, trotz aller Regierungskrisen und trotz unsäglicher Parteizerklüftung, so manche deutsche Kulturleistung die Welt in Staunen ge­setzt hat.

Ein reines, schlackenfreies Ziel! Herder gehört zu den deutschen Idealisten. Gern stand er ein für die Idee des Unendlichen und des Unbedingten. SeinenIdeen zur Geschichte der Menschheit" hat er den ebenso deutschen wie frommen Satz mitgegeben:Vom Himmel muß unsere Philosophie der Geschichte des menschlichen Geschlechts an­fangen, wenn sie einigermaßen diesen Namen verdienen soll." Jawohl, die Deutschen haben sich eigentlich nie ge­schämt, den Gang der Weltgeschichte im höheren Lichte einer ewigen Vorsehung zu betrachten.

Starren wir also nicht wie gebannt ins Dunkle, sondern bekennen wir- uns zu dem Geschlecht, das aus dem Dunklen ins Helle strebt! Alle teuflisch lauernden Verfallsgeister draußen in der Welt können uns nichts anhaben, sofern wir uns nur tatfreudig auf uns selbst besinnen. Gewiß, wir brauchen da Führer und Meister. Aber nicht bloß solche mit tönendem Namen. Etwas von verantwortungsfreu­digem Führergeist können auch ganz einfache Menschen haben und entfalten, im bescheidenen Alltagskreise, einfach durch das Vorbild zäher und immer selbstverständlicher Pflichterfüllung. Nicht die Hochstimmung einzelner Festes­stunden, so notwendig sie an sich sind, sondern der Alltag ist das Entscheidende, und es ist nicht einzusehen, warum nicht ein trotz allem und allem fester deutscher Alltag mit etwas Sonne sein sollte. Das Sonnige ist der Glaube an Volk und Staat. Das Sonnige ist ein deutsches Hoffen, das zugleich ein deutsches Schaffen ist mitten in der Wolke von Sorgen, Nöten, Unsicherheiten, und doch nicht erstickt und erdrückt von dieser Schicksalswolke, von der eben eine innerste deutsche Stimme sagt, daß sie nicht unser letztes Schicksal ist!

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" Mischer Reichstag

! Das Reichsschulgeseh

Berlin. 18. Oktober.

Auf der Tagesordnung der ersten Sitzung nach der Sommerpause steht die erste Beratung des Reichsschulge- sehcs. Vor Eintritt in die Tagesordnung beantragt Abg. Müller-Franken (Soz.), die Schulvorlage von der Tages­ordnung abzusetzen und dafür die sozialdemokratischen An­fragen zur Teuerung und zum mitteldeutschen Braunkohlen­

streik zu beraten. Abg. Frick (Komm.) fordert außerdem die Auflösung des Reichstags.

Nach der Erklärung des Reichsarbeitsministers Dr. Brauns, daß noch vor Ablauf dieser Woche der Berg­arbeiterstreik im Reichstag zur Besprechung kommen solle, tritt Abg. Graf Westarp (Dn.) für die sofortige Bera­tung der Schulvorlage ein. Gegen die Stimmen der Linken und der Völkischen werden die Anträge auf Aenderung der Tagesordnung abgelehnt.

Abg. Schreck (Soz.) bezeichnet die Schulvorlage als einen Wechselbalg, der nirgends ungeteilte Zustimmung finde.

Abg. Mumm (Dn.) betont, daß die Gemeinschafts­schule von den Sozialdemokraten nur als Aebergang zur weltlichen Schule betrachtet werde. Er beantragt die Ueber- weisung der Vorlage an den Bildungsausschutz. --- Auch das Zentrum beantragt durch Abg. Rheinländer die Ueber- weisung der Vorlage an den Bildungsausschuß. Das in der Weimarer Verfassung feftgelegte Elternrecht sei immer Richtschnur gewesen. Davon ausgehend müsse das Zentrum auch jede Bevorzugung einer bestimmten Regelschule ab­lehnen.

Minister v. keudell:

Der Entwurf entspreche der Sehnsucht weiter Kreise der christlichen Elternschaft nach einem christlichen Schulgesetz, und er trage auch dem Verlangen nach einer gedeihlichen Entwicklung der weltlichen Schule Rechnung. Die Reichs­verfassung schreibt keinen einheitlichen Typ für die Volks­schule vor. Unerläßlich ist es aber, Mindestgrundsätze reichs­gesetzlich aufzustellen, um die einheitliche Volksschule in den verschiedenen Landesteilen zu sichern und zu fördern. Allen bisherigen Entwürfen für ein Schulgesetz ist der Vorwurj derVerfassungswidrigkeit" unter Anführung bestimmter Punkte gemacht worden. Gerade in diesen Punkten unter­scheidet sich aber die jetzige Vorlage von den früheren.

Nach dem Wortlaut der Verfassung würde die Gemein­schaftsschule nur für die ersten Stufen der Grundschule gelten. Von demokratischer Seite wird die Verfassungsbestimmung anders ausgelegk. Bej dem,Widerstreit der juristischen Mei­nungen kann deshalb die jetzige Regierungsvorlage nicht als verfassungsändernd angesehen werden. Diese Vorlage ver­meidet es, den Ländern eine ganz bestimmte Schulreform aufzuzwingen. Sie läßt vielmehr den verschiedenen Schul­systemen Raum ^um friedlichen Wettbewerb. Sie sichert mik dem Antragsrecht auch den Eltern einen Einfluß, der der Verfassung nicht widerspricht. Die Notwendigkeit dieses Ein­flusses der Erziehungsberechtigten hat auch der frühere Staatssekretär Schulz (Soz.) in mehreren Reden betont. (Hört, hört, rechts.) Er bezeichnet das Antragsrecht der Eltern geradezu als ein Erfordernis im demokratischen Staat. Aus den bestehenden Verhältnissen in den meisten Ländern ergibt sich zwangsläufig, daß den Kirchem ein gewisser Ein­fluß auf dem Gebiet der Schulen ihres Bekenntnisses ein­geräumt werden muß. '

Ueber die kostenfrage kann sich die Regierung erst äußern, wenn die endgültige Gestaltung des Schulgesetzes feststeht. Der Entwurf ist einmütig vom Reichskabinett ein­gebracht. Der Reichskanzler hat schon in seiner Regierungs­erklärung darauf hingewiesen, daß unsere Kultur auf christ­licher Grundlage beruht, und daß dem auch das neue Schul­gesetz Rechnung tragen soll. In unserer Zeit der Zügel­losigkeit und Schamlosigkeit müssen wir unserer Jugend die Möglichkeit geben, sich zu wahrhaften, innerlich freien Män­nern heranzubilden. Wahre Freiheit besteht aber nur dort,

wo der Mensch gebunden i Autoritätslosigkeit kann Hil

t an Gott. In einer Zeit der e nur geschaffen werden durch die letzte höchste Autorität. So wird derjenige, der im Ein­klang mit dem Willen der Eltern die christliche Schule för­dert, der Charakterbildner der Jugend, und so wird diese Schulfrage zur Volksfrage. (Beifall rechts. Zischen links).

Um 6.30 Uhr wird die Beratung des Schulgesetzes auf Mittwoch, 1 Uhr mittags, vertagt.

kabinekkssihung

Berlin, 18. Okt. Heute nachmittag trat das Reichskabinett usammen, um sich in erster Linie mit dem Vorstoß Sayerns zu beschäftigen, ferner wollte das Kabinett die Auffassung des Reichswirtschaftsministers Dr. Curtius und des Reichsarbeitsministers Dr. Brauns zum Koh­lenstreik hören.

Austritt der Bayerischen Volksparkei aus der Regierungs- koalikion?

München, 18. Oktober. Der Reichsrat hat in voriger Woche die Vesoldungsvorlage angenommen, zugleich aber eine Aenderung des Finanzausgleichs in der Richtung an­genommen, daß die Länder statt bisher 75 jetzt 80 v. H. des Aufkommens aus der Einkommen- und Körperschaftssteuer erhalten sollen. Die von Bayern beantragte Herabsetzung des sogenannten Entbehrungsfaktors von 20 aus 10 v. H. wurde dagegen abgelehnt. Reichsfinanzministerium und Reichskabinett lehnen ihrerseits jede Aenderung des Finanz- Wsgleichs ab. Die LaydespartMzstuyg der Bayerischen

Volkspartei hat nun nach einer Mitteilung derKorrespon­denz der B. Volksp." in einer vertraulichen Sitzung die Tat­sache festgestellt, daß die Ablehnung der vom Reichsrat be­schlossenen Aenderung des Finanzausgleichs für Bayern und die Bayerische Volkspartei eine sehr ernste Lage ge­schaffen habe, die, wenn kein befriedigender Ausweg gesun­den werde, möglicherweise Folgen für die ganzen Regie­rungsverhältnisse im Reich haben könnte.

Kundgebung der höheren Beamten Düsseldorf, 18. Oktober. Eine von über 1000 Mitgliedern des Westgaus des Reichsbunds der höheren Beamten besuchte Versammlung erhob in einer Entschließung Widerspruch da­gegen, daß die höheren Beamten fortwährend gegenüber den unteren Veamten zurückgesetzt werden. Bei allen Ver­handlungen haben sie sich mit 90 v. H. des Vorkriegsgehalts zufrieden gegeben; es sei unerträglich und unerhört, daß Reichsfinanzminister Dr. Köhler ihnen nun auch noch einen dauerndenEntbehrungsfaktor" von 25 v. H. zumute. Das sei die Einstellung auf die Masse, die die Besol­dungsreform auf Kosten der höheren Beamten verschlechtere. In der Aussprache wurde erklärt, die Gewerkschaften nörgeln beständig an der Besoldungsregelung. Man merke undeut­licher, daß die Arbeiterschaft gegen die Beamten aufgehetzt werde. Man verschweige aber, daß der akademische Beamte ein Jahrzehnt und noch mehr später zur Anstellung komme als die anderen Beamten. , .

^ - Der Ausstand der Bergarbeiter

Halle, 18. Okt. Der Ausstand der Bergarbeiter des mit­teldeutschen Braunkohlenreviers erstreckt sich in der Pro­vinz Sachsen und in Anhalt auf etwa 90 v. H. der Belegschaften. Er hat nun auch auf die Zechen der O b e r- und Niederlausitz übergegriffen. Hier stehen 30 bis 40 v. H. der Arbeiter im Streik. In Kurhessen ist der Ausstand im allgemeinen im Abflauen begriffen, nur in der Umgebung von Kassel ist die Streikbeteiligung stärker. Dg aber viel Rohkohle auf den Halden liegt und auch die Bri, kettlager groß sind, wird eine Störung in der Koh, lenversorgung nicht eintreten.

Die Salz- und Kaliwerke im Magdeburger Be­zirk sind vom Streik noch nicht betroffen.

Von verschiedenen Werken werden schwere Ausschreitun­gen Streikender gegen Arbeitswillige gemeldet.

Auf den Gruben um die Stadt Halle herum macht sich ein starker Druck auf die Arbeitswilligen geltend. In einigen Revieren ist eine Zunahme der Arbeitswilligen zu ver, zeichnen. Stellenweise wirkt sich ein Polizeischutz der An­lagen günstig aus. So wird die Grube Böhlen bei Leipzig von 200 Mann Schutzpolizei gesichert. Ferner ist hier die Technische Nothilfe eingesetzt worden. Auf Kulkwitz soll morgen die Technische Nothilfe zum Einsatz gelangen. Das Großkraftwerk Main-Weser arbeitet.

Im Revier Borna-Grimma (Sachsen) streiken von 6700 Arbeitern etwa 5000. Die Großkraftwerke Böhlen und das Landkraftwerk Krulkwitz sind noch in vollem Betrieb. Nö­tigenfalls soll die Technische Nothilfe herangezogen werden.

Einige größere Werke sollen nach demVorwärts" sich bereit erklärt haben, die geforderken Lohnerhöhungen der Streikenden zu bewilligen.

Die I. G. Farbenindustrie bietet ihren Bergarbeitern, die während der Streiktage zu ihr halten und arbeiten, eine Treuprämie von 5 Mark je Schicht neben ihrem Ar­beitsverdienst. s

Laut W.T.B. ist die Pressemeldung über eine Lohn­erhöhung bei den Gruben der 3.G. Farbenindustrie falsch.

Die linksgerichteten Angestelltenverbände Afa, G.d.A. und Geöag haben die Angestellten im Braunkohlenbergbau aufgefordert, keine Streikarbeit zu verrichten. Von der preußischen Regierung sei die Auskunft erteilt worden, daß das Berggesetz keine Handhabe biete, die An­gestellten zur Verrichtung von Arbeiten zu zwingen, die sonst die Arbeiter leisten.

DerVorwärts" meldet, der für den rheinischen Braunkohlenbergbau gefällte Schiedsspruch zur Neu­regelung der Arbeitszeit sei auf Antrag der Arbeiter vom Reichsarbeitsminister für v e r b i n d l i ch erklärt worden.

In zahlreichen Versammlungen der christl. Gewerkschaften im Ruhrgebiet wurde das Vorgehen der vier Berg­arbeiterverbände zur Herbeiführung einer zwischentariflichen

Lohnerhöhung gebilligt und den Streikenden in Mittel­deutschland die Sympathie und Ilnterstützung zugesagt.

Zenkrumsanfrage im Reichstag

Die Abgeordneten Jmbusch und Stegerwald ha­ben mit der gesamten Fraktion des Zentrums im Reichstag folgende Große Anfrage eingebracht: Im mitteldeutschen Braunkohlenbergbau brach ein großer Streik aus. Weil in der Lohnfrage keine Einigung zu erzielen war. Der Streik muß bei längerer Dauer außerordentlich ungünstig auf die deutsche Wirtschaft und die Lage vieler Volkskreise wirken. Ist die Reichsregierung bereit, auf eine Beendigung des Kampfes hinzuwirken und eine befriedigende Regelung der Lohnfrags herbeizuführen?

Der Reichsarbeitsminlster beabsichtigt, von Amts wegen in den Ausstand einzugreifen.

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