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Nummer 243
Fernruf 179
Dienstag, den 18. Oktober 1927
Fernruf 179
62. Jahrgang
Me so-MillNen-MlmMe ier DeiiW» MieuSmü-Kredilmstiilt
Mit der soeben wieder mit der National City Company in Neuyork durch Vermittlung der National City Bank und der Reichsbank abgeschlossenen vierten Amerika-Anleihe der Deutschen Rentenbank-Kreditanstalt in Höhe von 50 Will. Dollar (210 Mill. Goldmark) ist die größte Wirtschaftsanleihe getätigt worden, die je nach Deutschland kam. Die Höhe ergab sich aus einer Umfrage der Nentenbank bei allen deutschen Realkreditinstituten, wie sie den notwendigen Bedarf an Krediten für die Landwirtschaft in ihren Bezirken schätzten. Es wurde die gewaltige Summe von 250 000 Millionen RM. als Mindestbedarf angefordert — ein Beweis, welch gewaltiges Mißverhältnis besteht zwischen dem landwirtschaftlichen Kreditbedarf und dem Kreditangebot in Deutschland. Der Zinsfuß der neuen Anleihe beträgt 6 v. H^ unter Berücksichtigung der Auszahlungshöhe von 91 v. H: statt 100 -4t (Nennwert) und der Rückzahlung zu 100 v. H. erhöht sich der Zinsfuß auf 6,857 v. H. und einschließlich des Vsrwaltungskostenbeitrags von 0,5 vom Hundert auf 7,41 v. H. wirklichen Zins für den Landwirt.
Der Zweck der Anleihe ist die Gewährung von Real- krediten, jedoch dürfen die Einzeldarlehen nur zur Verbesserung der landwirtschaftlichen Betriebe verwendet werden. Unter dieser Bedingung wurde die Aufnahme der Ausländsanleihe von der Beratungsstelle genehmigt, da mittels der Anleihe die landwirtschaftliche Erzeugung erhöht und damit der mit Devisen (ausländischen Geldwerten) zu bezahlende Einfuhrbedarf an Nahrungsmitteln vermindert werden soll.
Die Rentenbank-Kreditanstalt vergibt aus der Anleihe nur Darlehen an die öffentlich-rechtlichen oder unter Staatsaufsicht stehenden privairechtlichen Realkreditinstitute, die das landwirtschaftliche Rsalkreditgeschäft pflegen, sowie an die übergeordneten Berbände der öffentlich-rechtlichen Sparkassen. Diese Realkreditinstitute gewähren ihrerseits wieder aus diesen Mitteln hypothekarische Darlehen an die Landwirte. Die Hypotheken dürfen jedoch einschließlich der demselben Institut gehörenden Vorlasten 40 v. H. des berichtigten Wehrbeitrags oder eines sonstigen amtlichen oder amtlich festgesetzten Wertes nicht übersteigen. Aufwertungshypotheken, die einem Dritten zustehen, müssen innerhalb eines Jahres gelöscht werden.
Die Auszahlung der Darlehen ist Ende des Monats Oktober zu erwarten. Bis jetzt hat die Rentenbank einschl. der neuen Anleihe seit September 1925 der deutschen Landwirtschaft drei Amerika-Anleihen und die Golddiskontbank-' anleihe zugeführt, also in zwei Jahren langfristige Kredite von insgesamt 801 Millionen Mark, die sich folgendermaßen verteilen:
Aus- Ejf.'ktiv- Emlsstons- zahiu 'g v rzin- ""2 «. Lank«. sm-.g
Sept. 1925 7 Proz. 25 MN. 8 Anleihe 93 Proz. 88,1 Proz. 8,25 Pro;
Febr. 1928 7 Proz 380 Mill. Mk Goiddis- 100 Proz. 9894 Proz. 7,8 Proz.
lonibankanlmhe
Juli 1927 8 Proz. SO Mill. tz Anleihe 95 Proz. 90-4 Proz. 8,917 Proz.
Okt. 1927 8 Proz. 50 Mill. P Anleihe 9514 Proz. 91 Proz. 8.857 P.oz
Von diesen Darlehen können diejenigen der Dollaranleihs von 1925 vom Schuldner nach 10 Jahren gekündigt werden, die Darlehen der Eolddiskontbankdarlehen zu jedem Zinstermin, die der Dollaranleihen vom Juli und vom Oktober 1927 aber jederzeit, während die amerikanischen Gläubiger die letzte Anleihe nicht vor dem Jahr 1960 kündigen können, da sie auf 33 Jahre abgeschlossen ist. Wie aus vorstehender Tabelle ersichtlich ist, sind dis Darlehensbedingungen für die deutschen Landwirte fortschreitend günstiger geworden.
Amerikas AnleihepoMk
Die Schwierigkeiten, die sich lange der sogenannten Preußen-Anleihe von 30 Millionen Dollar entgegenftellten, mögen dazu führen, die Anleihepo'itik der amerikanischen Regierung einer Betrachtung zu unterziehen. Vorweg ist zu sagen, daß England zu jeder für den Gläubiger vorteilhaften Schuldaufnahme in Amerika scheel sieht, es kann es nicht verwinden, daß England nicht mehr der Hauptbankier der Welt sein soll und sein kann. Aber auch in den Vereinigten Staaten selbst ist eine große Unstimmigkeit zwischen dem Finanzkapital und dem Industriekapital festzustellen. Das Finanzkapital strebt nach den fettesten Dividenden, gleichviel, woher es sie bekommt; es ist „international". Das Industriekapital dagegen ist um seine eigene Sicherheit besorgt und kann es nicht gern sehen, daß ihm mit amerikanischer Geldhilfe ein ausländischer Wettbewerb großgezüchtet wird, der ihm zunächst in den Auslandsmärkten das Leben schwer macht und am Ende gar in den heimischen Markt einbricht. Was an Regierungspolitik bisher einen sichtbaren Niederschlag gefunden hat, läßt sich dahin zusammenfassen, daß drei Gruppen von Ausländsanleihen mit dem Bann belegt sind: 1. Anleihen an Länder, die schon mit Schulden überbürdet sind; 2. Anleihen an Staaten, die ihren Schuldverpflichtungen gegen Amerika nicht Nachkommen, wie im Augenblick Frankreich, Rußland, Armenien und Griechenland, und ». Anleihen, die zur Für«
lagesWegel
Die amtliche Bayerische Sraalszeitung veröffentlicht, aus der Konferenz der Ministerpräsidenten gelegentlich der Hin- denburgfeier in Berlin fei der Reichsregierung eröffnet worden, daß sie mit dem schärfsten Widerstand Bayerns, Württembergs und Badens zu rechnen hätte, wenn sie der Meinung der gegenwärtigen preußischen Regierung beitreten sollte, die Weimarer Verfassung sei dahin zu ändern, daß die Länder im.Reich aufgehen oder doch ihrer Finanzhoheit beraubt werden könnten. Diesen unitaristischen Absichten gegenüber könne man von einer geschlossenen Phalanx (Kampfesreihe) der süddeutschen Staaten sprechen.
Der Vorbereitende Abrüstungsausschuß des Völkerbunds dürfte von seinem Vorsitzenden, dem holländischen Gesandten in Paris, London, wahrscheinlich erst Ende nächsten Monats, voraussichtlich am 29. November einberufen werden. Die Tagesordnung dürfte sich indessen in der Hauptsache auf die Einrichtung des „Sicherheitsausschusses" beschränken, der ein von dem Vorbereitenden Ausschuß völlig unabhängiges Organ werden soll.
Der Vollzugsrak der Kuomintang soll beschlossen haben, den General Tschangkaischekr, der bekanntlich nach seinen Niederlagen „vorläufig" abgedankt hakte, zurückzurufen.
Die Nordkruppen der Provinzen Tschil! <Peking) und Schankung sollen die Schansitruppen von Peking zurück-
gedrängt haben und mit den Truppen des Generals Feng- juhsiang. des ..christlichen" Generals, i-n einem schweren Kampf stehen.
verung von Monopolen oejiimmr yno, gegen me Amerika sich wehrt, wie z. B. die vorjährige Kalianleihe, die dem amerikanischen Farmer das Kali hätte verteuern können. Seit 1919 sind nach amerikanischer Zählung rund 600 Millionen Dollar privater Anleihen nach Deutschland gegangen, sei es an das Reich, sei es an Einzelstaaten, Städte, Gemsindeverbände und sonstige Korporationen des öffentlichen Rechts, sowie an Privatunternehmungen. Amerika hat seit 1919 im ganzen nach einer Aufstellung des Handelsamts 6,5 Milliarden Dollar ausgeliehen, und wenn die Anleihen in den ersten sechs Monaten dieses Jahrs einen Schluß Massen, so wird man bis zum Jahresende auf eine weitere Milliarde gekommen sein. Das meiste Geld ist allerdings nicht nach Europa, sondern nach Kanada und Südamerika abgeflossen, wo Amerika seine größten
Interessen liegen sieht. Seine nächste Frage ist nun, wo es fernerhin den Hauptanlägemarkt zii sehen hat, denn es muß auch fernerhin verborgen, ob es will oder nicht. Aber es schickt sich allgemach an, seine Geldmacht mehr und mehr in den Dien st seiner auswärtigen Politik zu stellen und mit ihrer Hilfe dem Ausland seinen Willen aufzuzwingen. Wer sich nicht fügt, erhält nichts. Frankreich ist gegenwärtig wohl das sprechendste Beispiel; seine Anstrengungen, eine Konvertierungsanleihe von hundert Millionen Dollar zu erhalten und so Dutzende von Millionen an Zinsen zu ersparen, werden in Amerika so lange scheitern, als es das Mellon-Berenger-Abkommen nicht unterzeichnet. So wird der öffentlichen „Weltmoral" auch durch den amerikanischen Dollar nachgeholfen. Am Ende kommen bald auch die öffentlichen Stadtbaupläne und Hafenanlagen und sonstige öffentliche Unternehmungen dran. Eine 30-Millionen-Änleihe der Stadt Berlin soll denn auch, wie die „New Uork Times" berichtet, endgültig verschoben worden sein, und man will wissen, daß den Absichten von Köln, Frankfurt a. M., Hamburg, Leipzig und Stuttgart der Weg noch nicht endgültig geebnet worben sei.
Hindenburg regen die Kricgsgreuellügsn Berlin, 17. Okt. John Nuelsen, der Bischof der Methodistenkirche für Europa, der zur Teilnahme an der Bi- schofskonferenz in Detroit (Staat Michigan) eintraf, erklärte über einen Besuch, den er beim Reichspräsidenten v. Hindenburg gemacht habe, den Reichspräsidenten scheine nichts mehr zu quälen, als die Lügen über angebliche Schändlichkeiten deutscher Soldaten während des Kriegs. Der Reichspräsident habe gesagt, er könne sich nicht denken, daß vernünftige Menschen diese schändlichen Lügen glauben. Man müßte sonst an der Menschheit verzweifeln. Kein Deutscher habe jemals zu einem so niedrigen Mittel gegriffen, um unsere Feinde so zu verdächtigen. Er kenne die deutschen Soldaten, und solange ein Atemzug in ihm sei^werde er nicht aufhören, gegen diese erbärmlichen, ihre Ehre besudelnden Ü ü- gen anzukämpfen. Die Unterredung zwischen dem RMjspräsidenten und Bischof Nuelson hat bereits im März 1M6 stattgefunden. Sicher wird jeder mit Genugtuung aus dem Munde des Bischofs vernehmen, mit welch warmen Worten Hindenburg für die deutschen Soldaten eingetre- ten ist. ^ n
Warkburgfest der Deutschen Burschenschaften
Eisenach, 17. Oktober. Die Gedenkfeier der Deutschen Burschenschaft begann gestern vormittag mit einem Gottesdienst in drei Kirchen. Hierauf zogen etwa 3000 Angehörige von 173 Burschenschaften aus dem Reich, Danzig, Deutschösterreich, der Tschechoslowakei und aus Siebenbürgen mit ihren alten Herren im Festzug auf die Wartburg. Im großen Burghof wurde der Zug vom Eisenacher Oberbürgermeister Dr. Ianson begrüßt. Prof. Dr. Beyer, der "Rektor der Universität Jena, an der einst die erste Burschenschaft gegründet wurde, überbrachte die Glückwünsche dieser Hochschule. Nach dem gemeinsamen Gesang des Chorals „Ein' feste Burg ist unser Gott" hielt der deutsche Gesandte in Kowno, Dr. Moraht, d>« Festrede. Am Nachmittag beweate sich der Zug zum Burschenschaftsdenkmal, wo Pfarrer Mahnert aus Innsbruck der gefallenen Burschenschafter des Weltkriegs und der Kriege, die zur Einheit des Reiches geführt haben, gedachte. Abends fanden in drei Sälen Kommerse statt, ?
Streik von 80 000 Bergarbeitern
Halle. 17. Oktober. Heute ist der angedrohte Streik der Bergarbeiter des mitteldeutschen Braunkohlengebiets begonnen worden. Auf einzelnen Gruben wird zwar zum Teil gearbeitet, doch sind eine große Zahl von Gruben schon ganz stillgelegt. Bis jetzt ist etwa die Hälfte der in Betracht kommenden 80 000 Bergarbeiter im Ausstand, die Arbeitswilligen werden aber von den Streikenden mit Gewalt an der Arbeit verhindert. In einer anhaltischen Grube wurden 60 Arbeiter gewaltsam herausgeholt. Auf verschiedenen Gruben kam es zu blutigen Schlägereien.
Nach den letzten Nachrichten befinden sich bereits 80 bis 90 v. H. der Bergleute im Streik.
In den Kohlengruben Braunschweigs sind die Kündigungen der Arbeiter zu 80 bis 90 v. Z. zurückgezogen wor- den, doch wurde die Arbeit am Montag noch nicht ausgenommen.
Der Reichsarbeit s mini st er erklärt, eine neue Vermittlung im Bergarbeikerstreik sei vorerst aussichtslos. Es müsse abgewarket werden, welchen Umfang die Bewegung nehme.
Die Braunkohlenwerke weisen darauf hin, daß die von den Arbeitern verlangke Lohnerhöhung ohne gleichzeitige Erhöhung der Kohlenpreise unmöglich sei. Das Reichswirkschaftsministerium habe aber die Preiserhöhung für Braunkohlen wegen der weitreichenden Folgen besonders für Hausbrand (Briketts) und für die Elektrizikätserzeugung wiederholt abgelehnk. Möglich wäre, den großen Gewinn der Kohlengrohhändler erster Hand herabzusetzen und dadurch einigermaßen einen Ausgleich zu schaffen.
Die römische Frage
Rom, 17. Ott. Die italienische Presse schweigt bis jetzt zu dem Vorschlag des „Osservatore Romano" betr. den „Kirchenstaat im kleinsten Maßstab"; die Blätter warten rffenbar eine Weisung Mussolinis ab. Nur der,,Giornale d'Jtalia" sagt, die Zeiten haben sich seit 1887, wo der Pater Tosti den vergeblichen Versuch machte, den Vatikan mit dem italienischen Staat zu versöhnen, andere geworden. Der Papst, schreibt das Blatt, fordere nicht mehr die Wiederherstellung des Kirchenstaats, und er erkläre, die Katholiken anderer Länder haben nicht hineinzureden. Die faszistische Neuordnung könne das verbessern, was die Neugestaltung der nationalen Einheit unter den damaligen Verhältnissen zu tun gezwungen war. Heute erscheine eine Lösung mög- lich, die die beiden festen Punkte Italiens, die nationale Einheit und den Grundsatz des unantastbaren Roms nicht anrühre. Der Papst werde durch die faszistenfreundliche Haltung des italienischen Klerus zur Aussöhnung gedrängt, die dem Papst das Verlassen des Vatikans aus seiner bisherigen freiwilligen „Gefangenschaft" mit allen daraus folgenden Vorteilen gestatten würde. Andererseits würde der Einfluß Mussolinis gewaltig vermehrt werden, wenn es ihm gelänge, die bisher für unlösbar gehaltene Frage zu lösen. Der starke faszistische Staat könne weit größere Zugeständnisse machen, als der unter dem Einfluß der Freimaurerei stehende demokratisch-liberale Staat. Die weltliche Souveränität des Papstes über das Vatikangebiet sei für das faszistische Italien keine ernste Gefahr mehr.
Das Geling >n der bereits eingeleiteten Verhandlungen wäre allerdings für die ganze katholische Kirche ein Ereignis von weltgeschichtlicher Bedeutung. ,
Lin englisches Dominium RUttelafrika?
London, 17. Okiober. Auf dem Festmahl der britischen Südafrikakämpfer sagte der frühere Gouverneur von Kenja, Northey, er sei überzeugt, daß in kurzem die Südafrikagebiete Kenja, Uganda, Tanganjika und Sansibar zusammengeschlossen werden, ebenso Nord- und Süd-Rhodesien und Nyassaland. In einem Vierteljahrhundert werde es ein neues großes Dominium Mittelafrika Leben. . .. ^
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