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Nummer 168
FeiAruf 179
Freitag den 22. Juli 1S27
Fernruf 17S
62 . Jahrgang
Neue Nachrichten
Zur Beendigung des Wiener Generalstreiks
Das Eingreifen der alpenländischen Heimwehren
^ Dem „Berliner Lokalanzeiger" wird aus Graz berichtet: Der Zusammenbruch des Wiener Generalstreiks ist in erster Linie dem entschiedenen Auftreten der Heimwehren in Tirol, Vorarlberg, Salzburg, Kärnten und vor allem in Steiermark zuzuschreiben. Die Heimwehr setzt sich aus wehrhaften Formationen aller bürgerlichen Parteien zusammen. Sie war seit Freitag abend alarmbereit. Die zweideutige Haltung des steirischen Landeshauptmanns Paul in Graz führte zu einem schweren Zusammenstoß in der Landesregierung. Der christlich-soziale Landeshauptmann-Stellvertreter Rieg- l e r und Landesrat Pfarrer Zenz verließen Graz und errichteten in Feldbach eine vorläufige bürgerliche Landesregierung, der von der Großdeutschen Partei Lt-ndesrat Dr. Minarik und vom Landbund Nationalrat Zange! angehörten. Diese Nebenregierung rief die Heimwehr auf. B-s Sonntag vormittag war ganz Untersteiermark, Mittel- und Weststeiermark bis auf die Jndustrieorte Voitsberg und Koeflach im Besitze der Heimwehren. Die Arbeiterschaft stellte sofort den Streik ein und nahm in allen Betrieben, auch bei der Post, Telephon und Eisenbahn die Arbeit wieder auf. Für Montag vormittag 9 Uhr war ein allgemeiner Aufmarsch der untersteirischen Heimwehren gegen Graz, wo gestreikt wurde, angesagt. Der gesamte Eisenbahndienst war hier zum Herantransport der Heimwehren bestimmt. Am Montag vormittag 10 Uhr erreichte eine Vorhut der Heim- wohren Graz und drang in das Landhaus des Landeshauptmanns Paul ein. Dieser gab auf ihr Drängen an die Polizei und die Alpenjägerregimenter Nr. 9 und 10 den Befehl, um 4 Uhr nachmittags Post und Bahnhof zu besetzen, um den Arbeitswilligen die Aufnahme der Arbeit zu ermöglichen. Im Nordosten von Graz waren die Heimwehren im Raum von Kainbach, zwei Kilometer von Graz, versammelt. Der sozialdemokratische Landesrat Machold sah sich nun veranlaßt, von der Reichsparteileitung in Wien dringendst den sofortigen Abbruchdes Streiks zu verlangen. Um 3 Uhr, eine Stunde vor der Besetzung von Post und Eisenbahn, wurde tatsächlich die Streikeinstellung verkündet.
Heimwehrführer Dr. Pfriemer sammelte im oberen Murtal 7000 Mann und besetzte Sonntag früh Juden- burg, dessen Bevölkerung sofort die Arbeit aufnahm. Dr. Pfriemer, der durch Flugzeug mit Graz und Mittelsteiermark in Verbindung stand, richtete an den Republikanischen Schutzbund ein Ultimatum wegen sofortiger Demobilisierung und Arbeitsaufnahme. Die Lage in Obersteiermark war insofern kritisch, als in Bruck an der Mur und in Kapfenberg der sozialdemokratische Abgeordnete Wallisch, ehemaliger Funktionär Bela Kohns, eine Rätediktatur errichtet hatte. Nach eintägigem Bestand dankte Wallisch ab. Als dann die Heimwehren gegen Ober steier- mark vorrückten, wurde auch dort der Streik eingestellt. Insgesamt waren 17 000 Heimwehrmänner unter den Waffen.
Kundgebung des österreichischen Reichsbanernbunds
Der Vorstand des Reichsbauernbunds Oesterreichs verurteilt in einer Entschließung scharf den Aufruhr in Wien und den Generalstreik. Das „Bundesland" Wien bilde eine ständige Gefahr für Oesterreich, die durch internationale Maßnahmen unterbunden werden müsse. Sollten von Wien neue Gefahren drohen, so dürfe die Bundesregierung sicher sein, daß die ö st e r r e i ch i s ch e B a u e r n s ch a f t sich bereit halte, zusammen mit den amtlichen Sicherheitsorganen des Staats die friedliche Arbeit und Hab und Gut der Bürger zu schützen.
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Gegen den verhafkeken kommunistischen Abgeordneten Pieck aus Berlin wird eine strafrechtliche Untersuchung eingeleiket, da bei ihm Vorgefundene Papiere darauf Hinweisen, daß der Ausruhr in Wien schon länger verbreitet gewesen und vom Ausländ betrieben worden sei.
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Nach der Ansicht der Architekten würde der Wiederaufbau des niedergebrannken Iustizpalastes in Wien auf mindestens 32 Millionen Schilling (über 19 Millionen Mark) zu stehen kommen.
Die Regierung mtersucht, woher die vom Bürgermeister Seit; errichtete Schutzwacke die Waffen bezogen hat.
Nach der amtlichen Mitteilung des Polizeipräsidenten Schober sind bei dem Aufruhr in Wien 4 Polizeibeamte getötet, 38 schwer (davon mehrere lebensgefährlich), 202 noch unbestimmbar und 163 leicht verletzt worden, säst die Hälfte aller (1000) Verletzten.
Urteil des französischen Kriegsgerichts in Landau. Landau, 21. Juli. Vom französischen Kriegsgericht wurde dzr Elektrotechniker Oskar Felld aus Zweibrücken wegen
Tagesspiegel
Die Aefchsregierung arbeitet an einer ausführlichen Begründung des Schulgesetzentwurs-s, deren Veröffentlichung in Bälde zu erwarten ist.
Der schon längere Zeit leidende hessische Innen- und Iustizminisier von Brentano ist gestorben. Er war seit 1S19 Minister und gehörte der Zenkrumsparlei an.
Die Trauerfeierlichkeiten für König Ferdinand sind auf Sonntag verschoben worden.
Die Vertrauensmänner der Tiroler Bauernschaft haben in einer Versammlung anläßlich der Ereignisse in Wien auch die Verlegung der Bundesregierung in eine andere Stadl gefordert, um die Unabhängigkeit der Regierung zu sichern.
Die sozialdemokratische Volkszeikung in Innsbruck meldet, daß auf den sozialdemokratischen Tiroler Landkags- abgeordneten Brunner in Buch bei Schwaben mehrere Gewehrschüsse abgegeben worden seien. Die Täter seien bereits verhaftet worden. 7
fahrlässiger Körperverletzung zu 30 Mark Geldstrafe mit Bewährungsfrist verurteilt. Er hatte im November v. I. auf dem Bahnsteig Zweibrücken mit einem elektrischen Transportwagen einen französischen Leutnant überfahren, der durch die erlittenen Verletzungen drei Monate dienstunfähig war.
Prinz Larol darf nicht nach Rumänien
Paris, 21. Juli. Die rumänische Regierung hat den Prinzen Carol, der wieder in Paris eingetroffen ist, vom Tod seines Vaters unterrichtet und ihm eröffnet, Ser Beschluß seiner Entsagung von der Thronfolge vom 1. Januar 1926 werde aufrechterhalten. Seine Rückkehr werde nötigenfalls mit Waffengewalt verhindert. Die französische Regierung soll auf Wunsch aus Bukarest alle Fluggesellschaften angewiesen haben, dem Prinzen kein Flugzeug zur Verfügung zu stellen.
Die innerpolitische Lage in Rumänien scheint nicht sicher zu sein. An der Pariser Börse sank der rumänische Lei von 13.30 auf 14.85.
Deutschlands letztes Wort an Belgien
Die Blamage Brocquevilles
Berlin, 21. Juli. Die Reichsregierung hat auf die belgische Denkschrift vom. 19. Juli geantwortet: Kriegsminister Brocqueville glaube zwar, seine früheren Behauptungen über die Reichswehrentlassungen aufrecht erhalten zu können, er sei aber nicht in der Lage, irgendwelche bestimmten Angaben zu machen oder Beweise beizubringen. Damit erübrige es sich für die Reichsregierung, weiter sachlich auf diesen Punkt einzugehen. Was die Aufwendungen des deutschen Reichshaushalts für Heereszwecke anlange, so genüge es, zu wiederholen, daß diese Aufwendungen durch den Versailler Vertrag nicht eingeschränkt werden, Deutschland sei daher den Verbandsmächten darüber keine Rechenschaft schuldig. Im übrigen seien die unrichtigen Behaupungen Brocqukvilles auch in diesem Punkt in der deutschen Denkschrift vom 18. Juli enk> kräftet. Die Reichsregierung müsse daher ihre Verwahrung gegen das Vorgehen Brocquevilles in vollem Umfang auf- rechkerhalten.
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Für die Leichtfertigkeit der von Brocqueville und Van- dervelde verbreiteten Verleumdungen ist die Behauptung kennzeichnend, die heutigen Aufwendungen für die Reichswehr 1927 machen sechs Zehntel der Kosten für das fünfmal größere frühere deutsche Heer 1913 aus. Tatsächlich beträgt der Voranschlag 1927 im ganzen 497 744 470 -K, derjenige von 1913 betrug dagegen 1 534 604 565 -st. Die heutigen Kosten machen also nicht einmal ein Drittel der früheren Aufwendungen aus. Wobei noch zu berücksichtigen ist, daß das Geld heute um fast 50 Prozent weniger wert ist als 1913, d. h. daß fast alle Waren usw. um so viel teurer geworden sind. — Mit dem offenbar von Poincare ein- geblafenen Verleumdungsfeldzug haben also die belgischen Minister kein Glück gehabt und sich mitsamt ihrem Pariser Patron nur eine gründliche Blamage geholt. Was sie aber voraussichtlich nicht abhalten wird, auf dem betretenen Weg unbekümmert weiterzugehen.
Wir sollten aber aus diesen Vorkommnissen für die Zukunft eine heilsame Lehre ziehen. Immer wieder macht man die Beobachtung, daß Angriffen des Auslands, die sich gegen uns richten, weil wir angeblich auf irgendeinem Gebiete „vertragsbrüchig seien", fast stets Zänkereien und Brunnenvergiftungen im eigenen deutschen Haus vorangehen. Mit größter Selbstüberwindung, den seelischen Ekel hinabwürgend, haben wir der Entente unlängst gestattet, die Zerstörung unserer Ostfestungen zu besichtigen. Warum? Weil wir um die Befreiung des Rheinlands kämpfen und daher den Hetzern in Paris jede Unterlage zu entziehen trachten, "hl E sjx neue Ausflüchte aufbauen könnten, um sich der Milderung der Besatzung oder ihrer gänzlichen Aufhebung zu entziehen. Brocqueville hat — wenn auch vergeblich — versucht, uns erneut anzuschwärzen, und da er über, die
Ouellen, aus oenen er schöpfte, jede Auskunft verweigert — die belgische Regierung wird schon ihre Gründe haben, warum sie sich in Schweigen hüllt —, so müssen wir damit rechnen, daß sieinDeutschland entsprungen sind. Auch Artikel deutscher Zeitungen werden als Unterlage für des Kriegsministers Ausführungen angegeben. Im übrigen ist der ganze Notenwechsel in Brüssel von der öffentlichen Meinung in Belgien sellsit nicht günstig ausgenommen worden. Man hat dort das höchst peinliche Gefühl, daß die Regierung sich eine schwere Abfuhr holte und die Anzapfungen des Ministers besser unterblieben wären.
Kreaturen, wie der Berichterstatter des „Echo de Paris", der die Gastfreundschaft Deutschlands in übelster Weise mißbraucht und die Pressefreiheit zum Preßpiratentum werden läßt, gibt es überall und wird es immer geben! Vor ihnen sich zu schützen ist schwer. Das beste ist vollständiger Boykott solcher Leute.
Das Ganze ist ein interessanter Zwischenakt in der Sommerpause der großen Politik, gutes Material für unsere Unterhändler, wenn sie wieder einmal nach Genf gehen, um über Abrüstung, Rheinlandräumung und ähnliches zu sprechen.
Der halbamtliche Pariser „Temps" gefällt sich in der Besprechung der deutschen Note in wütenden Ausfällen gegen Deutschland und erklärt, aus dem belgisch-deutschen Notenwechsel gehe hervor, die Generalquittung des Botschafterrats reiche offenbar nicht hin, um Deutschland als wirklich entwaffnet erscheinen zu lassen. Bei der jetzigen Lage der Dinge entheben weder Genf noch Locarno Frankreich und Belgien von der Verpflichtung, auf eine feste Organisierung ihrer Verteidigungsmittel gegen jeden Angriff bedacht zu sein. — Es wird wohl nun kein Zweifel meh- sein, von welcher Seite Brocqueville und Vandervelde zu ihrem Vergehen ermuntert worden sind.
Württemberg
Stuttgart, 21. Juli. Ausgleich zwischen Stuttgart und Zuffenhausen in der Exerzierplatzfrage. In einer Verhandlung zwischen Vertretern von Stuttgart und Zuffenhausen wurde bezüglich der Exerzierplatzfrage in allen wesentlichen Punkten eine Einigung erzielt. Dabei ist vorgesehen, daß die Zuffenhausen zugestcherken finanziellen Zuwendungen dieser Gemeinde schon jetzt zugute kommen sollen. Der Gemeinderat hat diesem Abkommen mit 34 gegen 17 Stimmen zugestimmk. Der Minister des Innern hat sich bekanntlich im Landtag bereit erklärt, beim Staatsministerium den Antrag auf Einräumung des Nechts der Zwangsenteignung für die Heeresverwaltung bezüglich Verwendung des Burgholzhofgeländes als Ersatz für den Exerzierplatz auf dem Cannstatter Wasen zu stellen.
Borstandssitzung der Würtk. Landwirtschaftskammer. Der Vorstand der Landwirtschaftskammer hielt am 14. Juli hier eine Sitzung ab. In dieser wurde die Organisation der Arbeiks- und Landesarbeitsgerichte, deren Tätigkeit am 1. Juli begonnen hat, und die Errichtung von landwirtschaftlichen Fachkammern besprochen. Wünsche bezüglich Errichtung von Obskbau-Inspekkorftellen wurden zur Sprache ge- bracht und sollen noch näher geprüft werden. Den Beschlüssen der Ausschüße'für Fischzucht, Schweinezucht, Hopfenbau und Versuchswesen wurde zugestimmk. Entsprechend einem früheren Beschluß des Vorstands wird die Landwirtschafts- Kammer das Landwirtschaftliche Hauptfest im Herbst 1928 veranstalten. Außerdem wurde in der Dorstand^sttzung eine Reihe laufender Angelegenheiten erledigt.
Beschlagnahme der Süddeutschen Arbeiterzeitung. Vom
Polizeipräsidium wird mitgeteilt: Die Süddeutsche Arbeiterzeitung Nr. 167 von heute ist durch den Beschluß des Amtsgerichts Stuttgart l wegen eines in dem Artikel „Vor dem Urteilsspruch des Niednergerichts" erblickten Vergehens gegen 8 114 in Tateinheit mit einem Vergehen gegen 8 111 des Strafgesetzbuchs, beschlagnahmt worden.
Unterschlagungen beim Stadt. Steueramk. Unlängst ist. wie die Süddeutsche Arbeiterzeitung berichtet, ein Rechnungsrat auf dem Städt. Steueramt wegen Unterschlagung von öffentlichen Geldern, man spricht von 15 000 RM., in Hast genommen worden. Ebenso ein hiesiger Stadtsekretär wegen Beihilfe. Die Uebertretungen sollen auf Spielschulden zurückzufühlen sein. Auch sollen die Inhaftierten über ihre Verhältnisse gelebt haben.
Schüller zum Tod verurteilt. Im weiteren Verlauf der Schwurgerichts-Verhandlung gegen den Schlosser Johann Schüller aus München wegen Ermordung des Dienstmädchens Berta Lochmann war von besonderer Bedeutung das Sachverständigengutachten von Medizinalrat Dr. Schmidt. Das Opfer sei wahrscheinlich sofort tot gewesen, da Schädeldecke, Nase, Ober- und Unterkiefer eingeschlagen worden sind. Eine erbliche Belastung oder eine Geisteskrankheit liege bet Schüller nicht vor. Wenn er auch bei der Tat unter Alkoholwirkung gestanden habe, so habe er sie doch mit Ueberlegung und in voller Verantwortlichkeit ausgeführt. Erster Staatsanwalt Euhorst führte aus, der An- geklagte müsse als. gemeingefährlicher Verbrecher bezeichnet