WohstätigkUt in Stuttgart über Vor- und Nachteile der Anstaltserziehung für das Schulkind. Darnach berichtete Frl. Fausel, Hausmutter in der Erziebungsanstalt Ober- urbach, über ihre Tätigkeit in ihrer Anstalt j/"' MEM.' lassene weibliche Fürsorgezöglinge. Den Geschäfts- und Kassenbericht erstattete die Geschäftsführerin ^ckwe„er Helene Will ich. Am Sonntag morgen behandelte Frl. Anna Schieber- Degerloch das The.ma, ob und inwieweit Kunst und Natur den Menschen zur Religion fuhren können. Sie bejahte dies für echte, „aus den Lebensq'.elicn gespeiste" Kunst, ebenso wie für die Natur.
Iagdschuhverein. Aus der diesjährigen Hauptversammlung des Allgemeinen Jagdschutzvereins, Landezoerein Württemberg, erstattete Geh.-Rat Dreiß den Geschäftsbericht, wobei er betonte, daß der Württ. Jagdgesetzentwurf, der die Beseitigung der 50-Morgen-Eigenjagden anstrebe, wenig Aussicht auf Verwirklichung habe. In Preußen sei >!ne Ermäßigung der Landpachtsteuer auf ein Drittel der bisherigen Sätze erzielt worden und man hoffe, daß ein gleichartiger Antrag des Landesvereins an die württ. Regierung Erfolg habe. Die Einführung eines sogenannten Jagdexamens in Württemberg sei aussichtslos. An dem Jahresbeitrag wurde festgehalten. An Prämien wurden an das Forst- und Landjügerpersonal im Jahre 1926 rund 1200 RM. vom Verein bezahlt. Die Witwe eines von Wilderern erschossenen Försters erhielt 300 M. Der Landesoorsitzende, Oberjägermeister Freiherr von Gaisberg, wurde einstimmig wiedergewählt. Neu gewählt wurde in den Ausschuß Oberforstrat Maurer von der Württ. Forstdirektion.
sooo schwäbische Sänger gehen nach Wien. Zum 10.
Deutschen Süngerbundsfest in Wien 1928 sind an Voranmeldungen eingegangen: aus 3302 Vereinen zusammen 91 036 Sänger mit 2685 Fahnen und 50 Festwagen. Davon entfallen auf dem Schwäbischen Sängerbund 139 Vereine mit zusammen 4823 Sängern und 126 Fahnen. Es ist damit zu rechnen, daß diese überaus zahlreiche Beteiligung bis zur endgültigen Anmeldung noch erheblich überschritten werden dürfte.
Verbotene nationalsozialistische Kundgebung. Dis r>"n der nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, Kau Württemberg, anläßlich ihres Gauparteitags am 7. und 8. Mai in Stuttgart vorgesehene Massenkundgebung auf dem Marktplatz ist „aus verkehrspolitischen Gründen" verboten worden.
Gasvergiftung. In einem Haus der Hauplstätterst wße wurde ein 21 I. a. Schlosser tot kn seinem Bett liegend ouf- gesunden. Die angestellten Ermittlungen ergaben, daß ein Unfall durch Gasvergiftung vorlag.
In der Hauptstätterstraße erfolgte ein Zusammenstoß zwischen einem Lastkraftwagen und einem Einspännerfuhr- werk. Bei dem Zusammenprall wurde das Pferd schwer verletzt, sodaß es getötet werden mußte.
Vom Tage. Dienstag nachmittag ereignete sich in der Pragstraße in Cannstatt bei der Fabrik von Werner und Psleiderer ein schwerer Zusammenstoß zwischen einem Straßenbahnzug der Linie 13 und einem mit Kies beladenen Lastkraftwagen der Firma Paul Stephan, Stuttgart, der vorschriftswidrig auf der Mitte der Fahrbahn gefahren war. Der Triebwagen der Straßenbahn kam zur Entgleisung und fiel um. Sämtliche Fensterscheiben zersprangen, wodurch ein Teil der Insassen verletzt wurde. Fünf Personen, darunter der Wagenschaffner wurden schwer verletzt und mußten >'n das Cannstatter Krankenhaus überführt werden. Studisn- rat Karl Bauer erlitt einen Oberschenkelbruch und Verletzungen an der rechten Hand. Das Befinden der Verletzten ist zufriedenstellend, Lelensgefahr oder etwa die Sorge, daß ihm ein Glied abaenommen werden mäßet, besteht bei keinem der Verletzten. Nach Zeugenaussagen soll die Schuld an dem Unfall den Führer des Lastkraftwagens treffen, der sofort verhaftet uurde. Der Straßenbahnwagen wurde von einem Schaffner gelenkt, den man eben einlernte.
Dienstag abend gerieten in der Neckarstraße bei der Stöckachkolonie zwei Männer in Raufhändel, wobei der eine feinem Gegner das Messer in den Hals stieß, sodaß der Schwerverletzte ins Spital überführt werden mußte. Der Täter konnte in einer Wirtschaft verhaftet werden.
Aus dem Lande
Lndwiosburg. 4. Mai. Kasernenbrand. Vom Wehrkreiskommando 5 wird mitgeteilt: Am 4. Mai, 2 Uhr vormitiaas. brack in der von der 6. Kompagnie 13. Inf.-
Vom Leven gehetzt
67 Roman von I. S. Schneider-Foerstl.
Urheberrechtsschutz 1926 durch Verlag Oskar Meister, Werdau.
Geben Sie ihm Arbeit! riet der Sanitäisrat. Er soll eine Praxis ausüben, dann hat er Ablenkung, und dann vergißt er wenigstens für die Slunden, in denen er beruflich tätig ist. das. was einmal war!
„Wüßien Sie vielleicht, wo er sich niederlassen könnte?" fing Guben. Der Rat des alten Herrn dünkte ihm gut.
„Er soll mich ablösen!" sagte der Sanitätsrat und putzte seine blauen Brillengläser mit dem rolgetupften Taschentuch, um das weiße zu schonen. „Ich möchte mich ohnedies jchon lange gerne zur Ruhe setzen. — Es geht nicht mehr lecht! Meine Füße streiken und mein Herz macht ab und zu Geschichten. Für einen jungen Arzt ist es ein Kinderspiel. Und gut ist die Praxis auch. Die paar entlegeneir Dörfer droben auf den Höhen brauchen ihn nicht zu schrecken. Da ist alle fünf Jahre einmal jemand krank. Und die Wald- ler sind ja auch nicht empfindlich. Die kommen schon von selbst, so lange sie gehen können, zu einem ins Sprechzimmer. — Also das sagen Sie dem Herrn Kollegen, verehrter Herr Baron. — Er kann jeden Tag übernehmen, alles, wie es steht und liegt. Ich behalte mir im Haus nur zwei Stuben vor, droben unterm Dach, und dafür vertrete ich ihn kostenlos, wenn er einmal für ein paar Wochen in U-laub gehen oder verreisen will."
Sanders verneinte erst.
Als Guben aber nicht aufhörte, in ihn zu drängen, und ihm auch vorstellte, daß sie dann immer beieinander in der Nähe bleiben könnten, sagte er zu.
Bereits nach vierzehn Tagen übte er drüben im kleinen Marklflecken seine Praxis aus.
Er war ein ruhiger, stiller, freundlicher Arzt, voll Güte und Nachsicht gegen alle, die zu ihm um Hilfe kamen.
„Uns r Doktor," sagten die Leute, wenn er durch den Ori und in die Häuser ging zu den Armen und Aermsten, die er unentgeltlich behandelte. Meist blieb er bei den Kindern
Regt, bewohnten'Arsenälkaserne in Ludwigsburg ein Dachstuhlbrand aus, der den Dachstuhl einäscherte. Das Haupt- feuer konnte bis etwa 4 Uhr morgens gelöscht werden. Der Sachschaden, der hauptsächlich die dort ausgestapelten Fouriergeräte und Sanitätsmaterial betrifft, ist gering. Ter Gebäudeschaden jedoch beträchtlich. Der bewohnte 2. Stock der Kaserne hat durch erheblichen Wasserschaden gelitten.
Neckargartach OA. Heilbronn, 4. Mai. Schwerer Autounfall. Durch Platzen der Reifen wurde ein mit Personen besetzter Personenkraftwagen, der von Neckars-,lm kam über den Straßengraben in eine Wiese geschleudert. Ein'Baron von Plessen aus Berlin und Direktor Kemmnitz aus Stuttgart wurden schwer verletzt.
Oehringen. 4. Mai. Tödlicher Sturz. Der beim Ueberlandwerk Jagsthausen beschäftigte Arbeiter Knödler von Jagsthausen stürzte in Eindringen von einem elektrischen Masten und war aus der Stelle tot.
Nereshelm, 4. Mai. Geburtstag. sin Regensburg feiert am 8. Mai Fürst Albert v o n T h u r n u ir d T a x i s seinen 60. Geburtstag.
Ballmertshofsn, OA. Neresheim, 4. Mai. Tod unter denRädern. Der 20 5. a. verh. Fuhrmann Karl Haktler kam unter den mit vier Pferden bespannten Wagen des Mühlenbesitzers Würth. als die Pferde an einer abschüssigen Stelle der Hauptstraße scheuten, und wurde getötet.
Vom Ries. 4. Mai. 16jährigerSelb st Mörder. Am Samstag vormittag entfernte sich der 16 I. a. Maurer- lehrling Georg Hasinger in Wemding von der Baustelle und erhängte sich im nahen Wald. Bei dem jungen Menschen zeigten sich in letzter Zeit Anzeichen von Trübsinn.
Tübingen. 4. Mai- Die Augendiagno-se - ein Schwindel. Der Heilpraktiker Lorenz Feuerlein von Stuttgart, ein früherer Drechsler, der aus der Regenbogen- Halit die Krankheiten seiner Patienten erkennen und dann mit Magnetismus, homöopathischen und biochemischen Mitteln die'Krankheit heilen will, war vom Schöffengericht in Calw wegen Betrugs zu drei Monaten Gefängnis verurteilt worden. Die Strafkammer verurteilte ihn in der Berufungsinstanz in drei Fällen wegen versuchten Betrugs zu 1 Monat Gefängnis. Universttätsprofessor Dr. Stock bestritt als Sachverständiger jede Möglichkeit, durch Augendiagnose eine Krankheit festzvstellen.
Tübingen. 4. Mai. Ein weiterer Triebwagen in W ü r tt e in b e r g. Wie aus dem Fahrplanentwurf der Reichsbahndirektion hervorgeht, wird ab 15. Mai 1927 auch Tübingen einen neuen Triebwagen erhalten. Der Wagen ist zu Fahrten auf den Strecken Horb—Metzingen und Tübingen—Hechingen vorgesehen.
Freudenftadk. 4. Mai. Die Fahnplanverbes- serung n ach Freuden st adt ist gefährdet. Die Reichsbahn-Direktion Stuttgart gibt her hiesigen Kurverwaltung bekannt: Der Eilzug 263 Eutingen—Freudenstadt (Eutingen ab 5.52, Freudenstadt an 6.27t, der die Verbindung von Stuttgart über D 277 (Stuttgart ab 4.35) vermittelt, verkehrt seit 15. März d. I. wieder täglich. Die Besetzung dieses Eilzuges ist zurzeit noch sehr schwach. Es müßte eine wesentlich bessere Benützung dieser Befö de- rungsgelegenheit eintreten, damit sich ihre ganzjährige tägliche Führung rechtfertigen läßt.
Vlm, 4. Mai. Aus dem Gemeinderat. Der Gemeinderat beschloß den Schlachthofumbau mit 200 000 „ll Kosten und die Erstellung eines Verwaltungsgebäudes für das Elektrizitätswerk mit 500 000 Aufwand.
Nagold, 4. Mai. Aus d e in F e n st e r gestürzt. In der Nacht aus Montag stürzte der 28jühr. Telegraphenarbeiter H. aus seiner Wohnung im Dachstock eines hiesigen Gasthauses auf die Straß? und blieb blutüberströmt liegen. Der Hund eines patroullierenden Schutzmanns verbellte den Verunglückten. Auf diese Weise konnte der Beamte die sofortige Ueberfübrung ins hiesige Krankenhaus veranlassen, wo ein- schwerer Schädelbruch und ein Armbruch festgcstellt wurde.
Ebhausen OA. Nagold, 4. Mai. Tödlicher Unfall. Johannes Blaich aus Oberweiler fuhr Montag abend seinem Heimatort mit dem Rad zu, als ihm zwischen Ebhausen und Berneck an einer kleinen Kurve der Zug ab Altensteig 7.10 Uhr und Karl Ackermann aus Altensteig mit einem schweren Motorrad entgegenkamen. Radfahrer und Motorradfahrer stießen in der Höhe des Zugs mit aller Gewalt zusammen und wurden au Boden geschleudert. Der Zug hielt sofort
und verbrachte die beiden Verunglückten Ms Nagolder Krankenhaus, wo inzwischen Blaich an seinen Verletzungen gestorben ist. Ackermann ist ebenfalls schwer, doch nicht lebensgefährlich verletzt.
Aichhalden, OA. Oberndorf, 4 Mai. Beim Böllerschießen verunglückt. Der led. Landwirkssohn Josef Glatkhar wollte bei einer Hochzeiksfeier am Montag mit Böller schießen, wobei sich einer unerwartet entlud und die linke Hand schwer verletzte. Der Arzt nahm den Verletzten nach Schramberg.
Bom Dürnachtal, 4. Mai. Felddien st Übung, stn hiesiger Gegend fand eine Felddienstübung der Nachrichtenabteilung 5 von Cannstatt statt, die von der Alb her herüberzog.
Lulgen-Sulgau, 4. Mai. Gemeiner Ueberfall. Drei halbwüchsige Burschen von Aichhalden überfielen am Sonntag abend ein in Aichhalden bedienstetes Mädchen. Nur durch den Umstand, daß ein Fuhrwerk die Straße ein- herkam, wurde das Mädchen vor Schlimmerem bewahrt. Dienstag morgen wurden die drei Burschen verhaftet.
Ravensburg, 4. Mai. Der requirierte Bär. Am Montag war Rupp von Deisenfang in Ettishofen und lernte in einer dortigen Wirtschaft die zurzeit hier weilenden Bären- treiber kennen. Er ließ sich mit ihnen in ein Spielchen ein und glaubte sich durch diese bestohlen. Als nun die Bärentreiber im Ummenwinkel ihr Nachtlager aufgeschlagen hatten, wollte sich Rupp dadurch schadlos halten, daß er, lediglich mit einer Mistgabel bewaffnet, den größten und schönsten Bären requirierte. Das Wagnis o/lang. Als er aber seine Behausung erreichte und Meister Petz in seine Werkstätte verbringen wollte, leistete dieser energischen Widerstand, wobei Rupps Kleider ziemlichen Schaden litten. Das Unmögliche seines Beginnens einsehend, entschloß er sich nun, den Bären auf der Polizeiwache unterzubringen und landete dort gegen 2 Uhr nachts. Man hatte aber begreiflicherweise für dieses Ansinnen wenig Verständnis und veranlaßte Rupp durch gütliches Zureden, seinen braunen Freund wieder an Ort und Stelle zu verdingen, was alsbald geschah.
Bom Bode-usee, 4. Mai. Gewitterschaden. Ein schweres Gewitter, von Vorarlberg herüberziehmd, ist gestern nachmittag 5 Ahr in Lindau und Umgebung niedergegangen. Der Hagel richtete an den Obstbäumen großen Schaden an: es fielen Schloßen von Taubeneiergröße.
Der 14 I. a. Sohn des bekannten Svortsmanns Sohm in Bregenz klagte nach dem Genuß von Gefrorenem, das er auf dem Jahrmarkt gekauft hakte, über Magenschmerzen' Nack einigen Tagen verstarb der Knabe.
Der Bodenseeverkehrsverein hält seine diesjährige Hauptversammlung am 22. Mai in Konstanz ab.
Vom bayerischen Mgöu. 4. Mai. Brände. Das große Anwesen des Landwirts Wilhelm Schweiger in Hofs bei Heimenkirch ist aus unbekannten Gründen in der Nacht vollständig abgebrannt. — In Ussenried bei Schrattenbach fiel ebenfalls in der Nacht das Oekonomiegebäude des Landwirts Weitenauer einem Brand zum Opfer. Man vermutet Brandstiftung; das Wohnhaus wurde gerettet. Vor 4 Jahren war das Anwesen durch Blitzschlag eingeäschert worden.
Baden
Karlsruhe, 4. Mai. Bei der Löschung eines kleinen Brands in Durlach fiel ein Feldhüter Aus Durlach infolge eines Fehltritts durch ein über dem Treppenhaus befindliches Glasdach vom 5. in das 1. Stockwerk, wo er schwerverletzt liegen blieb.
Wiüstätl bei Kehl, 4. Mai. Gestern nacht hat sich der über 70 Jahre alte Schweinehirt Müll, anscheinend aus Schwermut in seiner Wohnung erhängt.
Pforzheim, 4. Mai. Auf der Strecke Wilferdingen— Kleinsteinbach ereignete sich an dem schienengleichen Üeber- gang beim Bahnwürterhaus 15 ein schweres Autounglück. Ein Lastauto mit Anhänger, das mit Möbeln der Firma Treffzer-Rastatt beladen war, wurde von einer Lokomotive erfaßt, zur Seite geschleudert und zertrümmert. Ein in dem Auto mitfahrender Arbeiter war sofort tot, drei Personen wurden schwer verletzt. Die Verletzten wurden mit dem Krankenauto ins Krankenhaus Durlach gebracht. Beide Betriebsgleise waren etwa 2 Stunden gesperrt. Die Reisenden des D-Zuges 56 wurden mit Kraftwagen nach Karlsruhe weiterbefördert. Ein von Karlsruhe angeforderter Hilfszua war kurze Zeit nach dem Unglück auf der Unfall
stehen, fuhr liebkosend über ihre Köpfe und ging dann wortlos wciler.
Nie mehr seit jenem Unglückstag hatte ihn einer lachen gesehen.
Drei Jahre waren über die schrecklichen Ereignisse hinweggegangen.
Ueber den Dächern Münchens brausten die Herbststürme. Ab und zu lachte die Sonne darein, ein verlegenes, mattes, müdes Lächeln, als ob sie sagen wollte: Seht, es tut mir ja selbst so furchtbar leid, daß ich euch nicht mehr so wärmen kann wie früher. Aber ich kann ja nichts dafür, wahrhaftig nicht! Ihr wißt ja, es ist alle Jahre das gleiche. Macht euch nur warm und sorgt, daß ihr Kohlen und Holz in den Kellern habt und ein warmes Bett in der Stube und einen dicken Pelz für die Straße, dann wird es schon gehen!
Im Nymphenburger Park raschelte das Laub auf den Wegen. Heijoh! Heijah! blies der Sturm in das Blattwerk, und das tanzte, wie er pfiff, und faßte sich an den Händen und flog hoch hinauf bis zu den Kronen, aus denen es gekommen war.
Und dann schwebte es wieder herab und gaukelte über die Wiesen hin im Gänsemarsch oder Ringelreihen, je nachdem.
Frierend drängten sich die Sterne der Dahlien aneinander. Ihre Blätter rollten sich nachts immer enger vor Frost. Und genau so machten es die anderen Blumen auch. Ihre Zeit war um. Nur das abgehärtete Volk von Immergrün und Buchs stand vergnügt am Wege und freute sich, daß es so viel mehr aushielt als all die anderen.
Aus einer der Bänke im Park saß eine alte Frau in schwarzer Spitzenhaube und ebensolcher Mantille. Sie trug ein Täschchen am Arm und hatte eine Handarbeit zur Seite liegen. Ein Mädchen legte eben fürsorglich einen Schal um ihre Schultern.
„Lene, du frierst ja! Nicht wahr, du frierst? Ich habe mir's ja gleich gedacht, daß es so kommt. Weißt du. die Sonne, die trügt jetzt. Man meint nur, es sei warm. Aber wir haben ja gleich November."
„Frieren?" sagte die alte Frau. „Nein, Trudelchen, Frieren, das ist das wenigste. Mir ist eben nicht ganz wohl — den ganzen Tag schon nicht. Du hast recht, ich hätte nicht herausgehen sollen. Es ist halt ein Kreuz mit uns alten Leuten!"
„Ich schaue um einen Wagen, Lene," tröstete das Mädchen. „Wird dir nichts fehlen, wenn ich dich einen Augenblick allein lasse?"
„Behüt!" wehrte diese. „Wirst doch nicht solchen Unsinn machen wollen, Trude. Bis in die Bothmerstraße, da komm ich schon noch. Es wäre wahrhaftig hinausgeworfenes Geld!"
„Laß mich doch!" lachte diese. „Ich bin doch jetzt so reich. Und Sonnabends da trägt mir's immer doppelt so viel wie sonst. Da können wir uns beide den Luxus schon einmal erlauben, auch heimzufahren wie die vornehmen Herrschaften. Ich komme gleich wieder, Alterchen!"
Sie lief schon den Weg dahin, der zum Ausgang führte.
Der Herbstwind riß an ihrem pelzbesetzten Jackett und neckte sich mit dem feinen, dunklen Haargelock, das unter dem breitrandigen Hut hervorlugte.
Ein Herr kam den Gehsteig entlang und pfiff vergnügt vor sich hin. Er trug trotz des Sturmes den Hut in der Hand und ließ sich die Stirn kühlen. Den Spazierstock hatte er unter den Arm geklemmt und seinen Mantel dar- übergehängt. ,
Trude sah gleichgültig an ihm vorbei, als er in ihre Nähe kam.
Ein scharfer Blick! Ein Aufleuchten! Ein triumphierendes Blitzen, dann ging er auf sie zu und verbeugte sich- „Kann ich Ihnen irgendwie dienlich sein, gnädiges Fräulein? — Sie scheinen nach etwas zu suchenl Wünschen Sie einen Wagen oder sonst etwas?"
„Ja, einen Wagen," sagte sie und sah ihn freundlich an. „Meine Kinde, srau ist nicht wohl. Da möchte ich gern mit ihr nach Hause fahren."
(Fortsetzung folgt)