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Nummer 103

NMiruf 17S

Donnerstag dm 5. Mai 1827

Fernruf 179

62. Jahrgang

Me polnischen Uebergrifse in Danzig

Der polenfreundliche Völkerbundskommissar

Im Februar d. I. erregten Angaben eines Berliner Blatts über das von Polen in der Freien Stadt Danzig unterhaltene Militär nicht nur in Danzig, sondern auch in Völkerbundskreisen berechtigtes Aussehen. Aus diesen Angaben ging nämlich hervor, daß Polen im Gegensaß zu den vom Völkerbund geschützten Danziger Grundrechten die Freie Stadt darf bekanntlich von Polen nicht als Militär­oder Marinestützpunkt benutzt werden im Gebiet der Freien Stadt nicht weniger als 14 Offiziere und 161 Mann unterhält. Da außerdem noch die polnische Flotte mit 15 Schiffen und 600 Mann Besatzung sich größtenteils im Danziger Hafen aufhält, so war die Frage, ob die Freie Stadt denn ein polnischer Militär- und Marinestützpunkt geworden sei, durchaus berechtigt.

Eine Anfrage im Volkstag veranlaßte dann den Dan­ziger Senat, den Völkerbundskommissar van Hamel (Holländer) um Klärung der eigentümlichen Anlegegenheit zu ersuchen Van Hamel ist diesem Verlangen nack->ekommen, hat sich aber darauf beschränkt, die Antwort, die ihm Polen zu geben für zweckmäßig erachtete, mit seiner Unterschrift versehen an den Danziger Senat weiterzuleiten. In dieser polnischen Antwort wird aber die Frage, um die es sich handelt, gar nicht geklärt. Es wird lediglich br^auptet, über das bei der polnischen diplomatischen Vertretung be­schäftigte diplomatische Personal werde der Danziger Senat auf dem laufenden gehalten, das Hilfsbureaupersonal der militärischen Abteilung" übrigens nur eine Umschreibung für die Spionenabteilung, die in den Räumen der polnischen diplomatischen Vertretung untergebracht ist bestehe ausneun" Personen, das Personal des Munitionslagers auf der Westerplatte überschreite nicht die genehmigte Zahl, und die Frage, wie es mit denFlottenbesucken" stehe, könne sich der Senat selbst beanworten, da ihm die Verhält­nisse bekannt seien.

Der Dannaer Senat bat darauf erklärt, d"^ er mit einer so wenig erschöpfenden Auskunft nichts' anfangen könne. Non polnischer Seite sei er nur Unterrichtes über die 60 Beamten der polnischen diplomatischen Vertretung mit diplomatischem Charakter, nicht aber über diemilitärischen Hilfsarbeiter", auf die es doch gerade ankomme. Einzig und allein Her van Hamel scheint davon nichts zu wissen; er wünschte durch absichtlich unzureichende Ermittlungen den Polen offenbar die Möglichkeit zu verschaffen, auch weiter, hin den vertragswidrigen Zustand aufrechtzuerhalten

Ebenso rechtswidrig ist die Entscheidung des Völker, bundskommissars über das Klagerecht der Danziger Eisenbahner gegenüber der polnischen Regierung bei strittigen Forderuna-n auf Grund des Beamtenabkommens ausgefallen. Die polnische Regierung hatte verordnet, daß den (deutschen) Eisenbahnern kein Recht .zustehe, in Sachen ihrer Löhne, Gehälter, Pensionen usw. die polnische Cisen- bahnverwaltung vor einem Danziger Gericht zu verklagen. Und van Hamel hat In seinem Schiedsspruch den Polen trotz ihres offenkundigen Recht s- vruchs Recht gegeben. Dis Danziger Eisenbahner mußten also künftig, wenn sie von der polnischen Bahn­verwaltung um wohlerworbene Rechte gebracht werden, was bisher schon öfters geschah, ihre Klagen vor dem Völ­kerbund varbringen d. h. auf ihr Recht von vornherein verzichten. Dies war auch den Sozialdemokraten in Danzig, die bis jetzt fast immer mit den Polen gegangen sind, zu viel, und die so,z.Volksstimme" schrieb, unter diesen Umständen lei eine Verständigung nicht möglich. Der Danziger Senat hat gegen die Entscheidung Berufung beim Völkerbund ein- geleat.

, schließlich noch die Entscheidung van Hamels über

den Anteil Danngs an den Hafeneinnahmen! Nach dem Versailler Vertrag muß die Danziger Hafenverwaltung durch einen Hafenausschuß mit überwiegendem polnischen Einfluß verwaltet werden; der Hafen, das emenN- Eigen­tum der Stadt Danzig, wurde ihr einfach weggenommen. Hamel bestätigte in einem Streit einfach die polnischen An­sprüche auf den Löwenanteil an den Hafeneinnahmen. Die Stadt Danzig wäre froh, wenn sie von dem Völkerbunds­kommissar undProfessor der Rechtswissenschaft" van Hamel, der auch durch sein anstößiges Privatleben Aergernis erregt, möglichst bald befreit würde. Freilich, was wird Nach­kommen? Der vorige Kommissar, ein Irländer, wurde van den Polen und Franzosen weggeekelt, weil er sich wenigstens bestrebte, unparteiisch zu sein.

Die Eisenbahner fordern die Abberufung van Hamels

, ^"^Einer von 1500 Danziger Eisenbahnbediensteten denk- besuchten Versammlung wurde gegen die Ent- schewung van Hamels in dem Streit gegen die polnische Bahnverivaltung Einspruch erhoben und der Völkerbund E l abzu berufen, da er alle Ge­hässigkeiten ei Polen gegen die Deutschen unterstütze und für den Posten des Kommissars überhaupt ungeeignet sei-

Polnische Frechheit

Das in polnischer Sprache in dem fast durchaus deutschen Danzig erscheinende BlattGazeta Gdanska" hat die Frech­heit. B schreiben: " ^

Tagesspiegel

Mai

Die Welkwirkschafkskonferenz in Genf wurde am 4. durch den beligfchen Minister Theunis eröffnet.

Vriand ist von seinem Landaufenthalt nach Paris zurück- gekehrt. Man glaubt, daß er zu der unglaublichen Rede Poin- carös in Bar-le-Duc. die Lorarno und Thoiry vollständig vsrleugnete, Stellung nehmen wird.

König Fuad von Aegypten wird in diesen, Jahr einen Besuch in London abslatken. Auch die französische Regierung hat chn eingeladen.

Die polnische

Regierung

.. mutz ihre bisherige Haltung in der Politik gegenüber Danzig einer gründlichen Nach­prüfung ^unterziehen. Das Programm derVerständigung" hat auf der ganzen Linie versagt und hat den Danziger Zwerg geradezu bis zum Wahnsinn ermutigt. Man muß eine Politik der starken Hand und der unerbittlichen Rücksichtslosigkeit einschlagen. Schon allzu lange verhöhnt Danzig das. Ansehen des polnischen Reiches. Es ist jetzt Zeit, an die Rute zu denken, Mittel haben wir genug, übergenug in der Hand. Solange die Anerkennung und die vollständige Durchsetzung sämtlicher polnischen Rechte nicht zur Tatsache geworden ist, so lange muß Polen die Rute schwingen. Der Danziger wird zuerst schreien, wird sich winden und drehen und in alle Welt hinausbrüllen, daß man ihn vergewaltige Mag er schreien, mag er brüllen, die Hungerkur wird ihm guttun und ihn zur Besinnung bringen. Unser Marschall (Pilsudski) wird ihn schon zu zähmen wissen. Er kann das tun ei hat die Macht dazu Drum: Schlag zu! Marschall, schlag zu! nach deiner Art."

Auf diese beispiellose Frechheit, die ein klarer Hoch­verrat ist, wird der Danziger Senat hoffentlich die richtige Antwort erteilen.

eue Nachrichten

Die «Senkung der Realsteuern" in Preußen Berlin. 4. Mai. Nach dem neuen Reichsgesek über den

Abtretung PaläMas und Mesopotamiens an Italien?

Die LondonerDaily Mail" veröffentlicht einen Aufsatz Rothermeres, des anrüchigen Bruders des berüchtigten Northclifse. In dem Artikel werden Mussolini und der Faszismus verherrlicht und als Vorbilder zur Nachahmung in England empfohlen. Er schließt mit der Verkündigung, daß, während Mussolini in fünf Jahren Italienzum Gipfel dem Wohlstands" emporgeführt habe, fünf weitere Jahre der jetzigen englischen Regierungrmethode genügen würden, Großbritannien trotz seiner unendlich größeren Hilfsquellen an den Rand des nationalen Unglücks zu bringen.

DieDaily Mail" stimmt dem Aussatz durchaus zu, geht dann aber zu einer Besprechung der Tatsache der Ueber- völkerung Italiens über, die eine immer drängen­dere Frage werde. Das Blatt richtet die überraschende For­derung an Großbritannien, Italien die Mandate über Palästina und Mesopotamien an zu- bieten. Die Tatsache, daß diese Mandate vom Völker- bund erteilt worden sind, ist derDaily Mail" natürlich bekannt, aber sie ist von vornherein überzeugt, daß der Völkerbund auf Großbritanniens Empfehlung hin Italien als Nachfolger wählen werde.

Auch der alte Verbündete Frankreich, der soviel Interesse im Mittelmeer habe, könne keinen Grund Vor­bringen, eine solche Lösung mißgünstig zu betrachten. Und der britische Steuerzahler und Fabrikant würden froh sein, wenn sie die genanntenAuswüchse" los werden könnte». In Palästina schrumpft der Handel immer mehr zu» sammen. Die Ausfuhr von Palästina sei von 807 000 Pfund Sterling im Jahr 1921 aus 647 000 Pfund Sterling im ver­gangenen Jahr zurückgegangsn; in Mesopotamien sei es nicht besser. Die Vergleichszahlen werden hier mit 4 678 000 Pfund gegen 2 830 000 Pfund angegeben. Die Kosten für die Mandatsverwaltung seien schwer festzustellen; aber allein die militärischen Ausgaben belaufen sich auf 2)4 Millionen Pfund Sterling für Mesopotamien und 1)4 Millionen Pfund Sterling für Palästina. Dazu drücke den britischen Steuerzahler die Bürgschaft für die Palästina ge­währte Anleihe von 4)4 Millionen Pfund Sterling, die zum größten Teil zur Bezahlung rückständiger Haushaltsfehl­betrage aus den letzten acht Jahren verwendet werden mußten. Italiens Einfluß als starke und friedliche Macht wachse ständig. Italien habe nichts zu gewinnen, aber alles zu verlieren, wenn es sich auf unglückliche Kriege einlasse. Und hieran solle man sich auch erinnern, wenn man an die jüngste Spannung denke, die in den italienisch-südslawischen Beziehungen eingetreten sei.

Ob Italien die so liebenswürdig dargereichten britischen Trauben unter den geschilderten Umständen nicht selbst etwas zu sauer Vorkommen werden?

Finanzausgleich sind die Länder verpflichtet, die Mehr­erträge der Ueberweisungsn aus Einkommen-, Körperschafts­und Umsatzsteuer, die über den Betrag von 2,4 Milliarden Mark hinausgehen, in erster Linie zur Senkung der Grund- und Gebäude- und der Gewerbesteuer zu verwenden. Dis preußische Regierung hat trotzdem für die Senkung der preußischen Grundvermögenssteuer für den Staat nur den Betrag von 3 Millionen vorgesehen statt 12 Millionen, wie es nach dem Neichsgesetz sein müßte. Die Deutsch,rationale Fraktion des preußischen Landtags hat daher in einer Großen Anfrage der Regierung den Verhalt gemacht, daß sie die reichsgesetzlichen Bestimmungen in der Steuersenkung umgehe.

Die Verzinsung aufgewerkeker Hypotheken Berlin, 4. Mai. Im Rechtsausschuß des Reichstags wurde der Gesetzentwurf über die Verzinsung aufgewerteter Hypotheken und ihre Umwandlung in Grundschuldsn be­raten. Die Befischen Anträge wurden nach eingehen­der Aussprache mit den Stimmen der Regierungsparteien ab gelehnt. Es sei nur möglich, durch zusätzliche neue Bestimmungen unvorhergesehene Härten des geltenden Auf­wertungsrechts zu mildern, mißbräuchlicher Ausnutzung der Gesetzesvorschriften entgegenzutreten sowie allgemein zur Vereinfachung und Beschleunigung der Abwicklung der Aus­wertung beizutragen.

Schwenkung Japans in China

Tokio, 4. Mai. Ministerpräsident General Tanaka hat die japanischen Botschafter in Washington und London be­auftragt, der amerikanischen und der englischen Regierung mitzuteilen, daß Japan auf ein gemeinsames Vorgehen der fünf Vertragsmächte in der Nankingfrage den größten Wert lege. Nach Auffassung gut unterrichteter Kreise dürfte dieser Schritt eine radikale Schwenkung in der bisherigen China­politik bedeuten. Er ist auch vor allem gegen die Ver­einigten Staaten gerichtet, deren Neigung, sich von den übrigen Mächten abzusondern, zu Verwicklungen führen dürfte.

Der amerikanische Botschafter Mac Veagh in Tokio ist nach Washington abgereist, um mit Präsident Coolidge und Staatssekretär Kellogg über die Genfer Seeabrüstungs­konferenz und die Haltung Japans gegenüber China zu beraten.

Man zerbricht sich den Kopf, welchen Preis England für die Schwenkung Japans bezahlt hat oder was es ihm sonst versprochen hat.

ürttemberg

Stuttgart, 4. Mai. Vom Landtag. Im Finanzaus­schuß wandten sich Vertreter des Zentrums, des Bauern­bunds und der Deutschen Volkspartei scharf gegen die auf­dringliche und anmaßende Belästigung der Behörden durch die sog.republikanische Beschwerdestelle" in Stuttgart. Es wurde gebilligt, daß die Negierung diesen Leuten gegenüber eine ablehnende Stellung einnimmt. Der Dispositionsfonds des Siaatsminisieriums wurde nach einem Antrag des Bauernbunds von 8000 auf 16 000 bzw. 6000 auf 10 000 Mark erhöht. Der Staatszuschuß zur Notzuwendung zu den kirchlichem Leistungen wurde mit 11 gegen 4 Stimmen bewilligt. Es wurde bemängelt, daß die Stadt Stuttgart in ihren finanziellen Leistungen für die Technische Hochschule eine merkwürdigeZurückhaltung" an den Tag lege. Bei Kap- 54 wird das gesteigerte Bedürfnis nach Gewerbe- und Handelslehrern, Franenarbeiksschulen, Haushalkungsschulen usw. von verschiedenen Parteien dargelegt und die Ver­hältnisse der Lehrer und Lehrerinnen besprochen. Ein An­trag auf Schaffung einer entsprechenden Anzahl neuer Lehrstellen und auf tunlichste Berücksichtigung der Eingaben wurde einstimmig angenommen.

Im Landtag sollte auch einmal zur Sprache gebrachf werden, daß die Anforderungen in den Handarbeit^- und Haushaltungskursen nachgerade das ver­nünftige Maß überschreiten und daß entschieden mehr Rücksicht auf die Nervenkraft der künftigen Lehrerin­nen genommen werden muß. Der Kursunterricht ist all­mählich mit einem Ballast von Einzelfächern beschwert wor­den, der später weder für die Berufsausübung noch für die Allgemeinbildung von irgendwelchem Wert ist. Hierüber sind die Klagen wohl allgemein und manche brauchbare Kraft verzichtet trotz genügender Begabung auf den Beruf, weil sie befürchtet, daß ihre Nerven den geschraubten Anforde­rungen nicht skandhalken könnten.

Ehrenmitglied. Der Vorstand des Liederkranzes hat den Geh. Kabinettsrat a. D. v. Kübel zum Ehrenmitglied ernannt. ^ -

ep. Mitgliederversammlung der Würkk. Bezirksfürforge- rlnnen. Der Verein der Württ. Bezirksfürsorgerinnen wett am Samstag und Sonntag unter der Leitung seiner Vor­sitzenden, Schwester Berta Müller-Besigheim in Bad Ditzenbach seine Mitgliederversammlung ab. Die Bortrage am Samstag nachmittag standen unter dem LeitwortAn­statt und Fürsorge". Gestützt auf seine reiche Erfahrung sprach. Rea.-Rgt Loebich von der Zeutrslleitung M