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Tagesspiegel

Die Regierungserklärung im Reichstag wird am 3. Febr. erfolgen. Bis dahin hat sich der Reichstag vertagt.

In der Besprechung des Reichskanzlers mit dem Grafen Westarp und dem deutschnakionalen Reichstagsabgeordnekcn Trevjränus wurde über die Verteilung der Mnistersihe ver­handelt.

Der Verband Deutscher Post, und T-legraphenbeamten und der Bund der Post- und Tet-grapher? beamtrn (Zivil- anwärterbund) haben den Zusammenschluß unter dem Rainen Deutscher Postverband beschlossen.

3m Lohnstreit im Vuchdruckgewcrbe hak der Rsichs- arbsiksminister den Schiedsspruch, der die Weitergelkung der Lohne vorsieht, für verbindlich erklärt.

Der Välkerbundskomniissar Calonder t Schweizers hat nach Antersuchung der Beschwerde des Deutschen Volks- bunds gegen die rechtswidrige Schließung der deutschen Schulen in Lobrownski-Piekar und Rudne (Öst-Oberschlesien) durch die polnische Regierung verkündet, daß die Schulen unverzüglich wieder zu eröffnen sind.

Die englische Regierung hat Ricciotti Garibaldi die Ein­reiseerlaubnis verweigert.

Lord Cecil tritt dafür ein, daß der Streik zwischen Eng­land und China dem Völkerbund vorgel r»! werde.

Die Aufständischen im Staat Veracrvz sind von den mexikanischen Bundeskruppen entscheidend geschlagen worden.

In Nikaragua sotten die Truppen des liberalen Gegen- Präsidenten Sacasa eine Niederlage erlitten haben.

Me beurteilt Pariert Gilbert den deutschen Außenhandel?

Natürlich ebenso rosig wie unsere ganze Wirtschaft. Der Generalagent ist nun einmal ein unverbesserlicher Optimist Die einen meinen, er sei es aus Ueberzeugung und auch aus Sympathie für Deutschland, die andern aus Berechnung, um im Interesse unserer Vertragsgegner Deutschland zur Zahlung der Daweslasten zu ermuntern, auch den Plan, für dessen Durchführung er doch in erster Linie ver­antwortlich ist, und dessen Durchführbarkeit zu rechtfertigen. Mag sein. Tatsache ist, daß unser Außenhandel im zweiten Dawessahr, d. h. in der Zeit vom November 1928 bis Oktober 1926, sich wesentlich gegen früher gebessert hat. Ls war das erste Jahr, wo wir wieder eine aktive Handels- bilanz. d. h. mehr Ausfuhr als Einfuhr hatten. Diese be- trug 9508,8 Millionen, jene 9724.6 Millionen, somit ein Ueberschuß der Ausfuhr um 215,8 Millionen Reichsmark Das läßt sich hören, um so mehr, als man bei Zurechnung von Spedition- und Transiteinkommen, von Auslandskredi- ten.'non Erwerb an Eigentum und Aktien durch Ausländer usw. einen Ueberschuß von sogar 2350 Millionen heraus- rechnen kann. Freilich, wenn man davon unsere Dawes- zahiungsn wieder abzieht, bleiben nach Parker Gilbert nur noch 900 Millionen Ueberschuß übrig, aber immerhin ein Betrag, der die Rückzahlung kurzfristiger Schulden, den Zinsendienst auch langjähriger Anleihen u. a. Verpflich­tungen ermöglicht. So läßt sich auch erklären, daß wir un­sere Daweszahlungen Heuer erstmals im Gegensatz zum ersten Jahr aus unserer eigenen Kraft ausbringen konnten.

Woher diese günstige Gestaltung unseres Außen- Handels? Parker Gilbert gibt dafür in seinem soeben aus- gegebencn Bericht (Die Reparationszahlungen im zweiten Teil des zweiten Planjahrs") verschiedene Äründe an: Mit der neuen Entwicklung der Währungsfestigung, die mit der Annahme des Dawesplans einsetzte, hätten sich die Aus- landsmärkte wieder den deutschen Käufern geöffnet. Der Kredit begann wieder frei nach Deutschland zu fließen- Die Deutschen waren in der Lage, ihr durch die Inflation ge­leertes Warenlager wieder aufzufüllen. Als dies geschehen, stellte sich, die umgekehrte Entwicklung ein. Von Dezember 1925 bis zum Juli 1926 war die Menge der nach Deutsch- land ein ge führten Waren äußerst gering. Sie sank beispielsweise von 1068 Millionen Mark im Oktober 1925 auf 645 Millionen im März 1926. Namentlich gilt dies hinsichtlich der Einfuhr von Nahrungsmitteln (352,6 bzw. 220.0 Millionen).

. Andererseits nahm der Umfang derAusfuhr, die schon ""b ganze Jahr 1925 hindurch im Steigen begriffen war, -hierhin zu. Hiebei war allerdings die plötzliche Be- Ichleunigung der Kohlenausfuhr infolge des englischen Koh- lenstreiks ein wesentlicher Faktor. Dennoch kann nicht hoch genug eingeschätzt werden, daß die gesteigerte Ausfuhr zu einem güjen Teil den Fertigwaren zuzuschreiben ist. Wahrend deren Einfuhr erheblich um (40,3 v. H.) abnahm, stieg ihre Ausfuhr von 602.4 Millionen Mark im September 1925 auf 686,4 Millionen im März 1926 an. Also ein Be­weis, daß Deutschlands Jndustrieerzeugnisse wieder recht erfreulichen Anklang im Aus­land f i n d e n. '

Freitag, de« 28. Januar 1927 Fernruf i?s 62. Jahrgang

kerne Einigung

ttver L»Le NrLnLstersLtze

Berlin, 27. Jan. Die Verhandlungen des Reichskanzlers mit den Vertretern der Deutschnationalen über die Richt­linie n der künftigen Regierung kamen gestern nachmittag zum Abschluß. Die vereinbarten Grundsätze über Außen­politik, Verfassung, Reichswehr, Kultursragen und Sozial- und Wirtschaftspolitik wurden sodann den Fraktionssührern des Zentrums, der Deutschen Volkspartei, der Demokratischen Partei, der Wirtschaftliche:. Vereinigung und der Bayrischen Volkspartei mitgeteilt. .

Die Den lschnatio vale Reichstagsfraktion erklärte, eine Beschlußfassung ihrerseits werde erfolgen, wenn die Verhandlungen über die Regierungsbildung bis zum endgültigen Abschluß gefördert seien und bis eine Zu­stimmung der Parteiführer zu dm Richtlinien erfolge.

Die Z e n t r u m s f r a k t i o n und die Fraktion der Deutschen Volkspartei stimmten dem Regierungs­programm zu. Der Reichsausschuß der Zentrumspartei wirb auf 6. Februar einberufen.

Reichskanzler Dr. Marx verhandelte heute mittag noch einmal mit dem Reichsarbeitsminister Dr. Brauns und darauf mit dem Grafen We st a r p. Die demokratischeVoss. Zeitung" veröffentlicht bereits dieRichtlinien". Demgegen­über wird amtlich erklärt, daß die Richtlinien nur einen Teil der Regierungserklärung darstellen. Sie konnten noch nicht veröffentlicht werden, weil noch nicht sämtliche in Betracht kommenden Fraktionen ihre Zustimmung gegeben haben. Alle Veröffentlichungen darüber seien daher nicht als be­glaubigt oder zuverlässig cmzufehen. Von seiten der Re­gierung wird erklärt, daß sie der ungehörigen. Veröffent­lichung der Richtlinien fernstebe. DieKreuzzeitung" glaubt die Abgeordneten Dr. Wirth und Joos mit der Ver­öffentlichung in Verbindung bringen zu können.

DerTag" und dieKreuzzeitung" nennen die vorzeitige Veröffentlichung derVoss. Ztg." einen unverantwort­lichen Vertrauensbruch mit dem Zweck, die Regie­rungsbildung zu stören. DerLokalanzeiger" schreibt, ab­gesehen von dem böswilligen Vertrauensbruch müsse fest­gestellt werden, daß der angebliche Wortlaut in derVoss. Ztg. unvollständig und zum Teil falsch sei. DieGer. mania" schreibt, es sei ein bedeutsamer Vorgang, daß die Deutschnationalen ohne Vorbehalt die Rechtsgültigkeit der Weimarer Verfassung anerkennen.

Die Demokraten lehnen ab

Berlin, 27. Jan. Die demokratische Fraktion hat end­gültig beschlossen, sich an der Regierung nicht zu beteiligen.

Die neue Koalition würde nun nur über 249 von 493 Stimmen verfügen, die feste Mehrheit betrüge also 5 Stim­men. Doch sind dis Wirtschaftliche Vereinigung und die Völkische Partei, die der Koalition nicht angehören, jeden­falls nicht als Opposition zu betrachten.

VvVlttrrftge MLntsteEslef

Berlin, 27. Jan. Die Verhandlungen über die per­sonellen Fragen des neuen Kabinetts dauerten den ganzen Nachmittag und Abend an. Geklärt waren bis dahin folgende Punkte:

Das Zentrum stellt für folgende Ministerien Männer aus seinen Reihen: Kanzler, Arbeitsminister, Finanz­

minister und Minister für die besetzten Gebiete. Das letzt­genannte Ministerium soll nicht mehr durch Dr. Bell ver­waltet werden, sondern zugleich mit dem Kanzleramt durch Dr. Marx.

Die Deutsche Volkspartei behält die Ministerien des Auswärtigen und der Wirtschaft un hat auch ihren An­spruch auf das bisher bereits von einem Deutschvolks­parteiler verwaltete Reichsverkehrsrninisterium noch nicht aufgegeben.

Die Deutschnationalen erhoben die gleiche Forderung. Da eine Einigung nicht zu erzielen war, behielt sich der Reichskanzler Dr. Marx die persönliche Entscheidung vor. Für den Fall, daß die Deutschnationalen dieses Ministe­rium bekommen, scheinen sie den Abg. Koch-Düsseldorf präsentieren zu wollen. Den Deutschnationalen werden also sicher folgende Ministerien übertragen: Inneres, Justiz und Ernährung. Als Innenminister dürfte nach wie vor v. Lindeiner-Wildau in Frage kommen. Für die übrigen Posten steht die personelle Entscheidung in dieser Stunde noch aus.

Es ergibt sich also gegen 9 Uhr abend» folgende vor­läufige Ministerliste:

Reichskanzler und Minister für die besetzten Gebiete: Dr Marx (Z).

Reichsaußenminister: Dr. Stresemann (D.V.P.) Reichswirtschaftsminister: Dr. Lurlius (D.V.P ). Reichsverkehrsminister: Dr Krohne (D.V.P.) oder ein Deutschnationalcr (Koch-Düsseldorf). Reichswehrminister: Dr. Geßler (bis jetzt Demokr.). Neichspostminister: Dr. Stingl (Bayr. Volksp.). Reichsfinanzminister: Köhler (Z), bisher badischer Staatspräsident.

Reichsinnenminister: v Lindeiner-Wildau (D.N.). Reichsjustizminister: ein Deutschnationaler. Reichsernährungsminister: ein Deutfchnationaler.

Ueber die Verhandlungen am Donnerstag wurde fol­gende amtliche Mitteilung ausgegeben:

Heute vormittag wurden vom Reichskanzler die Be­sprechungen mit den Parteiführern der an der Regie­rungsbildung beteiligten Parteien fortgesetzt.

Gleichzeitig verhandelten auf seinen Wunsch der Reichs­wirtschaftsminister Dr. Eurtius und Reichsarbeitsminister Dr. Brauns mit Vertretern der gleichen Parteien über die Grundlagen des Wirtfchafts- und Sozialprogramms der künftigen Regierung. Nachdem die Stellungnahme der demokratischen Fraktion am Nachmittag erfolgt war, wurde die Aussprache beim Reichskanzler, insbesondere in Personal­sragen, wieder ausgenommen, die bis in die späten Abend­stunden andauerten.

Berlin, 27. Jan. Da eine Einigung nicht erzielt werden konnte, wurden die Verhandlungen auf Freitag vormittag vertagt. Vorher werden die Fraktionen Sitzungen halten.

Ob freilich diese günstige Entwicklung anhalten wird? Schon meldet sich wieder ein Rückgang an. Wie weit daran die Z o l l s ch r a n k e n, die gegen uns aufgerichtet sind, und die Parker Gilbert im Zusammenhang mit den Umladungen und Inspektionen alsvergeudete Zeit und Arbeit" scharf verurteilt, schuld sind, läßt sich schwer beurteilen. Wenn er aber meint,die internationale Feindschaft sei in einem ge­wissen Ausmaß einer besseren Verständigung gewichen", so merken wir davon leider nicht allzuviel. Gerade die gegen­wärtigen Verhandlungen wegen deshalbfertigen Kriegsmaterial s", dessen Ausfuhr man uns verbieten will, beleuchten deutlich den blassen Geschäftsneid unserer ehemaligen Kriegsgegner. Wenn sie es auch nicht zugeben wollen, so bleibt es doch, wenigstens für England, un­leugbare geschäftliche Tatsache, daß der wirtschaftliche Aufstieg Deutschlands die tiefste Ursache des Welt­kriegs war. Jetzt erholt sich der ruinierte Konkurrent lang­sam wieder. Das ist ihnen natürlich wieder nicht recht. Sie bedenken aber nicht, daß anders «r keine Kriegsentschädi­gungen zahlen kann. Das Jahr 1923 sollte doch auch Eng­land zur dauernden Warnung dienen. Unser wirtschaftlicher Zerfall ist auch der Gegner größter Schaden. tt.

*

Zu beachten ist allerdings, daß es England im Gegen- satz zu Frankreich, das möglichst viel Geld von Deutschland zu erlangen versuchen muß gar nicht so sehr darauf an­kommt, Tributzahlungen zu erhalten. Der Dawesplan hat vom englischen Standpunkt aus vor allem den Zweck, Deutschland dauernd oder auf lange Zeit hinaus in Atem zu halten und seine wirtschaftliche Wiedererstarkung zu hemmen. Mit welch rücksichtsloser Beharrlichkeit.England

diese Politik verfolgt, beleuchtet ja eben auch Vas Gefeilschte um das ,,halbfertige Kriegsmaterial", das man lächerlich nennen könnte und das von unbeteiligten Staaten auch fo genannt wird, wenn es nicht der kalten Berechnung des berüchtigten, unersättlichen englischen Brotneids ent­spränge, und wenn es nicht für Deutschland, acht Jahre nach Kriegsschluß, so unsagbar demütigend und traurig wäre.

Neue Nachrichten

Verurteilung eines Landesverräters Darmstadt, 27. Jan. Der Strafsenat des hiesigen Ober­land esgerichts verurteilte den Schneidermeister Reinhard c S Freiendiez wegen Landesverrates zu 5 Jahren Zucht- ! us und 10 Jahren Ehrverlust. Die Verhandlung fand i iter Ausschluß der Oefsentlichkeit statt. ^

Klage des Fürsten v. Lichlenstein gegen den tschecho­slowakischen Staat

Prag, 27. Jan. Der regierende Fürst v. Liechtenstein hat gegen die Beschlagnahme ibm gehörenden Grundbesitzes iuich das Bodenamt Klage beim internationalen Gerichts­hof im Haag eingebracht.

Robinson gegen den Erdölkrieq Washington, 27. Jan. In seiner Rede für den Schieds- gei.chtsantrag erklärte Robinson (Indiana) im Senat, an der Halsstarrigkeit der Washingtoner Negierung Mexiko