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NvMmer 241
Fernruf 17V
Cornelius Petersen gegen die dänische Regierung
Der nordschleswigsche Großbauer Cornelius Petersen hat der dänischen Regierung „den Krieg erklärt". Vor dem Krieg hat er mit Dänemark geliebäugelt und den deutschen Behörden oft zu schaffen gemacht. Jetzt, da das nordschleswigsche Gebiet zu Dänemark geschlagen worden ist, bekämpft er leidenschaftlich die dänische Herrschaft und verlangt, daß die bis 1914 durch das Flüßchen Königsaue gebildete Grenze wiederhergestellt werde. Besonderen Haß hegt er gegen den früheren Reichstagsabg. Hanssen, der schon vor dem Krieg in Nordschleswig wühlte und es zum Abfall vom Reich und zum Uebergang an Dänemark reif zu machen suchte. In Nordschleswig ist die neue Dänenherrschaft verhaßt, es ist darum nicht verwunderlich, daß Petersen in seinen phantastischen Plänen der „Befreiung" Nordschleswigs viele Anhänger findet.
Ueber die Bewegung liegen bis jetzt nur dänische Berichte vor, die natürlich durchaus einseitig sind. So wird aus Kopenhagen geschrieben:
Es zeigt sich, daß dieser zähe und störrische, ohne Weitblick und Selbstkritik arbeitende Großbauer tatsächlich den Kampf gegen die dänische Regierung auf die Spitze treiben und an einem bestimmten Tage alle öffentlichen Gebäude in Nvrdschleswig durch eine Bauernwehr besetzen wollte, um daun die Bewegung des Landesdienstes selbst in die Hand zu nehmen. Er bediente sich zur Ueberwindung des Haupthindernisses des in Nordschleswig stehenden (dänischen) Militärs, wie bisher bekannt worden ist, vor allem der beiden inzwischen verhafteten Helfer, des Leutnants Quistgaard und des Reserveleutnants Schullehrer Höjmerk-Ien- s e n. Diese beiden wußten in persönlichem Verkehr im Offizierskorps in Nordschleswig für die Idee Petersens zu arbeiten. Sie gingen planmäßig zu Werk. Es wurde auch ein von der Tochter Petersens auf der Schreibmaschine hergestelltes Schreiben, in dem zur Teilnahme an einem Putsch aufgefordert wird, an eine Reihe von Offizieren versandt. Bisher ist festgestellt, daß das Schreiben an 78 Offiziere verschickt wurde. Bei der Haussuchung bei Quistgaard wurde jedoch eine Liste gefunden, auf der die Namen von etwa 50 Offizieren der Garnisonen Nordschleswigs und im übrigen Dänemark standen. Merkwürdigerweise haben die Offiziere die Sache von der humoristischen Seite ausgenommen, wie sie jetzt vor Gericht erklären. Sie haben ihren Vorgesetzten keinen Bericht erstattet, weil sie das Ganze für Kinderei gehalten haben. Dies entspricht allerdings der Beurteilung, die man der Person Petersens bisher zuteil werden ließ. Trotzdem nehmen sich besonders die Erklärungen von zwei Offizieren, die sogar aus einer Kaffeegesellschaft bei Quistgaard anwesend waren, auf der die Putschpläne frei erörtert wurden, sonderbar aus. Bis zur Stunde ist in Kopenhagen nichts von einer Verhaftung Petersens bekannt. Er wird jedoch von der Polizei setzt verhaftet werden. Man nimmt die Verhaftung offenbar ungern vor, um ihn nicht zum Märtyrer in den Augen seiner Anhänger zu machen. Der Justizminisier hat eine Besprechung mit dem König gehabt, an der auch ein Polizeiinspektor teilnahm. Daneben wurden Besprechungen des Justizministers mit dem Kriegsminister und mit der Staatsanwaltschaft abgehalten.
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Der Druck der wirtschaftlichen Lage in Nordschleswig kann nicht besser erläutert werden als durch diese Vorgänge, und e>n Man,, wie H. P. Haussen betont den Ernst der Lage. Er, der Deutschenhasser, hofft allerdings, den Anschein zu erwecken, als ob die Deutschen Nordschleswigs den Hauptbestandteil der Anhänger Petersens bilden, was grundfalsch ist.
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Petersen veranstaltete am 10. Oktober eine große Volksversammlung in Apenrade. Trotz des schlechten Wetters waren etwa 4000 Menschen seinem Ruf gefolgt. In seiner Rede legte er sich, teilweise auf Grund des Einschreitens der Polizei gegen seilte beiden Mitarbeiter, eine gewisse Zurückhaltung auf und teilte unter anderem mit, daß man bei ihm eine Haussuchung vorgenommen habe. Der nordschleswigsche Bauer sei, obwohl er im Augenblick die größte Lust habe, auszuwnndern, genötigt, auf seiner Scholle zu bleiben. Die nordschleswigschen Landesteile hätten am meisten unter dem parlamentarischen System in Dänemark zu leiden. Dieses System habe seine schönste Blüte in dem Urteil getrieben, das das Gericht in Tondern kürzlich über ihn gefällt habe. Die Königsau-Grenze müsse wieder hergestellt werden. Wenn die Unredlichkeit aus Dänemark verschwunden sei, dann könne die Königsau-Grenze abermals verschwinden. An die Versammlung schloß sich ein Kundgeberzug, der seinen Weg an dem Hause des alten Vorkämpfers für Dänemark in Nordschleswig, H. P. H a n s s e n, vorbei nahm. Gegen ^ Hanssen wurden Schmährufe laut. In Tondern verlautet, daß die Verhaftung Cornelius Petersens bevorstehe. Die Behörden, die über ihre Untersuchung vollkommenes Stillschweigen bewahren, sind der Ansicht, daß Petersen der An-
Freitag. der» 15. Oktober 1926
Tagesspiegel
Der Reichstag wird auf Mittwoch, 3. November, ein- berusen.
Dem Reichsrak liegt ein Gesetzentwurf zur Einschränkung der Bestimmungen über Waffenschein und Wasfenkauf vor. Zurzeit ist das Sache der Länder.
Für die Auslanddentschen wird im Gesetzentwurf über den Reichswirtfchaftsrat eine gesetzliche Vertretung in dieser Körperschaft vorgesehen.
Reichsfinanzminister Dr. Reinhold wird aus seiner Rückreise aus Spanien einige Tage in Paris verweilen.
Oberstaatsanwalt Dr. Frieders (Friedländcr) in Weimar, der beschuldigt wurde, im Zusammenhang mit der Untersuchung gegen den früheren thüringischen Staatsbank- Präsidenten Löb, für den er einkcat, einen Falscheid geschworen zu haben, wurde vom Schwurgericht in Weimar wegen fahrlässigen Falscheids zu 5 Monaten Gefängnis verurteilt.
Die nächste deutsch-englische Jnduslriellenbesprechung soll nach einer Londoner Meldung im November wieder in England stattfinden.
Das englische Parlament wird am 25. Oktober kurz zu- sammenkreken, um die außerordentlichen Vollmachten der Regierung im Bergarbeilerausstand wieder zu verlängern.
Line Unterredung Lhamberlains mit dem russischen Gesandten, Krassin, über die Besserung der Beziehungen beider Länder zueinander blieb ergebnislos.
Die Pariser „Action Francaise" meldet, der Mörder von Germersheim. Leutnant Rouzier, sei in Freiheit gesetzt worden.
In Aegypten tritt die Nationalpresse für ein Einwande- rungsverbol ein. um der zunehmenden Uebersremdung des Landes zu steuern.
Mexiko wird eine Gesandtschaft in Bern errichten.
Die Frauenvereinigung von Peru verlangt in einem Antrag an das Parlament die Ausdehnung der militärischen Dienstpflicht aus die Frauen.
61. Jahrgang
stifter der landesverräterischen Handlungen ist, die zur 'Verhaftung seiner beiden Mitarbeiter, Quistgaard und Hösmerk- Jensen, geführt haben.
Petersen bestreitet, von den Briefen an dänische Offiziere Kenntnis gehabt zu haben. Er äußerte bei der Vernehmung, die Anhänger der Selbstverwaltungs bewegung wollen ihr Ziel nur auf gesetzlichem Weg erreichen, aber sie bekämpfen die gegenwärtige sozialistische Regierung in Dänemark, die den Bauern- und Mittelstand ruiniere und Dänemark ins Verderben bringe. Deshalb wolle Nordschles. wig eine eigene Verwaltung haben.
Ein Aufgebot der Kopenhagener Polizei hält sich seit einigen Tagen in Nordschleswig auf. Staatsminister S t a u- ning erklärte in einer politischen Versammlung in Vejle, die F a szi st en bewegung in Nordschleswig genieße offenbar die Sympathie der Konservativen. Die „Berlingske Ti- dende" bemerkt hierzu, der sozialistische Staatsminister habe selbst wie kein anderer das Erdreich für Petersens Wühlarbeit unter den nordschleswigschen Bauern bereiten helfen, besonders mit einer in letzter Zeit viel erwähnten Aeußerung: „Was macht es denn aus, wenn die Bauern bankrott machen und ihre Höfe verlassen müssen, dajaöOOOOAr- beitslose darauf warteten, die Höfe zu übernehmen." Die Zeitung fordert Aufklärung darüber, was in Nordschleswig geschehen sei. Man fühle sich ganz unsicher gegenüber den dortigen Ereignissen, besonders wenn offenbare Täuschungen der Regierungspresse in der Angelegenheit festzustellen seien.
Neue Nachrichten
Sceckk an das Reichsheer
Berlin, 14. Okt. Die letzje Ausgabe des Heeresverordnungsblatts enthält nachstehenden Tagesbefehl des Generaloberst von Seeckt: „An das Reichsheerl Der Armee, die mit mir geworden und gewachsen, sage ich heute herzliches Lebewohl! Aus der alten Armee hervorgegangen, mit ihr in schönen Friedens-, in ehrenvollen Kriegsjahren fest verwachsen, habe ich nichts besseres tun können, als zu streben, ihre Tugenden der jungen Armee zu übermitteln. Ob mir das gelungen ist, das sollt ihr, meine jungen Kameraden, beweisen. Haltet die Soldatenehre hoch, die in der Pflichterfüllung liegt. Jeder an seiner Stelle, stündlich, täglich, im Leben und im TodI Ueber Gräber — vorwärts!"
Der Entwurf des Arbeiksschuhgesehes fertiggefiellk
Berlin. 14. Okt. Der Entwurf des Arbeitsschutzgesetzes
Fernruf 179
ist nach einer Zeitungsmeldung fertiggestellt. Der Entwurf stellt einen Teil des kommenden Arbeitsgesetzbuchs dar, gibt eine Zusammenfassung der bestehenden Arbeitsschutzbestim- mungen, regelt die Frage der Sonntagsruhe, des Kinder-, Jugendlichen- und Frauenschutzes und behandelt die Frage der Arbeitszeit im Sinne des Washingtoner Abkommens (achtstündiger Arbeitstag). Ausgenommen sind die Hausangestellten und die Arbeitnehmer in der Landwirtschaft, der Schiffahrt und im Bergbau. Die Arbeitsschutzfrage im Bergbau soll durch ein besonderes Bergbauschutzgesetz geregelt werden. -
Der Reichslandbund gegen die Große koaWon
Berlin, 14. Okt. Wie eine hiesige Korrespondenz meldet, hat der Bundesvorstand des Reichslandbundes zur Frage der Regierungsumbildung in Preußen eine Entschließung gefaßt, in der es heißt, daß der Reichslandbund jeden Schritt, der geeignet ist, den Ejnfluß der sozialdemokratischen Partei zu schmälern, begrüßt, daß er jedoch in dem Beitritt der Deutschen Volkspartei zur jetzigen Parteiregierung in Preußen keinen derartigen Schritt sieht. Diese Bedenken würden durch die Tatsache verstärkt, daß die Sozialdemokraten den Beitritt der Deutschen Volkspartei in Preußen von einer gleichen Entwicklung im Reich abhängig machen, daß also im Reiche die Sozialdemokratie wieder in die Große Koalition eintrete.
Die „Rationalisierung" im Bankgewerbe
Berlin, 14. Okt. Im Reichstagsausschuß für die Untersuchung der Wirtschaftslage wurde die Kreditfrage behandelt. Direktor Nordhoff von der Reichsbank gab u. a. an, die Privatbanken klagen über den Wettbewerbder SparkassenundGenossenschaftenim Depositen- geschäft. Dieser ließe sich nach Ansicht der Reichsbank vermeiden, wenn die Sparkassen und Genossenschaften ihre Sollzinsen herabsetzen und dadurch auch zur Ermäßigung der Habenzinsen kommen würden. Abg. v. Dewitz (DN.) erklärte, die Gebräuche der Banken bei der Weiterleitung der Darlehen erschweren die Bedingungen für die ländlichen Kreditnehmer außerordentlich. Bei den Genossenschaften seien noch Wechsel zu 16 bis 18 v. H. im Umlauf, obwohl sie selbst von der Reichsbank billigen Kredit bekommen.
Zu der Frage der Einführung eines zweckmäßigeren Bankbetriebs führte der Direktor der Dresdner Girozentrale, S ch ö l e, aus: Bei den sieben Berliner Großbanken verhielten sich die Unkosten zum Rohgewinn vor dem Krieg wie 100:41, jetzt wie 100:76,4. Die Personalkosten machen etwa zwei Dritte! aus und sollen bei den 7 Berliner Banken rund 200 Millionen betragen. Der Psrsonalstcmd ist seit 1923 von 141000 auf 49 300 zurückgegangen. Die erste Anregung zu einem zweckmäßigeren Vankbetrieb gab das Vorbild des P o st s ch e ck v e r k e h r s, die „Rationalisierung" setzte in Deutschland erst mit der Wiederbefestigung der Währung 1924 ein. Die Abwälzung der Arbeit auf die Kunden bei der Ausfüllung der Formulare ist bisher nur im Postscheckverkehr eingeführt. Es sei nicht zu befürchten, daß durch die Rationalisierung des Bankbetriebs der Stand der Bankbeamten herabgedrückt werde. Gerade die höheren Beamten würden von vielen mechanischen Arbeiten entlastet und die Auslese würde gefördert; tüchtige Beamte würden nicht verdrängt, ein Abbau würde nur die nichttüchtigen treffen. ,
Vom Femeausschuß in München
München. 14. Okt. Der Femeausschuß des Reichstags - hat seine Sitzungen in München beendet. Das Ergebnis der mehrwöchigen Sitzungen ist eine Entschließung des Ausschusses, daß die von dem Abg. Dr. Levi gegen den bayerischen Justizminister Dr. Gürtler erhobenen Beschuldigungen, er habe Fememörder begünstigt, jeder Grundlage entbehren. Levi selbst mußte die Erklärung abgeben, daß er seine Beschuldigungen nicht aufrechterhalten könne. — Die Folge wird nun ein Strafverfahren gegen Dr. Levi sein.
Mißbilligung für Dr. Lev!
Der Femeausschuß desReichstags hat dem Abgeordneten Levi wegen seiner durchaus unbegründeten Beschuldigungen gegen Dr. Gürtler, die dem Reich einen großen Aufwand verursachen, die Mißbilligung ausgesprochen. Dafür stimmten sämtliche Parteien mit Ausnahme der Sozialdemokraten und Kommunisten die sich der Stimme enthielten. Die Sozialdemokraten erklärten, daß sie sich durch die Entschließung nicht gebunden suhlen.
Streitfall zwischen Staat und Kirche in Litauen
Riga, 14. Okt. Zwischen der Regierung Litauens und der römisch-katholischen Kirche ist ein ernster Streitfall entstanden. Anlaß gab die päpstliche Anerkennung der Wegnahme Wilnas, der Hauptstadt Litauens, durch die Polen, sowie die Unterstellung der Wilnaer Kirchen unter den Verwaltungsbezirk des polnischen Erzbischofs. Der litauische Erktminister Slezevicus erklärte im Abgeordnetenhaus, die