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NAMMLr 326

Fernruf 178

Erste Auflage einet Welipssse

Wir meinen dieVorbereitende Abrüstungs­konferenz". Wohlverstanden dievorbereitende". Denn die eigentliche Abrüstungskonferenz soll nach dem am Don­nerstag erfolgten Beschluß der Vollversammlung des Völ­kerbunds'nach Möglichkeit" 0) vor der nächsten Bundesversammlung 1927 zusammentreten, vorausgesetzt, daß diepolitischen Umstände" und dietechnischen Ver­hältnisse" dies nicht unmöglich machen. Dieser ersten Ab­rüstungskonferenz sollen dann im Lauf der Jahre andere folgen. Dieerste" aber hat zunächst die Ausgabe,weiteres Wettrüsten" zu verhindern, d. h. in der Sprache derbösen Welt" noch ein Jahr Schonzeit, in der ihr tüchtig draus los rüsten könnt!

Es hat einmal ein Witzbold gesagt: Wenn der liebe Gott zur Erschaffung der Welt eine Kommission bestellt hätte, so wäre sie heute noch nicht fertig. Das paßt vorzüglich auf die Abru st ungskom Mission in Genf mit ihren zwei Unterkommissionon und namentlich mit ihrer aus 55 Offi­zieren aller Völker zusammengesetztenU n t e r k o m m i s- sion A.". Diese hat man staune nicht weniger als 180 Sitzungen gehalten und ist bei dieser märchenhaften Gründlichkeit an allen möglichen und unmöglichen Fragen herumgekommen, als da sind: Was gehört zu derpoten­tiellen" (wirtschaftlichen, bevölkerungspolitischen) Rüstung eines Volks? Was zu seiner moralischen Rüstung (mili­tärischer Geist)? Kann das Rekrutenjahr als militärisches Jahr angesprochen werden? Gehören Reserve, Landwehr und Landsturm zur Rüstung? Muß nicht ein kleineres Volk mehr Soldaten haben als sein zahlenmäßig größerer Nach­bar? Jlt ein Berufsheer infolge seiner vieljährigen Aus­bildung nicht höher zu werten als ein Volksheer, das aus der allgemeinen Wehrpflicht hervorgegangen ist?

Genug mit diesen paar Fragen! Es sind deren aber Legion. Und dabei kamen die Herren auf die tollsten Schlußfolgerungen. So hat z. B. die Roßidee: Deutschland m't seinen nur 100 000 Mann, aber Mannschaften eines Berufsheers mit 12jährigem Dienst, sei nicht schwächer als Frankreich, das allerdings mehr als 700 000 Mann unter Waffen habe, aber nur mit 18monatlicher Dienstzeit. Ueb- rigens sei Frankreichzentral" gelegen und dazu noch von dem um 20 Millionen größeren Deutschland Tag und Nacht schwer bedroht. Und dies trotz Locarno?!

Nun ja, diese famose Unterkommission A legte letzten Mittwoch ihren großen Bericht vor. Alles war sprach­los vor Bewunderung der großartigen Leistung. Nur einer machte den Spielverderber. Der Amerikaner Gibson er­hob sich, machte den Herren, wie es nun einmal Sitte im Genfer Weltparlament ist zunächst allerlei liebenswürdige Komplimente, dann aber kam die Kritik: e r st e n s seien die technischen Gesichtspunkte so gut wie nicht be­rücksichtigt worden: die Herren hätten viel zu viel Politik getrieben: zweitens sei die Ansicht der Minderheit gar nicht zum Ausdruck gekommen.

Wohl stammelte ein italienischer Brigadegeneral allerlei Entschuldigungs- und Rechtfertigungsgründe und meinte, es sei unmöglich, den mit so viel Mühe verfaßten Kommissions­bericht im Sinn Gibsons jetzt noch umzuaestalten. Gibson hatte aber vollkommen recht. Er sprach genau im Sinn und Geist seines Präsidenten C o o l i d g e, der bekanntlich vor ein paar Wochen sich sehr ungnädig über die Genfer Per- schlsppungspolitik äußerte uni, dabei drohte, wenn es so fort gehe, dann werde Amerika sich kein Gewissen daraus machen und weiterrüften, statt abzurüsten.

Die schlauste Rolle in dieserAbrüstungskomödie" das Wort ist in Genf geprägt worden spielte Frank­reich. Es ist noch kein Jahr her, so sagte Kriegsminister P a i n l e v 5, Frankreich habe keinen Grund, auf eine Be­schleunigung in der Frage der Abrüstung zu dringen. Aber am letzten Donnerstag erklärte der französische Vertreter Paul B o n e o u r, Frankreich wünsche dringend, daß die Abrüstungskonferenz so bald als möglich stattfinde.Er- Oerindur, diesen Zwiespalt der Natur!" Geschah dies mit einem heuchlerischen Augenaufschlag nach dem amerikanischen Gläubiger und seiner Forderung:Zah- len oder abrusten. Oder will P o n c a r e, um den Franken zu bessern, allen Ernstes am Militarismus abbauen? Oder soll das Ganze überhaupt nur eine schöne Geste sein, die etwa beiagen will:Sehet, wie friedliebend ist doch dieses gute Frankreich!"

Doch Scherz beiseite. Tatsache ist, daß Frankreich von d--m ersten Tag an, wo Lord Robert Ce eil. übrigens der einzige dem es wirklich heiliger Ernst ist, die Frage'der Ab­rüstung - es sind schon 6 Jabre her anschnit't, jede nur auch denkbare Gelegenheit benützt bat, um die Abrüstung zu Jetzt, nncbdem die Tatsache der vollzogenen De'üschlands nbbt mehr abzuleugnen ist aus einmal:Ich wasche meine Hände in

tt.

Dienstag, den 28 September !926

Fernruf 178

61. Jahrgang

hintertiNbcn, Entmallnuua jetzt ln-ißt es Unschuld".

Tagesspiegel

Reichskanzler Dr. Marx ist in Bad Harzburg zum Er­holungsaufenthalt eingelrsffen.

In Gens vsrlaulek, nach dem Eintritt Deulsckmnds in den Völkerbund werde sich auch 'Argentinien wieder anmelden.

Der frühere amerikanische Senator Hamilton Lews schlägt eine Vereinigung aller Staaten Nord-, Mittel- und Süd­amerikas vor. um der Völkcrbundsgesahr entgegenzuarbsi- ken.

Pilsudski Hai seinen Freund Barkels wieder mrk der Ka­binettsbildung in Polen beauftragt. Barkels stellte das bis­herige Kabinett wieder her. Sollte es im Sejm auf Schwierig- teilen stoßen, so soll das Parlament aufgelöst werden.

Der Präsident von Guatemala, Genera! OreKana, ist ge­storben. Sein verfassungsmäßiger Nachfolger, General La- zaro Ehucon, hat die Präsidentschaft übernommen.

Die deutsche Wirtschaftslage in englischer Vcuriiung

Die Handelssachoerständigen der britischen Botschaft iu Berlin haben einen Bericht über die wirtschaftliche und finan­zielle Lage Deutschlands während des Jahrs 1925 und der ersten Hälfte des Jahrs 1926 gemacht, der auch in Deutsch­land Beachtung verdient. Die Monate bis zum Juni 1926 werden als die schwerste Strecke auf dem Weg der Erholung Deutschlands in der Nachinflatianszeit bezeichnet. Die Krise, heißt es, war hart, aber kurz, und Deutschland hat wieder einmal seine bemerkenswerten Kräfte zum Wiederaufbau gezeigt. Der beherrschende Faktor sei der Mangel an Betriebskapital und Kredit gewesen, und zwar ein so starker, daß von Mitte 1925 bis zum März 1926 sofortige Barzahlungen fast ganz ausgehört haben. Es gebe wohl kaum ein anderes Land mit einer be­deutenden Industrie, das mit einer solchen verhältnismäßigen Leichtigkeit und mit so geringer innerer Störung dis völlige Zerrüttung seiner Währung überwunden habe oder mit glei­cher Schnelligkeit durch die darauffolgende Zeit einer not­wendigen, aber überaus mühsamen Neuordnung geschritten sei. Deshalb müsse man unbedingtes Vertrauen in die Zukunft eines solchen Landes haben. Eine Aufwärts- und Vorwärtsbewegung im deutschen Handel sei klar er­kennbar insofern, als Deutschland allmählich seine Hauptauf­gabe erfülle, nämlich die Bildung neuenKapitals an Stelle des durch die Inflation zerstörten. Bei einer aus­führlichen Behandlung der zahlreichen Bankrotte und der großen Arbeitslosigkeit wird auch der Zusammenbruch des Stinnes-Werks besprochen. Er habe der deutschen Ge­schäftswelt die Torheit der vertikalen Trusts deutlich vor Augen geführt. An ihre Stelle seien jetzt die horizontalen Zusammenschlüsse getreten, die ein Hauptmerkmal der be­sprochenen Zeit feien.

Bemerkenswert ist, daß der Bericht in den verschiedenen Bestrebungen nach internationalen Zusammenschlüssen keine Gefahr für England sieht. Ein besonderes Lob bekommt die deutsche Metallindustrie, die trotz der schweren Krise die Stahlerzeugung zum Teil noch über den Friedensstand ge­hoben habe und damit im Vergleich zu Großbritannien glän­zend abschneide. Ueberall in der deutschen Metall- und in der Maschinenindustrie werde auf Steigerung der Erzeugung und Verbesserung der Transportmöalichkeiten hingearbeitet. Die heute tätigen Stahlwerke seien Musterbeispiele der letz­ten technischen Verbesserungen. Die Schwierigkeiten, mit denen sie noch zu kämpfen hätten, seien hauptsächlich finan­zieller Art, aber in dem Maße, wie sie überwunden würden, sei es als Ergebnis heimischer Kapitalbildung oder fremder Anleihen, würde Deutschlands Wettbewerb auf den fremden Märkten immer stärker werden, bis er durch irgendwelche internationale Abmachungen geregelt werde.

Ankauf der Anleihsablösungsschuld durch das Reich

Der Reichsfinanzminister wird entsprechend dem Wunsch des Haushaltungsausschusses des Reichstags in den nächsten Tagen eine Bekanntmachung über den Ankauf von An le i h e a b l ö s u n g s s ch u l d und Auslosungs­rechten betagter Leute erlassen. Im Inland wohnende deutsche Staatsangehörige, die älter als 65 Jahre sind, ein Vermögen von weniger als 20 000 RM. haben und im Kalenderjahr 1925 ein Einkommen von weniger als 3000 Reichsmark hatten, können die Ablösungsschuld und die Ausiosungsrechte, die sie als Altbesitzer von Markanleihen des Reichs zugeteilt bekommen haben, bei den Finanzämtern verkaufen. Der Kaufpreis beträgt 10 RM. für je 12,50 Reichsmark Nennbetrag der Anleiheablösungsschuld, ein­schließlich der Auslosungsrechte, und liegt damit über den Preisen, die zurzeit im freien Verkehr der Börse für Aus­losungsrechte genannt werden. Er entspricht einem Satz von

8 Prozent des Nennbetrags der alten Markanleihen, für die Auslosungsrechte ausgegeben werden. Der Höchst­nennbetrag der Auslosungsrechte, den ein einzelner Gläubiger zu diesem Kurse an das Reich verkaufen kann, ist 500 RM-, dies entspricht 20 000 Mark Nennbetrag der alten Anleihen.

Der Ankauf wird vom 1. Oktober dieses Jahres an durch die Finanzämter vorgenommen. Anleihegläubiger, die ihre Auslosungsrechte verkaufen wollen, müssen sich zunächst bei der Polizeibehörde eine Bescheinigung über ihr Alter, ihre Reichsangehörigkeit und ihren inländischen Wohn­sitz beschaffen. Auf Grund einer solchen Bescheinigung können sie den Verkaufsantrag bei dem Finanzamt, das für ihre Einkommenbesteuerung zuständig ist, stellen.

Der Verkauf der Anleiheablösungsschuid «md der Aus­losungsrechte empfiehlt sich vor allem für Personen, die ein Einkommen von mehr als 800 RM. haben, für die übrigen dürfte es zweckmäßiger sein, die Ablösungsschuld und die Auslosungsrechte zu behalten, weil sie im Fall der Bedürf­tigkeit im Sinn des Anleiheablösungsoesetzes Anspruch auf laufende Vorzugsrenle haben, deren Bezug für sie vorteilhafter >st als Verkauf.

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Der angebotene Kaufpreis beträgt, wie oben gesagt, 40 Reichsmark für 12,50 RM. Anleiheablösungsschuld einschließ­lich Auslosungsrecht, oder 80 RM. für 25 RM.; die Anleihe­ablösungschuld beträgt nach dem Anleiheablösungsgesetz 2l- Prozent des ursprünglichen Betrags des An leihe alt- b e s i tz e s, also stellt das Angebot der Regierung einen Gegenwert von 8ProzentdesAnleihealtbesitzes dar, d. h. 80 R M. für 1000 Papisrmark. Der oben angegebene Höchstnennbetraa d"r Auslosungsrechte von 500 Reichsmark entspricht 20 000 Papiermark Nennbetrag der alten Anleihe; denn 500 ist 2^ Prozent von 20 000, im Höchstfall werden also 1600 RM. ausgezahlt.

Die Bemerkung, daß der angebotene Preis über dem im freien Verkehr bezahlten Preis lieat, erklärt sich aus folgender Ueberlegung: Anleiheablösungsschuld einschließlich Auslosungsrecht wird zurzeit mit 300 Prozent bezahlt, d. h. 300 Prozent von 25 RM. gleich 75 RM. Dieser Kurs erklärt sich aus der der Anleiheablösungsschuid anhaftenden Ebance aus Auslosung. Diese Auslosung beginnt bereits in diesem Jahr, voraussichtlich im November. Wird ein Auslosungs- recht gezogen, so wird es durch Barzahlung des Fünf­fachen seines Nennbetrags eingelöst, also erhält man für 25 RM. Ablösungsschuld (für 1000 Papiermark) 125 RM. Die Börse bewertet die Anleiheablösungsschuld einschließlich Auslosungsrecht naturgemäß noch nicht mit diesem Betrag, sondern mit 75 RM. Das Reich bietet (denen, die älter als 65 Jahre sind) 80 RM. oder 320 Prozent.

Neue Nachrichten,

Slrescmann über die Verständigung Berlin, 27. Sept. Zu dem Berichterstatter des Pariser Matin", Sauer wein, äußerte sich Außenminister Dr. Stresemann, er sei sich mit Briand über die Mög­lichkeiten des großen Verständigungswerks einig geworden, das die Zukunft Eur pas hell und fruchtbar machen werde. Alle Möglichkeiten für die Annäherung seien gegeben. Gegenseitig werden Zugeständnisse gemacht werden. Im Vordergrund stehe die Befestigung des französischen Franken. Er (Stresemann) werde niemals das Vertrauen täuschen, das Briand, dieser geistvolle und tatkräftige Mann, zu ihm gefaßt habe. Diese Politik habe in Deutschland an Boden gewonnen und die Reichsregierung rechne auf die fast ein­mütige Unterstützung des deutschen Volks.

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Falschmeldungen über Skresemanns Rede Paris, 27. Sept. Die Aufregung in Paris über die Rede Stresemanns im Kreis der in Genf ansässigen Deut­schen hat sich etwas beruhigt, nachdem es sich herausgestellt hat, daß der von der Schweizerischen Depeschenagentur an Havas weitergegebene Bericht über die Rede in wesentlichen Punkten entstellt worden ist. Nach dem Schweizer Be­richt soll Stresemann gesagt haben: Er betrachte die feier­liche Art der Aufnahme Deutschlands (in den Völkerbund) als den sicheren Beweis dafür, daß die gegen Deutschland erhobenen Anschuldigungen (Kriegsschuldlüge) auf diese Weise von den im Völkerbund vertretenen Nationenzurückgezogen und das Recht auf Kol o- nien anerkannt werde. In Wirklichkeit hat Dr. Stresemann ausgeführt, daß Deutschland ausdrücklich die Belastung mit der Kriegsschuld ablehne und auch seinen An­spruch aus Kolonialpolitik aufrecht erhalte.

Heimtückische Hetzrede Poincares in Saink Germain

Paris,. 27. Sept. Auf der Tagung der Kriegsbeschädig­ten in S t. G e r m a i n hielt Ministerpräsident P o i n c a r e eine Ansprache, in der er u. a. ausführte:Arbeiter des Siegs und Wächter der Erinnerung, seid ihr Kriegsbeschädig-

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