MWK
WA
Amtsblatt für M'dbad. Cdronik unü Aszeigesblatt
Erscheint täglich, ausgenommen Sonn- und Feiertags. Bezugspreis halbmonatlich 65 Pfennig frei ins Haus geliefert; durch die Post bezogen im innerdeutschen Berkehr monatlich 1.50 Mk. :: Einzelnummern 10 Pfg. Girokonto Nr. 50 bei der Oberamtsiparkaffe Reuenbürg Zugigst. Wildb. :: Bankkonto: Enztaibank Komm.-Ges. Häberle L Co. Wildbad.:: Postscheckkonto Stuttg. 29174.
Anzeigenpreis: Die einspaltige Petitzeile oder deren Raum im Bez. Grundpr. 15 Pfg., außerh. 20 einschl. Ins.-Steuer. Reklamezeile 40 Pfg. :: Rabatt nach Tarif. Für Offerten u. bei Anskunfterteilung werden jeweils 10 Pfg. mehr berechnet. :: Schluß der Anzeigennahme tägl. 8 Uhr vorm.:: In Konkursfällen od. wenn gerichtl. Beitreibung notw. wird, fällt jede Nachlaßgewähr, weg.
Druck, Drrlag u. Schriftleitnng Theodor Gack, Wildbad, Wilhelmstraße ^ 151. Wohnung: Bismarckstraße 237.
MM
Nsmmer 170 Fernruf 17S Samstag, de« 24. Zuli 1926 Fernruf 179 61. Iahrgarrg
Frankreich hatte am 17. Juli wieder einmal einen „schwarzen Tag". Das Kabinett Brian d-Caillaux wurde nach vierwöchentlicher Lebensdauer gestürzt. Der Axthieb galt weniger Briand als seinem Finanzminister. Die von der Regierung gestellte Vertrauensfrage wurde von einer Mehrheit von nur 47 Stimmen abgelehnt. Das Var vorauszusehen. Stand doch dieses Kabinett so wie so auf einer schwachen Unterlage. Was es aber eigentlich zu Fall brachte, war der Widerspruch gegen das von Caillaux geforderte Ermächtigungsgesetz. Die Regierung wollte sich für allerlei wirtschaftliche, finanzlechnische, steuerliche und verwaltungstechnische Maßnahmen ein selbständiges Verord-- nungsrecht bis 30. November geben lassen. Caillaux brauchte ein diktatorisches oder selbständiges Berordnungsrecht, um den Franken, der in den letzten Tagen wieder unheimlich abwärts rutschte, zu festigen. Wir hatten es ja auch 1923 so gemacht. Aber Frankreichs Not ist noch nicht so groß, wie unser damaliger, hauptsächlich Lurch Frankreichs Rach- und Habsucht verursachter Zusammenbruch. Dem französischen Parlament stehen jedoch seine „Rechte" höher als die Rettung des Volks- Herr tot, der Führer der Opposition, machte große Worte von Verletzung der Verfassung und von der „Souveränität" des Volks, das einzig und allein das Recht habe, das Parlament von seinen verfassungsmäßigen Pflichten zu entbinden. Alle noch so eindrucksvollen Einwendungen Briands und seines Finanzministers blieben erfolglos. Das Kabinett Briand X hat aufgehört. Aber auch das Kabinett des Ministerstürzers Herriotl „Gestern noch auf stolzen Rossen, heute durch die Brust geschossen." Es hätte nicht viel gefehlt, so wäre Herriot am Mittwoch von der wütenden Volksmenge gelyncht worden! Man inachte ihn für den Sturz seines Vorgängers verantwortlich und damit auch für den weiteren Sturz des Franken. Mit eisiger Kälte hat auch dis Kammer seine ziemlich inhaltlose Regierungserklärung ausgenommen. Dann kam die Abstimmung. 237 für Herriot, 290 gegen ihn. In Paris die größte Aufregung. Was wird aus den Rentnern, wenn der Franken in die Binsen geht? Das ist so recht die Temperatur für den Sowjet-Bazillus. Ob die Staatsgewalt die erregten Gemüter beruhigen wird? Für uns Deutsche ist Hernals Sturz kein Glück. Er wurde von Poincare abgelc h dem bittersten Deutschenfeind, dem „Totengräber Europas". Freilich, auch Poincare wird den sinkenden Franken nicht retten können- Merkwürdig, wie Frankreich mit Blindheit geschlagen ist! Denn niemand hat größere Schn!!) an der französischen Schuldenwirtschaft, als dieser gewissenlose Bankerotteur mit seiner ewigen Ausrede: „Der Boche wird alles bezahlen."
Eigentlich Hütten die Franzosen ihren Caillaux aus den Schultern tragen sollen. Brachte er dach ihnen ein paar Tage vor seinem Sturz als Reisepräsent aus London das englisch-französische Schuldenabkommen, bei dem bekanntlich Frankreich sehr billig (jährliche Abzahlung nur 80 Millionen Mark) davongekommen ist. Aber den Franzosen ist auch das noch viel zu viel. Sie hätten so viel Opfer an Blut gebracht, um die Zivilisation der Menschheit vor den Hunnen zu retten. Wozu also noch Geld zahlen?
Auch dem amerikanischen Gläubiger wollen sie nichts zahlen. Und doch will Amerika nur die Begleichung der nach dem Waffenstillstand gewährten Vorschüsse. Großmütig hat es die von Frankreich während des Kriegs erhabenen Vorschüsse gestrichen. Aber auch damit ist Frankreich nicht zufrieden. Amerikas Staatssekretär Mellon aber hat erklärt, es bleibe bei diesem äußersten Entgegenkommen. — Merkwürdig! Dasselbe Frankreich kann nicht genug aus Deutschland Herauspressen. Nach dem Dawes- plan erhält es von 1929 ab mehr als 1000'Millionen Goldmark aus Deutschland!
In England ist man äußerst verstimmt darüber, daß man Caillaux die Möglichkeit geboten habe, nach London zu kommen und das Schuldenabkommen zu unterzeichnen. Man hatte früher wissen müssen, daß man in Frankreich die Absicht gehabt habe, die Finanzverhandlungen Caillaux' nicht zu billigen und ihn auf diese Weise zu stürzen. Die Presse behandelt den Rücktritt als eine sehr ernste Angelegenheit.
- Ernst ist übrigens die wirtschaftliche Lage Englands selbst. Der Bergarbeiter streik dauert immer noch an. Sogar die Vermittlung der Bischöfe vermochte die Arbeiter nicht umzustimmen. Die Kirchenfürsten waren dann beim Ministerpräsidenten Baldwin selbst. Dieser aber wollte von einer Lohnerhöhung nichts wissen. Eher von der Aufnahme einer Anleihe zu diesem Zweck. Nur weist man nicht, wer das Geld hiezu geben soll und will?
Baldwin hat uns Deutschen wieder einmal bitteres Unrecht getan. Schon der Kolonialminister Amery hatte vor nicht langer Zeit erklärt, England sei nicht gesonnen, die ehemalige deutsche Kolonie Ostafrika, jetzt Tanganjika Territory genannt, jemals wieder herauszugeben. Dies bestätigt jetzt Baldwin. Er erklärte auf eine Anfrage im Unterhaus, man habe in L o c arno d§x
Lagesspiege l
Der preußische MimsterprMdenk Braun wünscht in eine«! Schreiben an den Reichskanzler, daß die sogenannte Schinkel-Mache in Berlin zum Reichschrenmal für die Gefallenen umgesialket werde.
Die Gehälter der MMärüberwachungskommrssion sind neu festgesetzt worden. Darnach beträgt das monatliche Gehalt eines Generals rund 2780 Mark, eines Obersten 2000 Mark, (inss Oberstleutnants oder Majors 1680 Mark, eines Haupkmanns 1380 Mark, eines Leutnants 1000 Mark, eines Ankeroffiziers 460 Mark und eines Gefreiten oder gemeinen Soldaten 360 Mark.
Die französische Kammer hat den früheren Finanzmimstsr Perek mit 227 gegen 213 Stimmen zum Kammerpräsidenten gewählt.
Der amerikanische Schatzsekrekür Mellon und der Reuyorker Großkapitals Morgan sind in Paris eingekroffen.
Der polnische Sejm hak die von Pilsudski verlangte Verfassungsänderung mit 250 gegen 95 Stimmen angenommen. Dagegen stimmten dis Sozialisten, die slawischen Minderheiten und die Juden.
In Krakau, Przemisl und Stamslau hat die polnische Polizei über 100 Personen, meist Studenten, verhaftet, die für zwei Nachbarstaaten Spionage getrieben haben sollen.
deutschen Vertretung mündlich nur NT "Zusicherung gegeben, daß Deutschland als Mitglied des Völkerbunds ebenso bei Uebertragung von Kolonialmandaten Anspruch erheben könne wie jedes andere Völkerbundsmitglied. Es sei aber nicht richtig, wenn man annehme, daß der deutschen Regierung irgend ein Versprechen oder eine Zusage gemacht worden sei. Da fragt man sich billigerweise: W o sind dann die für Deutschland vorbehaltenen Mandate, wenn jeder' Mandatar das behält, was er hat? Etwa auf dem Monde? Nein, Herr Baldwin, so etwas nennt man sonst im Leben eine Spitzbüberei- Damit wird dem „Locarnogeist" und jeder „Verständigung zwischen den Nationen" ein für allemal der Weg verbaut. Wilson hatte uns im Oktober 1918 klipp und klar „eine freie, weitherzige und unbedingt unparteiische Schlichtung aller kolonialen Ansprüche" versprochen. Sein Staatssekretär Lansing hatte in der Note vom 5. November 1918 namens der Verbündeten die Erfüllung dieser Zusagen in Aussicht gestellt. Daraufbin haben wir die Waffen gestreckt. Und jetzt tut man, als ob nie eine derartige Versicherung gegeben worden wäre!
In London war die 5. Weltkonferenz der „Vereinigung christlichen Strebens" versammelt. Nicht weniger als 30 Nationen hakten sie beschickt. Auf ihr hatte auch Lloyd George einen Vortrag gehalten, und zwar über das Thema: „Die Jugend der Welt für Frieden und guten Willen." Dabei kam dieser Mann, der auch zu den Vätern von Versailles gehört, auf Len Friedensvertrag zu reden, und er sagte u. a.: „Der Vertrag ist Menschenwerk und daher unvollkommen. Er hat rauhe Ränder, die reiben, und die, wenn man sie lang genug wachsen läßt, zu Geschwüren und schließlich zu einer bösen Krankheit führen werden " Aber gerade sein Volk ist es, das diese Gefahr nicht einsieht. Wie könnte sonst die englische Politik immer und immer wieder alle Brutalitäten Frankreichs, trotz seines anfänglichen Widerspruchs, dennoch billigen? So auch wieder bei der Walch scheu Entwaffnungsnotel
Der L e s s i n g - Handel ist endlich beigelegt. Am letzten Samstag fand die Urkeilsverkündigung in der Disziplinar- angelegenheit gegen die beklagten Studenten in Hannover statt. Die Demonstranten erhielten je einen Verweis, den Leitern der Bewegung wurde der Ausschluß angedroht, und die elf Relegierten wurden dem Minister zur Strafmilderung empfohlen. Cs ist anzunehmen, Laß das Kultmini- sterium sich der milden Auffassung des Senats anschließen und die Ausschließungen zurücknehmen wird. Professor Lessing selbst darf in Hannover bleiben, seine Stelle wird ihm belassen, aber er wird nicht mehr öffentliche Vorlesungen halten.
Ein edler aber ein unangenehmer Wettstreit ist wegen des geplanten R e i chs e h r e nm a l s für die Opfer des Weltkriegs entbrannt. Die vaterländischen und militärischen Verbände wollen es in einem Hain beiBerka (Thüringen) errichtet wissen, die Rheinländer aber wollen es amRhein haben: „Der Rhein sei das wahre Herz Deutschlands. Um den Rhein hätten die Besten der Nation den Heldentot erlitten." So erklärte eine große Kundgebung in Koblenz. Beide Teile haben von ihrem Standpunkt aus Recht. Wir im Süden können nur wünschen, daß das Ehrenmal bald erstellt werde, und daß es, wie das Teutoburger Denkmal, allen Deutschen für alle Zeiten ein nationales Heiligtum bleibe!
Bei der Reichsregierung hat eine wichtige Aenderung stattgefunden. Der bisherige tüchtige Staatssekretär der Reichskanzlei, die rechte Hand des Reichskanzlers, Dr. Kempner, gehörte der Deu tsch en Vplkspartei an Wd war
seinerzeit vom Reichskanzler Dr. Luther in das Ami berufen worden. Der neue Reichskanzler Dr. Marx wollte für den Posten einen Mann seiner, der Zentrumspartei baben. Kempner wurde daher „der Abschied bewilligt", er soll einen diplomatischen Posten im Auswärtigen Amt erhalten. Zu seinem Nachfolger wurde Dr. Pünder ernannt.
Die Katholiken Württembergs haben in dieser Woche e-nen schweren Verlust zu beklagen. Bischof Dr. von Koppler ist im Alter von 74 Jahren gestorben, eine Zierde des deutschen Episkopats, ein Mann von echter Religiosität, ein gewandter Schriftsteller, dessen schöne und rrnstgestimmte Sprache auch auf Protestanten einen tiefen Eindruck machte, jeder Zoll ein Kirchenfürst, der bei aller dogmatischen Bestimmtheit doch den konfessionellen Frieden zu wahren verstand. V. kl.
Ämeriläs KriegsbeLeiligirng ein romantischer Unsinn
Englisch-amerikanischer Ieitungsstreik
lNcnyork, 23. Juli. Die nach der Ansicht Amerikas viel zu weit gehende englische Rücksicht auf das unruhige Frankreich bei der Regelung der französischen Kriegsschulden bei den Londoner Verhandlungen (die Frankreich veranlaßten, von Amerika sofort einen mindestens ebenso großen Schuldennachlaß zu fordern, obgleich Amerika die während des Krieges gegebenen Darlehen Frankreich bereits geschenkt hat) haben zu einem Streit der englischen und amerikanischen Blätter geführt, der immer schärfer wird. Auf englischer Seite meint man, die Amerikaner hätten nicht nötig, hinterher vom Weltkrieg als einer unangenehmen Sache abzurük- ken und zu tun, als ob sie der Krieg nichts anginge; Amerika habe doch einmal den Weltkrieg „seinen Krieg" genannt. Darauf schreibt die „Newyork World", Amerika könne freilich den Krieg nicht mehr als eine „heilige allgemeine Sache" betrachten, weil die europäischen Verbündeten bei Kriegsende gezeigt haben, daß Amerika einem romantischen Unsinn gefrönt habe, als die Sieger den Waffenstillstand zur Teilung der Beute mißbrauchten. Als die Verbündeten Deutschland die Kolonien nahmen und ein unmögliches und törichtes System von W i e- dergut mach ungen auferlegten, war es für Amerika mit dem Gedanken der „heiligen Allianz" vorbei. Es ist Zeit für Europa, einzusehen, daß dieser Gefühlsumschwung zu einem Mißtrauen gegen Europa hauptsächlich aus der Tätigkeit des Völkerbunds folge. Es sei Amerikas Ueberzeugung, daß die europäischen Verbündeten Amerika nur zum besten gehalten haben.
„Neuyork Times" meint, die englische Presse fühle es, daß es mit der britischen Würde unverträglich sei, wie ein Fischweib zu schimpfen. Jedenfalls werde in den englischen Blättern der Wert der englisch-amerikanischen Freundschaft genügend gewürdigt, um sie nicht überflüssig zu stören. Ueberdies befinde sich England in der gleichen Lage gegenüber Frankreich und Italien, wie die Vereinigten Staaten gegenüber allen ehemaligen Verbündeten. Die Schuld en- tilgungsverkräge seien ein abgeschlossenes Geschäft und die gegenseitigen Beschuldigungen können nicht die Siegel von den Verträgen reißen- Nationale Leidenschaften dürfen nicht künftige Verhandlungen stören, die bessere Ergebnisse zeitigen könnten.
Neue Nachrichten
Preußen und die Hohenzollern Berlin, 23. Juli. Wie eine Korrespondenz berichtet, hat l:> Generalbevollmächtigte der Hohenzollern, v. Berg, neue Vorschläge ausgearbeitet, in denen er bei einer Reihe
strittiger Objekte von seinen früheren Forderungen zurück- tritk. Es handelt sich dabei um Grundbesitz, der bei Säkularisationen an die Hohenzollern fiel, sowie um mehrere Gebäudekomplexe, die rein repräsentativen Zwecken dienten.
Das Urteil über den Eisenbahnunfall im Korridor Danzig, 23. Juli. Das Schiedsgericht hat über das große Eisenbahnunglück bei Stargard die Entscheidung gefällt. Der deutsche Antrag, der das Unglück auf die (von der polnischen Verwaltung verschuldete) schlechte Beschaffenheit der Eisenbahnstrecke Dirschau—Firchau zurücksührte, wurde abgelehnt. In dem Urteil wurde gesagt, daß das Unglück auf einen verbrecherischen Anschlag zurückzuführen sei.
Das Ministerium Poincare
Paris, 23. Juli. Wie Hcwas mitteilt, sind auf Grund der bisherigen Verhandlungen Poincares folgende Posten ent- gültig besetzt worden: Vorsitz des Ministerrats, Finanzen und Wiederaufbau: Poincare, Justiz und Elsatz-Loth- ringen: Varthou, Auswärtige Angelegenheiten: Briand, Marine: Georg Leygues, Inneres: Albert Sarraut, Kolonien: Leon Perrier, Handel: Bokanow s k y, Oef- fentliche Arbeiten: Tarüieu, Pensionen Louis Marin. Wie außerdem bekannt wird, kmt Painleoö das Kriegs;