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Nsmmer 126 Fernruf 178

Mittwoch, den 2, Juni 1926

Fernruf 179 61. Jahrgang

Das amerikanische Zollsystem eine soziale Wellgesahr

Kürzlich wurde gemeldet, daß die Vereinigten Staaten auf die deutschen Eisenwaren einen hohen Sonderzoll legen wollen, weil angeblich die deutsche Eisenindustrie erhebliche Zuschläge zur Verbilligung der Erzeugung bekomme. In Wirklichkeit handelt es sich um einen kleinen, in dem ge­samten Herstellungsvorgang kaum mehr fühlbaren Nachlaß von wenigen Prozenten, den das Roheisenkartell der ver- arbeitenden Ausfuhrindustrie an den Kartellhochpreisen er- > läßt. Das Vorgehen Amerikas ist übrigens, nebenbei be­merkt, durch eine grundlose Angeberei aus den Kreisen des französischen Wettbewerbs verursacht. Eine interessante Be­trachtung erfährt nun die amerikanische Zollpolitik durch einen Aussatz von E. Kleinschmitt in der Köln. Ztg., dem mir folgendes entnehmen.

Amerikas Hochschutzzollpolitik ist auf dem besten Weg, zur sozialen Weltgefahr zu werden. Nicht die hohen Zollsätze selber begründen diese Gefahr, sondern der im Tarif von 1822 festgelegte Grundsatz, wonach jederzeit die Zollsätze ge­ändert werden können, wenn es sich herausstellt, daß bei Waren die Herstellungskosten des Auslands niedriger wer­den als im eigenen Land-

Die Folgen dieses verschleierten Wareneinfuhrverbots wiegen schwer. Amerika hat mit ihm zusammen mit dem teiliveisen Eiuwanderungsverbot einen Weg beschritten, der in Zukunft zu einem scharfen Gegensatz zwischen den dichtbevölkerten Teilen der Welt und ihm führen muß. Japan, China und Europa werden dadurch auch politisch gegen Amerika in eine gemeinsame Front gedrängt.

Sollte Amerika an seinen Zollgrundsätzen festhalten, so erhält Europa, das von Amerika Lebensmittel und Rohstoffe kaufen muß, gegenüber Amerika eine ewig passive Handels­bilanz. es muß dauernd mehr Waren einführen, als ihm ! auszuführen ermöglicht wird. Dieser Einfuhrüberschuß muß natürlich bezahlt werden, denn verschenkt wird auch im Handelsverkehr der Völker nichts. Bisher haben wir zwei Perioden der Bezahlung dieses amerikanischen Ausfuhrüber­schusses durch Europa erlebt. Die erste Periode war die der Zahlungen in Gold. Der Goldzahlungsperiode folgt eine Zeit, in der wir noch mitten drin stehen, und in der Amerikas Ausfuhrüberschuß nach Europa durch in Amerika geliehenes ^ Geld d. h. also vorläufig überhaupt nicht bezahlt wird. Cs werden nur fällige Rechnungen in langfristige Schulden verwandelt. Diese zweite Periode, in der Ame­rika in Form von Anleihen seinen Ausfuhrüberschuß sozu­sagen wegpumpt, verläuft vorläufig noch ohne größere Störungen. Sie findet aber bald ihr natürliches Ende. Die amerikanische Kapitalanlage kann in Europa, solange hier selbständige Unternehmer über eigene Unternehmungen be­stimmen, immer nur bis zu einem bestimmten Teil des ein­heimischen Kapitals gehen. Ist diese Grenze erreicht, so kann l der amerikanische Ausfuhrüberschuß (derunsichtbare" natürlich mit einbegriffen), der infolge Europas Zwangs­bedarf und Amerikas verschleiertem Einfuhrverbot anhalten wird, nur wieder mit Gold bezahlt werden.

Die dritte Zahlungsperiode beginnt. Das führt in Europa zu Wirtschaftskatastrophen, weil man hier jetzt den Zahlungsmittelumlauf an die Goldbestände gebunden hat. Mit hohem Diskont und Krediteinschränkung wird man die für Amerika eigentlich recht heilsame Goldabwanderung zu bekämpfen suchen; Preise fallen; Löhne fallen, und die gesenkten Preise sollten jetzt eigentlich zu einer Ausfuhr- steigerung nach Amerika und damit zum Ausgleich der Zahlungsbilanz mit Waren statt Goldausfuhr führen. Ge­fehlt! Denn gerade jetzt tritt ja jener amerikanische Zall- grundsatz in Wirkung.

Die Kette der Ursachen und Wirkungen sieht also so aus:. Passive Handelsbilanz Europas infolge Zwangsbedarfs und verhinderter Ausfuhr nach Amerika, drohende Goldabwan­derung, Diskonterhöhung, Einschränkung des Zahlungsmittel­umlaufs, fallende Preise, fallende Löhne, Wirtschaftskrise. Versuche der europäischen Ausfuhr mit noch niedrigeren Preisen werden Anlaß zu neuen Zollerhöhungen in Amerika. Arbeitslosigkeit und niedrigste Lebenshaltung werden in Europa Dauererscheinungen. Die Dawesverschuldung Deutsch­lands und die Kriegsverschuldung der anderen europäischen Staaten an Amerika werden die hier geschilderte Entwick­lungsrichtung verstärken. Großrevolutionäre Be­wegungen, auch in Japan, können daraus entstehen. Inzwischen wird Amerika aber ebenfalls in zwei Krisen hineingefübrt, deren Vorgeschmack es bereits gekostet hat: die Galdmährunqskrise und die Agrarkrise infolge nachlassen­der Kaufkraft Europas-

Hamburg und Preußen

Wenige Artikel der Verfassung haben so langwierige Verhandlungen verursacht, wie die Bestimmungen über G e - bietsänderungen zwischen den Ländern des Reichs (Art. 18.) Zn wenigen Fällen ist wirklich etwas erreicht wor-

Tagesspiegel

Der Fehlbetrag im Staatshaushalt von Braunschweig beläuft sich auf rund 5 Millionen Mark bei einen, Gesamt­haushalt von 59 Millionen. Der Fehlbetrag wird sich noch erhöhen, da einen Besoidunnsstreit zwischen Kirche und Staat das Reichsgericht zugunsten der Kirche entschieden hat.

Die griechische Regierung hat in London Verhandlungen wegen der griechischen Kriegsschulden an England im Be­trag von 409 Millionen Mark begonnen.

Rach einer amtlichen Mitteilung sind in Reuyork in den letzten zehn Monaten 13 Mitglieder der Alkoholgelreimpolizei ermordet worden.

Rach einer Meldung aus Peking soll das chinesische Volks- Heer nach zweitägiger Schlacht die Front des mandschurischen Heers des Marschälls Tschangksolin durchbrochen haben und bereits 29 Kilometer vor Peking stehen.

den. So die Bildung des Landes Thüringen und »le Vereinigung des Gebiets von Koburg mit Bayern (Ges. v. 30. April 1920).

In den allermeisten Fällen aber gerieten über kurz oder lang die Verhandlungen ins Stocken. So auch neuerdings zwischen Hamburg und Preußen. Ein Beweis, wie der Parkikularismus oder die Kleinstaaterei tief in den Knochen auch des neuen Deutschlands steckt. Kein Land will zugunsten seines Rachbarn auf ein, wenn auch noch so kleines Gebiet verzichten, selbst wenn es sich sagen muh, daß das Opfer im Interesse des Reichs notwendig ipäre.

Schon längst braucht Hamburg, unsere größte Hafen­stadt, die allein 60 Prozent des ganzen deutschen Außen­handels vermittelt, eine Erweitern ngseinerHafen- anlagen. Es fehlt ihm an genügend großen Hafenbecken für den Umschlag von Massenartikeln vom Seeschiff auf die Flußkähne. Hiefür käme in erster Linie in Betracht das preußische Stromspaltungsgebiet zwischen der Rorder- Elbe und der Süder-Elbe mit den drei Inseln Wilhelms- burg. Altenwärder und Finkenwärder. Ham­burg wäre nun bereit, für diese drei Stücke auf seine beiden im preußischen Gebiet liegenden Exklaven Moorburg (südwestlich) und Hausdorf (nordöstlich) zu verzichten und den beiden betreffenden preußischen Provinzen Hannover und Schleswig-Holstein eine Abfindungssumme in Höhe von jährlich 615 000 Mark zu entrichten. Auch sollen die Städte Harburg, Altona und Wandsbek mit Hamburg in eine gemeinsame Verwaltung einbezogen werden, wofür Ham­burg wiederum mit einer Iahreszahlung von 5 Millionen belastet würde.

Gegen letztere Abmachung sträubt sich besonders Har- bur g, das sich selbständig zu einer großen Hafenstadt auf­schwingen möchte. Noch mehr wehren sich die beiden preu­ßischen Provinzen gegen eine Gebietsabtretung, die ihnen, wie sie glauben, erhebliche Einwohnerverluste bringen würde. Preußen hat ohnehin durch den Versailler Ver­trag gewaltige Verluste erlitten. Ja, es war der einzige Bundesstaat, der Haare lassen mußte: Eupen-Malmedy, Nordschleswig, Danzig, Memel, Westpreußen, Posen, Ost- Oberschlesien und das Hultschiner Ländchen, alles zusammen 53 064 Geviertkilometer. Und nun soll es noch einige tausend Geviertkilometer an Hamburg abgeben, auf die Gefahr hin, daß nachher Lübeck, Bremen, Thüringen (Erfurt) mit ähnlichen Forderungen an den preußischen Staat heran­treten.

Man wird also verstehen, daß es Preußen schwer fällt, sich auf den Hamburger Ausgleich einzulasssn. An­dererseits kann es nur Vorteile für den gesamten deutschen Außenhandel bringen, wenn Hamburg sich ausbreiten und, durch keine Landesgrenzen gestört, seine Hafenanlagen zweckentsprechend erweitern kann, damit es mit den benach­barten Hafenstädten, besonders mit Rotterdam und Amster­dam, unbedingt den Wettbewerb aufrecht erhalten kann. An finanzieller Kraft hiezu fehlt es Hamburg nicht. Hat es doch in den letzten' 20 Jahren vor dem Krieg für seinen Hafen nicht weniger als 540 Millionen Mark ausgegeben, d. H-. auf den Kopf der Bevölkerung umgerechnet, ebenso viel, wie Preußen für den Bau seines gesamten Eisenbahnnetzes je aufgewendet hat. Und noch heute muß Hamburg jährlich eine Million Zuschuß zum Hafenbetrieb leisten.

Bis setzt hat es nicht den Anschein, als ob die beiden Parteien sich einigen könnten. Wenn nicht, dann wird sich das Reich fragen, ob nichtein überwiegendes Reichsinter­esse die Gebietsänderung erheischt", und dementsprechend von sich aus eingreifen. Schade wäre es, wenn wieder ein­mal ein engherziger und kurzsichtiger Partikularismus cnö- ßere Aufgaben der Nation vereiteln würde. XV. I I.

Neue Nachrichten

Das Fücstenabfindungsgeseh

Berlin, 1. Juni. Dem Reichstag ist der Gesetzentwurf

über die Fürstenabfindung (Kompromiß) zugegangen. Der Entwurf enthält 29 Paragraphen.

hörsing erhält eine Rüge

Berlin, 1. Juni. Die preußische Regierung hat dem Ober- präsidcnten der Provinz Sachsen, Hörsing (Soz.), wegen starker Beleidigungen gegen den Reichspräsidenten von Hindenburg und den damaligen Reichskanzler Dr. Luther in einer Reichsbannerrede über die Flaggenoer­ordnung in Nürnberg eine Rüge erteilt. Zu weitergehenden Anordnungen bestehe, wie Ministerpräsident Braun' auf eine Anfrage im preußischen Landtag erklärte, keine Veran­lassung.

Der Fall Lessing

Hannover, 1. Juni. Als der Professor an der Tech­nischen Hochschule Lessing in voriger Woche seine Vor­lesungen wieder aufnehmen wollte, verhinderten ihn die Studenten durch Lärmen daran. Es fielen beleidigende Aeußerungen und es soll der Ruf gefallen sein:Der Jude muß raus!" Der preußische Kultusminister hat darauf den Rektor der Technischen Hochschule aufgefordert, über den Vorfall schnellstens Bericht zu erstatten. Gegen die Studenten soll nach der B. Z. ein Strafverfahren im Gang sein. Lessing hat sich bei der letzten Reichspräsidenten­wahl sehr abfällig über Hindenburg geäußert, wogegen die Studenten und sämtliche Professoren der Technischen Hoch­schule scharfen Widerspruch erhoben. Es entstand ein so gespanntes Verhältnis, daß Lessing seine Vorlesungen ein- stellen mußte.

llrkeil im Prozeß gegen badische kommunistische Landkags- abgeordnefe

Leipzig, 1. Juni. In dem Prozeß gegen badische kom­munistische Landtagsabg. verurteilte das Reichsgericht Frau Frieda Unger wegen Vorbereitung zum Hochverrat und Vergehen gegen 8 7 des Republikschutzgefetzes, lowis wegen Nötigung zu 2)^ Jahren Zuchthaus und 300 Mark Geld­strafe. Das Verfahren gegen den Abg. Max Back wurde auf grund des Amnestiegesetzes eingestellt. Frau Unqer wurde sofort in Haft genommen.

Ein Flaggenzwischenfall in Konstanz Konstanz, 1. Juni. In der Nacht zum 23. Mai wurden in Konstanz von einem städtischen Flaggenschmuck schwarz- rot-goldene Bänder abgerissen. Die Täter waren einige Gym- nasisten und zwei Reichswehrsoldaten in Zivil. 'Letztere waren angetrunken, und sie behaupten, sie haben bei dem Vorgang nur zugesehen. Minister Remmele hat sofort die Ausschließung der Gymnasisten vom Schulunterricht bis zur gerichtlichen Entscheidung ungeordnet und bei der zuständi­gen Reichswehrstelle Beschwerde erhoben.

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Der päpstliche Runkius bleibk im Haag Amsterdam, 1 . Juni. Der katholischeMaasbode" be­richtet, obgleich die holländische Kammer die Aufhebung der Gesandtschaft beim Vatikan beschlossen habe, habe sich der Papst auf Fürsprache der holländischen Bischöfe entschlossen, den Nuntius im Haag beizubehalten.

Reue Gehalksbewcgung in Oesterreich Wien, 1- Juni. Die Bundesbeamten verlangen von der Regierung eine neue Gehaltserhöhung. Auch die Miitelschul- lehrer Oesterreichs traten init der Forderung auf, statt des vor einiger Zeit gewährten Zuschusses von 800 000 Kronen (480 000' Mark) jährlich eine Neuregelung des Gehalts im Sinn der Gleichstellung mit den akademisch gebildeten Be- Schilling bedeuten würde. Bundeskanzler Ramek, der nun amten durchzuführen, was eine Ausgabe von 2,4 Millionen zu den Völkerbundsverhandlungen nach Genf abreist, lehnte die Forderung ab, da sie die Währung erschüttern würden. Die Beamten wollen es wieder auf einen Streik ankommen lassen.

Die Ablehnung Pilsudskis

Warschau, 1. Juni. Die Ablehnung Pilsudskis hat nach seinen der Präsidentenwahl vorangegangenen Erklärungen in den führenden politischen Parteien nicht so sehr überrascht wie bei den Wählermassen. Cs war anzunehmen, daß die auf ihn gefallene Stimmenmehrheit von 292 Stimmen gegen 193, die auf den Regierungspräsidenten (Woiwoden) von Posen, Grafen B nins k i, sielen, bei 61 Stimmenenthal­tungen, ihm nicht genügen werden, denn sie hätte für die von Pilsudski gewünschte Verfassungsänderung nicht aus­gereicht, und dann wären die politischen Schwierigkeiten erst recht groß geworden. Pilsudski will das Amt des Staats­präsidenten mit weitgehenden Vollmachten ausgestattet wis­sen, während Artikel 1- der polnischen Verfassung den Prä­sidenten zu einem bloßen Zierstück macht; er hat nicht einmal das Recht, das Kabinett zu berufen, dies ist vielmehr dem Sejm-Marschall (Präsidenten des Abgeordnetenhauses) Vor­behalten. *

In den Nachtstunden klärte sich die Lage. Die drei Rechtsparteien unter Fübruna der National - Demokraten

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