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Nsmmer"46

Fernruf 179

Donnerstag, den 25. Februar >1926

Fernruf 179

61. Jahrgang

Z -'^,7

Der wirtschaftliche Zusammenschluß in Mitteleuropa

ii.

Die handelspolitische Annäherung kann sich nicht auf ein begünstigendes Zollsystem beschränken: sie wird noch wirk­samer in einem freieren Personen-, Zahlungs- und Kapital­oerkehr zur Geltung kommen müssen. Die Erschwe­rungen des internationalen Personenver­kehrs sind in keinem Teil der Welt so drückend, man könnte sagen so entwürdigend, wie im mitteleuropäischen Bereich. Der Paß- und Sichtvermerkzwang gilt noch als allgemein üblich. Die Bewegungsfreiheit der handeltreiben­den und handelvermittelnden Personen ist beschnitten, die Niederlassung arbeitsuchender und gewerbeausübender Fremden verboten. ^

Die zweite Gruppe der positiven Maßnahmen für ein Wirtschaftsbündnis muß in der Organisation der Trans­porte bestehen. Die engherzige, kleinstaatliche Verkehrspolitik der europäischen Mitte ist im Wege grundsätzlicher Aende- rungen im Verkehrswesen zu beseitigen. Diese könnten im Wege einer Bahngemeinschaft der Nachfolge­staaten zustande kommen, in die die einzelnen Staaten ihre internationalen Hauptlinien als Einlagen einbrächten. Auf die betriebsökonomischen, oerkehrspolitischen und wirt­schaftlichen Vorteile eines derartigen Zusammenschlusses kann hier nicht eingegangen werden. Es ist nur zu betonen, daß im Wege einer internationalen Betriebsgesellschaft alle Vorteile eines einheitlichen Großbetriebs erzielt werden könnten, ohne daß die Hoheitsrechte der einzelnen Staaten Abbruch erfahren würden.

Aehnlich steht es mit den Wasserwegen, mit der Binnen­schiffahrt auf der Donau. Für alle Massenprodukte Mittel­europas ist die Donau der natürlichste und wertvollste Ver­kehrsweg. Heute liegt er ganz vernachlässigt. Das Gutachten des Verkehrsausschusses des Völkerbundes. Es meint, daß für Land- und Wasserbeförderung ein gemeinsames Tarif- undülmschlagsystem bestehen müßte. Wenn direkte Tarife für den Wasser- und Landweg erstellt würden, hat der betreffende Staat die Sicherheit, daß der größte Teil der Strecke bis zur Grenze durch nationale Schiffahrtsgesell­schaften bedient wird, und daß solcherart die Frachten ganz dem Staat und seinen Bürgern zufallen. Heute scheinen die meisten Eisenbahnen gegen die Interessen der Donauschiff­fahrt zu arbeiten, und sie wenden im Konkurrenzkampf sehr niedrige Tarife an, durch welche die Wassertransporte auf andere Wege geleitet werden. Die Userstaaten müßten sich die Interessen des Wassertransports scharf vor Augen hal­ten, die Schiffahrtsgesellschaften müßten aus einer gemein­samen Tarifpolitik bestehen.

Die dritte Gruppe der notwendigen Maßnahmen hatte eine mitteleuropäische Währungsgemein­schaft anzustreben. Das Wirtschaftschaos in Mitteleuropa war aus währungspolitischem Gebiet am weitesten ausgeartet, aber die Entwicklung hat auf diesem Gebiet auch zuerst eingesetzt. Seit Mitte 1924 ist die Stabilisierung in den wich­tigsten Teilen Mitteleuropas als verwirklicht zu betrachten. Und da im Handelsverkehr nicht so sehr die Verschiedenheit der Währungen, als vielmehr ihre Schwankungen Schwierig­keiten verursachen, scheint man geneigt zu sein, sich mit dem vorhandenen Maß von Stabilisierung abzufinden. Wie aber im kleinen Verkehr Geschäftsverbindungen mit Kontra­henten aus anderen Staaten eher zustande kommen, wenn diese nicht mit allerlei Umrechnungen verbunden sind, und der Kaufmann aus den Berichten des anderen Staats auf den ersten Blick Klarheit über die Preisverhältnisse gewinnt, so ist unter den wirtschaftlichen Kleinbetrieben Mitteleuropas der erwünschte Warenaustausch nur durch Zusammenschluß in einen Großbetrieb, nur durch gleiche Währungen, die zeit­raubende Umrechnungen und verlustbringende Umwechs­lungen ersparen, zu fördern. Das ergibt zumindest die Not­wendigkeit einer gemeinsamen Währungs­einheit.

- Um politische Reibungsflächen möglichst auszuschalten und den wirtschaftlichen Sonderinteressen gerecht zu werden, habe ich im System der kartellierten Noten- bgyken eine Lösungsform vorgeschlngen, welche die Vor­teile einer gemeinsamen Währung mit der ängstlich ge­wahrten Finanzsouveränität der einzelnen Staaten in Ein­klang zu bringen vermag. Eine derart gebildete Währungs- aemeinschaft mit selbständigen Notenbanken in den einzelnen Vertragsländern kann auch bei gesonderten Zollgebieten zu einem festen wirtschaftlichen Zusammenschluß führen.

Man muß die Probleme eines neuen Mitteleuropas realpolitisch betrachten und mit dem Bleistift in der Hand beurteilen. Ein guter Wille, ein optimistisches Vertrauen und der Glaube an die Menschheit sind aber auch Bedin­gungen des Erfolgs. Denn nicht nur an den wägenden Ver­stand, auch an die Phantasie haben wir zu appellieren, um di« kleinräumige Idee der vereinzelten Staaten und Völker in die großräumige eines wirtschaftlichen Staaten­bundes umzuwandeln. Für Mitteleuropa gibt es nur zweierlei: Zusammenschluß oder Verfall. Eine dritte Mög­lichkeit gibt nicht-

Tagesspiegel

Der neue diplomatische Schritt der Reichsregierung bei den Raksmächtsn des Völkerbundes ist gestern mit dem Be- such des Botschafters Dr. Skhamer bei Lhambeclain vor­läufig zum Abschluß gekommen. Wie verlautet, wird auch Dl. Sthamer persönlich in Berlin Bericht erstatten.

Vach einer Meldung aus Koblenz hak die inkeralliierke Rheinlandkommission die FilmeVolk in Not" undBis- marck" für die besetzten Gebiete verboten.

Vach Meldungen aus Rom wird der deutsche Botschafter Daran Neurath in einigen Tagen sich nach Berlin begeben.

Wie dasForeign Office" mitleill, hat König Georg die Urkunde, durch welche die LocarnovertrSge rakisizierk wer­den, unterzeichnet. Es ist beabsichtigt, den Vertrag de in­nächst in Uebereinstimmung mit seinen Bestimmungen beim Völkerbund zu hinlerlegen.

Der Kammerausschuß für Heeresfragen hak entgegen dem ihm unterbreiteten Bericht beschlosten, daß von einer Ein­berufung der Reservisienklaste des Jahres 1920 in diesem Jahr abgesehen werden soll.

eue Nachrichten

Englische Erklärung zur Ralserweiterung

London, 24. Febr. Chamberlain erklärte gestern abend tn einer Rede in seinem Wahlkreise Birmingham zur Frage des Eintritts Deutschlands in den Völkerbund u. a.: Die nächste Tagung des Bölkerbundsrats wird besonders wichtig sein, weil Deutschland die Zulassung zum Völkerbund ver­langt. Was mich anbelangt, so hoffe ich, daß Deutschland ein ständiger Rotssitz zugesprochen wird. Ich glaube, daß alle Nationen der Aufnahme Deutschlands günstig gesinnt sind. Aus Anlaß der Umbildung des Völkerbundsrates, die der Eintritt Deutschlands zur Folge hat, hat sich die Frage erhoben, wie die zukunftia» Zusammensetzung des Völker- bundsrates sein soll. Icki :<1>e, daß nicht nur in unserem Lande von einigen Leuten in Wort und Schrift ausgeführt wird, daß wegen des Beitritts Deutschlands auch einige andere Nationen " als Gegengewicht gegen Deutschland in den Völkerbund hineingebracht werden müssen. Dies ist keine historisch-richtige Darstellung, wie die Frage sich richtig stellt. Seit ziemlich langer Zeit sehen wir dem Augenblick entgegen, da Deutschland seinen Platz einnehmen werde. Schon bevor dies praktische Politik wurde, wurde über die Frage der Zusammensetzung des Rates debattiert. Schon früher wurde darüber gestritten, welchen Mächten ständige Sitze im Völkerbund zuerteilt werden sollten. Von,diesem oder jenem Lande wurde die Forderung gestellt, daß, wenn der Augenblick für eine Veränderung gekommen wäre, ihr Fall in Erwägung gezogen werde und sie dann zugelassen würden. Vieles, was gesagt und geschrieben worden ist, wäre nicht gesagt oder geschrieben worden, wenn die Leute sich vergegenwärtigt hätten, daß diese Frage bis zum Ein­tritt Deutschlands aufgeschoben wurde und natürlich erörtert werden muß, wenn irgendeine Veränderung in der Zusam­mensetzung des Völkerbundsrates erfolgt. Die große zur Erörterung stehende Frage war, ob, abgesehen von Deutsch­land, noch irgendeine Vergrößerung des Rates stattfinden solle. Er wolle, so führte Chamberlain aus, nicht über irgend­einen einzelnen Anspruch sprechen, aber er möchte einen Ge­sichtspunkt geltend machen, der zu wenig beachtet worden sei. Der Völkerbundsrat bestehe aus 10 Mitgliedern und mit Einschluß Deutschlands aus 11. Es gebe gute Gründe für eine Vermehrung der Zahl der Ratsmitglieder, damit nämlich in Fällen, wo so viel von der moralischen Autorität ihrer Entscheidung abhänge, diese Entscheidung von der Welt als autoritativ anerkannt werden könne. Er wisse, daß einige seiner Kollegen im Unterhaus eine Entschließung an­genommen haben, worin sie gegen jede Erweiterung des Völkerbundsrates außer der durch den Eintritt Deutschlands notwendig gewordenen protestieren mit der Begründung, daß die Zulassung irgendeiner anderen Nation dem Abkom­men von Locarno zuwiderlaufe. Irgendwelchen anderen Nationen das Recht streitig zu machen, daß ihr Anspruch auch nur in Erwägung gezogen werde, sei etwas, was die deutschen Staatsmänner zu klug seien, zu tun im Interesse ihres eigenen Landes in seiner neuen Stellung in der neu- aufgebauten Welt und seiner Beziehungen zu fremden Na­tionen.

*

In Genfer Völkerbundskreisen glaubt man, daß der Be­schlußfassung des Rates über eine evtl. Erweiterung der Ratssitze eine Aussprache der Unterzeichner der Locarno- Verträge am 8. oder 9. März in Genf vorangehen wird, die, wie man hofft, eine Einigung auf der Grundlage bringen wird, daß Spanien einen ständigen Ratssitz bereits im März erhalten, während Polen mit einem nichtständigen Ratssitz für, den Herbst vertröstet werden soll. Es dark in diesem

Zujannnenhang darauf hingewiesen werden, daß im Völker- bundssekretariat eine Zustimmung der Reichsregierung zu dieser Lösung der Frage erwartet wird.

Briand zur Frage der Rakssihe Paris, 24. Febr. Der Kammerausschuß für auswärtige Angelegenheiten hat heute vormittag die Erörterung über die Ratifizierung der Abkommen von Locarno fort­gesetzt. Briand gab ergänzende Erklärungen über die Um- stände, unter denen die Abkommen von Locarno zustande gekommen sind. Er betonte besonders, daß abgesehen von den veröffentlichten Texten nichts weiteres diskutiert worden ' ei und daß diese Texte sämtliche Frankreich durch den Ver- sailler Vertrag zuerkannten Rechte unberührt ließen. Eine Frage zu dem Eintritt Polens in den Völker- bundsrat beantwortete Briand wie folgt: Die Polemiken über die Erweiterung des Völkerbundrats sind unangebracht. Die Unterhändler von Locarno haben sich mit dieser Ange­legenheit überhaupt nicht beschäftigt. Es ist aber mehrere Müls vor Locarno davon die Rede gewesen. Die Nationen, die an der Angelegenheit interessiert sind, haben einfach die durch den Eintritt Deutschlands in den Völkerbund gebotene Gelegenheit benutzt, um eine Erweiterung des Völkerbund­rats zu fordern. Das ist wohl ihr Recht nach den Statuten des Völkerbunds. Wenn man die dazu berechtigten Natio­nen frei und objektiv das Problem diskutieren ließe, würden sie es sicherlich lösen. In dieser Angelegenheit ist der Völker- bund der einzige und der beste Richter. Ich habe volles Ver- trauen, daß er das Statut in Uebereinstimmung mit den großen Interessen, die ihm anvertraut sind, interpretieren und auch diesmal mit vollkommener Unabhängigkeit sich aussprechen wird, ohne auf Druckversuche Rücksicht zu neh- men. Der Bericht wurde schließlich gegen drei Stimmen von der Demokratisch-Republikanischen Vereinigung und einer Stimme von der Demokratisch-Radikalen Linken an­genommen. Es wurde beschlossen, im Plenum baldigst in die im Hinblick auf die am 8. März stattfindende Völker­bundsversammlung eilige Diskussion einzutreten. ^

Der neue Bericht der Kontrollkommission Genf, 24. Febr. DasEcho de Paris" meldet: Die Mtli- tärkommission in Berlin hat am 22. ds. Mts. einen neuen Bericht an die Botschafterkonferenz über die Entwaffnung Deutschlands erstattet. Der Bericht kommt noch nicht zu dem Ergebnis, daß die deutsche Entwaffnung den von der Reichs­regierung eingegangenen Verpflichtungen entspricht.

Wirtschaftsforderungen der freien Gewerkschaften Berlin. 24. Febr. Die freien Gewerkschaften (Allg. Deut­scher Gewerkschaftsbund, Allgem- freier Angestelltenbund und Allgem. Deutscher Beamtenbund) legen ihre Ansichten über die Gegenwartsaufgaben der deutschen Wirtschafts­politik der Öffentlichkeit nunmehr in einer Denkschrift dar. Der Sinn der Denkschrift soll, wie der Vorsitzende des All­gemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes, Graßmann, in einer Besprechung mik Vertretern der Presse betonte, sein, daß sie die Fragegebieke abgrenze, über die eine Verständi­gung mit dem Reichsverband der Deutschen Industrie vn.' möglich sei. Die deutsche S o z i a l v e r s i ch e r u n g sei von 1.4' auf 2,7 Milliarden gestiegen. Das bedeute eine schwere Belastung des Wirtschaftslebens. Man wolle, daß Arbeit­geber und Arbeiter gemeinsam zur Linderung der Erwerbs­losigkeit beitrügen. Während die Denkschrift des Reichs- verbcmds der Deutschen Industrie das jährliche Volksein­kommen mit 4343 Milliarden angibt, kommt die Denk­schrift der freien Gewerkschaften auf 5260 Milliarden. Aus dem Unterschied in der Schätzung des Volkseinkommens ergebe sich der Unterschied in der Errechnung der Steuer- l a st e n, welche die Industrie mik 2530 v- H-, die Gewerk­schaften mit nur 1722 v. H. des Volkseinkommens be- Merken. Auf dem Gebiete der öffentlichen FtnanzWirt­schaft wird die Stellung des Staates nicht nur als Hüter der Reichsordnung, sondern darüber hinaus als Träger der sozialen Funktion betont. Dementsprechend werden die be­kannten Forderungen erhoben wie ausreichende Besol­dung der Beamten, angemessene Versorgung der Kriegsopfer, Offenlegung der Steuerlisten, Abbau der Um­satzsteuer, Reform des Einkommensieuertariss, Verwendung der Hauszinsskeuer für den Wohnungsbau, Steuerfreiheit der öffentlichen Betriebe, Ersparnisse am Beamkenapparak des Heeres und der Marineverwaltung, sowie Befreiung der Länder von den Fürstenabfindungen. Hoher Lohn und die achtstündige Arbe itszeit seien die kräftigsten Antriebe zur Rationalisierung. Ein niedriger Zinsfuß sei erwünscht, dürfe jedoch nicht künstlich herbeigeführt werden, da er zu einer unbegründeten Bevorzugung einzelner Kredit­nehmer führe. Die Reichsbank müsse eine planmäßige Kre­ditverkeilung nach volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten an­streben. Handelspolitisch wird ein Abbau der Zölle auf Roh­stoffe und unentbehrliche Lebensmittel, sowie Ein- und Aus­fuhrverbote gefordert. Bei den Handelsverkragsverhand- lungen sei zu beachten, daß jede Zollermäßigung im eigensten Interesse der deutschen Wirtschaft liege. .... . ,.^> ,