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Druck, Verlag u. Hauptschriftleitun« Theodor Gack

Nsmmer 45

Fernruf 179

Mittwoch, den 24. Februar 1926

Fernruf 179

61. Jahrgang

Der wirtschaftliche Zusammenschluß in Mitteleuropa

i.

Angesichts der gegenwärtigen politischen Zer» risse nheitund des wirtschaftlichen Verfalls Mitteleuropas ist es eine lohnenswerte Aufgabe, dis theoretischen,Grundlagen und praktischen Möglichkeiten wirt­schaftlicher Verständigungen und Zusammenschlüsse zu prüfen. Als geistige Tendenzen sind ja die Gedanken der Annäherung und des Zusammenschlusses nicht neu.. Sie verhüllen sich schon seit Jahren im Schlagwort des Wiederaufbaus von Mitteleuropa, das gleich andern Schlagwörtern nur dazu führt, seine Verkünder einer genauern Gedankenformulie- rung zu entbinden. Es ist höchstwahrscheinlich, daß das viel­gebrauchte Schlagwort der Wiederaufrichtung von Mittel­europa sehr viele Deutungen hat, und daß es im Munde des deutschen Reichskanzlers, des tschechischen Ministers des Aeußsrn und des ungarischen Ministerpräsidenten eine ganz andere Bedeutung aufweist.

Die erste Frage, die sich uns entgegenstemmt, ist, ob es bei der heutigen politischen Lage in Mitteleuropa überhaupt zeitgemäß erscheint, das Problem des wirtschaftlichen Zu­sammenschlusses anzuschneiden. Das heutige Mitteleuropa ist ja in jeder Hinsicht ei» sehr zerbrechlicher und zusammen­gesetzter Begriff. War es vor dem Kriege nicht nur ein politischer und diplomatischer, sondern auch ein Wirt­schafts- und K u l t u r b e g r i f f, so ist es im Kriege hauptsächlich zum militärischen Begriff geworden und nach dem Kriege fast ausschließlich zur geographischen Einheit herabgesunken. Ein geographischer Begriff zur Bezeichnung sieben unabhängiger, einander teilweise widerstrebender Staaten!

Ist unter solchen Umständen ein wirtschaftlicher Zu­sammenschluß ohne gleichzeitigen politischen möglich? Die Geschichte Mitteleuropas, besonders die Geschichte des Deut­schen Reichs und der früheren Doppelmonarchie, kennt Fälle, in denen wirtschaftliche Verbindungen zustande gekommen sind, als an einen politischen Zusammenschluß noch nicht ,->u denken war.

Das ist zweifellos der leichtere Weg des Zusammen­schlusses, da Widerstände, die sich der Bildung einer wirt­schaftlichen Gemeinschaft entgegenstellen, weit geringer sind als die, welche politischen Gemeinschaften entgegenstehen. Für die Machtstellung beider ist es natürlich vorteilhafter, wenn sie zusammenfallen. Der politischen Vereinigung stehen dann die wirtschaftlichen, der wirtschaftlichen die politischen Machtmittel zur Verfügung. Aber ein zwingender Grund für das Z u s a m m e n f a l l e n beider Ein­heiten liegt nicht vor. Man kann sogar behaupten, daß der nationalpolitische Abschluß der neuen Staaten von­einander nur möglich ist, sofern er durch engeres Zusammen­arbeiten auf wirtschaftlichem Gebiet kompensiert wird. Dem Eigenleben des Nationalen hält das Zusammenwirken des Wirtschaftliche» die Wage. Auch könnte der wirtschaftliche Zusammenschluß Schrittmacher zu wünschenswerten poli­tischen Verständigungen werden.

Mitteleuropa bildete vor dem Kriege infolge der zahl­losen sichtbaren und unsichtbaren Verknüpfungen des wirt­schaftlichen Lebens, infolge seines Eisenbahnnetzes, seiner Wasserstraßen, seiner Handelsverträge, seiner Kreditorgani- sation und seiner Energiewirtschaft einen einheit­lichen Wirtschaftskörper, in dem Ordnung und Gleichgewicht nur durch Maßnahmen hergestellt werde» kr die sich auf das ganze Gebiet erstreckten.

Worin müssen solche Maßnahmen bestehen? Durch welche wirtschaftlichen Mittel können die Vorteile eines großen Wirtschaftsgebiets den Klein­staaten Mitteleuropas zugesichert werden? Zur Beantwor­tung dieser Fragen müssen wir die Hauptfehlerquellen der heutigen Lage kennen. Eine gute Diagnose ist immer der Anfang der Heilung. Das hauptübel, an dem wir leiden, können wir kurz die Unwirtschaftlichkeit alles wirtschaftlichen Geschehens in Mitteleuropa nennen. Diese Unwirtschaftlich- keit drückt sich aus in allen wirtschaftlichen Lebensäuße­rungen.

In der St a atswirtschaft erhöht sie die Verwal­tungskosten, die in kleineren Gemeinwesen unverhältnis- mäßig groß sind. Daher die fast unlösbaren Beamten­fragen, die schwierige Lage der staatlichen Betriebe und die sehr verwickelten staatssinanziellen Probleme.

In der W e l t w i r t s ch a f t zerreißt die politische Zer­stückelung alle Beziehungen cmd hemmt den Außenhandel, den jedes Land so zu gestalten sucht, daß er die für die eigene Volkswirtschaft gewünschte Landesentwicklung fördert Daher der trostlose Zustand auf dem Gebiet der Handels­politik. Die Unwirtschaftlichkeit auf handelspolitischem Gebiet kommt hauptsächlich in dem Ersatz ausländischer Er­zeugnisse durch inländische Waren zum Ausdruck, wenn diese Verschiebung nicht eine Folge besserer Leistung, sondern nur von Einfuhrverboten oder hohen Zöllen ist. Die durch Einfuhrverbote und Hochschutzzölle bewirkte Neuproduktion ist teuer und wenig ergiebig. Dies System hat den indu­striellen Wasserkopf Mitteleuropas zum Platzen anschwellen

Tagesspiegel

Troß Locarno hat die Militärkonkrollkommission ihre Tätigkeit wieder ausgenommen. Unter persönlicher Leitung des General Walch haben sich am Sonntag morgen 15 Offi­ziere der Kommission nach Mittel- und Westdeutschland be­geben. um die bisherigen Gewehr- und Munitionsfabriken einer weiteren Kontrolle zu unterziehen.

Die Meldung, das am 30. März ablaufende Beamkcn- besoldungssperrgesetz werde verlängert werden, trifft zu. Das Gesetz wird um ein 3ahr verlängert.

Nie Jinanzminister der Länder treten morgen im Reichs- smanzministerium zu einer Besprechung über Steuerfragen zusammen.

Nach den neuesten Meldungen ist seht endgültig mit der Aushebung der unter der BezeichnungLuxusfteuer" erho­benen besonderen Umsatzsteuer zu rechnen.

lassen. So bietet Mitteleuropa den wirtschaftlichen Unsinn, wie einer überspannten Hochindustrialisierung eine zuneh­mende Untererzeugung und ein dauernder Untervsrbrauch parallel läuft.

In der B e r k e h r s w i r t s ch a f t unterbindet die poli­tische Zerstückelung durch Zölle, Verbote und Paßzwang die unbehinderte Entfaltung der wirtschaftlichen Kräfte und durch Unterbrechung der Verbindungslinien die Ausbildung des Transitverkehrs, die Ausnutzung der bestehenden Verkehrs­mittel und die gewinnbringende Anlegung neuer Verkehrs- straßen. hierdurch entsteht ein besonderes mittel­europäisches Verkeh'rsproblem.

Die Zerfahrenheit der mitteleuropäischen Wirtschaft wird durch die Vielheit und die Schwankungen der verschiedenen Währungen vervollständigt. Dieser Zustand ruft nach einer Neuordnung der mitteleuropäischen Geld­wirtschaft.

Die Wiederbelebung des mitteleuropäischen Wirtsckmsts- organismus kann nur durch Ausscheidung aller dieser Ele­mente der linwirtschaftiichkeit in großein Mnßjtab anheben. Die wirtschaftlichen Nachteile der vielen neuen Grenzen müssen durch handels­politische, verkehrspolitische und währungs­politische U e b e r e i n k o m m e n zwischen den ver­schiedenen politischen Einheiten neutralisiert werden. Alle gesonderten Anstrengungen der mitteleuropäischen Staaten zur hebul,g ihrer Wirtschaft, des Handels, des Verkehrs und der Währung können nur vorübergehende Erfolge erzielen, wenn sie nicht einen vollwertigen Ersatz bieten für den früheren harmonischen Wirtschaftsbau, der durch Jahrhun­derte der Arbeit und Organisation geschaffen wurde und den die politischen Ereignisse zerstört haben.

Die umfangreiche Stufenleiter handelspolitischer Mög­lichkeiten für internationale Zusammenarbeit soll hier nicht erörtert werden. Es genügt, darauf hinzuweisen, daß heute schon von vielen maßgebenden Stellen als mögliche Lösungs­form ein Zollbündnis mit gegenseitiger Zoll­bevorzugung empfohlen wird. Die Vorzugsbehandlung bestünde darin, daß die vertragschließenden Teile einander für den gegenseitigen Verkehr niedrigere Zölle einräumen als den ändern Staaten. Dies könnte entweder im Wege eines Kollektivvertrags der beteiligten Staaten oder durch ein System von Einzelverträgen bewerkstelligt werden. Im ersteren Falle würde die gegenseitige Zollbevarzugung innerhalb des sechsgliedrigen Wirtschaftsbundes entweder durch einen gemeinsamen Vorzugstarif oder durch einen all­gemeinen Abschlag von den geltenden autonomen Zöllen festgestellt werden. Im zweiten Falle würden im zollvereiiten Bereich je zwei Staaten miteinander Abmachungen treffen, in denen sie individuell für die einzelnen Tarifpositionen niedrigere Zollsätze feststetten. Bei der letzteren Lösung wären die einander zugestandenen Begünstigungen aus Grund der M e i st b e g ü n st i g u n g auch den anderen zollverbündeten Staaten zu gewähren.

Ein zweiter Artikel folgt!

Neue Nachrichten

Wirkschccfksforberungen

Berlin. 23. Febr. Die Vereinigung für Steuer- und Wirtschaftsreform, die hier anläßlich der Grünen Woche tagte, faßte eine Entschließung, die folgende Forderungen enthält: Stärkung des Jnlandsmarktes und Wiederherstel­lung der Rentabilität der Betriebe, Abbau der Ausgaben der öffentlichen Hand- und besonders Realsteucrn, Verein­fachung der Verwaltung, vor allem muß der hochverzins- liche kurzfristige Personalkredit in langjährigen Realkredit u-mgeivandelt werden. Bei de» Ausgaben für die Sozial­lasten muß ein Abbau stattfinden. An Stelle der produktiven Erwerbslosensürsörge muß ein Augenmerk auf die Schaf­fung von Arbeitsgelegenbeit gelenk, werden. Das Washing­toner Zeitabkommen darf nur ratifiziert werden, wenn min­destens die Vereinigten Slnaten. England, Frankreich, Jia-

lien, die Schweiz und Belgien denselben Schritt tun. Jum Schluß fordert die Vereinigung von der Regierung, daß sie die außenpolitischen Verpflichtungen der Volkswirtschaft durch eine zielbewußte Führung der Außenpolitik nach Möglichkeit zu erleichtern sucht. . .

^ Reichsbahn und WirtschafishW

^Berlin. 23. Febr. Der technische Ausschuß 8es Verwal- tungsrats der Reichsbahngesellschaft trat heute zusammen, um endgültige Beschlüsse über die Auftragserteilung, die durch die Hergabe eines 100 Millionenkränts durch das Reich ermöglicht ist, zu fassen. Dabei soll der gesamte Kredit ausgenützt werden. In allererster Linie kommt, wie wir hären, ein Auftrag für den Stahlwerks»', band in Düssel­dorf zur Lieferung von Schienen usw. i» Frage, während die Waggonfabriken nur in geringem Umfang mit Aufträgen berücksichtigt werden sollen. Wie bekannt, werden nur D- Zugwagen in Auftrag gegeben. Andererseits erfährt der Deutsche handelsdienst" von unterrichteter Seite, daß trotz der Forderungen des Reichstags und der Reichsregierung das Eisenbohnzentralamt die Schwellenlieserungen für das Jahr 1026 im Werte von nahezu 7 Millionen Reichsmark ausschließlich im Ausland untergebracht hat- Die Einfuhr dieser Schwellen ist teilweise sogar durch ausländische Spe­diteure besorgt worden. Dabei wäre die Eindeckunq bei deutschen Firmen nicht teurer zu stehen gekommen. Früher bestand sogar die Bestimmung, daß die inländischen Holz­lieferungen sogar einige Prozent teurer sein dürsten, als die Auslandsschwellen. ,

Kundgebung für deutsche Geisteskultur.

Berlin, 23. Febr. Im Reichslagsgebäude fand am Mon­tag abend eine außerordentlich zahlreich besuchte Kund­gebung für deutsche Geisteskultur statt. Mehr als 10 Ver­bünde der geistigen Berufe Deutschlands waren vertreten. Der große Sitzungssaal und die Tribünen waren überfüllt. Neben Reichskanzler Dr. Luther wohnte auch Reichsinnen­minister Dr. Külz den Verhandlungen bei. Der Vorsitzende des Schutzkartells, Dr. Otto Everling, eröffnete die Kundgebung und begrüßte den Reichskanzler, sowie die Ehrengäste. Er verlas ein persönliches Schreiben des Reichs­präsidenten von hindenburg, der, zu seinem Bedauern an der Teilnahme verhindert, bittet, überzeugt zu sein, daß er den Zielen und Bestrebungen des Schutzkartells deutscher Geistesarbeiter sein lebhaftes Interesse zuwende und mit besten Wünschen dessen Arbeit begleite. Dr. Everling schloß daran Grüße an den Reichspräsidenten und führte dann in seinem VortragAus dem Lager der deutschen Geistesarbei­ter" aus: Die vier Gestalten im Reichstagsaal, welche die Kardinaltugenden der Reichstagsabgeordneten darstellen: Tapferkeit, Weisheit, Gerechtigkeit und Demut weisen den Geistesarbeitern den Weg. Durch den Vermögensverlust der Bildungsschicht ist die gesamte Geisteskultur ernstlich gefähr­det, zumal noch eine Einkommensverminderung der geistig Schaffenden eingetreten ist. Es herrscht ein tiefer Pessimis­mus. Aber gerade da setzt der Zweck dieser Kundgebung ein' Haut die Pessimisten! Wappnet Euch mit Mut! Stellt Eure Forderungen auf, nicht nur Forderungen an den Staat, sondern auch an die Geistesarbeiter. Selbst die Indolenz der Intellektuellen, die sich schwer organisieren, muß über­wunden werden. Das Schutzkartell deutscher Geistesarbeiter möchte eine Kerntruppe deutscher Gesittung zusammenfüh­ren, die nicht vergißt, daß die deutschen Geistesarbeiter über ihre Berufsinteressen hinaus auch wertvolle Jdealgüter zu pflegen haben. Wir hoffen, daß zäher deutscher Fleiß und deutscher Sparsinn unsere Geisteskultur auf neuer wirtschaft­licher Grundlage erhält. Unser wertvollstes Vermögen ist doch unsere Arbeitskraft. Ein Volk, dessen Führerschichten in schlichter Einfachheit und harter Arbeit aufwachsen, hat Aus­sicht, das tüchtigste Volk der Erde zu werden. Dann wird es auch heißen wie jetzt in Köln und Bonn: Deutschland frei! Auf mein Volk, laß Deine Falken und Deine Adler wieder steiqenl (Lebhafter Beifall.!

Als letzter Redner nahm Reichskanzler Dr. Lutherdas Wort und führte u. a. aus: Ich habe keinen Zweifel darüber gelassen, daß es für unsere Politik nur ein doppeltes Ziel gibt: Staat und Kultur. Deshalb habe ich es immer als Mangel empfunden, daß der Reichstag und die Reichsregie- rung zu wenig für die Kultur zu tun vermochten und daß unsere Tätigkeit stets unter dem Vorzeichen der Finanznot stand. Und als leitender Kulturbeamter fühlt man, daß da, wo ein Mange! an Mittelstand vorhanden ist, auch der Kul­turstrom fehlt, der aus den Schichten des breiten Mittel­standes hervorquillt. Und ohne diesen Mittelstand, der durch die Inflation nun schließlich vollkommen vernichtet worden ist, können mir die Kultur nur mit Hilfskonstruktionen in die Massen hineintragen. Reichskanzler Dr. Luther gab dann die Versicherung ab, daß vom Reiche alles geschehen werde, um die Kultur in ihren Aufgaben zu unterstützen: und schloß mit dem hinweks, daß nur deutsches Selbstbewußtsein und deutsche Tat das deutsche Volk wieder einem freien und glücklichen Vaterland zuführen könnten. Der Vorsitzende Everling schloß die Kundgebung mit Worten herzlichen Dankes für den Reichskanzler. Die deutsche geistige Kultur­schicht, sie soll glauben an die Zukunft, an die Kraft und an den Segen der deutschen Geisteskultur! __