Deutschlands neue Verwahrung
Berlin. 20. Febr. Der Reichsminister des Aeußeren Dr. Strcseniann gewährte am Donnerstag dem hiesigen Vertreter der „Newyork Times" ein Interview, in dem er sich über die Voraussetzungen aussprach, unter denen der Eintritt Deutschlands in den Völkerbund erfolgen werde. Er erklärte mit voller Deutlichkeit, daß das Reich nicht die Absicht habe, seinen Eintritt in den Rat des Viükerb mds Arm in Arm mit Polen oder Spanien bezw. beiden Ländern zu vollziehen. Es könne gegenwärtig oder in nächster Zukunft gar keine Rede davon sein, die ständige Mitgliedschaft das Rates weiter auszudehnen. Die Versprechungen, die Deutschland auf sein Aufnahmegesuch an die im Rat vertretenen Mächte erhalten hat, können nur so aufgefaßt werden, daß ihm ein ständiger Ratssitz unter Voraussetzung der gegenwärtigen Zusammensetzung des Völkerbundsrats ,ungesichert wird. Die deutsche Regierung muß es also als sicher ansehen, daß keine andere Lösung ins Auge gefaßt werden kann und daß daher alle Presseäußerungen über diesen Gegenstand jeder sachlichen Grundlage entbehren. Welche Haltung Deutschland nach seinem Eintritt in den Völkerbund gegenüber einer Vermehrung der ständigen Ratssitze evtl, einnehmen wird, ist im Augenblick keine akute Fraqe.
Tirols Einspruch
Vien, 21. Febr. Die Rede des Bundeskanzlers Ramek hat in den Großdeutschen Kreisen Tirols Enttäuschung und Entrüstung hervorgerufen. Aus diesem Grunde hat der Vollzugsausschuß der Großdeutschen Partei in Innsbruck folgende Entschließung gefaßt und veröffentlicht:
Der Vollzugsausschuß der Großdeutschen Volkspartei für Tirol verurteilt schärfstens die verfehlten Schlußfolgerungen, die Bundeskanzler Ramek aus den Feststellungen über die Bedrückung der Südtiroler gezogen hat und insbesondere jenen Absatz, wonach die Südtiroler Frage eine interne Angelegenheit Italiens sei. Er verurteilt weiter die schmähliche Fassung der Erklärung, die geflissentlich den Namen Südtirol meidet und hält daran fest, daß die Südtiroler Frage vor den Völkerbund gebracht werden müsse, wenn den Südtirolern nicht die völlige Autonomie gewährleistet wird. Die Landespartei verlangt daher den Rück- tritt dieses Ministeriums, das durch seine Erklärung gezeigt hat, daß es an der uns über alles stehenden Tiroler Frage kein Interesse besitzt. .... .
Heute finden in ganz Tirol Gedächtnisfeiern zum Tode Andreas Hofers statt.
Polen« Rakssih
Pari», 21. Febr. Die „Times" veröffentlichen heute ein« anscheinend amtlich beeinflußte Feststellung, wonach kein« Aussichten für Polen beständen, !m März als ständiges Mitglied des Bölkerbundsrats ausgenommen zu werden. Der Beschluß Schwedens stehe dagegen. Irgend welche weiteren Schritte könnten nur nach eingehenden Beratungen mit den hauptsächlichsten Mitgliedern des Völkerbunds unternommen werden, wobei Deutschland nicht ausgeschlossen würde. Die „Times" beschränken sich lediglich auf eine Zusammenfassung der bisher bekannten Tatsachen und vermeiden es, die weitere Haltung Englands näher darzustellen. Auch der diplomatische Korrespondent des „Daily Telegraph" enthält sich jeder weiteren Bemerkung über dieses Problem und beschränkt sich auf die Wiedergabe eines Berichts aus Genf, wonach man dort mit einer geringen Erweiterung des ständigen Rats durch die Aufnahme Spaniens rechnet, so daß der Rat aus sechs ständigen und sechs nichtständigen Mitgliedern bestehen würde. Das englische Oberhaus werde die ZulassunaDeutsch- lands zum Völkerbund und die Verfassung des Aals am kommenden Mittwoch erörtern.
Das Verlangen Spaniens nach einem ständigen Sitz im Völkerbundsrat findet die Unterstützung Frankreichs unter der Bedingung, daß Spanien an der Seit« Frankreichs für einen ständigen Sitz zugunsten Polens eintritt. Man ist in den offiziellen spanischen Kreisen der Ansicht, daß Spanien, falls es allein auf einen ständigen Ratssitz hinarbeiten würde, auf weit geringere Widerstände stoßen würde als an der Seite Polens, und man empfindet deshalb die polnische Kandidatur als sehr störend. Jedoch hat sich Spanien in dieser Frage bisher nicht dem französischen Einfiuß zu entziehen vermocht. Trotz des zeitlich nahe bevorstehenden Eintritts Deutschlands in den Völkerbundsrat erscheint die Angelegenheit von hier aus diplomatisch noch nicht geklärt.
! England und der türkisch französische Vertrag
Paris, 21. Febr. Wie aus Angora gemeldet wird, haben die Verhandlungen zwischen Tewfil Ruschdi Bey und deJouvenel zu einem Abkommen geführt- Nach anderen MeUuumen soll der Vertrag bereits gestern abend unter
zeichnet worden sein. Der Freundschafts- und Neutralitätsvertrag regele die verschiedenen Probleme in den Beziehungen zwischen der Türkei und Syrien, wie z. B. die türkisch-syrische Grenzfestsetzung, die Polizei, die Unterdrückung der Grenzüberkritte, die Zoll- und Schmuggelbestimmungen, sowie Transport-, Eisenbahn- und Unfall» fragen. Nach einer Meldung der Agentur Radio sollen der Türkei gewisse territoriale Zugeständnisse gemacht worden sein. So erhalte sie z. B. einen Teil der Bagdadbahn, de Iouvenel kehrt heute nach Syrien zurück. Im Quai d'Orsay erklärt man, keine offizielle Nachrichten von einem Abschluß des gemeldeten Vertrages zu haben. Der Abschluß des französisch-türkischen Abkommens hat in London merkliche Unruhe hervorgerufen, besonders die Bestimmung, die die Neutralität der Bagdad-Bahn vorsieht. Darnach darf die Bahn, die sowohl türkisches als syrisches Gebiet durchquert, in einem Konfliktsfall nicht benützt werden. Man glaubt aber in politischen Kreisen kaum, daß der Vertrag wirklich zum Abschluß kommt, da er in direktem Widerspruch zu dem französisch-englischen Orientabkommen stehe.
Konferenz über die Arbeitszeit London, 21. Febr. Die Einladungen an Belgien, Frankreich, Deutschland und Italien zur Teilnahme an einer in London stottsindenden Konserenz über die Sicherung eines internationalen Abkommens für die Regelung der Arbeitszeit sind nunmehr an die Arbeitsminister der genannten Länder, sowie an den Direktor des Internationalen Arbeitsamtes in Genf, Thomas, abgeschickt worden. Als Beginn für diese Konferenz ist der Montag, IS. März, festgesetzt- Die durch das Washingtoner Abkommen über die Arbeitszeit geschaffene Lage ist wie folgt: Italien hat das Abkommen bereits ratifiziert, aber unter der Bedingung seiner Ratifizierung durch Belgien, Frankreich, Deutschland, Großbritannien und die Schweiz. Frankreich will ebenfalls ratifizieren, falls Deutschland ratifiziert. Das Abkommen ist bereits von der französischen Kammer genehmigt worden, die belgische Kammer hat eine bedingungslose Ratifizierung genehmigt.
Wahlniederlage Brakianus
Bukarest, 2l. Febr. Bei den Gemeindewahlen, die für die Zukunft der rumänischen Parteipolitik von außerordentlicher Bedeutung sind, erfocht die vereinigte Opposition in allen vier Autarkster Wahlkreisen einen glänzenden Wahlsieg. Die Niederlage Bratianus ist vollkommen, weil die vereinigte Opposition, die sich aus allen Schichten der Bevölkerung zusammenletzt, drei Mertel aller Stimmen auf sich vereinigte.
Württemberg
Stuttgart, 20. Febr. ElektrisierungderReichs- bahn. 3m Anschluß an die gestrige Eröffnung der Lann- statter Industriebahn fand ein geselliges Beisammensein im Kursaal statt, wobei Reichsbahnpräsident Dr. Sigel auch auf die Elektrisierung der Reichsbahnen zu sprechen kam. Er wies in erster Linie darauf hin, daß die Lösung dieser Frage außerordentlich viel Geld koste, zudem fehle es Württemberg an nennenswerten Wasserkräften. Immerhin liege bereits ein fertiger Plan vor. Zunächst für die Strecke München— Ulm, dann Ulm—Stuttgart und schließlich Stuttgart—Mühlacker. Man dürfe nicht meinen, daß Stuttgart von Berlin aus zurückgeseht werde. Aber die Elektrisierung komme selbstverständlich nur auf Strecken in Frage, wo sie sich wirtschaftlich lohne. Ehe man die Strecke Osterburken—Stuttgart—Singen elektrisieren könne, müsse sie zweigleisig ausgebaut werden. Auch verschiedene Bahnhöfe wie Eutingen— Sulz—-Rottweil müßten vorher mit großen Kosten umgebaut werden. Jeder Bahnhofumbau komme auf 5—6 Millionen Mark. Es wäre früher nützlicher gewesen, statt Nebenbahnen zu bauen, solche Haupklinien vollwertig zu machen.
Friedensmiete erst ab 1. Juli? Wie verlautet, soll bei der Reichsregierung die Absicht bestehen, den Termin für die Einführung der Friedensmiete, der auf 1. April festgesetzt war, hinäuszuschieben, und zwar voraussichtlich bis zum 1. Juli.
Weitcrbildungskurs für Drechsler. Das Landesgewerbeamt beabsichtigt, im März d. I- einen einwöchigen Fortbildungskurs für Drechsler in Stuttgart zu veranstalten. Anmeldungen zu dem Kurs sind bis 10. März 1926 beim Sekretariat des Landesgewerbeamts in Stuttgart einzureichen.
Vom Tage. Donnerstag a-bend wurde in der Cannstatter-
festgestellte Frauensperson von einem Personenkraftwagen ungefähren und so schwer verletzt, daß sie bald daraus im Karl-Olga-Krankenhaus, wohin sie verbracht worden war, gestorben ist. Den Lenker des Kraftfahrzeugs soll an dem schuld treffen. — In einem Haus der Roten- bergstraße hat eine 39 I. a. Monteursehesrcm in der Küche ihrer Wohnung durch Einatmen von Gas einen Selbstmordversuch verübt. Das Vorhaben konnte noch rechtzeitig entdeckt werden. Die Lebensmüde wurde nach erfolgreicher Anwendung des Sauerstoffapparats in das Katharinen- Hospital ubergeführt.
Aus dem Lande
Holzgerlingen. OA. Böblingen, 18. Febr. Brand- st l s t u n g. Ha Gebäude des Waldschützen Gustav Schweizer brach nachts Feuer aus. Die Scheune ist bis auf den Grund medergebrannt. Der Sachschaden wird auf 3000 « 4 t «. schätzt. Es wird Brandstiftung vermutet.
Backnang, 19. Febr. L e i ch e n s u n d. Aus hiesiger Markung wurde am Mittwoch eine erhängte männliche Person aufgefunden. Da jegliche Ausweispapiere fehlten» konnte Name und Herkunft nicht festgestellt werden.
h„ilbronn, 21. Febr. FörderungdesWohnungs. baus. Die Stadt beabsichtigt den Bau von 16 Wohnungen und einer Wohnbaracke mit einem GesamtkostenaufwanL von 278 500 -ll, von denen 125 000 -N zur Verfügung stehen, während die restlichen 153 500 -K zu decken sind. Im Gemeinderat gab es darüber eine lebhafte Aussprache. Ein Antrag, 50 neue Wohnungen zu erstellen, wurde mit Stimmen- gleichheit durch Stichentscheid des Vorsitzenden abgelehnt.
kirchhausen, OA Heilbronn, 19. Febr. Epidemie. Zurzeit gehen im Dorfe verschiedene Krankheiten um. Unter den Kleinen und Schulkindern herrscht der Keuchhusten, der mit Erbrechen verbunden ist. In einer Schulklasse fehlen bereits ein Drittel der Kinder. Bei den Erwachsenen tritt die Influenza auf, mit Unwohlsein und heftigem Kopfweh und Fieber, so daß viele Kranke darnieder liegen. Jedoch haben die Krankheiten noch keinen bösartigen Charakter angenommen und noch keine Opfer gefordert.
Zoklishosen OA. Künzelsau, 21. Febr. Bauernhaus, brand. Nachts brach im Wohnhaus des Landwirts Friedrich Mögerle Feuer aus, dem das ganz« Gebäude samt Mobiliar zum Opfer fiel. Cs wird Brandstiftung vermutet.
Mergentheim, 21. Febr. Ueberschwemmung. Die letzten Tage brachten starke Niederschläge. Jnfolgedesie« ist das Vorbachta! an vielen Stellen überschwemmt-
Ellrvangen, 20. Febr. Einspruch der Jagdbesitzer. In einer Versammlung, zu der sich über 60 Besitzer von Eigenjagdsn aus den Oberämtern Aalen, Ell- wangen und Neresheim eingefunden hatten, wurde eine Entschließung angenommen, in der zu dem von der Württ- Iägervereinigung eingereichten Antrag auf Abänderung des Jagdgesetzes Stellung genommen und ersucht wird, daß bei der Neuregelung des Württ. Jagdgesetzes die Eigenjagden mit 50 Morgen erhalten bleiben sollen. Eine Aenderur.g des Jagdgesetzes im Sinne der Württ. Jägervereinigm cg würde für die Landwirtschaft von großem Nachteil sein, weil dann ein übergroßer Wildstand zum Schaden der Landwirtschaft herangezogen werden könnte.
Eislingen OA. Göppingen, 21. Febr. Einbruch. In das Zigarrengeschäft von W. Dangelmayer um Bahnhof wurde nachts eingebrochen. Die Täter, die es vor allem auf Zigaretten und Schokolade abgesehen hatten, fanden auch noch ihr Vergnügen daran, den Tabak auf dem Boden um- herzuwerfen. Die Diebe sind noch nicht erkannt.
Don der Rauhen Alb. 21. Febr. Neuschnee. Nachdem der Sturmwind und die Regenfälle der letzten Tag« ausgehört hatten, ist zur Abwechslung am Freitag früh Neuschnee auf der Alb gefallen. Schnee im Februar Hai der Landmann gerne: ein baldiger Frühling hätte für die Felder und Obstbäume recht verhängnisvoll werden können.
Rohrau. OA. Herrenberg, 21. Febr. Beim Holzmachen verunglückt. Der Holzhauer Ernst Maier verunglückte beim Holzmachen !m Wald: es wurde ihm der linke Unterschenkel abgedrückt. Er mußte in die Chirurgische Klinik nach Tübingen übergeführt werden.
Aach bei Freudenstadt, 19. Febr. Aus Unvorsichtigkeit erschossen. Zwei junge Leute im Alter von 14 und 20 Jahren machten sich mit einer Zimmerflinte zu schaffen. Während der Itiäbriae die Flinte au? das Bett
And dennoch kam das Glück..
Original-Roman von Irene Hellmuth
15) (Nachdruck verboten.)
„Ich wünsche ja nichts sehnlicher, als dich glücklich zu sehen es ist mein einziger Gedanke! Ich habe deinen Vater fast noch nie oder doch selten um etwas gebeten, aber jetzt will ich es um deinetwillen versuchen."
- Völlig überzeugt, dag der Vater diesmal nachgeben werde suchte Lu nach solchen Gesprächen ihr Zimmer auf und schlief den festen Schlaf der Jugend.
Am darauffolgenden Sonntag hatte sich Lu auf Drängen ihrer Mutter ein- paar Freundinnen für den Nachmittag eingeladen. Frau Gertrud erhoffte davon einige Zerstreuung für ihre Tochter, die jetzt oft so trübselig vor sich hin, blickte. Stundenlang saß sie oftmals da, ohne ein Wort zu sprechen, sie. die sich sonst so lebhaft und heiter zeigte.
Nur ungern hatte Lu den Wunsch der Mutter erfüllt, und als die Mädchen kamen, fanden sie Lu seltsam verändert und gaben ihrer Verwunderung darüber lebhaften Ausdruck.
' „Weißt du, Lu, das ist nicht hübsch von dir, daß du dich von allem zurückziehst!" sagten sie schmollend. „Nirgends jrifft man dich mehr, weder bei unseren Lesekränzchen, noch beim Tennis oder sonstwo? Was ist denn eigentlich geschehen, daß du so anders geworden bist?"
» Lu lächelte leise: „Laßt mich — später vielleicht sollt ihr ,llles erfahren, aber jetzt — bitte, quält mich nicht mit Fragen!"
- Da Lu in ihrem Zimmer ein herrliches Piano hatte, so wurde musiziert und gesungen. Aber der Tag war noch so' sonnig und warm, daß die kleine Gesellschaft beschloß, den Aaffee im Park unter den Blutbuchen zu nehmen
Ganze Berge von Kuchen schleppte der Diener herbei und Lu mußte herzlich lachen, als sie zusah, wie eine Platte um die andere geleert wurde. Die Mädchen suchten fröhlich zu sein, sie lachten und scherzten wohl, aber es wollte doch keine rechte Stimmung aufkommen.
Man konnte auch nicht allzulange im Freien verweilen. Der Herbst kürzte die Tage schon merklich und als die Sonne im Westen versunken war und die herbstlichen Nebel sich feucht und kalt auf die halb entblätterten Strüucher des Parkes legten, nahmen die Freundinnen unter Lachen und Plaudern und vielen Danksagungen für den schönen Nachmittag Abschied.
Lu begleitete sie bis zum Parktor. Dann stand sie noch lange und sah der fröhlichen Schar nach, bis diese unter Grüßen und Winken um die nächste Ecke verschwand.
Lu wollte eben das schwere eiserne Gittertor schließen, als sie leise ihren Namen rufen hörte. Erschreckt blieb sie stehen, wie angewurzelt, und schaute in die hereinbrechende Dunkelheit.
Hinter dem nahen dicken Eschenstamm kam eine Gestalt auf sie zugestüczt, gleich darauf fühlte sie ihre Hände erfaßt, und kaum wußte sie, wie er geschah, hielt Alfred Wendtland sie umschlungen und flüsterte in heißer Leidenschaft: „Lu, — meine Lu — ach, endlich ist es mir gelungen, dich wiederzusehen! — Entlich darf ich dich in meinen Armen halten! Wie habe ich mich gesehnt nach dir! Nun wird meine Ausdauer doch noch belohnt! Schon seit Stunden warte ich hier! Ich hörte Lachen und Plaudern und baute meine Hoffnung aus das Fortgehen der Mädchen! Ich dachte mir, daß du sie begleiten würdest. Wäre mir auch bloß beschieden gewesen, dich einen Augenblick zu sehen, so wäre ich gleich belohnt für die Mühe des Wartens! Und nun habe ich dich wieder, ach, welch ein unerwartetes Glück!"
Lu war betäubt. Sie vermochte im ersten Augenblick kaum den Sinn seiner Rede zu fassen, so erschreckt war sie.
Aber als sie sich gefaßt hatte, war ihr erster Gedanke: Wenn jemand diese Szene beobachtete! Oder wennn eines von der Dienerschaft käme! Und wie leicht könnten die Hunde den Fremden wittern und Lärm schlagen!
Alfred hielt sie fest an sich gepreßt, als wollte er sie nie mehr loslassen. Wieder und wieder küßte er den zitternden Mund, bis Lu in heißer Angst flehte: „Lieber Alfred, ich kann hier nicht bleiben! Denke, wenn uns jemand sähe,
ich bitte dich, gehe jetzt! Mein Vater ist in die Stadt Kgan^ gen, er kann jeden Augenblick zurückkommen! Wenn er dich hier träfe — o mein Gott — dann wäre alles „Jetzt soll ich schon wieder gehen, wo ich dich kaum sind Minute in den Armen halte?" entgegnet« er schmerzlich. „Wie habe ich mich nach dir gesehnt in all diesen bangen Tagen! So kann es unmöglich weitergehen. Diese Ungewißheit ertrage ich nicht länger! Ich kann es nicht! Ich will zu den nem Vater gehen und ihm alles sagen!"
„Um alles zu verderben!" fiel Lu rasch ein. „Jetzt wäre der ungeeignetste Zeitpunkt dafür! Mit kaltem Hohn würde er dir die Türe weisen und wir könnten uns. nie mehr sehen! Nein, nein, das darfst du nicht, Fredy, versprich mir, es nicht zu tun! Mein Vater will mich einem andern geben, einem» den er längst für mich bestimmt hat! Beruhige dich," fuhr sie fort, als sie bemerkte, wie Alfred heftig zusammenzuckte, „ich werde mich schon zu wehren wissen, wenn mein Vater mit seinem Plan hervortritt l Die Mutter, die ich in alles einweihte, versprach mir ebenfalls ihre Hilfe."
Alfred ließ mutlos den Kopf sinken.
„Da bleibt uns wenig Hoffnung, mein Lieb! Ich kenne deinen Vater Wer weiß, welche ergeizigen Pläne er verfolgt. Und ich, was bin ich? — Einer der nichts hat und nichts ist, der nur den ehrlichen Willen mitbringt, dich glücklich zu machen!" , -E
„Ehrgeizige Pläne können es diesmal nicht sein, die meines Vaters Handlungsweise bestimmen, denn derjenige, den er sich zum Schwiegersohn gewählt hat, besitzt weder Vermögen noch Rang oder Titel, er ist ebenfalls ein Angestellte der Bank, wie du! Mein Vater muß andere Gründe haben. Welche, weiß ich vorläufig noch nicht!" q
Sie stieß das alles rasch hervor, sie wagte nur im Flüsterton zu sprechen, aus Sorge, gehört zu werden. Aengstlich lauschte sie immer wieder in den Park hinein und die Stra- ße hinab. Aber alles blieb still.
„Ich bitte dich, geh jetzt, Fredy, ich darf nicht länger bleiben, wenn es nicht auffallen soll!" '
(Fortsetzung folgt.) ^