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Amtsblatt Mr W^dbad. Chronik und Anzeigenblatt

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Nümrner 43

Fernruf 179

Montag, den 22. Februar 1926

Fernruf 179

61. Jahrgang

Der polnische Locarnogeisl

Als vor etwa vier Wochen der berüchtigte polnische West­markenverein zu einer Propagandawoche aufrief, wurden die Kundgebungen, die von unerhörten Beschimpfungen ge­gen die Deutschen in Polen und gegen das Deutsche Reich strotzten, bedauerlicherweise nicht so beachtet, wie man es hätte erwarten müssen. War es schon bezeichnend, daß diese Hetzveranstaltungen von den verantwortlichen Ministern und führenden Politikern tatkräftig unterstützt wurde, indem sich diese Persönlichkeiten durch ihre Unterschrift unter den Auf­ruf für die neue Aera der Deutschenversolgungen einsetzten, ttc vom allein die Tatsache, daß der Westmarkenverein

erst in jüngster Zeit von der Warschauer Regierung erheb­liche Mittel für seine Hetztätigkeit erhalten hat, die Aufmerk­samkeit der breitereu Oeffentlichkeit auf die Zustande in Polen lenken sollen. In weiten Kreisen in Polen versteht man es einfach nicht, daß man in Deutschland so wenig Interesse an dem Schicksal der durch d a s L e r s a i l l e r D i k t a t v o in M u t t e r I a n d e l o s- gerissenen Deutschen nimmt. Selbst Angehörige der Alliierten und Neutrale erklärten erst kürzlich wieder, daß man es in ihrer Heimat nicht begreift, daß Deutschland im Osten so vollkommen tatenlos verharrt.

Als im vergangenen Jahre die K a r r i d o r f r a g e et­was stärker erörtert wurde, da hosste man vielfach, daß end­lich energische Schritte unternommen würden, uni dieses größte Unrecht an Deutschland zu revidieren. Selbst >n englischen Zeitungen setzten sich bekanntlich damals einfluß­reiche Politiker und Journalisten für eine Revision der deutschen Ostgrenzen ein, die eine dauernde Gefahr für den europäischen Frieden bildeten. Hätte damals eine geschickte deutsche Propaganda die Stimmung der Welt besser auszu­nützen verstanden, so hätte man im Osten vielleicht doch etwas erreicht. Die ersten polnischen Drohungen genügten jedoch bereits, um die deutschen verantwortlichen Stellen zum Rückzug zu veranlassen.

Wel.n man geglaubt hat, durch eine stärkere Zu­rückhaltung die Polen versöhnen zu müssen und zu können, so hat man sich wieder einmal gründlich getäuscht. Weder haben sich die deutsch-polnischen Be­ziehungen gebessert, noch haben die Deut­schen in Polen irgend etwas von einem Lo­carnogeist zu spüren bekommen. Im Gegenteil: die Ereignisse der letzten Tage und Wochen beweisen, daß die Deutschenhetze in Polen neuerdings systematisch wieder ausgenommen worden ist. Während sich die polnische Presse während der Verhandlungen um den Ostpakt offenbar aus einen Wink der Warschauer Regierung einer gewissen Zu­rückhaltung befleißigte, vergeht seit Wochen kaum ein Tag, an dem nicht die polnische Presse maßlose Hetzartikel gegen Deutschland und die Deutschen in Polen richtet. An dem Verfall der polnischen Währung sollten die bösen Deutschen die Schuld trägen. Es war eine bequeme Ausrede der polnischen Presse, die durch derartige Verleumdungen Deutschlands die Aufmerksamkeit der polnischen Bevölkerung und des Auslandes von der Unfähigkeit der polnischen Machthaber, das zerrüttete Wirtschaftsleben des Landes in geordnete Verhältnisse zu bringen, ablenken wollten. Auch das Scheitern der polnischen Anleiheverhandlungen wurde auf das Schuldkonto der Deutschen gesetzt, die im Auslande den Kredit Polens zu untergraben verstanden hätten.

Nachdem der Boden für die Deutschenverfolgungen so genügend vorbereitet war, holte man zu einem neuen Schlage aus. Mun suchte eine weitere Rechtsgrundlage, um der Welt zu zeigen, wie gefährlich doch die Deutschen in Polen sind. Wie es so in Polen üblich ist, ging man dabei mit einer nicht zu übertreffenden Skrupellosigkeit vor. Unter dsm Vorwände, daß geheime deutsche Organisationen beständen, die die Sicherheit des polnischen Staates gefähr­deten, wurden in Ost-Oberschlesien und in Pommerellen bei zahlreichen Deutschen Haussuchungen vorgenommen. Nach den Nachrichten aus Kattowitz unterliegt es keinem Zweifel, daß diese.neue Aktion von dem Westmarkenverein inszeniert worden ist, der damit seine Daseinsberechtigung beweisen wollte. Besonders tat sich bei der Pressehetze der Jll. Kurjer Codzienny" hervor, der in einem ArtikelEs ist Zeit, daß Herr Skrzynski italienisch redet" von einer Spionage- und Jrredenta-Organisation in Ost-Oberfchlesicn und Pommerellen faselte und drohend erklärte: Mussolini hat mit. der Kraft und mit der Unzweideutigkeit, die seine ganze Handlungsweise charakterisiert, sich gegen die deut­schen Praktiken im Alto Adige verwahrt, und Deutschland hat seine italienischen Worte verstanden. Es tut not, daß auch Herr Skrzynski sich in italienischer Sprache an Deutsch­land wendet.

In brutalster Weise ging man gegen die Deutschen, die in der Deutschtumsbewegung eine Rolle spielen, vor. Es ist zu befürchten, daß die Vorgänge der letzten Tage nicht ver­einzelt bleiben werden, daß sie vielmehr nur den Auftakt bilden für weitere Ausschreitungen gegen die Deutschen. Daß Deutschland dieser Entwicklung im Osten nicht lomger ruhig zusehen kann, ist selbstverständlich. Solange die War­schauer Machthaber es an einem Verständrgungswmen

Tagesjpiegel

Der Skeuerausschuß des Reichstags beschloß nach ein­gehender Beratung, die Erhöhung der gesetzlichen Miete auf 100 Prozent erst ab 1. Juli 1926 in Kraft treten zu lassen.

Zu den Blätkermeldungen über den bevorstehenden Rück­tritt des erkrankten Ernahrungsmmisters Dr. Haslinde teilt dieGermania" mit, daß Dr. Haslinde sofort nach seiner Wiederherstellung die Dienstgeschäfte wieder übernehmen werde.

Der Generalsekretär des Bölkerbnüds reist in den näch­sten Tagen nach London.

Als Nachfolger des Grafen Bosdari ist Graf Aldobrandi zum italienischen Botschafter in Berlin ernannt worden.

fehlen lassen, kann Deutschland keinerlei Interesse an einem Wirtschaftsabkommen mit Polen haben, von dem man nicht erwarten kann, daß es die übernommenen Verpflichtungen loyal durchführt.

Neue Nachrichten

Mrtschastspartei und Reichsregierung Berlin, 21. Febr. Die Erklärungen des Reichskanzlers über di« Finanzpläne der Regierung sind nicht ohne Ein­druck geblieben. Die Wirtschaftspartei, die sich bis. dahin fast grundsätzlich gegen das Kabinett gestellt hatte, Me in ihnen ein Entgegenkommen und ziehe die Möglichkeit einer Aenderung ihrer Haltung in Erwägung. Dem Kabinett käme eine solche Aenderung sehr gelegen, nicht so sehr wegen des materiellen Gewichts, das die Wirtschaftspartei mit ihrer immerhin kleinen Slimmcuzcchl darstellt, als wegen des moralischen Vorteils.

Abstimmungen zum Aürstenvergleich Berlin, 21. Febr. Im Rechtsausschuß des Reichstags wurde der kommunistische Antrag auf entschädigungslose Enteignung der Fürsten in der Schlußabstimmung gegen die Stimmen der Kommunisten und Sozialdemokraten ab­gelehnt. Die Abstimmung über den Z 1 des Kompromiß­antrags wurde abschnittsweise vorgenommen und ergab nach Ablehnung der dazu vorliegenden Aenderungsanträge mit wechselnder Mehrheit die Annahme in der Fassung der Kompromißparteien. Als Aenderung wurde nur auf An­trag der Deutschen Volkspartei beschlossen, daß der Reichs­präsident die Mitglieder des Sondergerichtsauf Vorschlag der Reichsregierung" ernennt, aus Antrag der Demokraten, daß die beiden von den streitenden Parteien zu ernennenden Beisitzer wegfallen, ja daß das Sondergericht nur aus Berufsrichtern bestehen soll. M

Deutschnattonaler Antrag ans Revision der Versassunf) Berlin. 20. Febr. Die deutschnationale Reichstagsfraktlon hat im Reichstag einen Antrag eingebracht, einen Ausschuß von 28 Mitgliedern einzusetzen, der die Reichsverfassung auf auf Grund der bisher gemachten Erfahrungen einer Revision unterziehen soll, und zwar u. a. in der Richtung:

1. daß Artikel 54 aufgehoben oder mindestens im Sinne der Stärkung der Regierungsgewalt abgeändert wird,

2. daß neben dem Reichstag als gleichberechtigter Faktor der Gesetzgebung eine Körperschaft eingeschaltet wird, deren Mitglieder nicht im Wege allgemeiner oder direkter Wahlen bestellt werden.

Der Artikel 54 bestimmt: Der Reichskanzler und die Reichsminister bedürfen zu ihrer Amtsführung des Ver­trauens des Reichstags. Jeder von ihnen muß zurücktreten, wenn ihm der Reichstag durch ausdrücklichen Beschluß sein Vertrauen entzieht.

Pariser Polizeikommissare in Berlin Berlin, 21. Febr. Die von der Pariser Kriminalpolizei in Sachen der Budapester Frankenfälscheraffäre nach Berlin entsandten Polizeibeamten Doulcet und Gravierre erschienen gestern auf dem Polizeipräsidium. Die Anwesenheit der französischen Kommissare gilt der Untersuchung technischer Einzelheiten der Frankenfälscheraffäre, von untergeordneter Bedeutung vor allem der Frage, in welcher Weise die Buda­pester Frankenfälscher sich die Mithilfe des eben verhafteten Schulze gesichert haben. Irgendwelche politische Bedeutung ist diesem Besuch nicht beizumessen.

Die Anklageschrift gegen Varmak Berlin, 20. Febr. In ihrer Anklageschrift von mehr als 600 gedruckten Folioseiten bezichtigt die Staatsanwaltschaft derB. Z." zufolge zwei Brüder B a r m a t, darunter Julius Barmat als Hauptangeklagten, des Betrugs gegenüber der Staatsbank, ferner wegen passiver Bestechung der ehemaligen Reichspostminister Höfle und Hellwig. Gegen die anderen Barmats wird die Einstellung des Verfahrens be­antragt. Hellwig wird angeklagt der Untreue und passiver Bestechung. Auch Abgeordneter Lange-Hegermann ist cm-

gcnugi. LU.-I oem sruyeren wcmyieriaioirertor Kauz wird beantragt, ihn außer Verfolgung zu setzen. Der verstorbene Minister Dr. Höfle gilt als schwerer Bestechung für überführt. Der dem Reich und dem Staate Preußen.zugefügte Schaden wird auf Tiber 20 Millionen Mark geschätzt. Die Staats­anwaltschaft will in der Lage sein, ihre sämtlichen 'Angaben urkundlich zu belegen, so daß Zeugenaussagen in diesem Prozeß keine entscheidende Rolle spielen sollen.

Aussetzung der Berkündung des Militärstrafgesehes

Berlin. 20. Febr. Bon den Regierungsparteien wurde im Reichstag ein gemeinsamer Ankrag eingebrachk, in dem der Reichspräsident auf Grund des Art. 72 der Reichsverfassung ersucht wird, die Berkündung des am 3. Februar im Reichs­tag beschlossenen Gesetzes zur Vereinfachung des Milikä'i- strafrechts zwei Monate auszusehen. ^

Italienische Rückfragen in Wien

Wien. 21. Febr. Amtlich wird bekannt gegeben: Der königlich italienische Ministerpräsident hat nach Kenntnis­nahme der Rede des Bundeskanzlers Dr. Ramek die Auf­merksamkeit der Bundesregierung darauf lenken lassen, daß der österreichische Gesandte von Mussolini nach der Rede im Senat empfangen worden ist und daß es sich bei diesem Besuch um eine sreundschaftliche Anfrage gehandelt hat. Die österreichische Regierung hat diese Feststellung ohne weiteres entgegen genommen.

Im Gegensatz zu dieser österreichischen Darstellung, die jeden Gegensatz abstreiten möchte, berichtetAgencia Ste­fan!", der italienische Gesandte in Wien habe von Mussolini den Auftrag erhalten von Bundeskanzler Ramek über ge­wisse Punkte seiner Rede formelle Erkundigungen einzu­holen. Eine erste Aussprache habe bereits stattgefunden. Noch schärfer aber kommt die Brüskierung zum Ausdruck in den Auslassungen der offiziösenTribüna". Das Blatt schreibt:Oesterreich treibt ein doppeltes Spiel, indem es seine Selbständigkeit und Unverletzlichkeit dem Völkerbunde anvertraut und sich gleichzeitig der pangermanischen Bewe­gung anschließt. Oesterreichs geographische Lage als Nach- bar Italiens, Südslawiens, Ungarns, der Tschechoslowakei und Deutschlands lasse nur eine gemeinsame Politik diesen Mächten gegenüber zu, keine einseitige Anlehnung an Deutschland. Besonders Italien dürfe nicht dulden, daß die Minderheitenfrage von Deutschland aufgerollt und von Oesterreich aufgegrisfen würde. Oesterreich dürfe sich nicht zum Instrument der deutschen Politik nach dem Eintritt Deutschlands in den Völkerbund machen lassen. Sollte Oester- reich trotzdem mit Deutschland im Völkerbunde Zusammen­gehen, so könne es den Völkerbund nicht mehr als Garanten seiner Selbständigkeit und Unverletzlichkeit anrusen. Musso­lini habe aber deutlich zu verstehen gegeben, daß die Inter­essen Italiens wichtiger seien als die des Völkerbundes. Die italienische Presse ist im übrigen von dennotwendigen und entgegenkommenden" Erklärungen, die Ramek dem italienischen Botschafter machte, befriedigt. s

Rußland kauft Flugzeuge

Moskau, 20. Febr. Der Rat der Volkskommissare hak den Plan des Volkskommissariats 200 Flugzeuge für die russische Armee anzukaufen, bestätigt. Die Bestellungen sollen an holländische und französische Firmen vergeben werden. Eine Kommission begibt sich hierzu in nächster Zeit nach dem Ausland. i

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Der deutsche Schritt in Warschau

Warschau, 20. Febr. Dienstag mittag überreichte der deutsche Gesandte im Ministerium des Aeußeren die schrift­liche Anfrage seiner Regierung über die Deutschenver- folgungen ln Oberschlesien. Die deutsche Demarche beschränkt sich auf ein Auskunfksersuchen, inwieweit von den Maß­nahmen in Ostoberschlesien Reichsdeutsche betroffen worden sind. Die deutsche Fraktion des Warschauer Sejm hat eine Interpellation eingebracht, in der die polnische Regierung er­sucht wird, die Untersuchungen gegen die verhafteten Deut­schen in Oberschlesien zu beschleunigen und der Hetzkampagne der polnischen Presse, die die Ereignisse in Polnisch-Schlesien dazu benutze, die polnische Bevölkerung gegen das Deutsch­tum aufzuwiegeln, durch rigorose Maßnahmen seitens der Verwaltungsbehörden ein Ende zu bereiten. Gegen 18 der bisher polizeilich festgenommenen deutschen Führer ist gestern der gerichtliche Haftbefehl erlaffen worden. Er lautet auf Verdacht des Verbrechens des Landesverrats s!). Wei­tere rund 40 Deutsche befinden sich noch in den Polizeigefäng- niffen von Kattowitz und Königshütte. Nach einer Meldung derAgencia Wschadnia" aus Kattowitz ist in derSpionage­affäre" des Deutschen Volksbundes gegen 270 Personen das Unkersuchungsverfahren eingeleikek worden. DieTägliche Rundschau" meldet: Der deutsche Reichs- und Staatsverkre- ter bei der Gemischten Kommission für Oberschleflen hak dem Präsidenten Calonder gegenüber die gegen den Deutschen Volksbund in Ost-Oberschlesien gerichteten Verhaftungen und Haussuchungen sowie die durch die polnische Presse ln der deutschen Minderheit hervorgerufene große Beun­ruhigung Mr Sprache gebracht.