. Der Streit im Völkerbund
London, 19. Febr. Bei dem Essen, das gestern die Vereinigung der Auswärtigen Presse zu Ehren Chamberlains gab, hielt dieser eine Rede, in der er über Locarno erklärte, die dort begonnene Politik könne nicht in einem Monat oder einem Jahr oder selbst in ein paar Jahren durchgeführt werden. Glauben Sie nicht, betonte Chamberlain, daß ich Ihnen eine Erklärung über die Stellung des Völkerbundsrates abgeben will, die ich noch nicht im Unterhaus abgegeben habe und die ich tatsächlich auch im Unterhaus noch nicht abgeben kann, da die britische Regierung, wie ich glaube, sehr mit Recht, noch keine endgültige Entschließung über diese Frage faßte. Alles, was ich im Augenblick sagen kann, ist, daß man dieses Problem nicht im Lichte der Kriegsverhältnisse betrachten und nicht tragen darf, wie wir die besondere Gruppierung von Mächten verewigen und die mutmaßliche inter- nationale Rivalität ausgleichen können. Notwendig ist vielmehr, alle Differenzen im versöhnenden Sinne auszugleichen. Im Gegensatz zum Mehrheitsprinzip ist es die Aufgabe des Völkerbundsrates, als eine höchste moralische Autorität zu wirten und durch Einstimmigkeit Differenzen überzeugend aus der Welt zu schaffen.
Die Worte Chamberlains ließen vermuten, daß über eine Umorganisation des Völkerbundsrates in den nächsten Monaten verhandelt wird und daß die Aufnahme weiterer Mitglieder beschlossene Tatsache ist.
Um Polens Raksslh
Paris, 19. Febr. Der englische Gesandte in Warschau hatte eine längere Unterredung mit dem polnischen Ministerpräsidenten Skrzynski über die Bestrebungen Polens auf Zuteilung eines ständigen Sitzes im Völkerbundsrat. Nach der Konferenz erklärte Skrzynski polnischen Pressevertretern, daß der Standpunkt Englands mit dem Polens überein- stimme. Der „Quai d'Orsay" hat durch „Havas" die Meldung dementieren lassen, wonach Frankreich darauf verzichtet habe, die Kandidatur Polens, Spaniens und Brasiliens zu unterstützen. Andererseits aber wird gerade in Paris neuerdings Polens Stellung sehr schlecht beurteilt. Die gesamte Pariser Presse setzt sich natürlich für Polen ein. Diesen französischen Auslassungen gegenüber betonen die englischen Blätter, England sei auch heute noch, ebenso wie Schweden und Japan, gegen eine Erweiterung des Rates. „Daily Telegraph" schreibt aber, es könnte sein, daß die französische Diplomatie darauf ausgehe, von Deutschland schon vor seinem Eintritt in den Völkerbund eine Zusage dahingehend zu erhalten, daß Deutschland nicht gegen Polens Wahl Zuspruch erheben werde, wenn nicht zu einem permanenten Sitz, so doch wenigstens zu einem provisorischen Ratssitz. Diese englische Vermutung wird durch eine Haoas- meldung aus Genf unterstrichen, die besagt, daß Polens Antrag auf Zuteilung eines Ratssitzes mit der Tagesordnung des 8. März, Absatz 2, zur Erledigung kommt, d. h. also zugleich mit Deutschlands Aufnahme in den Rat.
Luther über die Wirtschaftsmatznahmen
Berlin, 19. Febr. Bei der allgemeinen Aussprache über die gestrige Regierungserklärung erkannte Abg- Hergt (Dnatl.) an, daß für die Erwerbslosen etwas geschehen müsse. Darauf nahm Reichskanzler Dr. Luther das Wort. Er hob hervor, daß gegen die Regierung der Vorwurf der Planlosigkeit erhoben worden sei. Das Programm der Regierung werde aber durch die Ueberzeugung bestimmt, daß jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, wo eine grundsätzlich andere Stellung zu unserer Steuerpolitik eingenommen werden könne und müsse, wie im Herbst 1923. Damals sei die große Richtlinie unserer Finanzpolitik Rettung und Schutz der Währung gewesen. In der Lage, in der die Regierung nicht gewußt hätte, wie sie die öffentlichen Ausgaben ohne Gefährdung der Währung decken konnte, hätte sie zu jenen, die Wirtschaft schwer treffenden Substanzsteuern greisen müssen. Erst die Einführung der Goldwährung und das Hineinkommen ausländischer Anleihen hätten unserer Steuerpolitik allmählich andere Bahnen weisen können. Nachdem jetzt nicht nur die Währung gesichert und Ausländsanleihen hereingekommen seien, sondern auch der große Prozeß der Reinigung der Wirtschaft von künstlichen Existenzen weit fortgeschritten fei, müsse jetzt an Stelle der Währung als Angelpunkt unserer Wirtschaftspolitik die Schonung der Wirtschaft treten. Damit die Wirtschaft sich erholen könne, hätte die Regierung die Absicht, ihr die öffentlichen Lasten so viel als möglich abzunehmen. Die Vorsicht dabei könne nicht so weit gehen, daß dadurch die Antriebskraft für die Wirtschaft beeinträchtigt würde. Cs handelt sich nicht nur um Steuersenkung, sondern auch um den
Entschluß, die Ausgaben des außerordentlichen Etats ans Anleihen zu verweisen. Auch das ist ein Wagnis, das wir nur unternehmen, weil wir den Glauben an eine Erholung der Wirtschaft haben. Wir wagen es, unser Werk auf normale Etats und Wirtschaftsverhältnisse einzustellen. Dazu kommt, daß wir das möglichste versuchen werden, die Wirtschaft anzukurbeln. Wir werden das besonders da tun, wo, wie bei der Eisenbahn, zwangsweise auferlegte, nicht wirtschaftlichen, sondern politischen Gründen entsprungene Hemmungen bestehen. Die Preissenkungsaktion hat tatsächlich Erfolg gehabt. Sie hat anfangs schwer darunter gelitten, daß vielfach im politischen Leben unsere Arbeit nach dieser Richtung als nicht ernst bezeichnet worden ist Luther wies dann darauf hin, daß eine allmähliche Umstellung der Wirtschaft auf normale Verhältnisse überhaupt erst möglich gewesen sei, nachdem für die Regelung der Aufwertungsfrage die gesetzliche Grundlage und -nachdem ein festes Steuersystem wieder geschaffen war. Die Zollgesetzgebung des vorigen Sommers, die in ihrer Art durch die Schutzzollentwicklung ,'m übrigen Europa notwendig geworden sei, habe überhaupt erst die Grundlage zum Abschluß von Handelsverträgen gegeben, wobei es sich im Ziel darum handelte, neben der selbstverständlich überaus wichtigen Krssftigung des Jnnenmarktes durch möglichst leichten Warenaustausch in Europa und der Welt da» gesamte Wirtschaftsleben zu fördern.
Erhöhte Unterstützungssätze für die Erwerbslosen
Berlin. 19. Febr. Im Haushaltausschuß wurde heute nach Ablehnung der kommunistischen und sozialdemokratischen Anträge der Antrag der Regierungsparteien zur Erwerbslosenfürsorge gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und Kommunisten angenommen. Mit der gleichen Mehrheit wurde eine Entschließung der Regierungsparteien angenommen, in der ein Einschreiten gegen unberechtigte Ausnutzung der Erwerbslosenunterstützung verlangt wird. Angenommen wurde ferner eine Entschließung, in der eine Prüfung verlangt wird, ob in Betrieben, in denen Kurzarbeit nicht durch den Ausfall voller Arbeitstage durchführbar ist, nicht auch dann die Unterstützung eintreten kann, wenn die umgerech- neken Stunden die erforderliche Zahl von Arbeitstagen ergeben, wobei die besonderen Arbeitsverhältnisse der Angestellten zu berücksichtigen sind.
Der Antrag -der Regierungsparteien besagt: Die Unterstützungssätze in der Erwerbslosenfürsorge werden in den Ortsklassen K, L und L mit sofortiger Wirkung erhöht, 1. für Alleinstehende unter 21 Jahren um 20 v. H., 2. für Alleinstehende über 21 Jahre um 10 v. H., 3. für alle übrigen Hauptunterstützungsempfänger, sofern diese bereits 8 Wochen nacheinander unterstützt morden sind, ebenfalls um 10 o. H.
In der Kurzarbeiterfrage ist der Beschluß des sozialpolitischen Ausschusses von der Regierung gutgeheißen worden. Danach tritt keine Differenzierung zwischen Ledigen und Verheirateten ein. Der Unterstützungssatz für Kurzarbeiter beträgt für den 3., 4. und 5. ausgefallenen Arbeitstag den Tagessatz, den der Kurzarbeiter als Vollerwerbsloser erhalten würde.
Der Auswärtige Ausschuß gegen eine Rakserweilerung
Berlin, 19. Febr. Der Auswärtige Ausschuß des Reichstages trat heute unter dem Vorsitz des Abgeordneten Hergt (Dnatl.) zusammen, um über die Frage der Völkerbundsrat- sttze zu beredten. Als erster ergriff Reichsaußenminister Dr. Stresemann das Wort. An dis Erklärungen des Außenministers schloß sich eine umfangreiche Aussprache. Abge- lehnt wurde ein kommunistischer Antrag, daß die Reichs- regierung aufgefordert werden soll, das Eintrittsgesuch Deutschlands in den Völkerbund zurückzuziehen. Für den Kommunistischen Antrag stimmten 8 Mitglieder des Ausschusses. Dazu wurde durch den Vorsitzenden, Abg. Hergt (Dntl.), festgestellt, daß unbeschadet der grundsätzlichen Stellungnahme der einzelnen Parteien zum Völkerbund von sämtlichen Parteien des Ausschusses mit Ausnahme der Kommunisten und Völkischen die Auffassung vertreten werde, daß das Gesuch Deutschlands um die Aufnahme in den Völkerbund unter der Voraussetzung gestellt worden ist, daß entsprechend den gepflogenen internationalen Verhandlungen und den dabei gegebenen Zusagen Deutschland bei der bevorstehenden Tagung des Völkerbundes einen ständigen Sitz im Völkerbundsrat erhält, ohne daß dabei eine weitere Aenderung in der Zusammensetzung des Rats einlritt.
Die kommunistische Gefahr
Berlin, 19. Febr. Die Kommunisten entfalten wieder im ganzen Reiche eine fieberhafte Tätigkeit. In Hamburg hat sich ein Roter Matrosenbund gebildet. Zu den etwa 80 verschiedenen kommunistischen Organisationen der Aeichshaupk-
stadk ist am Montag ein roter Bund früherer Beatnken und Soldaten des Reichs getreten. Die kommunistischen Skraßen- umzüge in Berlin mit Boranlragen roter Fahnen und in militärischen Gliederungen der Mannschaften gestalten sich zu einer ständigen Einrichtung. Gestern ist es wieder in Lichkenberg zu schweren Zusammenstößen mit harmlosen Skraßenpasfanken gekommen, die die Straße für die aufmarschierenden Revolutionäre nicht rechtzeitig freimachten. Dabei wurden sechs Personen verletzt.
Die Alossulfrage vor dem Unterhaus ^
London, 19. Febr. Im Unterhaus fand gestern eine Aussprache über die Mossulfrage statt. Ein Antrag der Arbeiter- Partei, wonach die Politik der Regierung getadelt wird, ist mit 265 gegen HO Stimmen abgelehnt worden. Chamber- lain erklärte in Beantwortung der von der Opposition er- bobenen Einwände, er glaube nicht, -aß sich die Türkei der Durchführung des Völkerbundsbeschlusses widersetzen werde- Es gäbe jetzt eine endgültige Grenze zwischen der Türkei und dem Irak. England wolle aber trotzdem versuchen, den Völkerbundbeschlich der Türkei annehmbar zu machen. Aus diesem Grunde seien Verhandlungen mit der Türkei eröffnet worden. Die Behauptung, England sehe es auf die Oelguellen im Mossulgebiet ab, sei eine handgreifliche Lüge.
Lärmszenen im Prager Parlamenk Prag, 19. Febr. Bei der Ausftirache über die Erklärungen, die Benesch vor einigen Tagen in der Franken» faljchungsangelegenheit und über die Sprachenverordnung abgab. kam es wieder zu scharfen Angriffen gegen die tschechische Regierung. Auf der Tagesordnung standen Dringlichkeitsanträge der deutschen Sozialdemokraten, der Kommunisten und der Deutschnationalen Partei über die Auf- Hebung des Beamtenabbaugesetzes, die von der tschechischen Mehrheit niedergestimmt wurden. Vor Eintritt in die Tages- ordnung erklärte der Präsident, das Präsidium des Hauses habe beschlossen, von nun an mit äußerster Strenge vorzugehen. Diese Erklärung wurde von der Opposition mit größtem Lärm ausgenommen. Als erster Oppositionsredner sprach der Führer der deutschen Sozialdemokratie. Dr. Czech, der sehr scharfen Einspruch gegen die Sprachenverordnuna erkwb.
Württemberg
Stuttgart. 19. Febr. Zur G e b ä u d e e n t schu l- dungssteuer. Die Gemeindebehörden sind von den Ministerien des Innern und der Finanzen angewiesen worden, die Behandlung der bei ihnen etwa vorliegenden oder noch eingehenden Anträge aus Minderung der Gebäudeentschuldunassteuer für die Zeit vom 1- Januar bis 31. Juli 1925 zunächst zurückzusiellen. Weitere Weisung wird folgen.
Aus dem Parteikeben. Die Deulsch-demokratische Partei von Groß-Stuklgart hielt gestern abend ihre Hauptversammlung ab, auf der Abg. Dr. Fritz Elsas sowie Staatspräsident a. D. Dr. Hieber sprachen.
Vom Tage. In einem Haus der Arminfirahe verübte nachmittags ein 56 Jahre alter Kaufmann Selbstmord durch Erschießen. — In der Küche ihrer Wohnung wurde in der Hermannstraße eine 35 Jahre alte Frau bewußtlos aufgefunden. Es lag eine Gasvergiftung vor. Der Sauerstoffapparat wurde erfolgreich angewendet. — In einem Haus der Kolbstraße stürzte ein 5 Jahre altes Mädchen, das nach einer Papierschlange griff, aus dem Treppenhausfenster des erstW Stockwerkes in den Hof. Es erlitt dabei einen Schädeibruch.
Aus dem Lande
Ehlingen, 19. Febr. Glockenspiel aufdem alten Rathaus. Auch in Eßlingen besteht die Absicht, in Pas alte Rathaus ein Glockenspiel einzubauen, das den Reiz und die Anziehungskraft des schönen Gebäudes noch erhöhen würde. Dieser Tage ist nun ein« Kommission von hier in Stuttgart gewesen und hat das Glockenspiel auf dem dortigen Rathaus besichtigt.
Wohnungstausche sreigegeben. Die Wohnungsabtellnng des Gemeinderats hat übereinstimmend mit dem Wohnungsamt beschlossen, jeden Wohnungstausch vom Wohnungsamt aus grundsätzlich zu genehmigen, sofern nicht gesetzliche Bestimmungen entgegenstehen (Beamtenwvhnungen), sowie di« Wohnungszwangswirtschaft über Wohnungstausche aufzuheben und zu gestatten, daß jede Wohnung gegenseitig getauscht werden kann.
Gmünd, 19. Febr. Ein Einbrecher gefaßt. Rach langen Bemühungen ist es gelungen, den seit 1924 von vie-
And dennoch kam das Glück..
^7^ Original-Roman von Irene Hellmuth 11) (Nachdruck verboten.)
„Laß gut sein, Werner! Das wird zwischen mir und Wiebrecht abgemacht. Du brauchst dich darum nicht zu kümmern."
Unter diesen Reden waren die beiden zu Hause angelangt. Eine ältliche Haushälterin führte ihnen die Wirtschaft, da Hildebrands Frau schon lange tot war.
Ein- Woche war vergangen. Während dieser Zeit hatte Lu den Vater nur bei den Mahlzeiten gesehen. Wenn er abends nach Hause kam, zog er sich sofort auf sein Zimmer zurück; er ließ sich das Essen nicht selten dorthin bringen oder speiste im Gasthaus und kam erst dann heim, wenn Lu schon zu Bette lag. Sie wunderte sich im Stillen, daß der Vater nichts von seinen Plänen verlauten ließ und bei den mittäglichen Mahlzeiten fast etwas freundlicher und zugänglicher erschien, als sonst. Lu glaubte schon an eine Sinnesänderung und atmete erleichtert auf.
Sie sprach diesen Gedanken der Mutter gegenüber aus, wenn sie abends lesend oder mit Handarbeit beschäftigt beisammen saßen in dem behaglichen Zimmer Frau Gertruds.
Aber diese schüttelte den Kopf.
>>3ch glaube nicht an eine Sinnesänderung deines Vaters, meinLiebling! Was er sich einmal oorgenommen hat, ist wohlüberlegt, und er führt es auch aus. darauf kannst du dich verlassen. Das ist noch nie anders gewesen. Er hat so bestimmt gesprochen über diesen Heiratsplan, daß ich annehmen muß, es steht schon alles fest. Er muß auch einen ganz besonderen Grund haben zu diesem Vorgehen. Wenn ich wüßte, welchen. Ich kann nicht herausbekommen, was zwischen ihm und dem alten Hildebrand vorgegangen ist. Aber irgend etwas steckt dahinter, sonst würde er sich nicht einen ^mitt ellosen Schwiegersohn aussuchen, dem er obendrein erst
eine Stellung schaffen muß. Das ist nicht seine Art, dazu kenne ich ihn zu gut."
Lu seufzte tief auf bei den Ausführungen ihrer Mutter. Sie hätte derselben ihr ganzes süßes Herzensgeheimnis vertraut.
Den Kopf in den Schoß der Mutter legend — wie sie als Kind immer so gern getan, wenn sie spielmüde vom Park heraufkam und in das Zimmer der Mutter schlüpfte — so saß sie auch jetzt und fühlte sich sehr erleichtert, daß sie jemand hatte, mit dem sie von ihrer Liebe sprechen und ihre Sorgen teilen konnte.
„Aber nicht wahr, mein Kind," sagt« da Frau Gertrud und streichelte di" weichen Haare ihres Lieblings, „das wirst du nicht tun, was du neulich andeutetest,— daß du uns aus
dem Hause gehst und mich allein läßt-so ganz allein!
Sieh, ich habe ja nur noch dich auf der Welt, mein Kleines, und wenn ich dich verlieren sollte, so hätte das Leben keinen Wert mehr für mich! Dos bedenke wohl."
Lu sah die Tränen in den Augen der Mutter und umarmte sie stürmisch.
„Aber wenn ich mich verheirate, muffen wir uns doch tren- r.n"
„O nein, nein, das brauchen wir nicht!" rief Frau Gertrud eifrig. „Denn im Hause ist so viel Platz, daß du ruhig bei uns wohnen kannst, oder wir lassen für dich und deinen Mann ein neues Haus bauen — weißt du, dicht bei dem unseren, oder im Park, oder wo du willst! Ich habe mir schon alles ausgedacht. Dann hätte ich statt eines Kindes deren zwei, und wir sitzen des Abends beisammen, wie jetzt auch, und ich brauchte dich nicht zu verlieren!"
Lu nickte der Mutter lächelnd zu.
„Herrlich wäre das! Ach Mutter, wenn wir doch den Vater überzeugen könnten, daß ich keinen andern lieben kann als meinen Alfred! Ich weiß nicht, was werden soll, wen er sein. Einwilligung nicht gibt! Glaubst du, daß er es übers Herz bringt, mich und Alfred unglücklich zu machen? Glaubst du, daß er mich nicht ein ganz klein bißchen lieb hat? Kann ei. Vater so grausam sein, sein einziges Kind zu einer ver
haßten Heirat zu zwingen, wenn es ihm sagt, daß es einen andern liebt und daß es tief unglücklich werden würde. Kann er das? Ec muß doch dem jungen Hildebrand auch erst ein« Stellung schaffen, wie du sagst. Könnte er dieses nicht auch so gut bei Alfred tun. Ich bin fest entschlossen, ihm die» alles zu sagen, und dann werden wir ja sehen, was er antwortet." <
„Mache dir keine allzugroßen Hoffnungen, liebes Kind," mahnte die Mutter ernst, „ich glaube nicht, dast dein Vater seinen Sinn ändern wird." i
„Jedenfalls werde ich versuchen, mein zukünftiges Lebens» glück zu verteidigen," sagte Lu in entschlossenem Ton. -»
Solche und ähnliche Gespräche führten Mutter und Tochter jetzt öfters.
Eines Abends bat Lu: Laß doch Alfred einmal hieherkom- men, Mutter, damit du ihn kennen lernst. Wir wollen ihn. einladen." -
„Nein, nein, Kind!" wehrte die Mutter ängstlich ab. 2
„Das wage dir nicht! Direkt gegen den Willen deines Vaters zu handeln, kann ich nicht verantworten! Glaube mir, wenn er es erführe, es gäbe eine furchtbare Szene!"
„Aber er wird es nicht erfahren, Mutter!"
„Denke, wie leicht ein Zufall zum Verräter werden kann! Der Vater könnte nach Hause kommen — o Gott, das wäre schrecklich! Ich wage nicht auszudenken, was dann geschehe! Nein, nein, diesen Plan schlage dir aus dem Kops, mein Kind, und — versprich mir, daß du mit Herrn Wendtland keine heimliche Zusammenkunft mehr finden willst, wenigstens vorläufig nicht, bis alles geklärt ist- Es schickt sich auch nicht, daß du ihn irgendwo triffst. Dagegen verspreche ich dir, ein ernstes Wort mit Vater zu reden, wenn ich auch im Voraus weiß, daß es vergeblich ist!"
Lu schlang stürmisch die Arme um den Hals Frau Gert» ruds. ^
„Ach ja, liebe, liebe Mutter, hilf mir den Vater bitten, daß er nachgibt! Du sollst sehen, wenn ihm alles richtig vor- gestellt wird, kann er garnicht anders, er muß „ja" sagen!"
.^_ (Fortsetzung folgt.) ^