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Druck, Verlag u. Hauptschristleitung Theodor Gack. Für den lokalen Teil verantwort!. Karl Th. Flum m Wildbad

Nrrmrner 303

60. Jahrgang

Wildbad, Dienstag, den 29. Dezember 1925

Fernruf 179

Fernruf 179

Volkswürde

Bon Traf Pofadowsky

^ Menschen von feinfühligem Gemüt haben Mitgefühl mit ihren Mitmenschen und suchen diese Empfindung in Wort und Tat zum Ausdruck zu bringen. Das gleiche gilt für dis Haltung eines ganzen Volks. Das tätige Mitgefühl mit den Leiden seiner Stammesgenossen wird in diesem Fall vaterländische Pflicht. Kalte Selbstsucht eines Volks gegenüber leidenden Schichten seines eigenen Blutes bedeutet eine soziale Gefahr; die Geschichte Frankreichs zind Rußlands bieten hierfür warnende Beispiele. Liegt ein Land wirtschaftlich danieder, so werden die Folgen dieses Zustands zunächsr'die Bevölkerungsschichten am schwersten treffen, deren Lebenshaltung aus unsicherer oder schwanken­der Grundlage beruht, d. h. alle die Kreise, die von dem Ertrag ihrer Tagesarbeit leben oder auf ein Einkommen angewiesen sind, das nur notdürftig das körperliche Dasein verbürgt. Auf besser gestellte Kreise wird ein wirtschaft­licher Rückgang erst mittelbar und allmählich Len gleichen Einfluß üben- Deutschland war bis zum Beginn des Welt­kriegs ein blühendes Staatswesen mit einer stark aufstei­genden Klassenbewegung. Infolge des wirtschaftlichen Rück­gangs vollzieht sich jetzt der umgekehrte Vorgang: gesell­schaftlich höher gestellte Klassen beginnen wirtschaftlich nach unten zu sinken und es werden damit allmählich ihr lebendes Geschlecht und ihre Nachkommen zwangsläufig auch ihren bisherigen gesellschaftlichen Stand verlieren. Wo die Mittel zu höherer Erziehung und besserem Lebensstand fehlen, pflegen im Kamps ums tägliche Dasein auch die geistigen Güter und überlieferte Familienbildung zu verschwinden; nur besonders kräftige Naturen vermögen sich wieder empor­zuringen; schwache Persönlichkeiten unterliegen seelisch der Not des Alltags. Vollzieht sich ein solcher Umschwung im großen Maßstab, so bedeutet das einen Bildungsrückschritt des gesamten Volks. Es erscheint deshalb als eine Frage politischer Einsicht und gesellschaftlichen Anstands für jeden echten Freund des Vaterlands, sich den bestehenden Verhältnissen persönlich anzupassen und in der äußeren Lebensführung und in seinem Wirkungskreise seine besten Kräfte im Kampf gegen unsere wirtschaftliche Schwäche ein­zusetzen. Das ältere Geschlecht muß zu diesem Zweck in der harten Schule der Gegenwart vielfach umlernen.

Wenn kurz nach der äußerlichen Beendigung des Kriegs bedenkliche Erscheinungen der Genußsucht hervortraten, so ließen sich diese Ausschreitungen vielleicht mit den vorhergegangenen Jahren schwerer Entbehrung entschuldigen. Solche Lebensführung muß aber jetzt vor dem Gebot von Gegenwart und Zukunft verschwinden; jetzt sollten besonders die tonangebenden Volksschichten auf fort­gesetzten Vergnügungstrubel verzichten; vor allem dürfte den Vertretern der Staatsgewalt in höheren und beschei­deneren Stellungen die Pflicht obliegen, in dieser Beziehung durch ihr Beispiel die herrschende Volksstimmung zu beein­flussen und sich von der Teilnahme an zwecklosen und über­flüssigen Festlichkeiten fernzuhalten. Die bayerische Regie­rung hat sich ein hohes Verdienst erworben, indem sie sich nicht scheute, in dieser Richtung einen mahnenden Erlaß zu veröffentlichen, entgegen der leichtherzigen Auffassung einflußreicher Volkskreise. In einer Zeit wie der unsrigen müßten die führenden Schichten unseres Volks ein fei- neres Gefühl für die Empfindungen der darbenden Massen haben; soziale Gefahren pflegen sich in der Stille langsam vorzubereiten. Leider läßt dis deutsche Gegenwart dieses gesellschaftliche Augenmaß viel­fach schmerzlich vermissen. Ein Volk, das in vier Krisgs- jahren so Fürchterliches erlebt hat und unter den Folgen jenes Riesenereignisses fortgesetzt aufs schwerste leidet, sollte sich in allen seinen Schichten eines ernsten beschei­denen Lebens befleißigen, der Heranwachsenden Jugend zum Beispiel, darbenden Volksgenossen zur Vermeidung herber Vergleiche.

Es ist eine Selbsttäuschung bequemer Naturen, daß unser Vaterland in absehbarer Zeit zu der früheren wirt­schaftlichen und politischen Kraftentfaltung gelangen kann; die harten Tatsachen sprechen dagegen. Festredner sollten nicht fortgesetzt mit diesem Schlummerlied schließen; wür- diger und verständiger wäre es, auf die Aufgaben der schweren unabsehbaren Zukunft hinzuweifen. Diese ungewisse Zukunft verpflichtet uns, eine stahlharte entbehrt! nasfähi ge Jugend heranzubilden und ihr die sittliche Kraft einzuflößen für ein von der rei­cheren Vorzeit losgelöstes Volksleben, für einen entbehrungs- vollen Kampf ums Dasein des Einzelnen und des Vater- lands. Niemals war der Werl der ^ ^ nl i ch k elt wichtiger als in unseren Tagen, wo so viele Aeußeruch- ketten der Vergangenheit verblaßt sind.

In Feindesland beginnt es zu. dämmern: zunächst sind es einzelne rechtschaffene und mutige Personuchkelten, me wagen, das an uns begangene Unrecht, die rohe, unsinnige Uebersch. eitung der Gewalt, öffentlich zu brandmarken. Ehr« diesen Männern der Gerechtigkeit. Schließlich sind es doch die sittlichen Kräfte, die sich im Leben der Volker, wenn auch oft erst nach langem Kampf, siegreiches Gehör

Tagesipiegel

Die Strafverfolgung gegen Kapitän a. D. Ehrhardt ist vollständig aufgehoben worden.

Der Botschafkerrak hat die österreichische Regierung aus­gefordert, die rückständigen Abrüstungsmaßnahmen sofort zu treffen.

Nach derSunday Times" wird Lloyd George, der in immer schärfere Gegnerschaft zur Richtung Asquiths gera­ten sei, die Führung der liberalen Partei in nächster Zeit niederlegen.

Die revolutionären Gewerkschaften in Holland (etwa 15S00 Mitglieder) haben sich der Moskauer Internationale angeschlofsen.

Nach einer Meldung aus konflantinopek beabsichtigt der siegreiche Wahabitenführer Jbn Saud, nach der Eroberung von Dschedda (Arabien) sich gegen den von England einge­setzten König Abdullah von Transjordanien, den Sohn des Königs Hussein von Irak, zu wenden. Sein Ziel sei die Grün­dung eines großen arabischen Reichs. Ibn Saud verfügt über ein Heer von 50000 Beduinen, mit denen er die ganze Wüste beherrscht. Er soll auch ein Bündnis mit den Syrern gegen die Franzosen im Auge haben.

verschaffen. Das Maß der Achtung, die wir als Volks­gemeinschaft durch unsere Haltung im Unglück unseren Feinden »bringen, ist eine unanfechtbare Macht, auf die auch die feindliche Gewaltpolitik Rücksicht nehmen muh; die Stimmen zu unseren Gunsten werben sich in dem Maße vermehren, wie wir jene unsichtbare Macht durch unser eigenes Verhalten verstärken.

Neue Nachrichten

Verkeilung der Dawesleistuugen Berlin, 28. Dez. Die Verleitung der ersten Jahres­leistungen des Dawesplans ist folgendermaßen vorgesehen: Verzinsung der amerikanischen Dawesanleihe (800 Million.) 77 Millionen Goldmark, Verwaltungskosten 26,7 Millionen, Zahlung an die Verbandsmächte 890,5 Millionen, Rest­betrag auf 31. August 1925 6 Millionen Goldmark. Frank­reichs Anteil beträgt rund 451,7 Millionen Goldmark (2900 Millionen Papierfranken).

Aus dem parkeileben

Berlin. 28. Dez. Reichsparteivorstand und die Frak­tionsoorsitzenden des Reichstags und preuß. Landtags der Zentrumspartei werden auf 10. Jan. zu einer Besprechung der politischen Lage nach Berlin einberufen.

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Die französischen Skaaksausgaben Paris, 28. Dez. Der Finanzminister verlangt für den Monat Januar 3117 Millionen Franken für die allgemeinen Hauptausgaben und 514 Millionen für sonstige Ausgaben, sowie 120 Millionen für Marokko und Syrien (insgesamt rund 740 Millionen Goldmark).

Der abaelehnke Arbeitsrakstikel Miivchen. 28. Dez. Nachdem der christl. Gewerkschaftsführer Funke den ihm zugedachten Titel eines bayerischen Landes­arbeitsrates ausgeschlagen hatte, haben nach Blättermeldun- gen aus München zwei weitere Führer der christlichen Ar­beiterschaft, die Gewerkschaftsfekretäre Geier und Rothöl, die dem Augsburger Stadtrat angehören, den TitelArbeitsrat" abgelehnt.

7000 kriegsflugzeuae in Frankreich

Washington, 28. Dez. Wie DLV. meldet, machte der be­kannte französische Kriegsflieger Fonck der amerikanischen Presse folgende Angaben über dis Luftrüstungen Frank­reichs: das französische Heerwesen besitze derzeit 3500 mobile Flugzeuge. Im Kriegsfall können jedoch sofort weitere 3500 Kampfflugzeuge an die Front gebracht werden, so daß in den ersten Kriegstagen 7000 Kriegsflugzeuge zur Verfügung stehen. 15000 Flugzeugführer stehen bereit, und auf 6 Mili- lärflugschulen werden jährlich 2000 bis 3500 Führer neu aus­gebildet. Außerdem stehen 10 000 Flugzeugmotoren in Be­reitschaft, für die in einem Zeitraum von 3 Monaten von 25 Flugzeugfabriken die entsprechende Zahl von Flugzeugen hergestellt werden kann.

Daraus geht hervor, wie heuchlerisch die fortwährenden Klagen" der Franzosen über diemilitärische Gefahr der deutschen Luftfahrt" sind. Rechnet man zu der Zahl der französischen militärischen Flugzeugführer die Zahlen der Monteure, Handwerker, Bedienungsmannschaften usw. hin- zu, so ergibt sich eine Gesamtstärke der französischen Luft- wafse, die die Gesamtstärke der deutschen Reichswehr, die be­kanntlich kein einziges Kriegsflugzeu» besitzt, noch übertrifft.

Die Erwerbslosigkeit

Berlin, 28. Dez. LautBerliner Tageblatt" sind nach der letzten Zählung 567 000 Personen im unbesetzten Ge­biet erwerbslos, im besetzten Gebiet 102 000. In Bayern ist die Zahl der Erwerbslosen von 102 000 am 15. Dezember auf rund 120 000 am 24. Dezember gestiegen- Es ist die» das Vierfache von Anfang November.

Streichung der Kriegsschuldlüge aber Bezahlung -er Kriegsentschädigung

Nsuyork, 28. Dez. DieWorld" tritt für eine kürzlich veröffentlichte Denkschrift hervorragender Amerikaner an das englische Parlament ein, die Artikel 227 und 231 des Vertrags von Versailles (alleinige Verletzung der Verträge durch Deutschland und alleinige Kriegsschuld) zu streichen, da sie unmöglich aufrecht erhallen werden können. Be­dingung sei aber, daß Deutschland sich verpflichte, den Dawesplan dennoch durchzuführen, d. h. die Kriegsentschädi­gung zu bezahlen. Früher sagte man, die Kriegsentschädi­gung sei allein durch die Tatsachen der Artikel 227 und 231 begründet und gerechtfertigt. Selbst Poincare hat dies in der Kammer erklärt. - - ri

Die Lage in Marokko

Madrid, 28. Dez. Die spanischen Truppen haben wegen des Regenweiters zahlreiche Stellungen räumen müssen.

Der englische Hauptmann Cunning, ein Freund Abd et Krims, erklärte in Paris, er habe einen Brief Abd et Krims, in dem er von der sranzvstjchen und Negierung

deren Friedensbedingungen zu erfahren wsinsche.

Nach einer Meldung desNew Nc>rk Herold" soll bet Scheschauen ein blutiger Aufstand gegen Abd el Krim ausgebrochen sein. 7. -- .

Russisch-afghanischer Grenzzwischensall?

London, 28. Dez. Nach einer Meldung aus Allahabad haben russische Truppen den afghanischen Posten von Dar- kad (im nordöstlichen Teil Afghanistans) überfallen und be­setzt. Der afghanische Befehlshaber ist gefallen. Die Russen haben die durch die beiden Arme des Oxus-Flusses gebildete Insel ganz oder zum größten Teil besetzt. . .

Die Lage in China "

London, 28. Dez. Einer noch unbestätigten Meldung zu­folge soll Tientsin von den Truppen des Marschalls Fengyuhsiang eingenommen worden sein. Eine Versöh­nung zwischen Feng und Tschangksolin sei im Gang. General Kuosungling, der sich in der südlichen Mandschurei gegen Tschang erhoben hatte, aber vom Sohn Tschangs be­siegt worden war, ist hingerichtet worden. Tientsin wurde von Nationaltruppen beseht.

Die Chicago Tribüne meldet aus Peking, die Ver­einigten Staaken, Frankreich, Italien und Japan sollen beschlossen haben, in China einzuschreiten. Amerika hat 6 Torpedoboote und ein Lastschifs mit Truppen von den Philippinen nach Tientsin gesandt, auch ein englisches Kriegsschiff wird erwartet. Man befürchtet deshalb einen neuen Ausbruch der Volkswut in China. Die ganze Mand­schurei und der Zugang zur Provinz Tschili ist wieder in Tschangtsolins Händen, der dadurch Peking vom Meer ab­schneiden kann.

Die Truppen Kuoftmglings haben sich Tschangtsolin er­geben. Die Japaner wollen ihre Truppen angeblich auS der Stadt Mukden wieder zurückziehen.

Der Pekinger Vertreter derTimes" meldet, bei der Einnahme Tientsins hätten Fengyuhsiangs Truppen 4000 Gefangene gemacht. Die Verluste beider Parteien werden auf 20 000 geschätzt. Infolge der strengen Kälte und der un­genügenden Sanitätsmaßnahmen sei ein ungewöhnlich hoher Prozentsatz der Verwundeten gestorben. Ungefähr 40 000 Mann von Litschinglits Streitkräften mit der gesam­ten Artillerie hätten sich in guter Ordnung in Richtung Schantung zurückgezogen.

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Nachlaß der Kirchensteuer für Kriegs- und UnfaflbeschL- digke. Durch einen Erlaß der Evang. Oberkirchenbehörde vom 22. Dezember werden die Kirchengemeinden ermäch­tigt, bedürftigen Kriegs- und Unfallbeschädigten, bei denen «me Beschränkung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 30 Prozent festgestellt ist, die Tarifsteuer der Landeskirchen- steuer 1925 für die Steuerstusen 17 über den Rahmen des tandeskirchlichen Haushaltplans hinaus bis zu demjeni­gen Hundertsatz nachzulassen, der der festgestellten Beschrän- kung entspricht. Es kann z. B. einem Kriegsbeschädigten mit 60 Prozent Kriegsbeschädigung in Steuerstufe 5 an der Tarissteuer von 6 -K der Betrag von 3-60 nachgelassen AErden, so daß ihm noch 2.40 -4k zu bezahlen verbleiben. Den Kirchengemeinden empfiehlt der Erlaß, die Ortskirchen- steuer in gleichem Umfang nachzulasfen.