passiven Widerstand bedingungslos ansgebe«, da sie sowohl von der Rechten als von dey Gewerkschaften des Verrats bezichtigt werden würde. Hierdurch käme auch leicht der Bürgerkrieg zum Ausbruch. Die Regelung der Fragen des Ruhrgebietr könne nach Ansicht des Berichterstatters in drei Stadien vollzogen werden: - 1. Die deutsche Regierung nimmt alle Weisungen betreffend den passiven Widerstand zurück. Gleichzeitig lassen die Franzosen die politischen Gefangenen frei, gestatten die Rückkehr der Ausgewie­senen, geben die Eisenbahnen frei und heben die Verkehrsbe­schränkungen auf. 2. Deutschland mutz sich verpflichten, binnen 3 bis 4 Wochn die nötigen Aenderungen in der Eosetzgebung zu­standezubringen, um den in seiner Note angegebenen Garantien Gesetzeskraft zu verleihen, und gleichzeitig die Vorbereitungen zur vollen Wiederaufnahme der Kohlenlieserungen zu treffen. Frankreich nimmt gleichzeitig die militärischen Streitkräfte aus dem Ruhrgebiet zurück unter Zurücklassung der unsichtbaren Be­satzung an wichtigen Punkten. 3. Deutschland nimmt die Kohlen- und Kokslieferungen wieder auf. Gleichzeitig werden die letzten französischen Truppen aus dem Ruhrgebiet zurückgezogen. Im Rheingebiet wird der Status quo wiederhergestellt. Der Be­richterstatter schließt, überall sei betont worden, es sei unmöglich, die Bevölkerung durch bedingungslose Kapitulation in den Stand der Verzweiflung zu stürzen.

Ein englischer Arbeiterführer

über die Rnhrbesetzung.

London, 11 . Juli. Das Parlamentsmitglied Ben Tillet sagte in einer Rede auf der Konferenz der Transportarbeiter­vereinigung, er bringe von seiner Reise ins Ruhrgebiet die Ueberzeugung mit, daß, wenn die Franzosen Deutschland nicht binnen weniger Wochen verlassen würden, es besser für die Welt gewesen wäre, wenn Deutschland den Krieg gewonnen hätte. (Hört, hört!) Dies sei die Ueberzeugung, wozu er und sein Kol­lege gekommen seien, eigentlich wider seinen Willen, da er pro­französisch gesinnt sei. Wen« die Franzose» das Ruhrgebiet nicht räumten, so werde ei« Krieg unvermeidlich bleibe«. Bei ihrem Besuch hätten er und sein Kollege nicht einen einzigen Offizier oder eine einzige Person an maßgebender Stelle gesunden, die nicht die Besetzung verurteilten und gewünscht hätten, nichts da­mit zu tun zu haben.

Englische Stimme über das Ergebnis der halbjährigen Besetzung des Rnhrgebiets.

London, 12. Zull. Zur halbjährigen Wiederkehr des Tages des Einmarsches der Franzosen ins Ruhrgebiet schreibt diePall Mall Gazette", die von den Franzosen und den Belgiern erzielten Ergebnisse seien: keine Bar­zahlungen, wenige Sachgüter und teilweise eine Entfrem­dung mit Großbritannien.

Frankreich und die bevorstehende englische Erklärung.

Paris, 11. Juli. DasJournal des Debats" teilt, offen­bar beeinflußt mit, daß am Quai dDrsay heute keine offi­ziellen Nachrichten aus London oder Berlin über den Stand der Ruhr- und Reparationsfrage eingegangen seivn. In offiziellen Kreisen werde jedoch der gestern erfolgten Ver- öfsentlichung der Reutsrnote, die den besten Eindruck ge­macht habe, besondere Bedeutung beigemessen. Die gestrige Besprechung zwischen dem französischen Botschafter in Lon­don und Lord Curzo« sei in freundschaftlichstem Ton ver­laufen Aber sie habe keine neuen Ergebnisse zeitigen kön­nen, da die französisch-englischen Verhandlungen erst nach der ministeriellen Erklärung des englischen Kabinetts in eine aktive und entscheidende Phase treten könnten.

Der tschechische Außenminister in London.

London, 11. Juli. Den Blättern zufolge beschäftigte sich das Kabinett heute nochmals mit der Ruhrpolitik unter Berücksichtigung der jüngsten Ereignisse. Wie weiter ge­meldet wird, war der tschechoslowakische Außenminister Dr. Benesch von Lord Curzon zum Frühstück geladen. Es heißt, Benesch wolle zwischen England und Frankreich ver­mitteln.

Frankreich und der tschechische Basall.

Paris, 11. Juli. Nach einer Havasmeldilng aus Prag ist der Leiter der französischen Militörkommisfion und Ge­neralstabschef der tschechoslowakischen Armee gestern im Flugzeug nach Straßburg gereist, von wo er sich, mit der Eisenbahn nach Paris begibt. Nach demPetit Journal" wird angenommen, daß die schleunige Berufung des Gene­rals nach Paris mit der Unterredung zwischen dem tschecho­slowakischen Minister des Aeutzern, Benesch, und dem Mi­nisterpräsidenten Poincare im Zusammenhang steht.

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Belgische Entschuldigung wegen der Beleidigung des deutschen Geschäftsträgers.

Berlin, 11. Juli. Dem deutschen Geschäftsträger in Brüssel, Gesandtschaftsrat v. Rödknger, ist gestern abend eine Note des belgischen Ministers des Aeußern übergeben worden, in der erneut das Bedauern der belgischen Regie­rung über den Ueberfall auf den Geschäftsträger ausge­sprochen und weitere Schutzmaßnahmen, sowie die Auf­nahme eines Strafverfahrens angekündigt werden.

Die planmäßige Fortsetzung der Gewalttaten.

Essen, 11. Juli. Dis Handelskammer teilt mit: Die Wohnung des Geschäftsführers der Essener Handelskam­mer. Dr. Rechling, wurde nach 18maliger Durchsuchung im Laufe der letzten Monate durch französische Kriminalpolizei mit dem gesamten Mobiliar und der ganzen iEnrichtung beschlagnahmt. Die Familie Rechling ist damit auf die Straße gesetzt. Die Mitnahme irgendwelcher Gegenstände wurde verboten. Die Eefangensetzung Rechlings gelang den Franzosen auch diesmal nicht. Nach den Aeutzerungen der Beschlagnahmekommission ist der Urteilsspruch gegen Rech- ling schon fertig und lautet auf 15 Jahre Zwangsarbeit.

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Zur auswärtigen Lage.

Ein russisch-deutsches Getreideabkommen.

Berlin. 12. Juli. Einer Blättermeldung zufolge ist jetzt das deutsch-russische Eetreideabkommen unterzeichnet wor­den. Es enthält die Vereinbarung, daß Rußland sofort mit den Getreidelieferungen für Deutschland beginnt. Die rus­sische Regierung wird hierfür die Bestände der alten Ernte in Anspruch nehmen.

Die Türkei und der bevorstehende Friedensschluß.

Paris, 11. Juli. Nach einer Havasmeldung aus Kon­stantinopel wird in offiziellen türkischen Kreisen die Einbe­rufung der neuen Nationalversammlung für den 2. August und die Ratifizerung des Friedensvertrags vor dem 15. August erwartet. Demnach würde die Räumung Konstan­tinopels wahrscheinlich anfangs Oktober durchznsühren sein. In der Stadt werden große Vorbereitungen zur Feier der Friedensvertragsunterzeichnung getroffen. Die Presse begrüßt in ihrer großen Mehrzahl die demnächstige Hinter- zeichnung des Friedensvertrags, der für die Türkei eine Aera der Freiheit eröffnen werde.

Ein interessanter Freispruch in Paris.

Paris, 9. Juli. Der Prozeß gegen den ehemaligen po­litischen. Direktor desEclair" Ernest Judet, der unter der Anklage stand, während des Krieges der deutschen Re­gierung Dienste geleistet zu haben, hat heute mit der Frei­sprechung des Angeklagten geendet. Das vor wenigen Mo­naten ebenfalls vor dem Pariser Geschworenengericht ge­fällte und nach der Rückkehr Judets aus der Schweiz kas­sierte erste Urteil hatte auf lebenslängliche Deportation ge­lautet. Auch im gegenwärtigen Prozeß hatte der Gensrckl- staatsanwalt den gleichen Strafantrag gestellt. Der Ver­teidigung ist es jedoch nicht schwer gefallen, die Unglaub­würdigkeit der wegen Verleumdung, Zsugenbestechung und ähnlicher Delikte mehrfach vorbestraften Hauptzeugin, der Frau des Schweizer Malers Bossard, sowie den apokryphen Eharakter 82r angeblichen Briefe und Telegramme des deutschen Staatssekretärs v. Jagow und des Chefs des po­litischen Departements in Brüssel v. d. Lancken Mchzuwei- sen, auf welche die ganze Anklage aufgebaut war. Der Frei­spruch wurde von dem zahlreichen Publikum mit lautem Beifall quittiert. Mit der Verurteilung wollten die Nationalisten wieder einmal gegen die Gemäßigten, die auf einen gewissen Ausgleich mR Deutschland hinarbeite­ten, vorgehen.

Deutschland.

Die Erhöhung der Postgebühren ab 1. August.

Berlin, 11. Juli. Ab 1. August werden die Postgebühren iin allgemeinen um das dreieinhalssache erhöht. Der Reichstagsausschuß für Post- und Telegraphenwesen erteilte in einer Entschließung dem Reichspostministerium die Voll­macht, ab 1. September 1923 abermals eine Verdoppelung sämtlicher Gebühren vorzunehmen.

Verhandlungen über wertbeständige Löhne im Bergbaugebiet.

Berlin, 12. Juli. Wie derVorwärts" mitteilt, begin­nen am kommenden Montag im Reichsarbeitsministerium Verhandlungen zur Schaffung wertbeständiger Löhne im Bergbau. Bei diesen Verhandlungen wird man sich im we­sentlichen aus die Wertbeständigkeitsvereinbarung über die Löhne bei der Berliner Metallindustrie stützen.

Arbeitslöhne auf der Roggemvertgrundlage.

Berlin, 12. Juli. Zwischen dem Verband der Eemeinde- und Staatsarbeiter und der Berliner Stadtgüter-GmbH. ist in Bezug aus die Entlohnung der Gutsarbeiter verein­bart worden, daß vom 2. Juli ab wertbeständige Löhne auf der Roggengrundlage eingeführt werden. Als Stundenlohn wird für jede Kategorie der Arbeiter eine bestimmte Rog- gemnenge festgesetzt, die nicht in Natura, sondern in einer Barentlohnung zur Auszahlung gelangt. Der Wert des Roggens wird bestimmt nach dem wöchentlichen Durchschnitt der täglichen Börfenhöchstnotiz in der Arbeitswoche.

Bor dem Ende des Berliner Melallarbeiterstreiks.

Berlin, 12. Juni. Die Urabstimmung der Berliner Me­tallarbeiter hat lautVorwärts" die Annahme des Eim- gungsvorschlages des Reichsarbeitsministeriums gebracht. Die Wiederaufnahme der Arbeit erfolgt am Freitag.

Teuerungsunrnhen in Potsdam.

Berlin, 11. Juli. Auch in Potsdam ist es heute vor­mittag zu Lebensmittelunruhen gekommen. Auf dem Wo­chenmarkt forderte die Menge die Hernbsetzung der Preise. Schutzpolizei griff ein und zerstreute die Ansammlungen. Später zogen größere und kleinere Trupps vor einzelne Lebensmittelgeschäfte und zwangen die Inhaber, die Wa­

ren zu ermäßigten Preisen abzugeben. Zu Plünderungen» ist es nicht gekommen. Fast alle Lebensmittelgeschäfte dep Stadt haben geschlossen. ^

Berlin, 12. Juli. Der gestrige Nachmittag ist in Pots-' dam ruhig verlausen. Oberbürgermeister Vosberg, der an der Nikolaikirche eine Ansprache an die Menge richtete, erklärte dabei, daß ihm das Reichsaibeftsministerium die Auszahlung der neuen Erwerbslosensätze gestattet habe. Eine große Potsdamer Lebensmittelsirma ließ nachmittags an die Erwerbslosen unentgeltlich Mehl verteilen.

Ein weiteres Urteil gegen Kapitänleutnant Tillefsen.

Leipzig, io. Juli. In dem Prozeß gegen den Kapitän- leutnant Tillessen, Ingenieur Sundmeier, Kaufmann Krebs, Volontär Seffner und den Studenten Wegelin we­gen versuchter Befreiung der Kapitänleutnants Bolat und Dittmar aus der Eefangenenanstalt in Leipzig wurde Til­lessen, der aus der Strafhaft vorgeführt wurde, wo er zur Zeit drei Jahre Gefängnis wegen Nichtanzeige des geplan­ten Verbrechens des Mordes an Rathena« verbüßt, wegen versuchter Eefangenenbefreiung zu einem Monat Gefäng­nis, Wegelin wegen Beihilfe zu einer Geldstrafe von 300000 -4t und Sandmeier wegen Beihilfe zu einer Gefäng­nisstrafe von 2 Monaten verurteilt. Seffner und Krebs wurden freigesprochen.

Vermischtes.

Ruch Siegfried Wagner geht nach Dollariea.

Bayreuth, 19. Juli. Siegfried Wagner hat sich ent­schlossen, einer Einladung nach Amerika Folge zu leisten und wird zu Anfang des nächsten Jahres gegen Deckung der Reise- und Aufenthaltskosten in allen Städten der Ver. Staaten, die über ein ständiges Symphonieorchester verfügen, Konzerte dirigieren, von denen die Reineinnah­men zugunsten der Bayreuther Festspiele dem Bayreuther Festspielfonds zufließen sollen.

Einstein in Schweden.

Göteborg, 12. Juli. Professor Albert Einstein hielt vor zahlreichen Mitgliedern des Naturforscherkongresses einen Vortrag über die Grundlagen und Probleme der Relativi­tätstheorie. Der König von Schweden, der dem Vortrag beiwohnte, unterhielt sich lange mit Professor Einstein.

Aus Stadt und Land.

Calw» den 12. Juli 1923.

Heidelbeerernte.

Die Heidelbeerernte hat unter lebhafter Beteiligung der Bevölkerung begonnen. Schon in aller Frühe strömen Scharen von Frauen und Kindern hinaus in die Wälder» um die geschätzten Beeren zu sammeln. Die süße Ernte hängt Heuer in reicher Fülle an den Stauden, die den Waldboden wie ein grüner Teppich weithin bedecken; doch sind die Früchte leider vielfach sehr klein und die Mühe und Arbeit umso größer, bisdas Häfele",Schüssele" oder der Armkorbvoll" ist. Dafür wird auch ein schöner Preis bezahlt. So manche Familie kann sich von der köstlichen Frucht durch Einmachrn oder Saftbereitung einen hübschen Vorrat fürs Jahr sammeln. An Abnehmern fehlt es gleichfalls nicht.

Der neue Landcsmilchprels.

LE. Auf Grund von Verhandlungen, die in Stuttgart stattfandsn, wurde der Frischmilchpreis ab Stall auf 2500 Mark ab 1K. Juli festgesetzt.

Borstandsrvahl im Landmirtschastl. Hauptverband.

LE. In der Landesausschußsitzung des Landwirtschaft­lichen Hauptverbands Württemberg und Hohenzollern, die am Dienstag vormittag in Stuttgart abgehalten wurde, ist die Wahl des ersten Vorsitzenden erneut vorgenommer» worden, nachdem der Landesausschuß dem Vorstandsbeschluß die Gültigkeit der während der Landwirtschaftlichen Woche vorgenommenen und auf Herrn Dietlen-Tübinge» gefallenen Wahl versagt hatte. Im neuen Wahlgang wurde Herr Dietlen-Tübingen wieder zum ersten Vorsitzen­den gewählt. Er nahm die Wahl an. Zweiter Vorsitzender wurde Landtagsabgeordneter Schultheiß Dange l-Aepfin- gen und dritter Vorsitzender Landtagsabgeordneter Guts­pächter Hornun g-Schäubeck.

Erhöhung der LandarSekterlöhne.

ST. Die Tariflöhne der Landarbeiter in Württemberg sind für die Mägde ab 1. Juli für den ganzen Monat um 130 Prozent erhöht worden, für die übrigen Arbeiter und Dienstboten ab 9. Juli bis auf weiteres ebenfalls um 150 Prozent.

Rettung Ertrinkender.

Die gegenwärtige heiße Jahreszeit, wo Jung und Alt nach dem kühlenden Naß der Flüsse, Seen und Teiche eilt, um sich zu erfrischen, birgt für viele die Gefahr des Ertrin­kens. Da schon mancher, der einem Ertrinkenden zu Hilfe geschwommen, selber dabei ums Leben gekommen ist, so ist es von Nutzen, zu wissen, daß der Retter stets von rück­wärts an den Ertrinkenden heranschwimmt, damit er von dem letzteren nicht erfaßt werden kann. Denn im Falle einer Umklammerung schwebt auch der beste Schwimmer in höchster Lebensgefahr.

Der Kitlberpreis

auf dem Stuttgarter Schlachtviehmarkt.

Stuttgart, 12. Juli. In unserem gestrigen Bericht über die Preise am Dienstagmarkt auf dem Bieh. und Schlacht­hof in Stuttgart waren uns rwn dem Stuttgarter Büro falsche Zahlen bei K 8 lbern 1. Qualität mitgeteilt wor­den. Anstatt 2232 000 -4t für 1 Pfund Lebendgewicht muß es heißen 2022 000 °4t.