(Enztalbote)
Amtsblatt für M'dbad. Chronik unk» Anzeigenblatt
Mr das obere Enztast
Erscheint täglich, ausgenommen Sonn- und Feiertags. Bezugspreis halbmonatlich 68 Pfennig frei ins Haus geliefert; durch die Post bezogen im innerdeutschen Verkehr monatlich 1.80 Mk. :: Einzelnummern 10 Pfg. Girokonto Nr. 50 bei der Oberamtssparkasse Neuenbürg Zweigst. Wildb. :: Bankkonto: Enztalbank Komm.-Ges. Häberle L Lo. Wildbad.:: Postscheckkonto Stuttg. 29171.
Anzeigenpreis: Die einspaltige Petitzeile oder deren Raum im Bez. Grundpr. 12 Pfg., außerh. 15 einschl. Ins.-Steuer. Reklamezeile 30 Pfg. :: Rabatt nach Tarif. Für Offerten u. bei Auskunfterteilung werden jeweils 10 Pfg. mehr berechnet. :: Schluß der Anzeigennahme tägl. 8 Ilhr vorm.:: In Konkursfällen od. wenn gerichtl. Beitreibung notw. wird, fällt jede Nachlaßgewähr, weg.
Druck, Verlag u.
Hauptschristleitung Theodor Gack. Für den lokalen Teil verantwortl. Karl Th. Fl um in Wildbad
!«t> rl'.
MM
Nummer 133 Fernruf 179 Wildbad, Donnerstag, den 11. Juni 1925 Fernruf 179 60. Jahrgang
General Spears und das Rheinland
Auf der Tagung des Völkerbundsrats in Genf wird die Frage der „Entmilitarisierung" des Rheinlands zweifellos eine große Rolle spielen. Es ist daher von Bedeutung, daß in diesem Augenblick der englische General Spears mit feinen Nheinlandplänen aufs neue vor die Oeffentlichkeit trit. Da seine Pläne sich nur als eine Ausgestaltung der Paragraphen 42 bis 44 des Friedensvertrags geben und da sie von dem General, der übrigens in letzter Zeit von der liberalen Partei in die konservative hinübergewechselt hat, nicht ungeschickt vorgetragen werden, so machen sie in weiten Kreisen Englands einen gewissen Eindruck. Es ist das ein Grund mehr für uns, seine Pläne, die in der Juninummer der „English Review" veröffentlicht werden, genau anzusehen.
Der Ausgangspunkt seines Plans ist die Frage, wie dem französischen Volk das „Gefühl der Sicherheit" vor einem deutschen Angriff eingeflößt werden könne. Da Marschall Fach erklärt habe, daß die Artikel 42 bis 44 des Friedens- Vertrags Frankreich so gut wie gar keine Sicherheit böten, so könne man es den Franzosen nicht verübeln, wenn sie wirksamere Schutzmittel gegen einen deutschen Angriff verlangten. Dabei ist Spears klug genug, einzusehen, daß alle Schutzmittel ihren Zweck verfehlen müßten, wenn Deutschland nicht freiwillig zustimme, denn wenn es sie nur widerwillig annehme und nur ungenügend aussühre, so würde eine politische Lage entstehen, die für den Frieden sehr gefährlich werden könne. Die Zustimmung Deutschlands werde aber nur erhältlich sein, wenn dieses die Gewißheit habe, daß seine Hoheiksrechke im Rheinland ungeschmälert blieben, und wenn es anderseits dafür, daß es mehr tue, als der Friedensvertrag von ihm Verlage, irgendwie entschädigt werde. Von diesen Voraussetzungen ausgehend, hat Spears ein System entworfen, das nach seiner Meinung es Deutschland unmöglich machen soll, das Rheinland zu einem Sprungbrett für einen Angriff auf Frankreich zu benutzen. Er denkt sich, daß ein Ausschuß des Völkerbunds gebildet wird, der darüber wacht, daß alle technischen Einzelheiten des Systems ausgeführt werden. Unter anderem hätte dieser Ausschuß aufzupassen, daß die rheinischen Bahnen nicht nach strategischen Gesichtspunkten ausgebaut werden. An wichtigen Punkten der Ostgrenze des Rheinlands sollen sich Vertreter des Völkerbunds ständig niederlassen, um dem Bund von einem drohenden Einfall deutscher Streitkräfte sofort Mitteilung zu machen. An den Brückenköpfen des Rheins, sowie in der Nähe strategisch wichtiger Tunnels sollen Zivilingenieure gesetzt werden, deren Pflicht es wäre, die Verbindungswege sofort zu zerstören» wenn ein drohender Einfall deutscher Truppen gemeldet würde. Diese Punkte führt Spears nur an, um zu zeigen, wie er sich eine wirksame Entmilitarisierung des Rheinkinds denkt; er gibt jedoch zu, daß hier die Fachleute das letzte Wort haben müssen.
Wie schon bemerkt, bestreitet Spears nicht, daß sein System über die Paragraphen des Friedensvertrags weit hin- ausgrestk und deswegen Deutschland zur Forderung von Entschädigungen berechtigt. Er denkt sich diese Entschädig gungen so, daß auch Frankreich gezwungen wird, einen Gebietsstreifen von etwa zehn Kilometer Breite in ähnlicher Weise zu entmilitarisieren, so daß also auch dort Vertreter des Völkerbunds darüber zu wachen hätten, daß kein Vormarsch französischer Truppen gegen das Rheinland statt- finde, und im Fall eines solchen Vormarsches die Verbindungswege zu zerstören hätten. Dabei will er jedoch die Festungswerke von Skraßburg und Rieh ausgenommen sehen, da sie den hauptsächlichsten Schutzwall Frankreichs und seiner Hauptstadt darstellten. Weiter schlägt er vor, daß Frankreich und Spanien dahin Übereinkommen sollen, die Pyrenäen zu entmilitarisieren. Wenn diese Zone ebenfalls der Ueberwachung eines Ausschusses des Völkerbunds übergeben und Deutschland mit einem Sitz in diesem Ausschuß bedacht würde, so würde dieses Verfahren dem deutschen Volk die Empfindung nehmen, daß es gleichsam allein unter den Nationen Europas unter Bundesaufsicht gestellt würde. Ium dritten glaubt Spears Deutschland zur Annahme seines Plans dadurch geneigter machen zu können, daß ihm als Entschädigung die Rückgabe einer seiner verlorenen Kolo- nien a»geboten wird.
Man sieht, daß der Plan darauf hinausläuft, durch Beamte des Völkerbunds, die sich im Rheinland aufhalten dür- sen, die dauernde Entmilitarisierung des Gebiets beobachten und sie im Augenblick der Gefahr durch Zerstörung wichtiger Vemehrswsge wirksamer machen zu lassen. Die lieber» wachung soll sich sowohl gegen einen französischen — aller- dings kaum nennenswert — wie gegen einen deutschen An- achten und im übrigen in das politische, administrative nd wirtschaftliche Gefüge des Rheinlands in keiner Weise lngreifen. General Spears versichert, daß er bereits weite c.^^sck'land und Frankreich für seinen Plan gewester? darf dem jedoch hinzufügen, daß noch
^ in beiden Ländern seinem Plan ablehnend
wenigstens mit großem Mißtrauen gegenüberstehen.
Tagesspiege!
Die Reichsgeireidestelle soll auf 1. Juli aufgelöst werden.
Die sozialdemokratische Fraktion des preußischen Landtags hat den Parteien vorgeschlagen, die Frage der Erweiterung des Kabinetts bis nach den Lommecserien zu vertagen. Die Beratung der Zenkrumsfrakkion am Montag blieb ohne bestimmtes Ergebnis.
Die Antwort der Verbündeten auf die deutschen Sicher- beitsvorschläge vom 28. Februar soll, wie verlautet, am Donnerstag nach Berlin gesandt werden. Briand erklärte, dis Verbündeten werden auf die Vorschläge nur eingehen» wenn die Enkwaffnungsforderungen von Deutschland angenommen werden.
Verschiedene Londoner Blätter erklären, die Genfer Verständigung lege England Verpflichtungen auf. die es nicht übernehmen könne.
Eine englische Flotte von 6 Kreuzern und 8 Torpedobooten ist zu Manövern in der Ostsee eingekroffen und hak »wächst einen „Besuch" in Kopenhagen gemacht. — England soll es bekanntlich aus die „Pachtung" der estnischen Inseln Oeiel und Dagö als Flottenstützpunkt in der Ostsee abgesehen haben.
Der schweizerische Ständerat hak einen Antrag auf Einführung der Zivildienstpsticht für solche, die keinen Militärdienst tun, mit 37 gegen 1 Stimme abgelehnt.
Der neue belgische Außenminister Vandervelde sSoz.s wird die Anerkennung der Sowjetrepublik durch Belgien erklären.
Die Verhandlungen der spanischen und französischen Bevollmächtigten über die Marokkofrage werden am Montag in Madrid eröffnet.
In Alaier und Tunis sind mehrere Kommunisten wegen Aufwiegelung der Truppen und Verleitung zur Fahnen- fluchl verhaftet worden.
Das deutsche Sicherheitsangebot
London, 10. Juni. Die „Times" veröffentlicht das deutsche Sicherheitsangebot, das sich auf die Vorschläge des früheren Reichskanzlers Enno vom Jahr 1922 gründet und folgende Punkte enthäst:
1. Die deutsche Regierung erklärt sich bereit, mit den anderen Mächten, die Interesse am Rhein haben, insbesondere mit Frankreich, Großbritannien, Italien, einen Vertrag abzuschließen in der Absicht, kriegerische Unternehmungen zwischen diesen Mächten auf lange Zeit hinaus unmöglich zu machen.
2. Der Vertrag soll die Form einer Verpflichtung annehmen, die die Unterzeichner der Regierung der Vereinigten Staaten gegenüber übernehmen.
3. Zu gleicher Zeit mühte ein allgemeiner Schiedsgerichtsvertrag zwischen Frankreich und Deutschland abgeschlossen werden, nach dem Vottnld der anderen neuerdings in Europa abgeschlossenen Schiedsgerichtsverträge.
4. Aehnliche Schiedsgerichtsverträge können zwischen den anderen Staaten abgeschlossen werden, um alle juristischen und politischen Streitigkeiten zu lösen.
5. Die deutsche Regierung ist andererseits auch bereit, einen örtlichen Vertrag für die besondere Sicherung des gegenwärtigen Stands am Rhein einzu- gehep. Die Gewähr müßte von allen unterzeichnenden Mächten gemeinsam und einzeln übernommen werden.
6. Ein so>her Vertrag könnte auch so abgeschlossen werden, daß er eine Sicherheit für die entmilitarisierte Zone einschließt, wie sie in den Artikeln 42 und 43 des Versailler Vertrags vorgesehen ist.
7. Ein solcher Vertrag müßte ebenfalls durch Schieds- gerichksverträge ergänzt werden oder
8. die deutsche Negierung wäre bereit, einen lokalen Vertrag als Teil eines allgemeinen Abkommens abzuschließen, dem alle Staaten der Welt auf der Grundlage des Programms des Völkerbunds angehören würden.
Neue Nachrichten
Besprechungen in Berlin
Berlin. 10. Juni. Nachdem gestern Reichskanzler Dr. Luther die Führer der Reichstagsfraktionen mit Ausnahme der Deutschvölkischen und der Kommunisten zur Besprechung der Entwaffnungsnote empfangen hatte, wurhe djx Angelegenheit heute im Reichstagsausschuß für
Auswärtiges erörtert. Der Ausschuß wird sich, wie verlautet, heute vertagen, ohne eine verbindliche Stellung einzunehmen.
In einer Unterredung mit Vertretern des be- setztenGebiets am Dienstag erklärte der Reichskanzler, die Reichsregierung werde alle Vorbehalte und Einwendungen in einer Note an die Verbündeten niederlegen. Die Note werde sofort nach Eingang der französischen Antwort auf die L-icherheitsvorschläge abgesandt werden.
Das R e i ch s k a b i n e t t hat sich einstimmig für die Zurückstellung der Frage des Eintritts Deutschlands in den Völkerbund ausgesprochen. Das Kabinett nahm die Berichte der deutschen diplomatischen Vertreter in London, Paris, Brüssel und Rom entgegen.
Neue Skeuervorlagen
Berlin, 10. Juni. Wie verlaukek, bereikek die Neichs- regierung neue Steuervorlagen für die Herbsttagung des Reichstags vor.
Der Fall Skingl
Berlin, 10. Juni. Zu der sozialdemokratischen Anfrage im Reichstag über die Zugehörigkeit des Reichspostministers S t in gl zum „Reichs- und Heimatbund deutscher Katholiken", der eine staatsgefährliche Werbung für die Lostrennung der Pfalz und der Rheinlands betreibe, wird amtlich erklärt: Stingl ist auf Einladung im Januar d. I. dem Bund beigetreten, er hat aber seinen Austritt erklärt, als er von den Bestrebungen des Bundes Kenntnis erhielt.
Zuchthausstrafen für Spione
Leipzig, 10. Juni. Das RE^ericht verurteilte den französischen Geheimagenten A. dy^r aus Kalmar i. E. zu 15 Jahren Zuchthaus und 10 Mhren Ehrverlust und 1000 ,st Geldstrafe, den Schmied Frz. Schleicher aus Suhl i. Th.' zu 6 Jahren Zuchthaus und 10 Jahren Ehrverlust, den Feld-' webel Koschinski aus Münster in Westfalen zu 8 Jahren Zuchthaus und 10 Jahren Ehrverlust, das 19jährige Dienst- Mädchen Kröger zu 3 Jahren Gefängnis und 5 Jahren Ehrverlust. Dreyer, -er Sohn eines Weinhändlers, hatte bis 1919 im deutschen Heer gedient und wurde dann im Dienst des französischen Spionage-Generalstabs als Geheimagent angestellt. Mit Hilfe seines Schwagers Schleicher und dessen Frau, die sich in Tanzsälen usw. an Reichswehr- soldaken heranmachken, gelang es ihm, Koschinski und den Unteroffizier Max Körner in Münster für die Spionage zu gewinnen. Körner erhielt dafür einmal 100 000 .st. Auch die Kröger trat als das „ewig Weibliche" in den Dienst der Spionage. Das Verfahren gegen Körner wurde wegen dessen Erkrankung obgetrennt.
Unverschämte polnische Forderung
Danzig, 10. Juni. Wie WTB. erfährt, hat die polnische Regierung im Völkerbundsrat bezüglich der Abgrenzung des Danziger Hafens für den polnischen Postdienst beantragt, daß die ganze Stadt postalisch als Hafen gelten soll, weil Stadt und Hafen in wirtschaftlichen Dingen identisch seien.
Vom Völkerbundsrat
Genf, 10. Juni. In geheimer Sitzung beriet der Völker- ' :dsrat die Uebernahme der militärischen Ueberwachung von Deutschland, Oesterrei'' Ungarn Md Bulgarien und die Notwendigkeit, daß in diesen Ländern besondere gesetzliche Bestimmungen erlassen werden sollen, damit die Mitglieder der Usberwachnngskommission zur ungehinderten Ausübung ihrer Tätigkeit dieselben Rechte der Unverletzlichkeit usw. haben, wie die diplomatischen Vertreter.
Der tschechische Außenminister Benesch hatte in Genf eine längere Unterredung mit Chamberlain über die Sicherheitsfrage. Briand ist Mittwoch abend nach Paris abgereist.
Painleve im Flugzeug nach Marokko
Paris, 10. Juni. Ministerpräsident Painleve ist gestern nachmittag nach Toulouse abgereist, um heute über L vanien, nach Marokko zu fliegen- Mit Painleve werden der Unterstaatssekretär des Flugwesens Eynac und General Jacqueot vom Kriegsministerium, sowie mehrere Zeitungsberichterstatter. insgesamt in 8 Flugzeugen die Reise machen, und zwar sollen die Flugzeuge, wie verlautet, unterwegs zweimal gewechselt werden, so daß 24 Flugzeuge bereitgestellt werden mußten.. Painleve beabsichtigt mit Marschall Lyauthey die Lage in Marokko zu besprechen und dem Ministerrat darüber Bericht zu erstatten. Painleve soll den Standpunkt eingenommen haben, daß die Kämpfe im Fall eines Rückzugs der Kabylen nicht auf das Rifgebiet übertragen werden sollen, während die Generale in Marokko für völlige Niederwerfung Abd el Krims auch im Rifgebiek sind.
Es wird gemeldet, Painleve wolle mit Lyauthey sich über die Zusammenarbeit mit Spanien in Marokko besprechen, um in ganz Nordafrika Ruhe zu schassen. Der Sultan von Marokko wird nach Fez geschickt, um die Bevölkerung zum Ausharren zu ermuntern.