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(Enztalbote)

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Nummer 131

Fernruf 179

Englands Ostseepolitik

Ungeachtet der Ableugnung, daß England von Estland die Inseln Dagö und Oesel gepachtet habe, untersucht die Kopenhagener ZeitungPolitiken" die Frage, ob ein eng­lischer Flottenstützpunkt auf Dagö und Oesel, also in der Nähe von Petersburg und Kronstadt mit der englischen Ost- seepolitik übereinstimmen würde oder nicht. Das dänische Blatt meint, ein solcher Schritt von seiten Englands würde in Kopenhagen nicht gerade überraschend wirken können, und es erinnert an den sehr starken englischen Widerstand, als der Völkerbund zu entscheiden hatte, ob den Staaten Finnland, Estland und Lettland die von ihnen geforderten je vier Uboote zugebilligt werden sollten. England wehrte sich hiergegen, weil es selbst die erforderlichen Seestreitkräfte in der Ostsee zu stellen wünsche. Und ganz die gleiche Rich­tung der englischen Politik ist gegenüber Polen zu beob­achten; sie hat dazu geführt, daß Polen im Einvernehmen mit Frankreich eine neue Tauchbootstation in Gdingen er­richtet. In Danzig läßt es sich nicht machen, weil dort der englische Kommissar Mac Donnell die britischen Interessen wahrnimmt. Diese Interessen aber bestehen natürlich darin, die Ostsee Meinem englischen Meer zu machen, Ruß­land, den alten Gegner, fernzuhalten. Und dieses Ziel soll auch dadurch erreicht werden. Laß man eine Reihe von bal- tischen Staaten aufrechterhält, aber als so schwache Staaten, daß der politische und Handelseinfluß Englands der ton­angebende ist. Mit andern Worten, die englische Politik in der Ostsee besteht darin, kleine, angeblich unabhängige aber schwache Mächte, die politisch, wirtschaftlich und militärisch von Großbritannien abhängig sind, dazu zu benutzen, den russischen Drang nach dem Meer niederzuhalten. Das Blatt setzt hinzu, daß die erwähnte englische Absicht der Abwehr des Drangs Rußlands zum Meer der französischen Politik ja unmittelbar zuwiderlaufe, die daraus tzknarbeite, daß die Randstaaten den Bolschewismus eindämmen sollen, nicht «der das Rußland der Zukunft, das Nachsvwjet-Rußland, die natürlich mit einem unabhängigen Polen rechne, sich aber wohl die eigentlich»« Randstaaten als sechständige Teile einer sieuen russischen Großmacht denke.

Auch die schwedischeGöteborgs Handelstidning" glaubt, daß in der Mitteilung des russischen Sowjetkommissars für das rote Heer, Frunse, auf dem Moskauer kommunistischen Kongreß über die englische Pachtung der Inseln Oesel und Dagö ein wahrer Kern stecke. Der schwedische Politiker Segerstedt teilt die Meinung, daß England beabsichtige, E Lsstsee M einem englischen Meer zu machen, um den russischen Gegner von zwei Seiten fassen zu können und seme Verbindung übers Meer zu beherrschen, wobei die Leichtrgkelt der Verriegelung des Schwarzen Meers in Be- troch-L zu ziehen sei. Mit bitterem Hohn wendet sich Seger- stedt rn diesem Zusammenhang gegen seine eigenen Lands- leiüe und die andern skandinavischen Länder.' Es habe in Schwedens und Dänemarks Ermessen gelegen, die Ostsee zu einem skandinavischen Gewässer zu machen. Beide Lander zusammen gebieten über den Zugang zur Ostsee. Statt oessen lasse Schweden durch seine von der gegenwärtigen und der Parlamentsmehrhekt durchgesetzten Flotte verrosten und schwäche sein die Sudkuste nicht mehr zu halten sei, und Dänemark spiele sogar mit dem Gedanken, sein Heer durch O^dnunaspolizei zu ersetzen. Je mehr die Ostseestaaten abrust-en", desto mehr finden sie den Beifall Englands, desto eifriger betreibe England offen oder im geheimen seine beherrschende Festsetzung in der Ostsee.

Vor den Absichten Englands auf die Ostsee hat vor vielen Jahren schon Großadmiral von Tirpitz gewarnt.

Der Wöllersdorfer Skandal-Prozeß

Der österreichische FM Barmak-Sutisker

Am Mittwoch voriger Woche begann vor dem Schöffen- in Wien der Strafprozeß in der Angelegenheit der Eollersdorser Werke. Seit fast einem Jahr läuft dieser Fall schon bei dem Gericht, der eine unerhörte Ausplünde- rung von österreichischem Staatsvermögen durch skrupellose Geschäftsleute zur Grundlage hat.

Auf der Anklagebank sitzen der 33jährige Siegfried Neu- bofer, ehemalsGeneraldirektor" der Wöllersdorfer Werke, der 49jährige Berliner Helmuth Neumann, ein Schwager des bekannten Leon Sklarz oder Sklarek, und ein gewisser Pitner. Ursprünglich sollte gleichzeitig auch gegen den Hauptbeteiligten an diesem Falle, L e o n S k la rz, ver­handelt werden. Dieser hält sich aber im Ausland auf und hat es vorgezogen, der Verhandlung fernzubleiben, weil das Wiener Gericht sein Ersuchen um freies Geleit zu der Ver­handlung mit der weiteren Bedingung, daß er auch dann auf freiem ^ gelassen werden sollte, wenn er in erster Instanz verurteilt würde, abgelehnt hatte. Infolgedessen mußte das Verfahren gegen den Berliner Leon Sklarz ausgeschaltet werden, und es wird nur gegen die drei Erstgenannten verhandelt, die sich wegen des Verbrechens des Betrugs, der Veruntreuung und der Verleitung zum Mißbrauch der Amtsgewalt zu verantworten haben.

Wildbad, Dienstag, den 9. Juni 1925

Tagesspiegel

Die Vesehungsbehörde hat die Ausweisung des früheren Oberbürgermeisters von Köln, Staatsmiuister a. D. und Neichskagsabg. Wallraf, zurückgezogen.

Die hasenarbeker in Duisburg sind wegen Lohnforde­rungen in den Ausstand getreten.

Die Feierlichkeiten zum 25jährigen Regierungsjubiläum des Königs Viktor Emanuel von Italien haben am Sonn­tag begonnen.

Lhamberlain und Briand hakten am Sonntag in Genf in Gegenwart des sozialistischen Abgeordneten Voncour und des englischen Ankerstaakssekretärs Lord Onslow eine lange Unterredung über den Sicherheiksvertrag. Voncour ist einer der schärfsten Vertreter der bisherigen Enkwaffnungs- und Bcsehungspolitik.

Vriand ist überzeugt, daß er über die Sicherheitsfrage mit Lhamberlain rasch ins Reine komme, und daß die be­treffende Rote schon in nächster Woche in Verlin übergeben werden könne, umso mehr als auch Italien sich gegen den Anschluß Oesterreicks an Deutschland erkläre. Italiens Brennergrenze müsse ebenfalls durch Sicherheitsverkrag gewährleistet werden.

Aus Marokko wird gemeldet, daß mehrere französische Offiziere und Soldaten wegen Ungehorsams vor dem Feind erschossen worden seien.

Die Kabylen haben das Bibanegebirge in Marokko beseht.

Die LondonerMorningpost" berichtet aus Konstan- kinopel, die türkische Regierung habe eine weitverzweigte Verschwörung entdeckt, die wahrscheinlich von dem in San Remo lebenden früheren Sultan geleitet werde. 60 Türken, darunter der Adjutant des Sultans, seien verhaftet und nach Angora gebracht worden.

Die Vorgeschichte des Falls ist folgende:

Wöllersdors war die größte Munitionsfabrik der alte« österreichisch-ungarischen Monarchie und beschäftigte wäh­rend des Kriegs 50 000 Arbeiter, während nach der Revo­lution dort nur noch einige hundert Leute Beschäftigung fanden. Nach dein Umsturz war es dem kleinen Staat Oesterreich unmöglich, diesen ungeheuren Betrieb weiterzu­führen. Er übergab ihn zuerst der Berliner Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft. Als diese Gruppe versagte, trat ein Konsortium auf den Plan, das von Viktor Adler, Adolf Pochwadt und dem von Leon Sklarz vertretenen Metallum- Konzern geführt wurde, und der A. E. G. die Wöllersdorfer Aktien abnahm. Präsident der neuen Gesellschaft wurde Sektionschef Pitncr, Generaldirektor der Metallhändler Neuhöfer aus München. Pochwadt wurde bald von Sklarz aus dem Vermal--ugsrat hinausgc-rängt und der Me- tallum-Konzern riß die Leitung an sich.

Nun begann die Ausbeutung, und zwar in Form der Gründung von Tochtergesellschaften. Diesen Gesellschaften hat die neue Negierung in Oesterreich nicht nur Grundbesitz, sondern auch sämtliche Baulichkeiten und Anlagen, dazu noch Maschinen und Halbfabrikate zur Verfügung gestellt. Als Gegenwert bekamen die Wöllersdorfer Merke ganz gering' fügige Leistungen, zum Beispiel bei einer Tochtergesellschaft nur den elften Teil der von der Dachgesellschaft beigesteuer­ten Werte. Die Waren wurden zu Preisen verkauft,'WH 4>, nicht einmal den Metallwert erreichten. Erst im Jahr 8>W». konnte diesem schamlosen Treiben Einhalt geboten werden. Wie in der Anklageschrift behauptet wird, betrug bei Grün­dung der verschiedenen Tochtergesellschaften und bei den z Materialverkäufen die Ankerbewertung aller Sacheinlage« etwa zwölf Milliarden Kronen. Die Unterbewertung der durch den Verkauf abgegebenen Bestände aus den Werken etwa 26 Milliarden Kronen.

Wie toll auch sonst gewirtschaftet wurde, geht schon aus der Tatsache hervor, daß die Wöllersdorfer Werke bei einem Umsatz von 53 Milliarden allein anAuslagen" 27 Mil­liarden aufgewendet haben.Präsident" Pitner hatte 2000 Goldkronen Monatsgehalt und ein Auto zur Verfügung, für Sklarz war auf Kosten der Wöllersdorfer Werke eine der Fürstin Hohenlohe-Schillingsfürst gehörige Wohnung um den Preis von 1,4 Milliarden gekauft worden. Be­zeichnend ist auch folgender Vorgang, der besonders Neu­höfer und Sklarz zur Last gelegt wird. Der Verwaltungsrat hatte beschlossen, einer Dame, die aus eine hochstehende Per­sönlichkeit Einfluß ausüben sollte, ein Platinarmband im Wert von nahezu 80 Millionen zu spenden. Auch diese Bestechung wurde den Wöllersdorfer Werken angerechnet.

Die den Angeklagten zur Last gelegte Bestechung bezieht sich auf Sektionschef Hill inger, der in den Wöllers­dorfer Werken die Interessen des Bundes zu vertreten hatte. Sklarz und Neuhöfer wollten Viktor Alder veranlassen, den Sektionschef mit hundert Millionen zu bestechen, damit dieser über das Treiben des Verwaltungsrots nicht Lärm schlage. Hillinger hat aber das Ansinnen «reraijch abges chlage n.

Fernruf 179

60. Jahrgang

Die öffentliche Meinung, in Oesterreich verfolgt den Ver­lauf des Prozesses, -der sich durch mehr als einen Monat hindurch ausdehnen wird, mit großer Spannung.

In der Gerichtsverhandlung erlaubte sich der Verteidi­ger des Neumann, Rechtsanwalt Dr. Benedikt, derartig beleidigende Ausfälle gegen einen Gerichtssachverständigen, daß der Gerichtshof ihm einen Verweis erteilte. Darauf legte Benedikt und die beiden andern Anwälte Pak und Prehburger die Verteidigung nieder. Der Wiener Abend" erklärt, das sei ein abgekartetes Spiel, um eine Umwandlung oder Vertagung des Prozesses zu erzielen. Dr. Pak und Preßburger erklärten sich später bereit, die Ver­teidigung wieder zu übernehmen.

Neue Nachrichten

Aufhebung der Personatabbauverordmmgen

Berlin, 8. Juni. Wie von unterrichteter Seite mikgekeilt wird, sieht die neue Novelle zur Personalabbauverordnung folgende wesentliche Verbesserungen vor: 1. Aufhebung sämt­licher für die Beamten und Angestellten geltenden Abbau­verordnungen. 2. Völlige Beseitigung der Pensionskürzungs­vorschriften. 3. Gewährung von Abfindungssummen an ver­heiratete weibliche Beamte, die aus dem Beamkenverhältnis ausscheiden. 4. Hinaufsetznng der Mindestwartegeldgrenze und des Zöchstbetrages des Martegeldes. 5. Einstellung der Einstellungssprerre, besondere Berücksichtigung der Versor­gungsanwärter und Schwerkriegsbeschädigten bei Einstellung von Beamten. 6. Gewährung von Wbk>en- und Waisen- geldern an die Hinterbliebenen eines verstorbenen Ruhe­gehaltsempfängers, der sich erst nach der Pensionierung ver­heiratet hat. 7. Gewährung einer Wikwenbeihilfe an schuld­los geschiedene Ehefrauen verstorbener Beamter oder Ruhe­gehalksempfänger. 8. Gewährung einer Wikwenbeihilfe an wiederverheiratete witwengeldberechtigte Witwen im Todes­fälle ihres zweiten Ehemannes. Da diese Verbesserung nicht ohne Einfluß auf die Rechte der Länder und Gemeinden bleiben, war eine vorherige Beteiligung des Reichsrakes geboten, um so eine gleichmäßige Behandlung der Reichs- beamken mit den Länder- und Gemeindedeamten zu erzielen.

Einzelverhandlungen mit den Schuldnerftaaten

Berlin, 8. Juni. Auf Wunsch des Reichskanzlers Dr. Luther werden Vertreter der deutschen 3 ndustrie zu einer Besprechung der Rote der Verbündeten mit der Aeichsregierung berufen, bevor die Vertreter der Länder in Berlin Zusammenkommen.

Aus einer Mitteilung Dr. Skresemanns an Mit­glieder der Deutschen Volkspartei wird geschlossen, daß die Reichsregierung mit den Berbandsmächten nur über einen Teil ihrer Forderungen verhandeln wolle, mehrere Forde­rungen sollen abgelehnt werden.

Bier Bundesstaaten des Reichs haben bis seht gegen die nochmalige Amformung der Schutzpolizei Einspruch erhoben.

Blutiger Zusammenstoß

Berlin, 8. Juni. Bei dem Schützenfest der Schühengilde in Teltow kam es zu einer schweren Schlägerei mit dem Roten Fronkkämpferbund. Schutzpolizei und Landjäger mußten von der Schußwaffe Gebrauch machen. Ern Toter und neun Schwerverwundete blieben am Platz, viele wor­den leichter verletzt.

Dr. Schacht über die Lnkwaffnungsnote

Verlin, 8. Juni. Einem Vertreter der PariserChi- cagoer Tribüne" erklärte Reichspräsident Dr. Schacht, das Ausland habe immer die Firma Stinnes als ein Wahr­zeichen dafür betrachtet, wie gut es den Deutschen gehe. Di« Firma Stinnes befinde sich aber jetzt in großen Finanz­schwierigkeiten, sie sei ein Opfer der Entschädigungs- Politik des Verbands und des Ruhreinbruchs geworden. (Das ist es ja, was England wollte. D. Sehr.) Deutschland bennde sich in einer zehnmal schlimmeren Lage, als die Per- bündeten glauben. Wenn sie diese Politik fortsetzen, daß sie fünf Monate brauchten, um unswichtige" Mitteilungen zu machen, und uns dann eröffnen, daß Maschinen zerstört werden müssen, wenn sie glauben, daß das geschehen kann, ohne das wirtschaftliche Leben durcheinander zu bringen und den Dawesplan aufs ernsteste zu gefährden, dann sind sie wirtschaftliche Kinder. Wenn in dieser Verbandspolitik nicht eine Aenderung eintritt, so muß der Kessel platzen. Die Schwierigkeiten der Firma Stinnes sollte die Verbündeten warnen.

DieChicago Tribüne" meint, Amerika sollte eine Kon­ferenz über die Frage einberufen.

Die Eisenacher Durschenschafkerkagung gegen das 1 «Reichsbanner"

Eisenach, 8. Juni. Die Burschenschaftertagung m Eisenach hat folgende Entschließung gefaßt: Das Reichs­bannerSchwarz-Rot-Gold", das einseitigen politische« Zwecken dient, hat nickst das RechA die Idee,: der na No-