Die Fraktion der Sozialisten hielt gestern abend, als dis Kammersitzung um g Uhr unterbrochen wunde, eine Sonder- Besprechung ab, an die sich eine Sitzung des Porteivorstands anschloß. In der Kammer wurde nachts 11.30 Uhr bekannt, die Sozialisten haben beschlossen, der Regierung entgegen der vorherigen Abmachung in der Marokkofrage nicht das Vertrauen auszusprechen, sondern sich der Stimme zu enthalten. Die Radikalsozialisten stellten darauf, als die Kammersitzung ohne die Sozialisten wieder eröffnet worden war, den Antrag, die weitere Aussprache über die Marokko- Anfrage aus Freitag nachmittag zu vertagen. Der Antrag wurde gegen die Stimmen der Kommunisten angenommen.
Am Freitag vormittag wurde eine Vertretersitzung der vier Parteien des Linksblocks abgehalten, um die Einigkeit wiederherzustellen. Die Sozialisten beschwerten sich, daß Ministerpräsident Painleve, als die Vereinbarung über die Zustimmung zu seiner Marokko-Politik getroffen wurde, sich viel friedfertiger ausgesprochen habe als nachher in seiner Kammerrede, wo er für die Fortsetzung des Kriegs eingetreten sei. Die Sozialistische Partei sei somit nicht mehr an ihr Versprechen gebunden. Es wurde dann aber eine veränderte Vertrauens-Tagesordnung vereinbart, für die auch die Sozialisten eintraten, doch ist es fraglich, ob die Rechte, die für die erste Tagesordnung stimmen wollte, auch die abgeänderte annehmen wird, die sich gegen „Kolonialismus" und „Abenteuer" ausspricht. .
Französische Gasgranaten gegen die kabylen Lyon. 29. Mai. Nach Meldungen aus Marokko verwendet die französische Artillerie gegen die Kabylen völkerrechtswidrig Granaten, die giftige Gase entwickeln.
Die Aeberlegenheit des deutschen Mlikärtvesens Paris, 29. Mai. Das „Echo de Paris" ist von der Rede des Reichswehrministers Geßler betroffen und weiß zu Geßlers Widerlegungen der angeblichen „Verfehlungen" der Reichswehrverwaltung nichts zu sagen. Das Blatt meint, wenn die deutsche Heereseinrichtung bester sei als die französische, so müsse Frankreich sie vielleicht nachmachen. Es würde sich dann nicht mehr darum handeln, daß die Verbündeten abrüsten, sondern daß sie nach deutschem Vorbild rüsten. Um so mehr müsse aber die Durchführung der Artikel 12 bis 1-1 des Vertrags von Versailles (dauernde Entmilitarisierung der Rheinlande) eingehalten werden, denn dadurch erhalte Frankreich eine wirkliche militärische lieber- leqenheit und könne jederzeit auf deutsches Gebiet über den Rhein vorstoßen, wenn es dies für notwendig halte.
Umschwung im englischen Kabinett?
Paris, 29. Mai. Der „Petit Parisien" meldet aus London, im gestrigen englischen Ministerrat sei es in di« Erscheinung getreten, daß der Widerstand gegen die Politik Chamberlains im Kabinett Nachlasse und daß die Neigung, mit der französischen Regierung sich über die Sicherheitsfrage, die Räumung usw. zu verständigen, zunehme. Dagegen scheine man von der Absicht, eine Abrüstungskonferenz einzuberufen, nicht abgehen zu wollen. Briand und Chamberlain werden Gelegenheit haben, aus der Tagung des Völkerbundsrats in Gens sich über die verschiedenen Fragen auszusprechen.
Erneute amerikanische Mahnung an die Kriegsschuldner London, 29. Mai. Der stellvertretende amerikanische Schatzsekretär Dewey ist in London eingetroffen und wird von hier nach Paris und Berlin reisen. Wie verlautet, hat Dewey den Auftrag, sich bei den Schuldnerstaaten zu „erkundigen", welche Vorschläge sie den Vereinigten Staaten über die Regelung der Kriegsschulden zu machen haben. Nötgenfalls solle den säumigen Schuldnern der Kredit der amerikanischen Banken von Staatswegen gesperrt werden.
Einspruch der bayerischen Regierung ^
München. 29. Mai. Die bayerische Regierung Hai gegen den Reichstagsbeschluß, wonach in Straffachen, in denen Urteile der bayerischen Dolksgerichte ergangen sind, das Verfahren wieder ausgenommen werden soll, nach verfassungsmäßigem Recht Einspruch erhoben. Der Reichsrat ist dem Einspruch beigetreten.
Württemberg
Stuttgart, 29. Mai. KeinMangelanKleingeld- Nach einer beim Reichsfinanzministerium eingelaufenen Beschwerde soll in Württemberg Mangel an Kleingeld herrschen. Es wird darauf aufmerksam gemacht, daß die Reichsbankanstalten zurzeit mit 1, 2, 3, 10 und 50 Pfennigstücken so hinreichend versehen sind, daß sie jeden angeforderten Betrag abgeben können. "
Milchpreisabschlag. Der Erzeugerpreis für Vollmilch geht ab 1. Juni um 2 F zurück, ebenso der Kleinverkaufspreis in Groß-Stuttgart, so daß ab nächsten Montag ein Liter Milch 31 Z kostet.
Schon wieder eine Fleischpreiserhöhung. Die Stuttgarter Metzgerinnung hat mit sofortiger Wirkung folgende Fleischpreise festgesetzt: 1 Pfd. Rindfleisch 1. Güte 1.20 ^ (seither 1.15 -1t), Rindfleisch 2. 1.05 (1 -1t), Kuhfleisch 1. 65—70 Z« (60—65 F), Kuhfleisch 2. 50—60 Z, Schweinefleisch 1.20-1t (1.10 -1t), Bauchlappen 1-10, Speck 1 -K. Die Preise der übrigen Fleischsorten bleiben unverändert.
Eine Schwindlergesellschafk. Vor dem Großen Schöffengericht standen in den letzten Tagen fünf Angeklagte, die sich betrügerische Machenschaften mit einem Apparat hatten zuschulden kommen lassen, der Krankheiten anzeigen sollte. Der Hauptangeklagte Kuno Damson erhielt wegen neun Verbrechen des Betrugs im Rückfall 1 Jahre 6 Monate Zuchthaus, 500 Mark Geldstrafe und 5 Jahre Ehrverlust. Die übrigen Angeklagten bekamen Gefängnisstrafen von 2 bis 8 Monaten. Ein Angeklagter wurde freigesprochen.
Pom Tage. Ein 59 Jahre alter Schmied verübte in der Küche seiner Wohnung in der Ulmerstraße in Wangen Selbstmord durch Gasvergiftung.
Aus dem Lande
Unkerlürkheim, 29. Mai. Sturz aus dem Fenster. Bei Reinigung der Fenster im dritten Stock eines Hauses in der Kappelbergstraße stürzte eine 13 Jahre alte Frau in den Hof und erlitt schwere innere und äußere Verletzungen.
Hochdorf OA. Waiblingen, 29. Mai. Selbstmord. Der 55 Jahre alte Schreiner Christian Balfert aus Fellbach hat durch Erhängen seinem Leben ein Ende gemacht.
Meimsheim OA. Brackenheim, 29. Mai. Liebeskummer. Hier hat sich ein in den 20er Jahren stehender Bursche anscheinend aus Liebeskummer drei Revolverschüsse in selbstmörderischer Absicht beigebracht. Schwer verletzt wurde er ins Bezirkskrankenhaus nach Vracken- heim verbracht. -»«M
Abskatt OA. Heilbronn, 29. Mai. Blühende Trauben. An der Kammerz von Gustav Michelfelder sind seit einigen Tagen blühende Trauben zu sehen.
Weinsberg, 28. Mai. Bonder Weibertreu. Der Ausschuß des Justinus Kerner- und Frauenvereins hat wegen der in letzter Zeit an der Burgruine „Weibertreu" und den Anlagen mitwillig verübten erheblichen Beschädigungen sowie sonstiger unliebsamer Vorkommnisse beschlossen, die Burg abzusperren. Künftig wird ein Eintrittsgeld erhoben.
Neckarsulm, 28. Mai. Masern. Eine Masern-Epi- demie herrscht in der Stadt. Sehr viele Kinder liegen daran nieder. Die katholische Kinderschule ist geschlossen.
Tübingen, 29. Mai. Betrügereien. Vor dem erweiterten Schöffengericht standen sieben Händler von Dußlingen wegen zahlreicher Betrügereien, durch die sie ihre Warenlieferanten, namentlich zwei Firmen in Reutlingen und Nagold und eine Firma in Herrenberg, geschädigt haben. Es werden verurteilt: Georg Hämmerle zu 13 Monaten, August Morlock zu 7 Monaten, Karl Dürr zu 11 Monaten, Paul Beck zu 8 Monaten, Adam Dieter zu 11 Monaten, Hans Ungemach zu 1 Jahr 3 Monaten Gefängnis und Gottfried Schlauch unter Einrechnung einer früher ausgesprochenen Zuchthausstrafe zu 2 Jahren Zuchthaus.
Rokkweil, 29. Mai. Brandstiftungen. Das Schwurgericht hat den 18 I. a. Hilfsarbeiter Friedrich Rosenfelder von Trossingen wegen Brandstiftung zu 1 Jahr 10 Monaten Zuchthaus und drei Jahren Ehrverlust, ferner den 21 I. a. Bauarbeiter Johann Pauli von Dürbheim OA. Spaichingen gleichfalls wegen Brandstiftung zu 2 Jahren 3 Monaten Zuchthaus, sowie 3 Jahren Ehrverlust verurteilt. Rosen^'der hatte in Trossingen das Haus des Christian Birk und den Holzschuppen des Johannes Koch in Brand gesetzt, wodurch großer Schaden entstand. Pauli hatte sein elterliches Wohnhaus in Dürbheim angezündet, um sich die Feuerversicherungssumme zu verschaffen.
Frommer« OA. Balingen, 29. Mai. DerDrangnach d e r H e i m a t. Im Alter von 71 Jahren kehrte ein Bürgers sohn hiesiger Gemeinde aus Amerika zurück, um noch einmäß seine Heimat und sein Vaterland zu sehen. Er war mit 16 Jahren nach Amerika ausgewandert.
Geislingen a. 29. Mai- Besitzwechsel. Die Zweigstelle der Diskontbank hier ging um den Preis von 70 000 -1l käuflich au die hiesige Oberamtssparkasse über. In den Verkaufspreis ist die gesamte Einrichtung inbegriffen.
Plieningen OA. Stuttgart, 28. Mai. Hühnerpest Hier herrscht seit einigen Wochen die Hühnerpest, der bereits mehr als 500 Hühner zum Opfer gefallen sind. Die Seuche soll durch italienische Hühner eingeschleppt worden sein. Sie hat auch bereits nach dem nahen Kemnat übergegriffen Dagegen ist Hohenheim mit der Landesgeslügelanstalt bisher verschont geblieben.
Weinsberg. 28. Mai. Steuerhinterziehung Der Direktor der Weinsberger Karosseriewerke, Franz Eisenlohr wurde vom Schöffengericht wegen fortgesetzten Vergehens der Steuerhinterziehung zu der Geldstrafe von 1200 Mark verurteilt.
Freudenstadk. 28. Mai. Verbandstag der Schlossermeister. Der Württ. Schlossermeisterverband hielt hier am 21. Mai seinen 11. Verbandstag ab. Der nächste Verbandstag findet in Gmünd statt.
Göllsdorf OA. Rottweil, 28. Mai. W i l d e r F a r r en. Farrenwärter Wenger wurde von einem Farren angefallen und ziemlich schwer verletzt. Er wurde ins städt. Spital verbracht.
Schwenningen, 28. Mai. Todesfall. Oberbürger- Meister Dr. Braunagel ist einem schweren Herzleiden erlegen. Dr. Braunaael, der ein Ater von nur 53 Jahr-n erreichte, wurde am 2. März 1912 zum Stadtvorstand ge-
-aalen, wcai. Z u g s e n t g t e l s u n a. Gestern abend 5.30 Uhr entgleisten auf der Station Goldshose von dem Personenzug 535 die beiden Hinteren Wagen. Personen- oder Sachschaden ist nicht entstanden. Mit einer Verspätung von 20 Minuten konnte der Zug die Fahrt in Richtung Ellw-angen fortsetzen.
Heidenheim, 28. Mai. Absturz. Im Zementwerk Schwenk in Mergelstetten stürzte der 20 Jahre alte Arbeiter Seizinger mit dem Lastaufzug mehrere Stockwerke herunter und wurde schwer verletzt und bewußtlos ins Bezirkskrankenhaus verbracht. ; Z
Süßen OA. Geislingen, 28. Mai. (Ab gestürzt). Bei der Firma Kunststeinwerke waren zwei Gipfer mit Ausrichten von einem Gerüst beschäftigt und sind aus etwa 7 Meter Höhe abgestürzt, wobei sich der 10 Jahre alte Gipser Anton Pfister von höer einen Schädelbruch und der öljährige Veit Geiger eine Kopfverletzung und Rückenquetschung zuzog. Beide wurden mit dem Sanitätsauto nach Geislingen verbracht. Pfister ist den Verletzungen nach einigen Stunden erlegen.
Aufhofen. OA. Viberach, 28. Mai. Angefahren. Vergangenen Dienstag wurde eine hiesige ältere Frau, die vom Felde heimkehrte, von einem jungen Radfahrer an einer abschüssigen Stelle angefahren, so daß sie bewußtlos am Boden liegen blieb. Auch der Radler kam zu Fall, erholte sich aber alsbald wieder. Die Frau erlitt einen Schädelbruch und sonstige Verletzungen.
Friedrichshafen, 28. Mai. F estnahme. Wegen Betrugs in mehreren Fällen wurde hier der geschiedene Ingenieur Paul H. von Eulenburg, Kreis Delitzsch, festgenommen. — Johannes F., angeblicher Lehrer von Horb a. N., eine wegen Diebstahls, Betrugs, Urkundenfälschung, Amtsanmaßung u. a. schwer vorbestrafte Persönlichkeit, wurde wegen Betrugs festgenommen.
Sigmaringen. 28. Mai. Uebersahren. Landwirt Josef Deschner alt aus Hornstein stieg auf der Straße Jungnau—Sigmaringen von feinem Holzfuhrwerk ab, -still aus und fiel zu Boden. Die Räder des Wagens gingen über ihn hinweg. Er erlitt sehr schwere Quetschungen und einen Beckenbruch.
hechingen, 28. Mai. Schwurgericht. Fabrikarbeiter Friedrich Schellinger aus Bisingen wurde vom Schwurgericht wegen Körperverletzung mit nachgefolgtem Tode zu 10 Monaten Gefängnis verurteilt. Er hatte nach einem Streit den Monteur Endreß mit einer Zaunlatte auf den Kopf geschlagen. Endreß ist an den Folgen dieses Hiebs gestorben.
Wangen i. A., 29. Mai. Milchfälscher. Vom Amtsgericht wurde der 33 Jahre alte verheiratete Landwirt Anton Scheie von Untermooweiler, Ede. Neuravensburg, wegen Milchfälschung zu der Gefängnisstrafe von 10 Tagen und zu der Geldstrafe von 500 RM. verurteilt.
Robrdorf. OA. Nagold, 29. Mai. Brand. Gütern brannte die Feldscheune des Landwirts Friedrich Gries- Haber an den Rohrdorfer Wäldern vollständig ab. Etwa 70 Ztr. Stroh und eine Anzahl landwirtschaftlicher Maschinen fielen dem Feuer zum Opfer.
va; rlnlsme Schloß.
L8 Roman von Erich Ebenstein.
Urheberschutz durch Stuttgarter Romanzentrale „Der Beweis, daß ich nie etwas geträumt Habel Neh- „len Sie es selbst herab. Ich — ich habe nicht den Mut, rZ anzufassen I"
„So schreckhaft sind Sie auf einmal geworden? Und doch sind diese Blumen der beste Beweis, daß es sich nicht um Poltergeister handelt, sondern daß eben nachts jemand hier war — natürlich Ihr geheimnisvoller Verehrer vom Glashaus!"
' Hempel sagte es lachend, wie er überhaupt in bester Laune von seiner Reise zurückgekehrt zu sein schien. Er hatte während des Sprechens nach den Blumen gegriffen, dre mit einer Nadel am Bilderrahmen befestigt waren, f' Plötzlich wurde sein Gesicht ernst, er zog die Brauen hoch.
! „Ei, sieh mal an — diesmal scheint der geisterhafte Verehrer ja sogar etwas wie eine Visitenkarte an seiner Spende angebracht zu haben. Sehen Sie nur — hier auf dem weißen Atlasband sind Schriftzeichen." Er zog Hella hastig an eines der Fenster und las mit ihr zugleich: '„Gruß eines Toten an die Lebendigen, die er liebt!" Darunter zwei gekreuzte Schwerter, von Rosen umrankt, gekrönt durch einen Helm mit drei Straußfedern.
„Das Wappen der Rosenschwerts", stammelte Hella verstört, „und — der Gruß eines Toten! Zweifeln Sie noch, daß hier übernatürliche Dinge im Spiel sind?"
Silas Hempel antwortete nicht. Er blickte tief in Ge- danken verloren auf den seltsamen Gruß. Dieser war mit Bleistift in einer altmodisch verschnörkelten Schrift auf das Band geschrieben. Obwohl ihr eigentlicher Charakter sich auf dem Bande nicht hatte entwickeln können, kam sie Hempel doch merkwürdig bekannt vor. f Plötzlich fühlte er, daß Hella neben ihm schwankte. Die Aufregungen der Nacht und des Morgens waren doch zu
stark gewesen für ihre Nerven. Alles begann sich vor ihr im Kreise zu drehen, und sie wäre unzweifelhaft zu Boden gefallen, wenn Hempel nicht rasch den Arm um sie geschlungen und sie auf die Polsterbank in der Fensternische niedergedrückt hätte. Dann öffnete er rasch das Fenster, und die kühle Morgenluft bewirkte wirklich, daß der Schwächeanfall rasch vorüberging.
„Aber, gnädiges Fräulein", schalt er gutmütig spottend. „was macheil Sie denn für Streiche? Ich zählte Sie bisher unter die tapferen Soldaten, und nun —"
„Bin ich schlimmer als der törichte Feigling", versuchte Hella zu lächeln. „Sie haben recht, ich schäme mich ja auch. Aber mir ist eben, als habe man mir den Boden unter den Füßen weggezogen! Erklären Sie mir um Gotteswillen, wie so etwas möglich ist, oder sagen Sie mir wenigstens, was Sie darüber denken."
„Bah, denken Sie jetzt gar nicht weiter über diese Sache nach und verlangen Sie von mir vorläufig keine Erklärungen", antwortete der Detektiv leichthin. „Ich hoffe, eines Tages werde ich Ihnen dafür alles aufs schönste klar machen können, und wir werden dann gemeinsam lachen über die Schrecken dieser Nacht."
„Gott gebe es!"
„Für jetzt bitte ich Sie nur, den Saal zu verschließen und mir die Schlüssel zu übergeben. Niemand außer mir soll ihn betreten. Ich werde auch nachts hier mein Lager aufschlagen, doch braucht es niemand im Hause zu wissen. Es wird Ihnen doch nichts machen, wenn wir die Mahlzeiten während der nächsten Tage anderswo einnehmen?"
„Gewiß nicht. Wir können ebensogut unten im Verandazimmer essen, wo wir frühstücken. Mama wollen wir sagen, daß mir der Saal seit heute nacht widerwärtig ist und ich ihn jetzt, wo es schon frostig wird, überhaupt ganz absperren will. Sie soll nicht mehr beunruhigt werden, als sie leider ohnehin schon ist."
Die Majorin war indes lange nicht so beunruhigt, wie Hella dachte. Ihre glückliche Wesensanlage, die immer geneigt war, alles im besten Licht zu sehen. Unangenehmes, rasch zu vergessen und sich der Stimmung der Stunde an,- zupaffen, kam ihr nun sehr zustatten.
Sie hatte vorzüglich geschlafen, draußen gab es heute statt Sturm und Regen Sonnenschein, und Herr Hempek war wieder da — genug, um die Majorin alles in anderem Licht sehen zu lasten. " '"NW
Sie scherzte sogar beim Frühstück, das nun alle drei im Verandazimmer einnahmen, über ihre Angst während« der Nacht und erklärte, fortan auch nur mehr mit Watte in den Ohren schlafen zu wollen, wie der gute alte Semmelblond.
Hempel bestärkte die Majorin darin, erzählte Poltergeschichten aus alten Häusern und erwies sich als so glänzender Gesellschafter, daß schließlich eine ganz vergnügw Stimmung zustande kam. Nur Hella konnte sich noch nicht zurechtfinden darin. Sie war wirklich ganz aiA dem, Gleichgewicht gekommen. Dabei brannten ihr eine Wengs Fragen an Silas Hempel auf den Lippen, die sie hoffte, ihm nach dem Frühstück vorlegen zu können, wenn er, wrs sie sicher annahm, den Saal untersuchen würde,- Dabei wollte sie nämlich unbedingt zugegen sein. Sie mutzte wissen, wie man dort hinein und heraus kommen konnte, trotz verschlossenen Türen und Fenstern!
Aber Silas Hempel schien gar nicht an eine Unter- suchung des Saales zu denken. Gleich nach dem Frühstuck erklärte er, einen weiten Spaziergang unternehmen zu> wollen. Er habe so viel Staub und Ruß in der Stam schlucken müssen, daß er eine wahre Sehnsucht habe, wre, der ausgiebig reine Luft zu atmen. Falls er mittags nicht da sei, möge man daher keinesfalls aus ihn warten, son^ dern ruhig allein essen. Zum Abendessen hoffe er jedoch« sicher Pünktlich einzutreffen . . . <Jortsetzung folgM