(Enztalbote)

Amtsblatt Mr W^bLad. Chronik unk» Anzeigenblatt

für das obere Evztal.

Erscheint täglich, ausgenommen Sonn- und Feiertags. Bezugspreis halbmonatlich 65 Pfennig frei ins Haus geliefert; durch die Post bezogen im innerdeutschen Verkehr monatlich 1.60 Mk. :: Einzelnummern 10 Pfg. Girokonto Nr. 50 bei der Oberamtssparkaffe Neuenbürg Zweigst. Wildb. :: Bankkonto: Enztalbank Komm.-Ges. HäberleL To. Wildbad. :: Postscheckkonto Stuttg. 29174.

Anzeigenpreis: Die einspaltige Petitzeile oder deren Raum im Bez. Grundpr. 12 Pfg., außerh. 15 einschl. Ins.-Steuer. Reklamezeile 30 Pfg. :: Rabatt nach Tarif. Für Offerten u. bei Auskunfterteilung werden jeweils 10 Pfg. mehr berechnet. :: Schluß der Anzeigennahme tägl. 8 Uhr vorm.:: In Konkursfällen od. wenn gerichtl. Beitreibung notw. wird, fällt jede Nachlaßgewähr, weg.

Druck, Verlag und Schriftleitung Theodor Gack in Wildbad, Wilhelmstraße ^ 151; Wohnung: Charlottenstraßs 221

HW.

- -7 ^

Nummer 58

Fernruf 179

Wildbad, Mittwoch, den 11. März 1925

Fernruf 179

60. Jahrgang

Los von Men!

In Oesterreich ist auf der ganzen Linie der Kampf der Bundesländer um ein möglichst großes Maß von Selbstän­digkeit vom Staat, vom Bund, eigentlich von Wien, ent­brannt. Dieser Kampf ist nicht neu. Er reicht bis ins alte Oesterreich zurück. Der Staat hieß nicht Oesterreich, sondern: Die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder. Aber es hat schon Besonderes zu bedeuten, wenn dieser Kamps seht mit besonderer Heftigkeit aus den Kreisen der Christlich­sozialen Partei geführt wird, die die führende Regierungs­partei ist. Es läßt sich heute nicht mehr bestreiten, daß die­ser Kampf zu einer Entscheidung drängt.

Vor einigen Tagen wurde von Tirol aus ein scharfer Vorstoß gegen die Wiener Ministerien geführt. Ein hervor­ragender Christlichsozialer, der Leiter der Heimatwehren in Tirol, behauptete, daß die österreichischen Alpenländer von Fremden beherrscht werden, von Fremden in den Mini­sterien. Als Beispiel führte er die Zusammensetzung des Be­amtenstands im Bundesministerium für Finanzen an. Da­nach wird Oesterreich in finanzieller Hinsicht von 58 v. H. höheren Beamtennichtösterreichischer Herkunft" regiert, 88 v. H. dieser Finanzbeamten aber seien den Alpenländern , überhaupt fremd. Einige Tage später erfolgte ein noch schärferer Vorstoß gegen die Wiener Zentralämter auf dem chrisüichsozialen Landesparteitag für das Land Salzburg Lurch den Landeshauptmann dieses Bundeslands, also durch den Chef der Landesverwaltung. Dieser Vorstoß erhielt eine besondere Bedeutung durch die Tatsache, daß er in Gegen­wart des Bundeskanzlers Dr. Ramek geführt werden konnte, der es sogar unterließ, auf die Behauptung des Landeshaupt­manns zu erwidern, in den Ministerien seien Herde der Kor­ruption vorhanden! Auf die Ausführungen des Salzburger Landeshauptmanns gegen die Zentralbürokratie in Wien erwiderte in einem Wiener Blatt ein hoher Beamter recht boshaft:Die Demokratisierung Oesterreichs hat uns alle zu­sammengenommen so viel Volksvertreter beschert, daß die Landesräte, Bundesräte, Nationalräte und Landtagsabge­ordnetem'sosvie die Gemeinderäte an Zahl mehr ausmachen als die Einwohner der Stadt Salzburg." Dieser hohe Be­amte räumt ein, es sei sicher, daß es noch immer zu viel Bundesbeamte gebe. Aber er sagt dann auch spöttisch:

Wenn der Herr Landeshauptmann zur Einsicht gelangt, daß für das Land Salzburg mit seinen 323 000 Einwohnern ein Landeshauptmann, zwei Landeshauptmannstellvertreter, drei Landesräte und 28 Landtagsabgeordnete ein zu großer Luxus sind, dann kann er auch mit Recht fordern, daß die Zentralregierung Oesterreichs auf das Maß der Schweiz zu­rückführt, die nicht sieben Ministerien, sondern nur sieben Departements benötigt, die nicht wie die Wiener Ministerien mehr als vier Häuserblocks besetzt halten, sondern im Bundes­palast in Bern untergebracht sind. Es ist nicht notwendig, daß zum Beispiel das Bundesministerium für Finanzen, ab­gesehen von der Personalvermehrung, 25 Departements mehr besitzt als das Finanzministerium des Kaisertums« Oesterreich. Wir brauchen kein Ministerium für Handel mit mehr als 50 Abteilungen."

So der hohe Beamte, der ja keine Geheimnisse ausge­plaudert hat. Die von ihm angeführtenLandesfunktionäre", die gewählt sind, beziehen alle, bis auf die Gemeindevertreter, Gehälter, die Landesräte sogar ziemlich hohe, in Tirol z. B. höhere Gehälter als die ihnen unterstehenden Berufsbeamten. In den Gemeindevertretungen beziehen die Bürgermeister sogenannte Funktionszulagen, die in den sozialdemokratischen Jndustriegemeinden reichlich bemessen sind. In einzelnen der Bundesländer wirkt der Landesverwaltungsapparat gerade­zu lächerlich durch das Mißverhältnis zwischen Bevölkerungs­zahl und Gehalts- oder Diätenbeziehern. Vorarlberg, das kleinste der österreichischen Bundesländer, hat 139 999 Ein­wohner. Aber auch dieses Ländchen hat einen aus nicht weniger als 30 Mitgliedern bestehenden Landtag mit dem Landeshauptmann als Präsidenten und zwei Vizepräsiden­ten. Außerdem besteht die Landesverwaltung aus fünf Landesräten, zu denen Landtagsabgeordnete bestellt werden. Der Landesamtsdirektor leitet die Aemter des selbständigen Wirkungsbereichs des Landes. Daneben aber läuft die mit­telbare Bundesverwaltung mit dem Landeshauptmanns an Spitze, unter dem wieder einLandesstatthalter" und der schon angeführte Landesamtsdirektor stehen. Das Präsidial­bureau dieser mittelbaren Bundesverwaltung eines Landes """ AM.einmal 140 000 Einwonern hat nicht weniger als acht Abteilungen, an deren Spitzen höhere Beamte stehen, ^"ßer diesen Abteilungen des Präsidialbureaus gibt es dann noch den Landesschulrat, den Landessanitätsrat, die Agrar- iandesbehörde, eine Landeskommission für Volkspflegestätten, kommen noch drei Bezirkshauptmannschaften. Das alles Ein wenig mehr, was hier nicht aufgezählt werden kann, m emem kleinen Ländchen ...

Srößeren Bundesländern ist der Verwaltungs- entsprechend größer. Das größte Bundesland, von Wien abgesehen, ist Niederösterr.eich mit 1480 452 Ein-

Tagesspiegel

Prinz Friedrich von Preußen, ein Sohn des Prinzen Albrechl, ehemaligen Regenten von Braunschweig, ist nach langem Leiden im Sanatorium Lcchmann bei Dres­den im Alker von 44 Jahren an Schwindsucht gestorben.

Nach Berliner Blättern wird die Reichstagsfraktion des Zentrums den früheren preußischen Ministerpräsidenten Skegerwald als Kandidaten für die Reichspräsident- fchafk aufstellen.

Der LondonerDaily Telegraph" schreibt, es fei "i be­grüßen. daß Dr. Luther die Kandidatur für die Reichspräsi- denkfchast nicht angenommen habe, da er als Reichskanzler im Ausland volles Vertrauen genieße.

Der rumänische Gesandte war gestern im Ausnm'Baen Amt. Leit Sonntag hat die Abreise von Rumänen aus Berlin wieder größeren Umfang angenommen.

Der bisherige amerikanische Gesandte in Pe'ü»g, Jakob G. Schurmann wurde zum Botschafter in Berlin ernannt.

Aus Danzig wird gemeidsl, daß die P-lrn Truppen an der Grenze des Freistaats zusammenziehen.

Die 33. Tagung des Völlerbundsrats wurde am Diens­tag in Ge--f d-nech CH?-nbrrleNn mit einer Gedächtnisrede auf den verstorbenen schwedischen Minister Branting er­öffnet. >

wohnern. Burgenland hat 286 179, Kärnten 370 748, Ober­österreich 875 918, Salzburg 323 000, Steiermark 978 845, Tirol 314 836 Einwohner. In allen diesen Ländern ist das Bestreben lebendig, die Verwaltung möglichst unabhängig von der Wiener Zentralregierung zu gestalten. Zu einem ausgesprochenen Staatsgefühle hat sich die politische Führer­schaft in diesen Ländern offenbar noch nicht durchgerungen. ' Sie will, daß jedes dieser Ländchen, von denen in Wirklich­keit keines für sich allein bestehen könnte, sein eigenerStaat" werde. Nun ist es offenbar, daß sich die Spitze der Bundes­regierung auf die Seite der Länderföderalisten stellt. Das ganze Problem drängt nach einer Lösung, von der zu be­fürchten ist, daß sie sich auf Kosten der Bundeseinheit im kleinlichen Geist der auf Erweiterung ihrer persönlichen Macht bedachten politischen Landesparteigrößen vollziehen wird. Und das wäre, im Interesse Oesterreichs, dessen Schick­sale wir Reichsdeutschen mit aufrichtiger Anteilnahme ver­folgen, zu beklagen.

Der Barmatskandal

Berlin, 10. März. Der Untersuchungsausschuß des preu­ßischen Landtags vernahm den Direktor Meyer-Hamburg, der von April 1919 bis Oktober 1923 Vorstand der Reichs­einfuhrgesellschaft für Getreide und Futtermittel war. Meyer bekundet, er sei im Juni 1919 von dem Vorsitzenden des Diktatorischen Ausschusses, Pötschow, im Auftrag des Reichswirtschaftsministers RobertSchmidt aufgefordert worden, mit Barmat Lieferungsverträge über Hülsen­früchte abzuschließen. Er habe von Tudko Barmat einen außergewöhnlich schlechten Eindruck bekom­men und habe seinem Prokuristen gesagt:Machen Sie den Geldschrank zu!" Da er außerdem sehr schlechte Auskünfte über Barmat erhalten hatte, habe er ihn unsanft weggeschickt. Später sei Barmat mit Bauer (dem früheren Reichs­kanzler) wiedergekommen, und Bauer habe sich beschwert, daß die Reichsgetreidestelle die einzige sei, die Geschäfte mit seinem (Bauers) Freund Barmat zurückgewiesen habe. Cr (Meyer) habe Bauer erklärt, er habe seine sachlichen Gründe dafür, außerdem seien die von Barmat geforderten Preise viel zu hoch. Barmat sagte darauf, er (Meyer) scheine wohl zu glauben, daß er (Vavmat) hinter den An­griffen gegen den Ernährungsminister Hermes stecke. Ich sagte es Barmat ins Gesicht, daß ich davon überzeuat sei , darauf habe man es unterlassen, die Reichsstelle für Barmat zu gewinnen. Auf verschiedene Anfragen erklärt der Zeuge weiter, das Kesseltreiben gegen Hermes sei u. a. des- balb eingeleitet worden, weil er die Zwangswirt­schaft aufheben und den freien Handel wieder ein­führen wollte.

Zeuge Hermes bekundet, er habe gegen Barmat Miß­trauen gehabt; Bauer habe sich sehr warm für seinen Freund Barmat verwendet.

Zeuge Weyermann, früher stellvertr. Direktor der Reichsfettstelle, erklärt, auf Veranlassung Pötschows haben im Juli 1919 die Geschäfte der Reichsfettstelle mit Barmat begonnen, zunächst mit eingedickter Milch. Es han­delte sich um einen Betrag von 18 Millionen holl. Gulden. Barmat ha«be schon bei der Packung betrogen; die Dosen ent- hielten weniger, als vereinbart und auf den Dosen auf­gedruckt war. Man habe die Geschäfte auf den Druck der obersten Reichsämter machen müssen. Das Reichswirtschafts­ministerium, das mit dem Ernährungsministerium verbunden

war, fei damals abgetrennt und Hermes sei Ernährungs­minister geworden. Dann erst habe derDruck von oben" aufgehört und die Neichsfetstelle habe keine Geschäfte mit Barmat mehr gemacht.

vr. Walter Simons

Der Präsident des Reichsgerichts Dr- S i m o n s ist durch Reichsgesek zum stellvertretenden Reichspräsidenten ernannt worden. Dr. Walter Simons ist als Sohn eines Industri­ellen 1861 in Elberfeld geboren. Er trat in den Justizdienst ein, in dem er 1905 in das Reichsjustizamt zur Behandlung internationaler Rechtsfragen berufen wurde. Von da in die Rechtsabteilung des Auswärtigen Amts gelangt, war er 1910 und 10l!2 deutscher Vertreter auf der Haager Wcchselrechts-Konferenz, 1914 an der Spitzbergen-Konferenz und wurde während des Kriegs mit der Leitung von ver­schiedenen Vertrags-Verhandlungen juristischer Art betraut.

Im Jahr 1918 übernahm er die technische Führung der Reichskanzlei, wurde 1918 zum Ministerialdirektor im Aus­wärtigen Amt ernannt und mit der Vorbereitung der Friedensverhandlungen betraut, an denen er in Versailles als Generalkommissar der deutschen Abordnung teilnahm. Nachdem er wegen der Unterzeichnung des Versailler Ver­trags gleich den Mitgliedern der Abordnung zuruckgetreten war, übernahm er die Leitung des Reichsverbands der Deutschen Industrie, wurde aber 1920 vom Reichskanzler Fehrenbach in den Reichsdienst zurückgeholt und zum Minister des Aeußern ernannt.

Als Minister hat Dr. Simons das Deutschs Reich auf den Konferenzen von Spa vertreten. Die Arbeit von Spa war nicht mit Erfolg gekrönt. Auch die Arbeit 1921 auf der Londoner Konferenz war ein Mißerfolg. Nachdem er 1921 mit dem Kabinett Fehrenbach zurückgetreten war, wurde er non neuem Mit-Med der deutschen Abordnung für die Verhandlungen mit Polen über Oberschlesien, die be­kanntlich auch unglücklich verliefen. Dr. Simoys wurde dann zum Präsidenten des Reichsgerichts ernannt.

/

Die Reichsmetzziffer nach der neuen Methode

Die Reichsmeßziffer für die Lebenshaltungskosten, die nach der bisherigen Berechnungsart die Ausgaben für Er­nährung, Wohnung, Heizung, Beleuchtung und Bekleidung umfaßt, beläuft sich-nach der Feststellung des Statistischen Reichsamts für den Durchschnitt des Monats Februar auf 125,1. Im Vergleich zum Vormonat (124,0) ist eine Stei­gerung von 0,9 v. H. festzustellen.

Neben dieser Meßziffer ist für den Monat Februar nach eingehenden Beratungen zum erstenmal eine neue, in ihren Grundlagen erweiterte Lebenshaltungsmeßziffer be­rechnet worden. Hierbei sind außer den bisher berück­sichtigten (elementaren) Lebenbedürsnissen noch dieSon­stiger! Ausgaben" eines Haushalts, für die Reinigung und Körperpflege, Bildung, Verkehr usw., in die Berechnung mit einbezogen worden, um einen Vergleich der Kosten für alle Aufwendungen, wie sie für den der Berechnung zu - - Grunde gelegten Haushalt zurzeit angenommen werden ^ können, mit denen der Vorkriegszeit zu erhalten. Ferner wurden im Zusammenhang damit die Berechnungsgrund- lagen Leb Ernährungs- und Bekleidungskosten, die in der Zeit der Zwangswirtschaft und der Inflation ausgestellt worden waren und zum Teil den gegenwärtigen Verhält­nissen nicht mehr entsprachen, durch stärkere Berücksichtigung höherwertiger Qualitäten verbessert. Neben diesen metho­dischen Veränderungen wurden die für die Jndexberechnung ^ verwandten Preise der Vorkriegszeit in allen Erhebungs­orten einer eingehenden Nachprüfung unterzogen.

Die neue erweiterte Mehziffer stellt sich im Durchschnitt des Monats Februar aus 135,6. Da diese Ziffer auf völlig veränderter Grundlage berechnet worden ist, kann sie mit den früheren Meßziffern nicht verglichen werden. Bei An­wendung der neuen Berechnungsmethode auf den Vor­monat ergibt sich für die Lebensunterhaltungskosten etwa die gleiche Steigerung wie nach der alten Methode.

Die Veröffentlichung der Reichsindsxziffer für die Lebens­haltungskosten erfolgt von nun ab wieder wie früher nur einmal im Monat.

Deutscher Reichstag

Berlin, 10. März.

33. Sitzung. Auf der T.-O. steht zunächst die 3. Beratung des Gesetzentwurfs über die Stellvertretung des Reichspräsidenten.

Abg. Graf Westarp (Dntl.) erklärt, daß seine Freunde der Vorlage zustimmen, weil sie den höchsten Justizbeamten des Reichs mit der Stellvertretung betrauen will. Nachdem aber inzwischen der demokratische ^Vorschlag einer Kandi­datur Dr Simons erfolgt sei, stelle er ausdrücklich fest, daß aus der Zustimmung zu der Vorlage keine Schlüsse aus die Haltung seiner Partei zur endgültigen Wahl des Reichspräsi­denten gezogen werden dürfen. __