(Enztalbote)
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HW.
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Nummer 58
Fernruf 179
Wildbad, Mittwoch, den 11. März 1925
Fernruf 179
60. Jahrgang
Los von Men!
In Oesterreich ist auf der ganzen Linie der Kampf der Bundesländer um ein möglichst großes Maß von Selbständigkeit vom Staat, vom Bund, eigentlich von Wien, entbrannt. Dieser Kampf ist nicht neu. Er reicht bis ins alte Oesterreich zurück. Der Staat hieß nicht Oesterreich, sondern: Die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder. Aber es hat schon Besonderes zu bedeuten, wenn dieser Kamps seht mit besonderer Heftigkeit aus den Kreisen der Christlichsozialen Partei geführt wird, die die führende Regierungspartei ist. Es läßt sich heute nicht mehr bestreiten, daß dieser Kampf zu einer Entscheidung drängt.
Vor einigen Tagen wurde von Tirol aus ein scharfer Vorstoß gegen die Wiener Ministerien geführt. Ein hervorragender Christlichsozialer, der Leiter der Heimatwehren in Tirol, behauptete, daß die österreichischen Alpenländer von Fremden beherrscht werden, von Fremden in den Ministerien. Als Beispiel führte er die Zusammensetzung des Beamtenstands im Bundesministerium für Finanzen an. Danach wird Oesterreich in finanzieller Hinsicht von 58 v. H. höheren Beamten „nichtösterreichischer Herkunft" regiert, 88 v. H. dieser Finanzbeamten aber seien den Alpenländern , überhaupt fremd. Einige Tage später erfolgte ein noch schärferer Vorstoß gegen die Wiener Zentralämter auf dem chrisüichsozialen Landesparteitag für das Land Salzburg Lurch den Landeshauptmann dieses Bundeslands, also durch den Chef der Landesverwaltung. Dieser Vorstoß erhielt eine besondere Bedeutung durch die Tatsache, daß er in Gegenwart des Bundeskanzlers Dr. Ramek geführt werden konnte, der es sogar unterließ, auf die Behauptung des Landeshauptmanns zu erwidern, in den Ministerien seien Herde der Korruption vorhanden! Auf die Ausführungen des Salzburger Landeshauptmanns gegen die Zentralbürokratie in Wien erwiderte in einem Wiener Blatt ein hoher Beamter recht boshaft: „Die Demokratisierung Oesterreichs hat uns alle zusammengenommen so viel Volksvertreter beschert, daß die Landesräte, Bundesräte, Nationalräte und Landtagsabgeordnetem'sosvie die Gemeinderäte an Zahl mehr ausmachen als die Einwohner der Stadt Salzburg." Dieser hohe Beamte räumt ein, es sei sicher, daß es noch immer zu viel Bundesbeamte gebe. Aber er sagt dann auch spöttisch:
„Wenn der Herr Landeshauptmann zur Einsicht gelangt, daß für das Land Salzburg mit seinen 323 000 Einwohnern ein Landeshauptmann, zwei Landeshauptmannstellvertreter, drei Landesräte und 28 Landtagsabgeordnete ein zu großer Luxus sind, dann kann er auch mit Recht fordern, daß die Zentralregierung Oesterreichs auf das Maß der Schweiz zurückführt, die nicht sieben Ministerien, sondern nur sieben Departements benötigt, die nicht wie die Wiener Ministerien mehr als vier Häuserblocks besetzt halten, sondern im Bundespalast in Bern untergebracht sind. Es ist nicht notwendig, daß zum Beispiel das Bundesministerium für Finanzen, abgesehen von der Personalvermehrung, 25 Departements mehr besitzt als das Finanzministerium des Kaisertums« Oesterreich. Wir brauchen kein Ministerium für Handel mit mehr als 50 Abteilungen."
So der hohe Beamte, der ja keine Geheimnisse ausgeplaudert hat. Die von ihm angeführten „Landesfunktionäre", die gewählt sind, beziehen alle, bis auf die Gemeindevertreter, Gehälter, die Landesräte sogar ziemlich hohe, in Tirol z. B. höhere Gehälter als die ihnen unterstehenden Berufsbeamten. In den Gemeindevertretungen beziehen die Bürgermeister sogenannte Funktionszulagen, die in den sozialdemokratischen Jndustriegemeinden reichlich bemessen sind. In einzelnen der Bundesländer wirkt der Landesverwaltungsapparat geradezu lächerlich durch das Mißverhältnis zwischen Bevölkerungszahl und Gehalts- oder Diätenbeziehern. Vorarlberg, das kleinste der österreichischen Bundesländer, hat 139 999 Einwohner. Aber auch dieses Ländchen hat einen aus nicht weniger als 30 Mitgliedern bestehenden Landtag mit dem Landeshauptmann als Präsidenten und zwei Vizepräsidenten. Außerdem besteht die Landesverwaltung aus fünf Landesräten, zu denen Landtagsabgeordnete bestellt werden. Der Landesamtsdirektor leitet die Aemter des selbständigen Wirkungsbereichs des Landes. Daneben aber läuft die mittelbare Bundesverwaltung mit dem Landeshauptmanns an Spitze, unter dem wieder ein „Landesstatthalter" und der schon angeführte Landesamtsdirektor stehen. Das Präsidialbureau dieser mittelbaren Bundesverwaltung eines Landes """ AM.einmal 140 000 Einwonern hat nicht weniger als acht Abteilungen, an deren Spitzen höhere Beamte stehen, ^"ßer diesen Abteilungen des Präsidialbureaus gibt es dann noch den Landesschulrat, den Landessanitätsrat, die Agrar- iandesbehörde, eine Landeskommission für Volkspflegestätten, kommen noch drei Bezirkshauptmannschaften. Das alles Ein wenig mehr, was hier nicht aufgezählt werden kann, m emem kleinen Ländchen ...
Srößeren Bundesländern ist der Verwaltungs- entsprechend größer. Das größte Bundesland, von Wien abgesehen, ist Niederösterr.eich mit 1480 452 Ein-
Tagesspiegel
Prinz Friedrich von Preußen, ein Sohn des Prinzen Albrechl, ehemaligen Regenten von Braunschweig, ist nach langem Leiden im Sanatorium Lcchmann bei Dresden im Alker von 44 Jahren an Schwindsucht gestorben.
Nach Berliner Blättern wird die Reichstagsfraktion des Zentrums den früheren preußischen Ministerpräsidenten Skegerwald als Kandidaten für die Reichspräsident- fchafk aufstellen.
Der Londoner „Daily Telegraph" schreibt, es fei "i begrüßen. daß Dr. Luther die Kandidatur für die Reichspräsi- denkfchast nicht angenommen habe, da er als Reichskanzler im Ausland volles Vertrauen genieße.
Der rumänische Gesandte war gestern im Ausnm'Baen Amt. Leit Sonntag hat die Abreise von Rumänen aus Berlin wieder größeren Umfang angenommen.
Der bisherige amerikanische Gesandte in Pe'ü»g, Jakob G. Schurmann wurde zum Botschafter in Berlin ernannt.
Aus Danzig wird gemeidsl, daß die P-lrn Truppen an der Grenze des Freistaats zusammenziehen.
Die 33. Tagung des Völlerbundsrats wurde am Dienstag in Ge--f d-nech CH?-nbrrleNn mit einer Gedächtnisrede auf den verstorbenen schwedischen Minister Branting eröffnet. >
wohnern. Burgenland hat 286 179, Kärnten 370 748, Oberösterreich 875 918, Salzburg 323 000, Steiermark 978 845, Tirol 314 836 Einwohner. In allen diesen Ländern ist das Bestreben lebendig, die Verwaltung möglichst unabhängig von der Wiener Zentralregierung zu gestalten. Zu einem ausgesprochenen Staatsgefühle hat sich die politische Führerschaft in diesen Ländern offenbar noch nicht durchgerungen. ' Sie will, daß jedes dieser Ländchen, von denen in Wirklichkeit keines für sich allein bestehen könnte, sein eigener „Staat" werde. Nun ist es offenbar, daß sich die Spitze der Bundesregierung auf die Seite der Länderföderalisten stellt. Das ganze Problem drängt nach einer Lösung, von der zu befürchten ist, daß sie sich auf Kosten der Bundeseinheit im kleinlichen Geist der auf Erweiterung ihrer persönlichen Macht bedachten politischen Landesparteigrößen vollziehen wird. Und das wäre, im Interesse Oesterreichs, dessen Schicksale wir Reichsdeutschen mit aufrichtiger Anteilnahme verfolgen, zu beklagen.
Der Barmatskandal
Berlin, 10. März. Der Untersuchungsausschuß des preußischen Landtags vernahm den Direktor Meyer-Hamburg, der von April 1919 bis Oktober 1923 Vorstand der Reichseinfuhrgesellschaft für Getreide und Futtermittel war. Meyer bekundet, er sei im Juni 1919 von dem Vorsitzenden des Diktatorischen Ausschusses, Pötschow, im Auftrag des Reichswirtschaftsministers RobertSchmidt aufgefordert worden, mit Barmat Lieferungsverträge über Hülsenfrüchte abzuschließen. Er habe von Tudko Barmat einen außergewöhnlich schlechten Eindruck bekommen und habe seinem Prokuristen gesagt: „Machen Sie den Geldschrank zu!" Da er außerdem sehr schlechte Auskünfte über Barmat erhalten hatte, habe er ihn unsanft weggeschickt. Später sei Barmat mit Bauer (dem früheren Reichskanzler) wiedergekommen, und Bauer habe sich beschwert, daß die Reichsgetreidestelle die einzige sei, die Geschäfte mit seinem (Bauers) Freund Barmat zurückgewiesen habe. Cr (Meyer) habe Bauer erklärt, er habe seine sachlichen Gründe dafür, außerdem seien die von Barmat geforderten Preise viel zu hoch. Barmat sagte darauf, er (Meyer) scheine wohl zu glauben, daß er (Vavmat) hinter den Angriffen gegen den Ernährungsminister Hermes stecke. „Ich sagte es Barmat ins Gesicht, daß ich davon überzeuat sei , darauf habe man es unterlassen, die Reichsstelle für Barmat zu gewinnen. Auf verschiedene Anfragen erklärt der Zeuge weiter, das Kesseltreiben gegen Hermes sei u. a. des- balb eingeleitet worden, weil er die Zwangswirtschaft aufheben und den freien Handel wieder einführen wollte.
Zeuge Hermes bekundet, er habe gegen Barmat Mißtrauen gehabt; Bauer habe sich sehr warm für seinen Freund Barmat verwendet.
Zeuge Weyermann, früher stellvertr. Direktor der Reichsfettstelle, erklärt, auf Veranlassung Pötschows haben im Juli 1919 die Geschäfte der Reichsfettstelle mit Barmat begonnen, zunächst mit eingedickter Milch. Es handelte sich um einen Betrag von 18 Millionen holl. Gulden. Barmat ha«be schon bei der Packung betrogen; die Dosen ent- hielten weniger, als vereinbart und auf den Dosen aufgedruckt war. Man habe die Geschäfte auf den Druck der obersten Reichsämter machen müssen. Das Reichswirtschaftsministerium, das mit dem Ernährungsministerium verbunden
war, fei damals abgetrennt und Hermes sei Ernährungsminister geworden. Dann erst habe der „Druck von oben" aufgehört und die Neichsfetstelle habe keine Geschäfte mit Barmat mehr gemacht.
vr. Walter Simons
Der Präsident des Reichsgerichts Dr- S i m o n s ist durch Reichsgesek zum stellvertretenden Reichspräsidenten ernannt worden. Dr. Walter Simons ist als Sohn eines Industriellen 1861 in Elberfeld geboren. Er trat in den Justizdienst ein, in dem er 1905 in das Reichsjustizamt zur Behandlung internationaler Rechtsfragen berufen wurde. Von da in die Rechtsabteilung des Auswärtigen Amts gelangt, war er 1910 und 10l!2 deutscher Vertreter auf der Haager Wcchselrechts-Konferenz, 1914 an der Spitzbergen-Konferenz und wurde während des Kriegs mit der Leitung von verschiedenen Vertrags-Verhandlungen juristischer Art betraut.
Im Jahr 1918 übernahm er die technische Führung der Reichskanzlei, wurde 1918 zum Ministerialdirektor im Auswärtigen Amt ernannt und mit der Vorbereitung der Friedensverhandlungen betraut, an denen er in Versailles als Generalkommissar der deutschen Abordnung teilnahm. Nachdem er wegen der Unterzeichnung des Versailler Vertrags gleich den Mitgliedern der Abordnung zuruckgetreten war, übernahm er die Leitung des Reichsverbands der Deutschen Industrie, wurde aber 1920 vom Reichskanzler Fehrenbach in den Reichsdienst zurückgeholt und zum Minister des Aeußern ernannt.
Als Minister hat Dr. Simons das Deutschs Reich auf den Konferenzen von Spa vertreten. Die Arbeit von Spa war nicht mit Erfolg gekrönt. Auch die Arbeit 1921 auf der Londoner Konferenz war ein Mißerfolg. Nachdem er 1921 mit dem Kabinett Fehrenbach zurückgetreten war, wurde er non neuem Mit-Med der deutschen Abordnung für die Verhandlungen mit Polen über Oberschlesien, die bekanntlich auch unglücklich verliefen. Dr. Simoys wurde dann zum Präsidenten des Reichsgerichts ernannt.
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Die Reichsmetzziffer nach der neuen Methode
Die Reichsmeßziffer für die Lebenshaltungskosten, die nach der bisherigen Berechnungsart die Ausgaben für Ernährung, Wohnung, Heizung, Beleuchtung und Bekleidung umfaßt, beläuft sich-nach der Feststellung des Statistischen Reichsamts für den Durchschnitt des Monats Februar auf 125,1. Im Vergleich zum Vormonat (124,0) ist eine Steigerung von 0,9 v. H. festzustellen.
Neben dieser Meßziffer ist für den Monat Februar nach eingehenden Beratungen zum erstenmal eine neue, in ihren Grundlagen erweiterte Lebenshaltungsmeßziffer berechnet worden. Hierbei sind außer den bisher berücksichtigten (elementaren) Lebenbedürsnissen noch die „Sonstiger! Ausgaben" eines Haushalts, für die Reinigung und Körperpflege, Bildung, Verkehr usw., in die Berechnung mit einbezogen worden, um einen Vergleich der Kosten für alle Aufwendungen, wie sie für den der Berechnung zu - - Grunde gelegten Haushalt zurzeit angenommen werden ^ können, mit denen der Vorkriegszeit zu erhalten. Ferner wurden im Zusammenhang damit die Berechnungsgrund- lagen Leb Ernährungs- und Bekleidungskosten, die in der Zeit der Zwangswirtschaft und der Inflation ausgestellt worden waren und zum Teil den gegenwärtigen Verhältnissen nicht mehr entsprachen, durch stärkere Berücksichtigung höherwertiger Qualitäten verbessert. Neben diesen methodischen Veränderungen wurden die für die Jndexberechnung ^ verwandten Preise der Vorkriegszeit in allen Erhebungsorten einer eingehenden Nachprüfung unterzogen.
Die neue erweiterte Mehziffer stellt sich im Durchschnitt des Monats Februar aus 135,6. Da diese Ziffer auf völlig veränderter Grundlage berechnet worden ist, kann sie mit den früheren Meßziffern nicht verglichen werden. Bei Anwendung der neuen Berechnungsmethode auf den Vormonat ergibt sich für die Lebensunterhaltungskosten etwa die gleiche Steigerung wie nach der alten Methode.
Die Veröffentlichung der Reichsindsxziffer für die Lebenshaltungskosten erfolgt von nun ab wieder wie früher nur einmal im Monat.
Deutscher Reichstag
Berlin, 10. März.
33. Sitzung. Auf der T.-O. steht zunächst die 3. Beratung des Gesetzentwurfs über die Stellvertretung des Reichspräsidenten.
Abg. Graf Westarp (Dntl.) erklärt, daß seine Freunde der Vorlage zustimmen, weil sie den höchsten Justizbeamten des Reichs mit der Stellvertretung betrauen will. Nachdem aber inzwischen der demokratische ^Vorschlag einer Kandidatur Dr Simons erfolgt sei, stelle er ausdrücklich fest, daß aus der Zustimmung zu der Vorlage keine Schlüsse aus die Haltung seiner Partei zur endgültigen Wahl des Reichspräsidenten gezogen werden dürfen. __