internationalen Arbeiterkongreß usw. Aber es gab aufregende Dinge auf dem politischen Boden der preußischen Hauptstadt, die die Aufmerksamkeit des Prinzen nach Beendigung des Staatsbesuchs in Anspruch nahmen. Die politische Absicht des Kaisers bei der festlichen Bewirtung seines Onkels war gekennzeichnet durch die Gegenwart des Generals von Schweinitz, des deutschen Botschafters in Petersburg. Der General sollte den Za-m sofort nach seiner Rückkehr nc.h Rußland aus den Triumphzug des Empfangs des Prinzen Hinweisen und dem russis ' en Kmizler Giers den Eindruck vermitteln, daß Deutschland und England ein Herz und eine Seele seien. Nach der offiziellen Begrüßung stattete der Prinz dem russischen Botschafter Grafen Paul Schouwaloff in Berlin, dem Bruder des früheren Botschafters in London, einen langen Besuch ab, der ihm emen brauchbaren Einblick in die Politik seines Neffen, des Kaisers, ermöglichte."
„Aber eine aufsehenerregende Krisis in der deutschen Innenpolitik versah den Prinzen im Augenblick mit einer noch pikanteren Kost. Am 19. März hatte Fürst Brs in a r ck die Kündigung des Kaisers erhalten. — Der Kaiser hatte als Grund für den Rücktritt die schwankende Gesundheit Bismarcks angegeben. Acht Tage darauf erklärte er die Entlassung mit den Worten: „Ich bin politisch von Bismarck erzogen worden und nun muß ich zeigen, was ich selber kann. Der Prinz von Wales stand vor einem Rätsel. — Am 26. Mürz stattete er Bismarck einen Besuch ab. Er fand den gestürzten Kanzler überschäuinend vor Wut. Er hörte sich die erhitzten Proteste des alten Mannes gegen seine Erniedrigung und die rückhaltlose Kritik des Charakters und der Fähigkeiten des Kaisers an."
„Der alte Fürst," so schrieb der Prinz von Wales an sein« Mutter, die Königin Viktoria, „war auf das Tiefste verletzt wegen der erzwungenen Demission". Er schien jedoch in ausgezeichneter Gesundheit zu sein. Fürst Bismarck war für den Augenblick des Mitgesühls dankbar, den er der Art seines Besuchs zuschrieb, und Graf Herbert Bismarck, Außen- minister unter seinem Vater, lud den Prinzen zum Diner ein. Er nahm die Einladung trotz einiger kurz vorherge- gangener Verstimmungen an.
An seine Mutter berichtete der Prinz später sehr zufrieden über seinen Berliner Aufenthalt und betonte, daß er ein großer Erfolg gewesen sei. Es folgte eine Periode der Entspannung, deren Ergebnis der von Lord Salisbury vorgeschlagene Austausch Helgolands gegen Sansibar war. Hierzu heißt es in dem Buch: „Die Königin bezweifelte die Klugheit dieser Handlungen, und der Prinz vertrat trotz der Billigung des Geistes der Salisburyschen Anregung den Standpunkt seiner Mutter. Arm folgt in den Jahren 1891 bis 1895 die alljährliche Aeise des Kaisers nach England, und es beginnen die Versuche des Kaisers und der deutschen Politik, ein englisch-deutsches Bündnis herbeizuführen. — „Der Bündnisplan des Kaisers in England erfuhr keine Ermutigung, aber er war noch voller Hoffnung. Ein unangenehmer Zwischenfall im Monat August 1891 steigerte den Appetit des Kaisers auf deutsch-englische Zusammenarbeit. Im August waren Prinz undPrin- z e s s i n H e i n r i ch mit ihrem Sohn die Gäste der Königin in Osborne. Aber die schöne Aussicht dieses Besuchs war bald durch die Ankündigung verdunkelt, daß die französische Flotte unter Admiral Gervais in Portsmouth auf Einladung der englischen Regierung eingetroffen war, während der Bruder des Kaisers nebst Familie Gäste der Königin waren. Die Königin bedauerte unter diesen Umständen die ihr von ihrer Regierung auferlegte Verpflichtung, die französischen Seeoffiziere in Osborne zu bewirten und eine Parade über die französische Flotte bei Spitehead abzunehmen. Der Prinz von Wales überbrückte die Schwierigkeiten, indem er den Prinzen Hein- rich und seine Familie zu einer Vergnügungsfahrt an Bord seiner Jacht im Kanal einlud. „Aber,"' so heißt es weiter, „deutsche Beobachter konnten den Schritt Lord Salisburys nicht mit gleichgültigen Augen betrachten. Die französische Flotte war aus Rußland gekommen, wo sie der Zar in Kronstadt empfangen hatte. Das erschreckte Europa sah hierin die Bestätigung des Gerüchts eines russisch- französischen Bündnisses. Lord Salisbury hatte nicht die Absicht, sich den neuen Verbündeten jetzt schon anzuschließen. Aber sein Empfang der französischen aus den russischen Gewässern zurückgekehrten Flotte deutete auf alle Fälle an, daß er auswärtige Verbindungen mit unparteiischer Kühle betrachtete."
Aach einer Mitteilung Chamberlains im Unterhaus befinden sich 19 000 farbige Franzosen im befehlen Gebiet.
Wegen Schmähung des verstorbenen Reichspräsidenten ist die kommunistische „Rote Fahne" durch Verfügung des Ministers Severing auf zwei Wochen verboten^vorden.
Neue Nachrichten
Reichspräsident oder Ministerpräsident
Berlin. 5. März, lieber die Wahl des Reichspräsidenten hört man in parlamentarischen Kreisen, daß Dr. Marz für den Posten des preußischen Ministerpräsidenten kaum mehr in Frage komme, da es so gut wie sicher sei, daß Marx als Kandidat für die Reichspräsidentschaft aufgestellt werde. Da diese Wahl gesichert wäre, wenn eine oder überhaupt die Rechtsparteien sich über der Kandidatur Marx einigen würden, so käme in Frage, daß andererseits das Zentrum auf die Ministerpräsidentschaft in Preußen verzichtete und eine Rechtspartei dafür einen Kandidaten stellte, da ein Kabinett von den Deutschnationalen bis zur Sozialdemokratie als aussichtslos erscheint. Es heißt auch, das Kabinett solle nur vom Zentrum und Deutscher Volkspartei gebildet und diese Minderheitsregierung von den Deutschnationalen und der Wirtschaftspartei unterstützt werden. Severing soll seinen Entscbluß, nicht mehr in das Kabinett zurückzukehren, wieder aufgegeben haben.
Die Demokratische Partei lehnt, wie verlautet, einen gemeinsamen bürgerlichen Kandidaten für die Reichspräsidentschaft ab; sie will nur einen Kandidaten unterstützen, für den auch die Sozialdemokraten stimmen. Aehnlich soll die Stimmung im Zentrum sein.
Börsenschrecken in Italien
Rom, 5. März. Das Gerücht, daß die Regierung schärfere Maßnahmen gegen das Börse,ispiel ergreifen werde, hat an den Börsen den grüßten Schrecken verursacht. Zun, Widerspruch oder aus Angst werden an der Börse in Rom nur noch Staatspapiere gehandelt, die Mailänder Börse stellte die Geschäfte ganz ein und in der Türmer Börse entstand ein solcher Lärm, daß die Polizei die Börsenbesucher aus dem Gebäude vertreiben mußte. Die Börsenmakler und die Bankiers streiken und wickeln keine Börsengeschäfte mehr ab. Nach der von der Regierung geplanten Börsenordnung müßten z. B. an der Mailänder Börse, die einen Monatsumsatz an Wertpapieren im Betrag von etwa 20 Milliarden Lire hat, allein 3 Milliarden Lire als Sicherheit hinterlegt werden.
krassin wieder in Paris
Daris, 3. März. Der Botschafter der Sowjet-Republik, Krajsin, ist nach mehrwöchiger Abwesenheit aus Moskau nach Paris zurückgekehrt.
Abrüstung in Schweden
Stockholm, 3. März. Durch die von der sozialistischen Regierung dem Parlament unterbreitete Heeresvorlage werden vom schwedischen Landheer nicht weniger als 9 Jn- fanterieregimenter gestrichen. Die Reiterei soll von 50 auf 17 Schwadronen vermindert werden. Von durchschnittlich 52 000 für den Heeresdienst Tauglichen sollen jährlich nur noch 31000 ausgehoben werden. Das Landheer wird von 6 auf 4 Divisionen vermindert. ...
Gegen das Genfer Protokoll
Kapstadt, 5. März. Im Parlament der Südafrikanischen Union sprach man sich gestern fast allerseits gegen einen Sicherheitsvertrag Englands mit Frankreich und Belgien aus.
London, 5. März. Das Kabinett billigte die Erklärung, die Chamberlain auf der Genfer Konferenz übergeben wird, daß nämlich die englische Regierung mit den Zielen des Genfer Protokolls einverstanden sei, daß sie es aber in der gegenwärtigen Form nicht annehmen könne.
Paris, 5. März. Der holländische General Liyders erklärte einem Vertreter des „Matin", Holland könne keine Militärbündnisse mit anderen Staaten eingehen, vielleicht sei sein Eintritt in den Völkerbund schon eine Einschränkung seiner Neutralität. Die aufgeworfene Frage des Anschlusses Hollands an einen französisch-englischen Sicherheitsvertrag würde die Beziehungen Hollands zu Deutschland in ein ungünstiges Licht setzen. Die Nützlichkeit eines solchen Vorgehens fei überhaupt nicht einzusehen. ^
Schwedens VorMa« für die Saarregierung
Paris, 5. März. Wie die Havas aus Stockholm berichtet, schlug die schwedische Regierung dem Völkerbundsrat vor, eine Entschließung anzunehmen, daß der Posten des Vorsitzenden der Regierungskommission des Saargebiets immer wechselnd verschiedenen Mitgliedern anvertraut werden soll, wie dies bei anderen Einrichtungen des Völkerbunds der Fall sei.
Mit Spack fängt man Mäuse
Washington, 5- März. Vor seiner Wiedereinführung in das Amt hat Präsident Coolidge gestern früh noch viele
Drei Tage aus dem Leben eines Kriminal-Beamten.
18 Von P —witsch.
Aus dem Russischen von F. P a l m - N a sa r e s f.
„Ich habe auch schon stark auf Sie gerechnet" — gestand das junge Mädchen offen, indem sie ihm einen dankbaren Blick zuwarf. „Ich kann mich zetzt keinen Augenblick von nieinen, kranken Bruder entfernen; Sie müssen mich deshalb schon entschuldigen, wenn ich Sie jetzt wie einen zweiten Bruder betrachte, denn an wen sollte ich mich Wohl wenden, wenn nicht an Sie, um für mich und meine Nichte Trauergegenstände zu besorgen und das Leichenbegängnis anzuordnen."
„Ich werde eifrig bemüht sein, dieses Vertrauen zu rechtfertigen", erwiderte Ussolzcw mit Wärme. „Verfügen Sw über mich!"
„So lassen Sie uns ein wenig beiseite gehen, damit ich Ihnen das Nötige diktieren kann."
Das Paar trat zum Fenster. Von dem Augenblicke an, da Olga Jwanowna ins Zimmer getreten war, hatte Kotorgow keine Silbe gesprochen und sich so sehr in die Beobachtung des jungen Mädchens vertieft, daß er erschrocken auffuhr, als ich meine Hand auf seine Schulter legte.
„Weshalb haben Sie sie so scharf beobachtet?" flüsterte ich ihm zu. „Vor diesem ci,gelreinen Geschöpf sind alle Ihre Fäden in Nichts zerronnen."
„Im Gegenteil, sie haben sich noch fester zusammen- gezogen", — antwortete er ebenfalls flüsternd. „Haben Sie gesehen, wie vertrauensvoll sie zn ihn, die Blicke er- hoben hatte und wie andächtig sie seinen Worten lauschte? Er ist nicht ihr Bruder, sondern ihr Götze, den sie anbetet
und die Götzenanbeter sind bekanntlich bereit, auf dem Altäre ihres Gottes, wenn nötig, auch Menschenopfer darzubringen."
„Worüber flüstern Sie, meine Herren?" mischte sich der Doktor in das Gespräch.
„Wir waren eben dabei, die Köpfe zu taxieren", antwortete Kotorgow. „Auf wie hoch schätzen Sie den Kopf dieser jungen Dame, Doktor?"
„Höher als den meinigen und den Ihrigen", erwiderte der Doktor ernst. „Der Unterschied ist wie zwischen Kupfer und Gold. Wie viele Kupfermünzen wären nötig, um den Wert eines halben Imperials aufzuwiegen?"
„Dafür sind auch die Kupfermünzen niemals falsch, allein die halben Imperiale sehr oft." — Nach diesen Worten schritt Kotorgow auf Olga zu.
„Entschuldigen Sie, mein Fräulein, daß ich Sie unterbreche, allein würden Sie uns jetzt gestatten, zu Ihrem Bruder zu gehen?"
Ussolzew verabschiedete sich mit einem Händedrucke von dem jungen Mädchen und eilte, um ihre Aufträge auszuführen.
„Zu meinem Bruder?" fragte Olga. „Verzeihen Sie, allein ich kann Sie nicht zu ihm führen."
„Das heißt. Sie wollen nicht", versetzte Kotorgow. „Zu unserem größten Bedauern ist es uns aber unmöglich-, Ihren Wunsch zu berücksichtigen; wir müssen ihn sehen."
„Aber weshalb?"
„Um seinen Geisteszustand zu konstatieren, in welchem das Verbrechen von ihm hätte begangen werden können."
„Es ist in seinem Interesse", erklärte ich, „denn wenn es sich bestätigt, daß er sich in einem unzurechnungsfähigen Zustande befunden hat, so muß man ihn freisprechen."
Gesetze, die im Kongreß bereits angenommen wären, unterzeichnet, darunter eines, das die Vergütung für Kongreßmitglieder von 7500 aus 10 000 Dollar und für Kabinetts- Mitglieder von 12 «DO auf 15 000 Dollar erhöht.
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Streikbewegung
Berlin, 5. März. In Berlin ist von den Eisenbahnergewerkschaften die Möglichkeit der Arbeitsniederlegung ins Auge gefaßt worden. In den Kohlengebieten im Westen und in Mitteldeutschland sind die Arbeitszeitverträge auf 1. April gekündigt worden. Auch hier macht sich Streiklust bemerkbar.
kukisker verweigert den Osfenbarungseid Berlin, 5. März. Vor dem Untersuchungsrichter in Charlottenburg sollte Kutisker heute den Offenbarungseid leisten; er verweigerte aber den Eid. Der Verschuldung Kutiskers in Höhe von 46 Millionen Goldmark stehen nur die Bestände des Hanauer Lagers im Wert von etwa 270 000 „ll gegenüber. Man vermutet, daß Kutisker große Summen ins Ausland geschmuggelt hat.
ürttemberg
Stuttgart, 5. März. Glockenspiel auf demRat- h a u s t u r m. Die Stadtverwaltung beabsichtigt, den Marktplatz dadurch anziehender zu machen, daß in den Rathausturm ein Glockenspiel eingebaut wird, dem, wie in München und anderen deutschen Großstädten, c' sog. Bewegungsspill zugeslllt wird. Für ( .uttgart wird an eine Darstellung aus dem Weingärtnerberuf gedacht, an einen Wmzertanz. Um 11 Uhr soll ein Butten auftauchen, an den von rechts und links Weingürtner herantreten, die dann in der Butte die Trauben stampfen. Weingärtnerinnen tanzen gleichzeitig um die Butte herum.
Schwabensahrk d-r Schleswig-Holsteiner. Als Erwiderung auf den Besuch der Vodenseegesellschaft Schwaben veranstaltet der Schleswig-Holsteiner Bund und der Verband der Nordschleswiger vom 27. Juni bis 5. Juli eine Schwabenfahrt. Aus ihrer Reise berühren die nordischen Vereine Rothenburg o. d. T., Konstanz, Wildbad, Heidelberg und vor allem Stuttgart. Hier wird iw«en durch den Besuch der diesjährigen großen Ausstellung „D a s S ch w ü b i sch e L a n d" ein gesammelter und tiefer Eindruck von schwäbischer Kultur und schwäbischer Eigenart in Geschichte und Gegenwart zuteil werden. Empfang durch die staatlichen und städtischen Behörden, Festkommers, Besichtigungen und Ausflüge sollen ik-nsn den Aufenthalt in unserer Hauptstadt besonders freundlich und gastlich gestalten.
Dom Tage. In einem Hause der Augustenstraße verübte eme 17 Jahre alte Arbeiterin mit Kokain einen Selbstmordversuch. Die Lebensmüde wurde ins Krankenhaus verbracht.
Aus dem Lande
Schorndorf, 5 März. Brand im Postamt. Durch die Schneelast brachen- die Telefondrähte und kamen mit den Drahtleitungen in Verbindung. Dadurch entstand aus de mPostamt Kurzschluß, der einen Brand verursachte. Das Feuer wurde alsbald gelöscht, dagegen haben sich erhebliche Störungen im Telefondeinst gezeigt.
Backnang. 5. März. Raubüberfall. Zwei arbeitslose Burschen überfielen bei der Winterschen Lohmühle am Dienstag am Hellen Mittag einen 16jährigen Laufburschen, der im Auftrag seiner Firma beim Kreditverein 7000 ^ll erhoben hatte- Der Junge wurde bewußtlos geschlagen und des Geldes beraubt. Die frechen Räuber flüchteten, da sie aber erkannt wurden, werden sie der Strafe nicht entgehen. In ihrem Schlupfwinkel, der sogenannten Räuberhöhle, fand man eine Mappe mit 320 oll.
Crailsheim, 5. März. Auf derDeuschlandfahrt verunglückt. An der Rudolfsberger Steige überschlug sich ein Teilnehmer an der Deutschlandfahrt beim Ueber- hoten eines andern und zog sich eine schwere Fußverletzung zu. Ein Student aus Stuttgart namens Strothmann erlitt eine leichte Kopfverletzung.
Betzingen OA. Reutlingen, 5. März. Gestern mittag sind H n>s und Scheuer des Zimmermanns Karl Schmied ab- g.'brarmt. Der Schaden ist groß, da das ganze Heu, Stroh und Getreide, sowie der led igen Tochter ihre ganze Aussteuer, die auf der Bühne untergebracht war, mitverbrannte.
Hirschau OA. Rottenburg, 5. März. Zwei Lehrling-, vermiß t. Seit letzten Montag wird der 15Jahre alte Schlosserlehrling Ludwig Schäfer und der 1414 Jahre alte alte Schreinerlehrling Max Gärtner, beide hier bei ihren Eltern wohnhaft, vermißt.
Siamlnheim OA. Calw, 5. März. Großfeuer. Gestern abend brach in dem Wohnhaus mit angebauter
„Dos gebe Gott!" seufzte das junge Mädchen, „Sein Zustand ist wahrhaft fürchterlich und er ist in der Tat nicht Herr seiner Sinne, was Ihnen überdies unser Hausarzt bestätigen kann."
„Das genügt uns nicht, versetzte der Untersuchungsrichter, „wir selbst müssen ihn sehen, unser Kreisarzt mit inbegriffen."
„So lassen Sie uns zu ihm gehen!" sagte Olga von neuem tief aussenszend.
Bei dem ersten Schritte, den ich in das Zimmer des jungen Mädchens tat, erfaßte mich ein unbeschreibliches Gefühl. Ich empfand vielleicht dasselbe, was Lwingstone empfunden haben muß, als er, als erster Europäer in Zentral-Afrika eindrang. Mit großer Neugierde bkeb niein Blick an jedem einzelnen Gegenstände haften. Die Zeit für meine topographischen Betrachtungen war nur sehr kurz, vielleicht 2—3 Minuten, aber nichts destowem- ger prägten sich alle Einzelheiten meinem Gedächtnisse ein. Längs der Wand, die sich zwischen der Tür und dem Krn- derzimmer befand, stand ein Bücherschränkchen aus Nuß- baumholz, dessen untere Fächer von Büchern eingenommen waren und die oberen von physikalischen Geräten. Das Vorhandensein eines Marmorschachtischchens ließ voraussetzen, daß die Bewohnerin dieses Zimmers dem Schachspiele nicht fremd war. In den mit durchsichtigen Vorhängen versehenen Fenstern schaukelten sich Käsige mit Kanarienvögeln und in der Ecke zwischen den Fenstern stand ein kleines Sofa, über welchem in prachtvollem, goldenen! Rahmen eine verkleinerte Kopie der Madonna von Murillo hing.
(Fortsetzung folgt.)