(Enztalbote)
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Nummer 64
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Wildbad, Freitag, den 6. März 1925
Die Beisetzung des
Die Trauerseier in Berlin
Berlin, 5. März. Bei der gestrigen Trauerfeier im Palais dK Reichspräsidenten hielt nach den musikalischen Borträgen am Sarg
Reichskanzler Dr. Luther
eine Ansprache:
Bon diesem Sarge wenden sich in der Stunde des Ab- schiednehmens unsere Gedanken und Empfindungen zuerst zu Ihnen, Frau Reichspräsident, und zu Ihren Kindern. Inland und Ausland trauern mit Ihnen und nehmen aufrichtigen Anteil an Ihrem Schmerz. Zur höchsten Stellung im Deutschen Reich an der Seite des Gatten sind Sie, Frau Reichspräsident, emporgeschritten. Alles, was menschlich und im öffentlichen Leben schwer auch für den Heimgegangenen war, haben Sie mit ihm getragen. Zwei Söhne,haben Sie im Weltkrieg dem Baterland zum Opfer gebracht. Ihr Herz ist miterfüllt von dem Empfinden, daß die tödliche Krankheit des Reichspräsidenten nicht ohne inneren Zusammenhang war mit aller der seelischen Not, die er seit vielen Jahren um das Schicksal des deutschen Bolkes getragen hak. Reichspräsident Friedrich Ebert hat einen Lebensweg durchschnitten, der ihn zur Höhe geführt hat. Aber der Weg war steil und mühsam und forderte von dem Wanderer herbe Pflichterfüllung. Wie falsch haben sich manche, sowohl aus der breiten Masse des Bolks, der zu entstammen er sich stets mit Stolz rühmte, das Leben dieses Mannes vorgestellk. Friedrich Ebert war ein echter deutscher Mann. In seiner Amtsführung als Reichspräsident war ihm Deutschlands Wohl der Leitstern. Der Marsch zu diesem Ziele führte lange Zeit durch dunkle Nacht und dichten Nebel. Die Außenpolitik führte von Enttäuschungen zu Bitternissen und von Bitternissen zu neuen Enttäuschungen. Ein erstes Aufhellen der Nebel noch zu sehen, ist Friedrich Ebert vergönnt gewesen durch den Abschluß des Londoner Abkommens und den Geist wirklichen Friedens, der in London lebendig war. Schwer gelitten hat der Tote unter der neuen Verdichtung des Nebels, der durch die Nichträumung der ersten Rheinlandzone über das deutsche Bolk ge- funken ist. Die innere Politik seiner Amtszeit war erfüllt von Erschütterungen und Mechselfällen. Sein Herzenswunsch war, über alle Parteischwankungen und politische Zerklüftungen hinweg die Kraft und dis Einigkeit im deutschen Bolk wächzurufen. Bon inniger Liebe zu seiner engeren Heinfäk Baden, in der er.die letzte Ruhe finden soll, und voll Einsicht in den Werdegang unseres Staates, hatte er best Wunsch, das Einende im Mukkerlande, das alle Deutschen umfassen soll, wachzurufen. Gewiß hat Friedrich Ebert, auch nachdem er Reichspräsident geworden war, seinen parteipolitischen Ausgangspunkt als Sozialdemokrat niemals verleugnet. Aus dieser Tatsache kann im Rahmen unserer Reichsverfassung doch wohl ein grundsätzlicher Einwand gegen seine Eignung als Reichspräsident nicht hergeleiket werden. Er, brr^aus eigenem Erleben die deutsche Arbeiterschaft genau kannte und verstand, trachtete mit besonderer Sorge darnach, niemals wieder die breiten Massen der deutschen Arbeiterschaft in das Gefühl der Staatsfremdheit zurücksinken zu lassen. Oft hak er diesen Gedanken vor mir ausgesprochen. Ein solches Hineinwachsen des Skaats- gedankens in die gesamte Arbeiterschaft erwartete er von der parlamentarischen Republik. Ich handle im Geiste des Token, wenn ich auch von dieser Stätte aus, wo wir an der Schwelle der ewigen Dings stehen, an alle um unserer deutschen Zukunft willen die dringende Mahnung richte: Seid ein Bolk, ein Baterland. Mit dem bloßen Hinweis, daß die Geschichte ihr Urteil sprechen werde, ist es nicht getan. Wer gerecht ist, muß den Erfolg an der Schwere der Aufgaben messen. Wer will sich vermessen, mit Bestimmtheit zu erklären, daß, wäre ein anderer Reichspräsident oder wäre dies oder jenes grundsätzlich anders gewesen, daß dann der Ablauf der Weltgeschichte für Deutschland nicht nur anders, sondern sich auch besser gestaltet hätte? Das Schiff unseres Skaatslebens macht doch heute wieder Fahrt und hat einen festen Kurs. Mit besonderer Wärme und Hingebung hat Friedrich Ebert die Nöte der großen Bolksmassen zu lindern getrachtet und 'hak immer wieder in kluger ausgleichender Tätigkeit seine ganze Kraft für einen sozialen Frieden eingesetzt.
So trauern wir an diesem Sarg, in dem ein viel zu früh Dahingegangener ruht, um einen wirklichen Führer unseres Volks und Staates in schwerster Zeit.
Die Trauerparade
Inzwischen sind die Opferschalen auf den vier großen schwarzumhüllten Obelisken an der Seite der beiden Ein-
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gänge mm Vorgarten des Vräsidentenpalais entzündet worden. Zwei Flugzeuge mit Feuerwimpeln kreisen. Eine Abteilung berittener Schutzpolizei nähert sich. Im Vorgarten des Palais sind die Kränze aufgeladen. Der Leichenwagen, von sechs schwarzverhängten Pferden gezogen, steht im Vorgarten, dahinter drei Trauerwagen. Dann folgen drei Kranzwaaen. Generalmajor Siehr, der Kommandant von Berlin, hält mit gezogenem Degen dem Portal gegenüber. Um 4 Uhr dumpfer Trommelwirbel Dann setzt die Musik mit einem Trauermarsch ein. Die Sonne kann die dichten Rauchschwaden der Opferschalen nicht durchdringen. Der Sarg, bedeckt mit der Flagge des Reichspräsidenten, wird herausgell rgen.. Die Truppen schwenken ein in Gruppenkolonnen. Im Paradeschritt zieht die Truppe an dem verstorbenen Oberbefehlshaber vorüber. Eine Schwadron Kavallerie, dann 409 Mann Infanterie, 100 Mann Marinetruppen, eine Masckinengewehrabteilung mit neun Gewehren, eine Batterie Feldartillerie. Zwanzig Minuten dauert der Vorbeimarsch. Dann folgt der Larg, hinter ihm der Zug der Trauernden, an ihrer Spitze Reichskanzler L u t h e r und Reichstagspräsident Lobs. Daran schließen sich die drei Trauerwagen mit den Damen der nächsten Angehörigen.
Vor dem Reichstag
Das Trauergefolge ist beinahe endlos. Der Weg von der Wilhelmsstraße über die Linden, den Pariser Platz ist dicht von einem Menschen- und Polizeispalier eingesäumt. Auch auf dem Pariser Platz, der von großen, schwarz eingekleideten Obelisken umsäumt ist, stehen viele Vereine mit Fahnen. Eine ungeheure Menschenmenge hat sich vor dem Brandenburger Tor auf der Charlottenburger Chaussee angesammelt. Der Platz ist mit schwarzen Fahnen eingerahmt. Um 4.35 erreicht der Trauerzug das Brandenburger Tor. Die Truppen nehmen Front zum Reichstagsgebäude und stellen sich zur Parade auf. Reichstagspräsident Lobe tritt mit den Mitgliedern des Reichstagspräsidiums und dem fiel du deine Wege" und dann setzte sich der lange Leichengroße Freitreppe, hinter ihm eine große Anzahl von Reichstagsabgeordneten und Vertreter der Presse. Unter den Abgeordneten sieht man Angehörige aller Fraktionen, mit Ausnahme der Kommunisten und -der Nationalsozialisten. Während der Leichenwagen die Rampe hinaufgefahren ist, spielt die Musikkapelle. Dann betritt Reichstagspräsident Löbe das Rednerpult und nimmt das Wort zu einem Nachruf, in dem er die vaterländische Gesinnung und das Pflichtgefühl des Verstorbenen rühmte. Dann legte Präsident Löbe einen Lorbeerkranz auf den Leichenwagen und der Zug setzte sich wieder in Bewegung. Um V-6 Uhr trifft er vor dem Potsdamer Bahnhof ein, der innen und außen Trauerschmuck zeigt. Unter den Klängen des Trauermarsches „Siegfrieds Tod" wird der Sarg auf einen schwarzen Altan getragen, wo die Angehörigen, die obersten Reichsbehörden usw. Aufstellung nehmen. Der Trauerzug geht vorüber und um 6 Uhr ist die Feier beendet. Der Sarg wird in den bereitstehenden Sonderzug nach Heidelberg gebracht.
Die Beisetzung in Heidelberg
In Heidelberg war schon in den frühen Morgenstunden ein bewegtes Treiben bemerkbar. Sonderzüge brachten aus allen Richtungen Tausende von Fremden. Vereine und Schulen rüsten sich zum Geleit oder zum SpalierbilÄen. Der Bahnhof ist in eine feierliche Halle verwandelt, sehr viele Häuser tragen Trauerschmuck. Auf dem achteckigen Turm der Schloßruine weht die Reichsflagge halbmast.
- Kurz nach 149 Uhr trafen die Trauergäste aus Berlin mit Sonderzug ein, um 9 Uhr kamen die Herren der württem- bergischen Regierung an und darauf der Sonderzug mit dem badischen Landtag und den höherMi Beamten. Um 1410 Uhr lief der Zug mit dem Sarg ein. Die badische Regierung war dem Zug bis Weinheim entgegengefahren, um ihn nach Heidelberg zu geleiten. Gendarmen trugen den Sarg zum Bahnhofvorplatz; die Stadtkapelle spielte den Choral „Befiel du deine Wen e" und dann setzte sich der lange Leichenzug durch die Rohrbachstraße nach dem schön gelegenen Friedhof. Eine lange Reihe von Kranzträgern schritt vor dem Leichenwagen, zu beiden Seiten ritten vier Polizeioffiziere. Besonderes Aufsehen erregte ein p r a ch t o o l l e r Kranz von weißem Flieder, der auf weihen Seidenbändern die Goldinschrift Wrt- helm II. mit den kaiserlichen Zeichen trug. Dem Wagen folgten die Angehörigen und Freunde des Verstorbenen, der Reichskanzler, die Minister, die Vertreter der Parlamente, der Städte, der Universitäten, der Partei und Gewerkschaften, Vereine usw. Aus dem Ruhrgebiet war eine Abordnung der Bergleute in Uniform erschienen. Kanonenschüsse wurden gelöst, die Kirchenglocken läuteten. Auf hohen Säulen ain Friedhof loderten die Pechpsarmen, Fakelreihen
brannten am Grabe und an der Leichenverbrennugshalle. Das Musikchor der badischen Polizei spielte den Trauermarsch aus dem Oratorium Saul von Händel und der Heidelberger Sängerverband sang das „Sanktus" aus der deutschen Messe von Schubert.
Als der Zug sich um das Grab gesammelt hatte, hielt der badische Staatspräsident Helpach eine Ansprache.
Er wies zurück auf die Zeit von Deutschlands Erniedrigung durch Napoleon vor hundert Jahren und das bekannte Trostgedicht Eichendorffs, das heute noch für das deutsche Volk Geltung habe, weil das Volk des Lebens Tiefen zu kennen verloren hatte, weil es, durch allzu raschen materiellen Wohlstand emporgekommen, auf der politischen Brandung schlafen zu dürfen wähnte und blind geworden in süßen Träumen eines Zeitalters, das den Schein an die Stelle des Wesens, die Pose an die Stelle der Haltung, die Phrase an die Stelle der Wirkung gesetzt hatte. Dieses Volk faßten die Stürme von Krieg und Umsturz, und es fand sich von der Welt verlassen. Da habe Friedrich Ebert mit treuem, ernsten Sinn durch Nacht und Klippen das Steuer geführt, ein Mann von echtem Kern, der an Gott und die Sterne seines deutschen Vaterlands glaubte und nur darum sein hohes Werk vor 7 Jahren beginnen und vollenden konnte. Das Volk habe es gespürt, daß ihm die Sterne leuchten in der tiefsten Nacht, in der die Berufensten flüchteten und die Bewährtesten die Arme sinken ließen. 1919 rief das Volk: Der soll mein Schiffsmann sein. Das Volk spürte ihn als Fleisch vom Volkesfleisch und Blut vom Volkesblut. Nachdem E b e r t ein Menschenalter die Heimat verlassen, kehrt er wieder, aber nicht zu friedlichem Lebensnachmittag, sondern zur ewigen Ruhe in die Neckarheimat zurück. Unter den Edlen des Geistes, die in Heidelberg ruhen, sei Friedrich Ebert kein Fremdling, und kein Eindringling, er gehöre zu ihnen, zu jenem Adel, der kein Adel der Privilegierten und Geborenen sei, sondern der Adel derer, die aus sich und durch sich geworden seien, was sie der Menschheit, deni Volk, dem Erkennen und dem Wirken bedeuteten, ein Ebenbürtiger unter Ebenbürtigen. In Ebert fand das echte Gottesgnadentum seine besondere Erfüllung, denn ihm ward die Gnade, das Volk zu erretten, das ihn gebar, das Bolk zu führen, dem er entstammte, das Volk zu verkörpern, dem er gehörte. Es werde sich dem Gedenken des Volkes unvergeßlich einprägen, wie er diese Tat rollbrachte. Kein Emporgekommener, sondern ein Empor- gedrungener mit tiefem, edlem Sinn für Anstand und Abstand. Damit habe er das Amt geadelt, das er als erster bekleidete. Er wurde das vorbildliche republikanische Oberhaupt des Deutschen Reichs! Der Segen dieses Grabs werde über jedem Nachfolger sein, der dem deutschen Volk so treu diene wie Friedrich Ebert, aber auch eine Warnung werde aus dem Grab aufslammen vor jedem Nachfolger, der von Eberts Spur wiche und auch nur eine Stunde vergäße, daß von Gottes Gnaden sein heißt :zu des Volks Dienst sein.
Oberbürgermeister Walz widmete einen Nachruf namens der Stadt Heidelberg, Reichstagsabg. Müller- Franken namens der sozialdemokratischen Partei. Der evang. Stadtpfarrer Dr. Maas sprach auf besonderen Wunsch der Familie den Angehörigen Trostesworte zu. (Ebert war bekanntlich katholisch). Dann wurde der Sarg in die Gruft versenkt. Tausende zogen noch am Grab vorüber und viele Kränze wurden noch niedergelegt.
Nachmittags gab das Badische Staatsministerium im Gasthof „Europäischer Hof" für die amtlichen Persönlichkeiten und die Familienangehörigen ein Mahl, bei dem Oberbürgermeister Dr. Walz der Frau Ebert einen Strauß weißer Mandelblütenzweige überreichte.
Die Einkreisung Deutschlands
Ein Lebensbild Eduards VII.
Gestern erschien in London der erste Band der Lebensbeschreibung des englischen Königs Eduard VII. von Sir SidneyLee. Er enthält die Lebensgeschichte der Kron- priuzenzeit bis zur Thronbesteigung in eingehender Darstellung auf 810 Seiten. Ganz auf den englischen Leser zugeschnitten, ist das Werk ein Versuch der Rechtfertigung der deutschfeindlichen englischen Politik seit 1870 bis zum Weltkrieg und enthüllt besonders die Rolle Eduards VII. bei der sogenannten „Einkreisung" Deutschlands. Nachstehend seien einige wesentliche Stellen aus dem Buch wiedergegeben:
„Am 21. März 1889 waren der Prinz von Wales (nachmalig Eduard VII.) und sein Sohn in Berlin zu einem Staatsbesuch als Gäste des Kaisers eingetroffen. Sie wurden mit großem Gepränge empfangen. Nach Beendigung des Besuchs blieb der Prinz noch weitere drei Tage in Berlin, die er zu Besuchen bei seiner Schwester, der Kaiserin Friedrich, die sich an den offiziellen Feierlichkeiten nicht beteiligt hatte, und Privatbesuchen in politischen und gesellschaftlichen Kreisen benutzte, außerhalb des unmittelbaren Gesichtskreises des Kaisers. Er begrüßte die englischen Vertreter zu dem