Eine Aeußerung von Berliner amtlicher Stelle über diese Mitteilung liegt noch nicht vor.
Neue Nachrichten
Der Prozeß Himmelsbach
Berlin, 10. Febr. In der heutigen Verhandlung der Klagesache' der Firma Himmelsbach gegen den Schriftleiter Fernbach suchte Privatkläger Himmelsbach den Beweis zu erbringen, daß die 11 deutschen Holzfirmen unter französi- schein Zmang gehandelt haben und daß rhr Aweck Var, die deutschen Wälder zu retten. Die Vertreter der Regierungen widersprachen sehr lebhaft. Der Vertreter Hessens erklärte. Himmelsbach habe gerade die schönsten und wertvollsten Wälder Hessens niederlegen lassen. Von dem Ho^z im Wert von vielen Millionen sei nichts auf die Entschädigungsleistungen abgeschrieben worden. Es sei eine barbarisch Verwüstung und ungeheure Schädigung des Landes, die sich in ihrer Tragweite noch gar nicht übersehen lasse.
Der Barmatskandal
Berlin. 10. Febr. Das Finanzamt hat gegen den früheren Reichskanzler Bauerdas Verfahren wegen Steu er- Hinterziehung eingeleitet, da Bauer von seinen Barmateinkünften, die allein im Jahr 1924 mindestens 57 000 Goldmark betragen haben, nichts versteuert hat.
Im Untersuchungsausschuß des preußischen Landtags sagte der Kriminalkommissar Kling Hammer aus, er habe eine große Zahl von Einfuhrbewilligungen für Barmat. die von dem früheren Reichswirtschaftsminister Wissell unterzeichnet waren, beschlagnahmt. Es sei aber möglich, daß die Unterschriften gefälscht waren. Es seien damals so viele Fälschungen gemacht worden, daß ein besonderes Amt zu ihrer Bekämpfung eingerichtet werden mußte. Die Fälscher faßen oft in höheren Stellungen und verschiedenen Aemtern des Reichswirtschaftsministeriums. Zeuge Kutt- ner wirft dem Zeugen Klinghammer vor, daß er selbst einen Handel mit Einfuhrbewilligungen getrieben habe, worauf cs zu einer lebhaften Auseinandersetzung kommt. Der Abg. Stolt (Komm.) rügt, daß vier Zeugen vernommen worden seien, die nachgewiesenermaßen mit dem hinreichend verdächtigen Abg. Heilmann in regstem Verkehr seien.
Gegen die Geschäftsleitung des Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses Abg. Dr. Deerberg (DN.) hatten die Ausschußmitglieder des Zentrums, der Demokratischen und der Sozialdemokratischen Partei einen schriftlichen Einspruch eingereicht. Dr. Deerberg legte darauf den Vorsitz nieder, den Abg. Dr. Leidig (DVp.) übernahm.
Dr. Marx nimmt die Miniskerpräsidenkschafk an Berlin. 10. Febr. Dr. Marx hat zugesagt, die Wahl zum Ministerpräsidenten in Preußen anzunehmen. Die Koalition hofft, die Mehrheit dadurch zustande zu bringen, daß die Wirtschaitt-^e Vereinigung zum Beitritt eingeladen wird, was ihr dadurch ermöglicht werde, daß dos neue Kabinett nicht mehr unter sozialdemokratischer Führung stehe. Die Sozialdemokraten bestehen aber darauf, daß Severin g das wichtige Innenministerium behalte.
Mit der Wahl des Ministerpräsidenten soll auch die des Landtagsvräsidenten verbunden werden. Die Sozialdemokratische Partei bringt wieder Bartels in Vorschlag.
Die kommunistische Werbung in Rordafrika Paris, 10. Febr. Die Liberi«" veröffentlicht ein Geheimschreiben des Moskauer Führers Sinojew an Cachin, den Führer der französischen Kommunisten, worin die Absendung von 1,5 Millionen Franken aus Moskau für die Unterstützung der kommunistischen Werbung in den französischen Kolonien angekündigt wird.
Kriegsschulden und Sicherheit Paris, 10. Febr. Die Blätter schlagen heute auf einmal, offenbar auf Weisung der Regierung, gegenüber der englischen Note über die Kriegsschuldenregelung einen anderen Ton an. Fast einmütig wird die Forderung der festen Jahreszahlungen abgelehnt und verlangt, daß die Abzahlung nur im Verhältnis zu den deutschen Leistungen erfolg- Frankreich könne überhaupt Verpflichtungen nur übernehmen, wenn England Frankreich Bürgschaften für seine Sicherheit gegeben habe.
Reichspostminister a. D. Me verhaftet.
Berlin, 11. Februar. Wie wir hören, ist Reichspostminister a. D. Höfle gestern nachmittag 5.30 Uhr, nachdem er zu einer Vernehmung beim Oberstaatsanwalt bestellt worden war, im Gerichtsgebäude festgenommen worden.
Die drei Fragen
London, 10. Febr. Der „Daily Telegraph" meldet, die englische Regierung denke nicht daran, eine Konferenz für die drei Fragen Kriegsschulden, Sicherheit und Räumung zusammen abzuhalten. Jede dieser Fragen sei so schwerwiegend und schwierig, daß sie aufs genaueste geprüft werden müsse. Baldwin hat also weniger Eile als Herriot.
Frankreich ist entschieden gegen einen besonderen englischen Sicherheitsvertrag, weil es befürchtet, Belgien könne dadurch der französischen Vormundschaft, die in dem französisch-belgischen Militärvertrag begründet war, entgleiten und der englische Einfluß die Oberhand gewinnen.
Englisch-französischer Zwischenfall
Liverpool, 10. Febr. Nach einer hier eingetroffenen Meldung sind drei englische Seeoffiziere eines in Cayenne (Fran- zösisch-Guyana, Südamerika) gescheiterten englischen Schiffs von den französischen Behörden gefangen genommen und wie die Sträflinge der Strafkolonie behandelt worden. Die Offiziere wurden wieder freigelassen. Der englische Konsul hat eine Untersuchung eingeleitet.
Faszislische Internationale?
Rom. 10. Febr. Das „Giornale d'Jtalia" berichtet, auf der nächsten Versammlung des Großen Faszistenrats werde Mussolini die Frage prüfen lassen, ob es möglich und zweckmäßig sei, die faszistischen und ähnlichen Bewegungen in allen Staaten zu gemeinsamem Handeln zusammenzuführen. Mit den Nationalisten und Katholiken seien Verhandlungen zur Bekämpfung der Sozialisten, Radikalen und der Freimaurer der Linksrichtung angebahnt. Der „Cor- riere d'Jtalia" ergänzt die Meldung dahin, die faszistische Internationale solle auf kultureller und moralischer Grundlage aufgebaut werden und nicht gewerkschaftlicher Art sein. Sie solle eine geistige Einheitsfront gegen den Sozialismus darstellen.
Die indische Beweguna in Niederländisch-Indien
Bandoeng, 10. Febr. Eine inländische Bewegung, die die Bildung einer neuen politischen Partei zur Bekämpfung des Kommunismus bezweckt, hat sich bemerkbar gemacht. Außerdem ist eine nationale Volkspartei gegründet worden, um bas politische Verhältnis mit Holland zu schwächen, bis ein vollwertiges indisches Parlament Indien der holländi- scheu Vormundschaft entzieht.
*
Der Tscheka-Prozeß
Leipzig, 10. Febr. Vor dem Staatsgerichtshof zum Schutz der Republik begann heute der große politische Prozeß gegen die sog. deutsche Tscheka, amtlich als Prozeß gegen Neumann und Genossen bezeichnet. Angeklagt sind 16 Kommunisten, sämtlich wegen Hochverrats bezw. Beihilfe dazu in Tateinheit mit Geheimbündelei gemäß dem Republikschutz- gssetz, einige von ihnen auch wegen Verabredung zum politischen Mord und wegen Mords, weiter wegen Vergehen und Verbrechen gegen das Sprengstoffgesetz urcki hj^Hrrssrnver- ordnung. Die Anklage behauptet, daß nach dem Muster der russischen Tscheka eine deutsche Tscheka gebildet worden ist, um den gewaltsamen Umsturz in Deutschland und die Diktatur des Proletariats herbeizuführen und sodann etwaige Verräter an der kommunistischen Sache zu beseitigen. Militärischer Leiter der ganzen Geheimorganisation soll der Russe Skobelewsky alias Gores gewesen sein.
Die Anklage sagt, die Tscheka habe Cholera-und Typhusbazillen beschafft und Versuche damit angestellt. Weiter soll sie offenbar Mord gegen General von Seeckt, Stinnes, Borsig und andere politische Persönlichkeiten geplant haben. Einen Hauptgegenstand der Verhandlung wird die Ermordung des Friseurs Rausch bilden. Die Verhandlung findet unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Niedner statt. Die Anklage vertritt Reichsanwalt Dr. Neumann mit Unterstützung von Landgerichtsrat Floegel.
c, . . . Berlin, 10. Februar.
. der gestrigen Sitzung wirft Abg. Aufhäuser (So,)
dü Banken Reaktion vor und greift.
Abg. Dr. Pfeffer (D. Vp.): Wenn man, wie die ^'bldemokraten, für Zwangstarife eintrete, die dem Ge- der Vertragsfrelheit widersprechen, so müsse man den Arbeitgebern einen Rechtsschutz zubilligen.
Schneider (Dem.) beantragt, daß bei Verbind- lichkeitserklarung künftig der Entscheidung des Schlichters eine Begründung beizugeben sei. ' ^ ^
Man geht über -zur namentlichen Abstimmung über den Vertrag mit S , g m. Mg v. Freytag-Loringhooen Dntl.) erklärt, seine Partei werde den Vertrag nicht ab- lehnen, obgleich auch Minister Stresemann die von ihm (Redner) gerügten Mängel zugegeben habe. Er habe nur beabsichtigt, dem Auswärtigen Amt gegenüber dem Ausland den Rücken zu steifen. Jetzt handle es sich darum, daß die außenpolitischen Beziehungen nicht zum Spielball parlamentarischer Leidenschaften gemacht werden. (Unruhe links.)
Abg. K o ch-Weser (Dem.) beantragt, die Rede des Abg. v. Treytag-Loringhoven öffentlich anzuschlagen. (Heiterkeit bnks.)
Abg- Graf W e st a r p (Dntl.): Wir sind ganz damit einverstanden. (Heiterkeit rechts.)
Artikel 1 des Vertrags wird mit 244 gegen 129 Stimmen bei 1 Enthaltung angenommen Dagegen stimmten di« Sozialdemokraten, die Kommunisten und die Völkischen. Daraus wird die Vorlage endgültig angenommen.
20. Sitzung am 10. Februar.
Vor Eintritt in die Tagesordnung erhält das Wort zu einer Erklärung der Abg. Dr. Becker-Hessen (D.V.),der sich gegen Angriffe des „Berliner Tageblatts" im Zufam- me.-Mig mit Krediten wendet, die in der Zeit des passiven Widerstands deutschen Wirtschaftsverbänden gegeben worden sind. Der Redner bestreitet zunächst, daß die „Hika" nach Beginn des Ruhrkampfes gegründet und dem Reichswirtschaftsministerium unterstellt wurde. Die „Hika" sei bereits im Jahre 1919 unter einem sozialistischen Mirt- schafksminister gegründet worden, um in der schweren Uebergangszeit gewerblichen Unternehmenden Mittel für die Demobilmachung zu gewähren. Als es während des Ruhrkampfes notwendig wurde, auch kleineren und mittle- ren Unternehmenden mit Krediten beizuspringen, benutzte man der Einfachheit halber die schon bestehende Organisation der „Hika". Dis Kriegsindustrie war schon wegen der Beschränkung der Mittel der „Hika" dazu von vornherein ausgeschlossen. Der Redner weist die Behauptung zurück, daß er (Becker) mit der Schwerindustrie versippt und verschwägert sei und bezeichnet diefe Behauptungen als gemeine und ehrabschneidenoe Verleumdungen. Er sei nur einmal im Vorstand der Rheinischen Stahlwerke gewesen. Dieses Verhältnis wurde gelöst, als er in das Kabinett Cuno einkrat. Der Redner verweist im übrigen auf die bereits erfolgten halbamtlichen Feststellungen in dieser Angelegenheit. Wenn ein Betrag von 2000 Goldmillionen genannt werde, so sei schon feskgestellt, daß höchstens ein Betrag von 10 Gold Millionen in Frage komme. Der Redner schließt, Ktzaß er das Urteil über dies Ding dem Reick und der Oeffentlich- keit überlasse. Eine anständige Presse werde sich gewiß nicht dazu hergeben, dem Ausland Kampfmakerial zu liefern. (Großer Lärm bei den Sozialdemokraten.)
Abg. Dr. Wirkh (Zkr.) bittet ebenfalls, ein» Erklärung abgeben zu dürfen.
Präsident Löbe erwidert, daß eine solche Erklärung zunächst vom Präsidenten eingeräumk werden müsse.
Es knüpft sick eine längere Geschäftsordnungsdebatte ^eran an, in der L-g. Koch-Weser (Dem.) Klärung der Frage fordert, ob es nötig ist. die Verhandlungen des Reichstags durch Monologe aufzuhalken. (Große Unruhe und entrüstete Rufe rechts.) Dasselbe könnte auch von anderer Seite in Hunderten von Fällen gegen Presseangriffe geschehen. Diese erregte Geschäftsordnungsdebatte endet schließlich damit, daß Präsident Löbe feststellt, daß das Haus beschließen könne, in eine 'Besprechung dieser Erklärung einzukreken. Für heute sei dies jedoch geschäftsord- nungsmäßig nicht mehr zulässig.
Der Karmckelbaron
tzZsiW? Humoristischer Roman von Fritz Gantzer '' AM'
W Sie war freudig überrascht, als er plötzlich zu ihr trat. »Ich bin dem Verderben durch Aufmerksamkeit und List glücklich entronnen," begann er sofort. „Die übrigen vier Herren hat die Gewogenheit Ihres Herrn Vaters in tiefen jSchlaf versenkt. Er hat ihnen ein Schlafpulver in den Wein geschüttet."
z- Lore blieb erbleichend stehen. „O, was tut er jetzt nicht alles!" klagte sie. „Er kennt sich, seitdem er den Prozeß endgültig verloren hat, vor lauter Haß und Grimm gegen alle Welt nicht mehr aus. Auch mich haßt er, auch mir will er wehe tun." Tränen füllten ihre Augen, und ihre Stimme klang wie ein wehes Weinen.
^ „Beruhigen Sie sich, Komteß, vertrauen Sie sich mir an. Ich will dafür einstehen, daß Ihnen nichts geschieht."
„O, ich bin Ihnen so dankbar, Herr von Gronau. Aber wie wollen Sie mir helfen?" Ungewiß und zweifelnd sagte
„Vor allen Dingen muß ich eins wissen, Komteß.... Sie erinnern sich meiner Frage, die ich vor vier Tagen im Bibliothekzimmer an Sie richtete und die Sie unbeantwortet ließen. Ich wiederhole sie zunächst nicht, sondern bitte Sie jetzt nur, daß Sie mir die Freiheitsberaubung, deren ich mich Ihnen gegenüber schuldig machte, verzeihen möchten. Wollen Sie das?"
„Ich habe Ihnen nicht gezürnt, obgleich ich es anfangs
„Sie konnten es also nicht? ... Sie geben mir keine Antwort. So gebe ich sie mir allein. Nein, nicht wahr? Und warum konnten Sie mir nicht böse sein? Weil Sie die gegenteilige Gesinnung für mich hegen?"-
Sie blieb zaudernd stehen und senkte den Kopf. Dann sagte sie leise und langsam: „Ich müßte die Unwahrheit sagen, wenn ich Ihnen ein Nein antworten würde."
„Also ein Ja, Komteß. Wenn man einem aber nicht böse, sondern gut ist, dann darf man dafür auch lieb sagen. Sie leiben mich also lieb, Lore?"
Da kam es über sie mit treibender Gewalt. Sie konnte nicht anders: „Ja, schon lange", bebte sie glückselig heraus.
Da nahm er sie einfach in seine Arme, nannte sie „liebe Lore" und küßte sie.
Sie fand das alles plötzlich so ganz selbstverständlich, daß sie sich wunderte, warum sie sich seinem Werben damals im Bibliothekzimmer widersetzt. Es war ein lieber, böser Trotz gewesen, der ihr an jenem Tage die Lippen geschlossen, die siib nun heute so willig seinem Kusse öffneten...
Einen Plan hatte sie bald fertig. Die L'G sollte der Gewalt begegnen, und sie vertrauten ihrem Siege.
Als sie sich trennten, war der Scheidedruck ihrer Hände ein festes Gelübde, treu vereint zu stehen, und der gewisse Ausfluß unwandelbaren Höffens auf endliches Gelingen.
Sie schliefen alle noch. „Wie die Murmeltiere!" dachte der Krachtwitzer, als er weit nach fünf zum drittenmal in die Zimmer sah. Ein besonders eigenartiger Anblick bot sich seinem Auge in dem Gemache, das der Zinnowitzer mit dem Hauptmann teilte. Kattenbusch mußte wohl der Traum in seine glorreiche Kriegszeit zurückversetzt haben. Die hocherhobene Rechte war zur Faust geballt, als umspänne sie den Degengriff, und seine Linke, weit nach der Seite ausgestreckt, hielt des nebenan schnarchenden Zinnowitzers eine Stiefelspitze umkrampft. Und auf seinen Zügen lag ein Ausdruck, der massakrierenden Marodeuren zur Zeit des großen Krieges eigen gewesen sein mag, so wild, wüst und grausam.
Auch in den Raum, der Gronau beherbergte, schaute der Krachtwitzer. Tiefe, regelmäßige Atemzüge drangen an fein Ohr. Unnachahmlich spöttisch lächelnd, wandte sich der Schlafzimmerkontrolleur endlich ab und dachte: „Dir wird nun bald die Extrawurst gebraten, altör Sohn. Warte, dein Helles Vergnügen sollst du daran haben." —
Im geräumigen Speisezimmer herrschte vorbereitende Geschäftigkeit. Die Tafel stand schon gedeckt. Schweres Prunkgerät aus dem Silberschatz und kostbares altes Porzellan, ein Erzeugnis Meißener Kunst, vereinten sich mit leuchtenden, duftenden Blumen des Frühlings zu vornehmem und anmutigem Schmucke. Fräulein von Restowo ging ab und zu, hier und dort persönlich ordnend, zwischendurch dem Diener Anweisungen erteilend.
Aber es war kein Frohsinn auf ihrem Gesicht, und alle ihre Bewegungen hatten etwas Gramvolles und Erzwungenes, schienen von Trauer und Sorge erzeugt. Konnte es denn anders sein, d« ihres Lieblings Lebensglück geopfert werden sollte, zur Befriedigung väterlichen Eigensinns und Hasses? Und bedeutete diese beabsichtigte Zwangsverlobung nicht Tragik in dritter Potenz? War das Ganze nicht zum Wernen?
Fräulein von Restowo weinte auch, als sie, eine Vase zurechtrückend, vor den Plätzen des Brautpaares stand, und seufzte: „Ach, die arme, arme Lore! Wenn sie doch den Mut zum energischsten Widerstand besäße!"
Alles andere schien Lore sich vorzunehmen, nur den nicht. Sie empfing gerade in Gegenwart Hans Karls mit diesem gemeinsam die letzte Instruktion durch ihren Vater.
„Also, es ist euch nun alles klar," sagte der eben, Hans Karl einen von starkem Mißtrauen erzeugten Blick zuwer- fend. „Ihr wartet neben dem Speisezimmer im Vorraum. Nach der Suppe werde ich reden und von einer Ueberrasch- ung sprechen. Sobald ich dreimal stark an mein Glas schlage, erscheint ihr und präsentiert euch als Brautpaar. Verstanden und gewillt, so zu handeln?" ^
Lore erwiderte ohne Zaudern ein festes Ja, das der Krachtwitzer mit einem ziemlich verblüfften Nicken entgegennahm, aber trotzdem für das Zeichen unwiderruflicher Bereitwilligkeit hielt.
„Und du, Hans Karl? Warum bist du so stumm wie ein Fisch? Warum antwortest du nicht? Paßt es dir nicht, wie ich es will?"
Das schmale, verschüchterte Kerlchen lächelte hilflos von Lore zu dem Onkel und von diesem zu seiner für ihn bestimmten Braut. Er erweckte den Eindruck eines seiner Rolle nicht sicheren Schauspielers. O, schon, lieber Onkel," meinte er endlich stockend. „Schon! Warum sollte ich nicht wollen?"
„Weil du wie ein betrübter Lohgerber, dem die Felle weggeschwommen sind, dreinsiehst, oder wie einer, dem die Petersilie verhagelt ist. Mach' mir keine Dummheiten zu guter Letzt, das sage ich dir!" Ganz grimmig sah der Krachtwitzer seinen Neffen an, während er ihm mit erhobenem Finger drohte. ^
„Er wird schon nicht," beruhigte Lore. „Nicht wahr, Hans Karl?"
„Nein, nein, Lore, ganz gewiß nicht."
Bis weit nach sechs ließ Herr von Lessenthin seine Gäste schlafen. Dann bemühte er sich, sie zu wecken. Es dauerte eine ganze Weile, bis er sie aus ihrem bleiernen Schlaf aufgeschreckt hatte. Er mußte sie rütteln und schütteln? st« an Armen und Beinen zerren, sie sogar kneifen. In die Hände mußte er klatschen und wie wild mit den Füßen trampeln. Und das alles mußte er bei Kurt von Gronau am heftigsten und andauerndsten tun. Denn der lag wie ein Toter.
Fortsetzung solgk.)