(Enztalbote)
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Nummer 33 Fernruf 179 Wildbad, Dienstag, den 10. Februar 1925 Fernruf 179 60. Jahrgang
Die künftige Militärkontrolle
Hinter den Genfer Kulissen
Am Donnerstag voriger Woche ist in Genf die ständige beratende Militärkommission des Völkerbunds zusammengetreten. Die Kommission setzt sich zusammen aus Verbandsoffizieren des Landheers, der Flotte und des Flugwesens. Die Offiziere erhalten ihre Anweisungen von den — Kriegsministern. An die Kommission ist ein technisches Büro angegliedert, in welchem eifrig zeichnende und rechnende Militärs sitzen. Fast sieht es aus wie ein Generalstabsquartier. Jedenfalls unterscheidet sich dieses Militärsekretariat auffallend von den sonstigen Kommissionen des Völkerbunds.
Ursprünglich sollte die ständige Militärkommission sich mit der A b r ü st u n g s f r a g e beschäftigen. Da man aber den Militärs auf die Dauer nicht zumuten konnte, Abrüstungsvorschläge zu machen, und damit an dem Ast zu sägen, auf dem sie sitzen, schuf man eine „zeitliche gemischte Kommission", die sich aus Zivilpersonen zusammensetzt. Auch ihr war kein langes Leben beschieden. Die ständige Militärkommission wurde eifersüchtig und erzwang ihre Auflösung. An ihre Stelle trat zur Behandlung der Abrüstungsfrage die sogenannte „Koordinationskommission", in die einige Mitglieder der ständigen Militärkommission zur „Aufsicht" abkommandiert wurden. Diese Koordinationskommission wird am 16. Februar ihre Tätigkeit beginnen. Ihre Aufgabe ist die Aufspürung und Feststellung der privatenWaffen- fabrikation sowohl in den Verbands- als auch ganz besonders — darauf kommt es ja an — in den „verdächtigen" Ländern.
Aber zurück zu der Mutterkommission, der ständigen beratenden Kommission für die militärischen Luftfahrts- und Schiffahrtsfragen. Diese Militärkommission verdankt ihre Entstehung dem Artikel 213 des Versailler Vertrags und den Mehrheitsbeschlüssen der beiden letzten Völkerbunds- tagungen. Sie soll eine dauernde Einrichtung werden und vor allem die künftige Militärüberwachung Deutschlands ausüben. Natürlich auch über die anderen Länder, mit welchen sogenannte Friedensverträge abgeschlossen wurden. Damit man gleich weiß, war die Glocke geschlagen hat, ist heute schon vorgesehen, daß die Uebsr- tvachung des Völkerbunds für Deutschland einen Franzo - sen als Vorsitzenden, für Oesterreich einen Italiener, für Ungarn einen Endländer, für Bulgarien einen Schweden stellen wird.
Was hat die Militärkommission des Völkerbunds in den nächsten Tagen zu tun? Das „Genfer Journal", offenbar von Frankreich unterrichtet, weiß darüber folgendes zu sagen: Die Kommission ist beauftragt, die Anwendung der ersten fünf Abschnitte der vom Völkerbundsrat am 27. September vorigen Jahrs angenommenen Entschließungen auf die durch den Versailler Vertrag entmilitarisierte Rheinlandzone zu bestimmen. In den fünf Abschnitten jenes Beschlusses wird festgestellt, daß die Vorsitzenden der jeweiligen Untersuchungskomitees gewisse „ständige Elemente" an diejenigen Punkte beordern können, wo sich eine dauernde Untersuchung als notwendig erweist. Die Kommission kann somit bestimmen, an welchem Punkte des Gebiets die Ueberwachung eine ständig« sein soll. Dem stets so franzosenfreundlichen und oft so deutfchenfeindlichen Genfer Blatt wird bei der Wiedergabe seiner Informationen doch etwas schwül zu Mute. Es 'schreibt: „Somit ergibt sich die überraschende Tatsache, daß nach dem Aufhören der Rheinlandbesetzung eine neue dauernde Be- setzungam Rhein unter der Flagge des Völkerbunds Platz greifen soll." Das heißt also, das Rheinland bleibt bauend besetzt! An Stelle der jetzigen Besatzungstruppen rücken Schutzgarden für die Völkerbundskommission. Da der Völkerbund keine eigene Schutztruppe besitzt, werden die künftigen Ueberwachungstruppen am Rhein Franzosen, Belgier und Endländer sein. Es bleibt also alles, wie es ist. Nur gibt der Völkerbund, der nachgerade vollständig im Schlepptau der französischen Politik segelt, feinen Segen dazu. Was sagt man in Deutschland zu dieser Wendung? Weiß die Berliner Regierung, was zurzeit hinter den Genfer Kulissen vorgeht,Mid welchen Zug gedenkt sie nun auf dem diplomatischen Schachbrett zu tun? E. Schoene.
Neue Nachrichten
Der Barmakskandal
Berlin, 9. Februar. Gegen den früheren Reichspost- minister Höfle wird eine Strafverfolgung eingeleitet, Höfle muß jedoch erst sein Reichstagsmandat niederlegen.
Die Direktoren Wolpe und Klikottka der verkrachten Berliner Depositen»- und Handelsbank, die von der Reichspost 5 Millionen Goldmark erhalten hatte, sind nach Unterschlagung bedeutender Summen und Vernichtung wich, tiger Akten geflüchtet. Wolpe nach Amsterdam und Klikottka nach England. Die Staatsanwaltschaft hat gegen beide Steckbriefe wegen Betrugs, Unterschlagung und Verschiebung von Geldsummen nach dem Ausland erlassen.
Tagesspiegel
Der frühere Reichsposkminister Höfle Hai sein Abgeord- nekenmandat (Zlr.) niedergelegt.
Wie das. «Tageblatt ' meldet, hal der Rechlsbeistand Dr. Höfles an den Generalstaalsanwa't die Bille gerichtet, vom Erlaß eines Haftbefehls gegen Dr. Höfle Abstand zu nehmen, da Dr. Höfle nicht daran denke, sich dem ihm drohenden Strafverfahren durch die Flucht zu entziehen.
Bei Singapore (Malakka), das als starker englischer Flotten st ühpunkt in Aussicht genommen ist. wurden am 1. März ungewöhnlich große Flottenmanöver abge- hallen, bei denen drei Admirale mit ihren Flaggschiffen Mitwirken werden.
Die Louisenstädtischs'Genossenschaftsbank in Berlin hatte aus staatlichen Mitteln Darlehen erhalten unter der Bedingung, einen gewissen Teil der Gelder an Gemeinden zu einem gewissen Geldsab auszuleihen. Die Gelder sind aber nicht bestimmungsgemäß verwendet, sondern den kreditsuchenden Gemeinden nur die Hälfte ausbezahlt worden, während für die andere Hälfte eigene Akzepte der Bank gegeben wurden. Außerdem soll die Bank 21- Millionen Goldmark in Rumänien angelegt haben. Die Girozentrale hat in einem Rundschreiben an die deutschen Gemeinden schon vor Monaten vor der Bank gewarnt.
Bezüglich der am 15. August 1923 gegründeten, aber bereits bankrotten „Depositen- und Handelsbank" A.-G-, die von der Reichsbank, der preußischen Staatsbank und von der Postverwaltung große Darlehen durch die Vermittlung des Reichstagsabgeordneten Dr. Fleischer erhalten hatte, wird festgestellt, daß die Bank die Kredite zu einem Wucherzins von 25 bis 30 Prozent im Tag weiter auslieh. Als es schief ging, packte der Drvisenchef, Alexander Goldenberg, in Eile die Devisen, Akten und Bargeld zusammen und ließ sie Weihnachten 1923 in zwei Koffern nach Hamburg schaffen, wo sie einer Firma Silber- schmidt übergeben wurden. An dem Goldgeschäft der Bank erhielt das Auffichtsratsmitgljed Dr. Fleischer weit über 100 000 Provision. Der Verlust, den das Reich durch die Bank erlebet, soll 10 Millionen Goldmark weit übersteigen.
Die Geschäfte der Depositen- und Handelsbank
Nach den Mitteilungen einer Korrespondenz scheint die Depositen- und Handelsbank auch das Reichsverkehrs- ministerium um erhebliche Summen geschädigt zu haben. Wie die Korrespondenz behauptet, hat die Bank das Verkehrsministerium dazu verleitet, eine geschlossene Menge Gold durch einen Herrn Adolf Hennies in Holland aufkaufen zu lassen. Dem Verkehrsministerium wurde am 17. Dezember eine Rechnung eingereicht, wo für 1000 Kilo 6,4 Trillionen Mark in Rechnung gestellt waren. Geliefert worden ist diese Menge nicht. Das Ministerium mußte sich, da es fast ein Jahr auf Lieferung drängte, mit einem sehr rnageren Vergleich zufrieden geben. Als das Ministerium eingesehen hatte, das es der Geschäftstüchtigkeit der Hennies und Co. nistt gewachsen war, schloß es einen Vergleich mit dem Bankhaus Bruno Philipp, welches anerkannte, die 1000 Kilo Gold erhalten zu haben — ohne sie jedoch jemals gesehen zu haben. Es zahlte dem Verkehrsminister hierfür 1,5 Millionen Goldmark. Diese im Vergleich zu den aufgewandten Millionen sehr geringe Summe wurde nicht einmal bar gezahlt, sondern bei irgendeinem Bankhaus in Wertpapieren zugunsten des Verkehrsministeriums hinterlegt.
München, 9. Februar. Der völkische Block hat im bayerischen Landtag folgende Abänderungsanträge zur Verfassung eingebracht: 1. Mitglieder des Landtags dürfen Auffichtsratsstellen bei privaten Erwerbsgesellschaften nur dann bekleiden, wenn diese Tätigkeit mit ihrem bürgerlichen Beruf zufam- menhängt. 2. Auf Antrag des Landtags kann gegen Abgeordnete Anklage erhoben werden wegen Bestechlichkeit, wegen Verletzung der parlamentarischen Schweigepflicht oder wegen ihrer Abhängigkeit vom Ausland, die sie zum Gehorsam gegen Ausländer zum Zweck des Umsturzes in Deutschland bindet. — Die Bayerische Volkspartei und die Deutschnationalen sind mit den Anträgen grundsätzlich einverstanden.
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Der „Bauerndokkor"
Innsbruck, 9. Febr. Bei einem Festessen anläßlich der Verleihung des „Ehrendoktors" an den früheren österreichischen Vizekanzler Fink hielt der bayerische Ministerpräsident Dr. Held, dem von der Innsbrucker Universität im vorigen Jahr ebenfalls der Doktorhut verliehen worden war, eine Glückwunschrede. Er freue sich, daß Tirol nun auch seinen „Bauerndoktor" habe, der Hand in Hand mit dem bayerischen Bauerndoktor Heim die gesunde Volitik des Bauernstands vertrete. In diesen Tagen des Leids ^nd Elends, die über Deutschland gekommen seien, bilde das kulturelle Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen Deutschland
und Oesterreich einen Trost und die Gewähr für die Zukunft.
Räumung und Sicherheit
Paris, 9. Febr. Wie verlautet, wird der „Schlußbericht" der Ueberwachungskommission am 12. Februar den verbündeten Regierungen übergeben, und dann dem Botschafterrat und zuletzt von diesem dem obersten Militärrat in Versailles zugestellt werden. Anfangs März werden Herriot und Theunis (Belgien) sich zu einer Besprechung mit Bald- win nach London begeben. Herriot will die Räumung des Kölner Gebiets jetzt ganz von der Lösung der Sicherheit s f r a g e abhängig machen und den englischen Standpunkt bekämpfen, daß Deutschland eine gewisse Frist zur Durchführung der Entwaffnung gegeben werde, worauf die Räumung erfolgen soll. Herriot werde mindestens einen Sicherheitsvertrag von England verlangen.
Deutschland bezahlt die Der bandsschulden an England
Paris, 9. Febr. Die Antwort der englischen Regierung auf die Denkschrift des Finanzministers Elemente! wurde am Samstag durch den englischen Botschafter Lord Crewe übergeben. Die Note erklärt, Deutschland sei in der gleichen Weise wie die Verbündeten als Schuldner Englands zu betrachten, alle Schuldner haben an England einen Betrag von etwas über 14 Milliarden Goldmark Gegenwartswert zu bezahlen. Die Daweszahlungen Deutschlands sollen ausschließlich zur Tilgung der englischen Schuld in Amerika verwendet werden. Dagegen soll, wie verlautet, die englische Regierung darauf verzichtet haben, daß die Verbündeten für die Zahlungen aufzukommen haben, wenn Deutschland im Rückstand bleibe.
In Abgeordnetenkreisen legt man die englische Note so aus: Der Gegenwartswert der englischen Schulden an Amerika beträgt 14,2 Milliarden, der englische Anspruch an die deutschen Leistungen aber nur noch rund 8 Milliarden Goldmark, demnach müßten Frankreich und Italien, die Haupt- fchuldner Englands, etwa je 3 Milliarden an England zu bezahlen haben.
In der Note wird u. a. gefordert, daß Frankreich auf seine Gegenforderungen an England verzichte. Dies dürfte sicki darauf beziehen, daß Frankreich im Krieg 1200 Millionen Franken in Gold bei der Bank von England hinterlegen mußte, um die englischen Anleihen zur Kriegführung zu erhalten.
Die Londoner Presse bezeichnet die Note als ein außerordentlich entgegenkommendes Angebot. Frankreich werde sich den darin sich ausfprechenden herzlichen Gefühlen nicht verschließen können. Im übrigen habe Frankreich mit Amerika abzurechnen.
Die Pariser Blätter erkennen den freundschaftlichen Ton der englischen Note an, hoffen aber, daß sich durch die Verhandlungen günstigere Bedingungen erreichen lassen.
hilfferding in Grenoble gegen die Reichsregierung
Paris, 9. Febr. Auf dem französischen Sozialistenkongreß in Grenoble sagte der Reichstagsabgeordnete Dr. H > l f- ferding, von den deutschen und französischen Sozialisten hänge der Frieden in Europa ab. Die reaktionäre Regierung in Deutschland sei nur möglich gewesen, weil bei den bürgerlichen Linksparteien Uneinigkeit herrschte und die Kommusii- sten durch ihre Haltung die Reaktion unterstützen. Die Kommunistische Partei müsse aus dem politischen Leben Deutschlands verschwinden, sie habe sich in den Augen der Arbciter- massen unmöglich gemacht. Der gegenwärtigen deutschen Regierung sollten von den französischen Sozialisten kei- nerleiZugeständnisse gemacht werden, weil dadurch nur die Wirksamkeit der deutschen Sozialdemokratie geschwächt würde. (Hilfferding war 1923 kurze Zeit Reichs- finanzminister.)
Enttäuschung über Herriok
London, 9. Februar. Der frühere Unterstaatssekretär im Kabinett Mac Donald, Ponsonby, wendet sich in Reynolds Wochenblatt scharf gegen Herriot. In seiner angeblichen Versöhnungspolitik habe er vollkommen versagt und schwer enttäuscht.
Die Eisenbahnobligattonen ^
London, 9. Februar. Der belgische Vertreter in der Cnt- schädigungskommission, Delacroix, hatte mit englischen Regierungsstellen Besprechungen über die nach dem Dawes- plan von der deutschen Reichsbahn auszugebenden Schuldverschreibungen im Nennbetrag von 500 Millionen Pfund Sterling. Nach der Ansicht -es belgischen Vertreters bestehe keine Aussicht, daß auch nur ein kleiner Teil davon gegenwärtig ausgegeben werden könne. . :
Die südslawischen Gewattwahlen
Belgrad, 9. Febr. Trotz des Drucks der Regierung hat die Opposition bei den gestrigen Wahlen einen starken Stimmenzuwachs zu verzeichnen. Raditsch und Dr. Trumbitsch sind in Agram mit großer Mehrheit wiedergewählt, ebenso Dr. Korosec in Laibach.