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ML

Nummer 3

Fernruf 179

Wildbad, Montag, den 5. Januar 1925

Fernruf 179

60. Jahrgang

Bor neuen Sanktionen

Ob der Dawes-Planerfüllbar" sei, daran konnte man sehr begründete Zweifel hegen. Der wesentliche Unterschied im Charakter des Dawes-Plans vom Charakter des Ver­sailler Diktates ist der: im Dawes-Plan ist die Unerfüllbar­keit nicht gewollt, aber als Möglichkeit, die sich im Laus der ! wirtschaftlichen Entwicklung eines Tags Herausstellen könnte, vorgesehen. Das Versailler Diktat dagegen will unerfüll- i barsein. Wir Deutschen sollen Len Vertrag, der uns ^ unter dem härtesten Druck der Hungerblockade aufgezwun- ! gen wurde. , niemals restlos erfüllen können, auf daß er

, unseren^Feinden jederzeit nach Bedarf einen Scheingrund

- des Rechts liefere, sich in unsere häuslichen Angelegenheiten

- einzumischen. In diesem Hauptzweck des Versailler Diktats waren England und Frankreich durchaus einer Meinung, der Demagoge Lloyd Georgs hat darüber nicht anders ge-

! dacht, als der von Haß und Rachedurst bis zum Platzen er­füllte (Wmenceau. Meinungsverschiedenheiten erhoben sich immer nur darüber, wer das Ende des Stricks in der Hand halten sollte, wenn von der gewollten Unerfüllbarkeit des Vertrags gegen uns Gebrauch gemacht würde.

Eine solche Uebereinstimmung im Grundsätzlichen und der Meinungsverschiedenheit in der praktischen Handhabung des Diktats erleben wir eben jetzt wieder. Das Versailler Diktat zwang Deutschland zur Abrüstung, damitalle anderen" ihrer heißen Sehnsucht nach Abrüstung endlich auch folgen könnten.Heute ist das ein getreten, was kein Franzose je für möglich gehalten hätte: Deutschland ist in einem MSff" abgerüstet, daß es wehrloser ist, als Mittel- und Kleinstaa- i ten, die kaum ein Zehntel seiner Einwohner haben. Wie

! das möglich ist, begreift kein Franzose. Denn indem er von

> sich aus uns schließt, sagt er sich: erstens hätten wir Fran­zosen einen Vertrag wie den Versailler nie unterzeichnet, und zweitens, wenn wir schon unterzeichnet hätten, so hätten wir es doch mit dem festen Vorsatz getan, seine Hauptbestim-

! mungen, vorab die der Abrüstung, niemals zu erfüllen,

i Daß Deutschland gerade diesen Punkt vertragsmäßig voll

! erfüllt hat, will ihm nicht eingehen. Deutschland darf doch

gerade diesen Punkt nicht erfüllt haben, denn womit will ! Frankreich in Zukunft sonst seinen weißen, gelben und

/ schwarzen Militarismus noch begründen? Womit will es

! begründen, daß es einen Teil dieses Militarismus, der dem

eigenen Land viel zu schwer zum Tragen ist, immer noch im Ruhegebiet liegen hat? Womit will es begründen, daß die Räumung der Kölner Zone, die vertragsgemäß am 10. Ja­nuar zu erfolgen hätte, willkürlich auf unbestimmte Zeit ! vertagt werden soll?

! Und hier nun bietet sich hilfreich eins der Organe dar, die

das Versailler Diktat vorgesehen hat, einzig und allein zu dem Zweck, die Unerfüllbarkeit des Diktats für beliebig lange Zeit sicherzustellen. Das ist die Militärüberwachung, die nicht von unabhängigen, neutralen Stellen, sondern von abhängigen Kreaturen der Entente wozu man ja den Völkerbund rechnen muß ausgeübt werden soll. Die Mi­litärüberwachung, die Deutschland seit Monaten durch- ! schnüffelt, hat 70 000, nein 40 WO, ach nein, nur 15 000 - Stahlrohre entdeckt, die in Maschinengewehrläufe umgewan­

delt werdenkönnen"! In einem Industrieland von der ^ Größe Deutschlands können selbstverständlich täglich noch

viel mehrStahlrohre" und andere Gegenständeentdeckt" werden, die zu Kriegsgerät umgearbeitet werdenkönnen". Man müßte schon die deutsche Industrie vom Erdboden ver­tilgen, wollte man diese Art vonRüstungsmöglichkeiten"

! ein für allemal ausschalten. Daß Deutschland heute außer­stande ist, auch nur einen Verteidigungskrieg zu führen, geschweige denn einen Angriffskrieg gegen einen bis an die Zähne bewaffneten Nachbarn wie Frankreich, das weiß niemand besser als das militärische Orakel der franzö-

> fischen Regierung, der Marschall Fach. Frankreich, auch

> wenn es seine Rüstungen von heute auf morgen aus die Hälfte herabsetzte, würde vor Deutschland immer noch einen Vorsprung haben, den dies Land auch nicht halbwegs in der

^ Zeit einholen könnte, die nötig wäre, um einen Angriff von

! deutscher Seite her wirksam zu machen. Frankreich behält

also noch immer reichlich Zeit übrig, um mit gesammelter Macht über das ungerüstete Deutschland herzufallen.

Gleichwohl können, sollen und dürfen die neuen Sanktio­nen, die mit dem 10. Januar von England und Frankreich über das wehrlose Deutschland verhängt werden, nur mit ungenügender Abrüstung" Deutschlands begründet werden! Dattn kommt die ganze, infame Niedertracht des Versailler Schandvertrags wieder einmal gar herrlich zur Entfaltung, und daß es die englische Regie­rung ist, die ihr daAl verhilft, das. ist das Erbauliche an der Sache. Der Dawesplan erklärt in seinem ersten Teil unter UI, militärische Gesichtspunkte,Sanktionen" undmilitä­rische Besetzungen" lägen außerhalb der Zuständigkeit seiner Verfasser.Es ist jedoch unsere Pflicht, deutlich hervorzu­heben, daß unsere Vorschläge auf der Annahme be­ruhen, daß die wirtschaftliche Tätigkeit durch keine andere fremde Organisation behindert und beeinträchtigt wird." Vertragsgemäß bat das Kölner Gebiet mit dem Itz, Januar

Tagesspiegel >

Im Reichskagsausschuß für auswärkige Angelegenheiten gab Dr. Stresemann einen Bericht über die politische Lage.

Der Reichstag wird in seiner ersten Sitzung am 8. Ian. zunächst die Präsidentenwahl vornehmen und dann zur Ver­weigerung der Räumung des Kölner Gebiets Stellung nehmen.

Die Vollsitzung der Bevollmächtigten für den denk? französischen Handelsvertrag wurde abermals verschoben, nur die Sachverständigen setzten ihre Arbeiten fort.

Senator Borah kündigte im amerikanischen Senat eine Entschließung an, daß eine Vertcetecversammlung aller Staaten einberufen werde, auf der die Entschädigungs­summe. die Deutschland zu zahlen habe, endgültig festgesetzt und mit der allgemeinen Abrüstung Ernst gemacht werden solle. Präsident Loolidge ist gegen "den Antrag. Nur über die Abrüstungskonferenz will Coolidge mit Borah verhandeln.

von der bisherigen Behinderung frei zu werden. Venn wir haben den Dawesplan angenommen und bisher einwandfrei erfüllt, und unsere Abrüstung ist burchgeführt, wie sie über­haupt nur durchgesührt werden kann. Aber England und Frankreich verhängen über uns dis Sanktion, daß dis Kölner Z-me vertraa swidria besetzt zu bleiben hat. weil nun weil es ihnen" so oeuevt! ' Wen' emzchluf ru-izöüschL verschiedenheiten sich aus dem R'-cken des deutschen Prügel­jungen leichter ausgleichen lassen! Weil es in Deutschland Leute gibt, die immer eher geneigt sind, mit dem Landes­feind gegen die Landsleute zu oehen, als gegen den Landes­feind eine Einheitsfront zu bilden!

Da es noch fraulich ist, ob Deutschland am 10. Januar eine verfassungsmäßig gebildete Regierung haben wird, wes­halb sollen sich die Engländer mit der vertragsmäßigen Räumung Kölns eigentlich beeilen? Vielleicht gibt es am 10. Januar in Deutschland noch gar keine verfassungsmäßige Instanz, die gewillt und ermächtigt wäre, die Engländer vor aller Welt des Bertragsbruh^ -nzuklagen, wenn sie wider­rechtlich bleiben! ^

Der amerikanische Handelsvertrag nicht bestätigt

Reichlich ein Jahr hat sich das Schicksal des deutsch-ame- i rikanischen Handelsvertrags hingezogen. Vor mehr als Jah­resfrist wurde der Vertrag unterzeichnet, der uns tatsächlich mit Befriedigung erfüllte. In vorteilhafter Unterscheidung von den später von uns eingegangenen Verträgen sah er die gegenseitige Meistbegünstigung im soll­st en Umfang vor.

In die allgemeine Meistbegünstiung ist auch einbegriffen die Gleichstellung der deutschen mit der amerikanischen Schiffahrt. Durch das sogenannteJones Gesetz" ist aber den Schiffen der Vereinigten Staaten eine besondere Vorzugsbehandlung und den aus amerikanischen Schiffen eingehenden Waren gleichfalls sine Vorzugsbehandlung ge­sichert worden. Diese Vorteile sollten nach den in dem Ver­trag vorgesehenen Meistbegünstigungsbestimmungen auch der deutschen Schiffahrt zugestanden werden. Dagegen wehrten sich die amerikanischen Schiffahrtsgesellschaften mit aller Macht. Nach dem amtlichen amerikanischen Jahrbuch erfolgte im Durchschnitt der letzten drei Jahre vor dem Krieg 19111913 die Wareneinfuhr der Vereinigten Staaten nur zu 10,9 Proz. auf Schiffen der Vereinigten Staaten. Die Ausfuhr über See im Durchschnitt 1911/13 wurde sogar nur zu 8,2 Prozent von amerikanischen Schiffen bewältigt. Wäh­rend des Kriegs und nach dem Krieg hat sich der amerika­nische Schiffbu ganz gewaltig gehoben, vor allem dank der ihr reichlich zuteil gewordenen Staatsunterstützungen, zu de­nen auch dasJones Gesetz" zu rechnen ist. Den Schiffahrts­gesellschaften, Reedereien und Werften, an denen die gro- Finanzmächte der Union stark interessiert sind, haben es nun mit Unterstützung der letzteren durchgesetzt, daß der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten des Senats die Gleichstellung der amerikanischen Schiffe mit den deutschen und die deutsche Einfuhr mit der amerikanischen ab­lehnte, und der Senat hat, wie kaum anders zu erwar­ten war, diesem Beschluß Folge gegeben. Damit ist vorläufig die Bestätigung des Vertrags in seiner jetzigen Fassung sei­tens Amerikas hinousgeschoben.

Amerika verkauft aber von jeher viel mehr Waren an Deutschland als Deutschland an Amerika, der Vorteil bei den Handelsvertrags v e r h a n d l u n g e n ist also auf deutscher Seite. Die Reichsregierung muß also alles tun, um sich hier Amerika gegenüber durchzusetzen. Denn verzichten wir auf die Schiffahrtsbegünstigungen in dem Vertrag, dann würde er des wertvollsten Bestandteils für uns beraubt,

Das Vermögen der Hauptstaalen

Die National City Bank kn Newyork gibt ig ihrer

Monatsübersicht für Dezember eine aufschlußreiche Zu­sammenstellung des Reichtums der hauvtsächlichsten Länder der Erde für die Jahre 1870, 1890, 1912 und 1922. Die angeführten Zahlen stammen, wie das Blatt bemerkt, von Männern, deren Ansehen in statistischen und wirtschaftlichen Kreisen hochsteht. Die Aufstellung kann daher, so darf man schließen, Anspruch auf Zuverlässigkeit erheben. Aus der Reihe von 23 Staaten seien nur die folgenden herausge­griffen: die Vereinigten Staaten von Amerika, deren Ver­mögen von rund 30 Milliarden Dollar im Jahre 1870 auf 65 Milliarden im Jahre 1890, auf 186 Milliarden im Jabre 1912 und auf 321 Milliarden im Jahre 1922 gestiegen ist; Großbritannien, dessen Reichtum in den genannten vier Jahren sich von 40 Milliarden Dollar auf 53,3, 79,3 und 88,8 Milliarden hob, während der von Frankreich 33, 43.8, 57 und 67,7 Milliarden betrug, der von Italien 7,3, 9,7, 23 und 26 Milliarden, der der Schweiz von 1890 an 2 ^--^ und 4,56 Milliarden, der der Niederla nde , 4 . 26 , - und 8,26 Milliarden, der vog.SanuL« r>orr i870an 2,87, 4,74, 10,98 und 22.09 Milliarden. Deutschland dagegen hatte 1870 ein Volksvermögen von 38 Milliarden Dollar, 1890 von 49,5 Milliarden, 1912 von 77,78 und 1922 von nur 35,7 Milliarden. Hier wird also zum erstenmal in einer ernsthaft zu nehmenden Statistik die ungeschminkte Wahr­heit preisgegeben, daß der Reichtum Deutschlands durch den Krieg von 77 auf 35 Milliarden Dollar zusammengeschrumpft ist. Öb die Macher der amerikanischen öffentlichen Meinung von dieser Tatsache Kenntnis nehmen und sich ein ganz klein wenig von ihr werden beeinflussen und leiten lassen.

Neue Nachrichten

Verhandlungen über die Kabinettsbildung.

Berlin» 4. Jan. Am Samstag vormittag hat der Reichs­kanzler die Führer der bisherigen Regierungsparteien zu sich. Nach einer Stunde erschienen auch die Vertreter der Deutschnationalen Volkspartei. Nachmittags 4 Uhr besprach sich der Reichskanzler mit den Führern der sozialdemokrati­schen Fraktion. Da einKabinett der Mitte" wie das seit­herige ausgeschlossen ist, nachdem die Deutsche Volkspartei sich entschieden dagegen erklärt hat, spricht man wieder mehr von einem Geschäftskabinett. Allgemein ist die Auffassung, daß die dringenden außenpolitischen Aufgaben eine schleunige Lösung durch eine dauerhafte Regierung erheischen, für die allerdings ein Geschäftskabinett nicht die nötige Gewähr biete. Andererseits ist nach den Besprechungen auch keine Möglichkeit für eine Regierung mit traqiähi aer parlamen­tarischer Mehrheit geged.n. -

Sommunlfienverhafkingen in Men. ^ -

Wien» '4. Jan. In einer Versammlung, in der die Neu­gestaltung der kommunistischen Partei in Oesterreich beraten werden sollte, wurde u. a. der aus Rußland stammende und mit falschem Paß zugereiste Reichstagsabgeordnete Iwan Katz aus Berlin verhaftet und der Staatsanwaltschaft über­geben. Verschiedene andere Kommunisten aus Deutschland und Rußland, wie die Abg. Ruth Fischer, flüchteten aus Wien, teilweise unter Zurücklassung ihres Gepäcks, , ^ ^ ^

Die Gnadenfrist. '

London» '4. Jan. Nach demDaily Telegraph" ist die Note des Botschaftsrats an Deutschland, die anfangs der Woche übergeben werden soll, durch einen Zusatz abgean- dert, in dem die fünf Verbündeten erklären, es solle Deutsch­land bis zum 10. Januar Zeit gelassen werden, seineVer­fehlungen" gutzumachen. Da etwas Wesentliches nicht Mtzumachen ist, in der kurzen Spanne bis 10. Januar auch gar nichtsgutgemacht" werden könnte, so erscheint die gnä­digst gewährte Gnadenfrist als ein Maiwver, um den Ver­tragsbruch zu bemänteln,

Plünderungen in China. "

London. '4. Jan. Nach einer Meldung aus Shanhai haben die Soldaten den seines Amts entsetzten Gouverneurs von Kiangsu, Sh'-Tuan, der sich von Nanking nach Shang­hai geflüchtet hat» gemeutert und mehrere Seidenwarenhau­ser in Nanking geplündert oder in Brand gesteckt. Der Scha­den beträgt 500 000 Dollar. Amerikanische Marinefoldaten sind zum Schutz amerikanischen Eigentums nach Nanking ge­sandt worden.

Sunyatsen» der revolutionäre Gouverneur von Kanton, soll nach einer englischen Meldung hoffnungslos erkrankt sein. :

Der Kckmpf gegen den Aaszismus in JMkn Rom, 4. Januar. In verschiedenen SckWten Italiens dauern die blutigen Kämpfe zwischen Kommunisten und Faszisten fort. Viele Blätter der Opposition werden be­schlagnahmt, -