Das Vampyrsystem
Budapest. Januar. Die militärische Überwachung Unaarns durch die gewischte Verbandskommrsfton hat das Land nach dem „Pesti Hirley" bisher 33 MMarden Kronen aekostet. Die Kommission ist nun erheblich verringert worden, kostet aber immer noch 33 Millionen im Monat.
Die Einkreisung Zagluls
Kairo. 4. Januar. In dem englisch-ägyptischen Blatt , Safsa" wird behauptet, von der Nationalpartei Zagluls sei ein Anschlag gegen den König Fuad geplant. Geheime Lager von Massen und Bomben seien „vorgesehen". Die Stimmung in der Pro'vinz und in den Städten wende sich aber immer mehr gegen Zaglul. — Die Meldung ist mit Vorsicht aufzunehmen. Es scheint, daß nach Gründen gesucht werden soll, um Zaglul unschädlich zu machen. Zaglul selbst ist viel zu klug, um seine Zuflucht zu Bombenanschlägen zu nehmen.
6 Millionen gewährt wurde. Der Antrag wurde mu einem ergänzenden Antrag Bock (Ztr.) angenommen, desgleichen ein Antrag Dingler (Bbd.) auf Aufhebung der Beschränkung des Viehverkaufs und völlige Freigabe des Viehverkehrs mit den Nachbarländern. Die Frage der Abschaffung des Arbeits- und Crnährungsministeriums rief eine längere, aber zwecklose Aussprache hervor. Die Regierung hat dazu noch keine Beschlüsse gefaßt. Ueber weitere Fragen des sozialen Gebiets wird später Beschluß gefaßt werden.
Die teuersten Ktadke in Württemberg im Dezember waren Stuttgart mit 110,99, Gmünd mit 110,41, Aalen mit 110,29, Tuttlingen mit 109,75, Ulm mit 109,24, Schramberg mit 107,97, Friedrichshafen mit 107,86, Tübingen mit 106,89, Heilbronn mit 106,72, Göppingen mit 106,67, Ebingen mit 106,66 und Schwenningen mit 106,64.
Verfrühte Lenzesboken. Am Samstag nachmittag flog ein größerer Zug Staren über das Stuttgarter Tal. Die armen Tierchen werden eine böse Zeit zu überstehen haben.
Dermal! Kutiskr ^
Die Preußische Staatsbank; (Seebandlung) keilt mit, daß die Seehandlung an Kutisker, an Michael und an den Barmatkonzern zusammen 45 Millionen Goldmark Dar- lehen gegeben habe. Der sozialistische Abgeordnete Heilmann gehörte nicht dem Konzern Kutisker, wie einige Blätter berichten, sondern dem Konzern Barmat als Aufsichtsrat an. Die Berliner Volksztg. schreibt, sie habe bereits vor Jahren verschiedene sozialistische Abgeordnete gewarnt, sich mit Barmat zu verbinden. Nach dem Verl. Tagebl. sind auch Gewerkschaftsgelder den Brüdern Barmat zur Verfügung gestellt worden.
In einem verborgenen Wandschrank in der schloßartigen Villa „Schwanenwerder" des Julius Barmat wurden Juwelen und andere Kleinodien im Wert von über einer halben Million Reichsmark entdeckt. Das Bargeld scheinen die Barmat an unbekannten Stellen hinterlegt zu haben, vielleicht in Holland, wohin der fünfte Bruder, David Barmat, geflüchtet ist.
Am 31. Dezember wurden noch verhaftet der vierte Bruder, Isaak Barmat, der Direktor Lichtenstein von der Merkurbank, Prokurist Levy, Direktor Staub von den Berlin-Burger Eisenwerken, Direktor von der Roth-A.-G. und der frühere Präsident der Staatsbank Dr. Hellwig. Das Gerücht, daß auch der jun>ge Ebert, der in der Merkur- bank tätig war, und der frühere Reichskanzler Bauer, sowie Abg. Heilmann verhaftet seien, ist unrichtig.
Gegen den technischen Direktor der Berlin-Burger Eisenwerke, Sauveur, ist nun gleichfalls Haftbefehl wegen Betrugs durch Wechsel erlassen.
Kutisker hatte schon, ehe er 1919 nach Deutschland kam, in Litauen, Estland „nd Polen sehr schmutzige, aber gewinnbringende Geschäfte gemacht. Die damaligen Zustände in Deutschland waren ihm günstig. Er wurde bei der Verschleuderung der deutschen Heeresbestände in auffallender Weise bevorzugt und verdiente Unsummen dabei. Obgleich er persönlich ein ganz unscheinbarer Mensch ist und nicht einmal richtig deutsch sprechen kann, gewann er bald m Berlin großen Einfluß: gründete Bankm und Jndustrie- konzerne und wußte eine ganze Reihe von Abgeordneten für seine schwindelhaften Unternehmungen zu „interessieren" und sie durch einkömmliche Aufsichtsratsstellen an sich zu
felsolu—Üüh g f teuii0r! aUs POt Ln nach-
kämmen und so entstand schließlich ein ganzer Rattenkönig von Konzernen, für den die Preußische Staatsbank in unbegreiflicher Verblendung und anscheinend getäuscht durch die fabelhaft verschwenderische Lebensweise der Familien Kutisker, Michael und Barmat schier unerschöpflichen Kredit gaben.
Die Restbeständs des Heeresgerätlagers in Hanau, von dessen Vorhandensein man erst durch die Untersuchung gegen Kutisker Kenntnis erhalten hatte, sollen demnächst versteigert werden und damit wird man Anhaltspunkte für den Wert des Lagers erhalten, auf das die Preußische Staatsbank Kutisker einen Kredit von 1,2 Millionen gegeben hat.
Wieder Skarkbier. Die gesetzliche Beschränkung des Stammwürzegehalts des Biers ist aufgehoben worden.
Vom Tage. In einem Haus der Senefelderstraße hat sich ein 55 jähriger Mann erhängt. — Am Neujahrstage wurden in einem Haus der Hegelstraße ein 24 Jahre alter Kaufmann und seine 25 Jahre alte Frau tot aufgefunden, infolge einer Gasvergiftung, die durch den Gasherd verursacht war. — In der Kanzleistcaße versuchte sich am Silvesterabend eine 26 jährige Frau durch Leuchtgas zu vergiften, sie konnte aber gerettet werden. — Bei einer Polizeistreife in der Altstadt am Mittwoch nachm, wurden 134 Personen ins Polizeigebäude verbracht, von denen 16 in Haft behalten wurden.
Aus dem Lunde
Hohenheim, 4. Jan. Besuch der Landw. Hochschule. An der Landwirtschaftlichen Hochschule sind im Mnkerhalbiahr 1924/25 615 Skudierende, darunter 9 weibliche eingeschrieben. Außerdem nehmen 20 Gasthörer und 4 Gasthörerinnen am Unterricht keil. Unter den 615 Studierenden befinden sich 265 Würkkemberger, außerdem 306 Reichsangehörige. 19 deukschstämmige Ausländer, 4 Deutschösterreicher und 21 sonstige Ausländer.
Ludwigsburg, 4. Ionier. Fe st genommen. Der Hilfsarbeiter Christian Rößler von Niederstotzingen, ein berüchtigter Ladendieb, wurde hier festgsnommen, nachdem er in zahlreichen Juwelier- und Uhrenläden Diebstähle verübt hatte. Ein erheblicher Teil des gestohlenen Guts wurde in der Wohnung Rößlers vorgefunden. — Als Fahrraddieb wurde der'Metzger Anton Berger erwischt und in Nummer Sicher gebracht.
Heilbronn. 4. Jan. R e b v e r e d e l u n g s a n st a l k. Die Minzeroenossenschafk Heilbronn hat im Interesse ihrer Mitglieder, "wie des gesamten Weinbaus es unternommen, eine eigene Rebveredelungsanskalt zu errichten, die sie noch dieses Frühjahr in Betrieb nehmen zu können hofft.
Mttkelschlechkbach, OA. Welzheim. 4. Jan. Unfall- Während das Fuhrwerk des Landwirts Weber von Unker- schlechtbach über die hiesige Brücke fuhr, scheute das Pferd. Es sprang in vollem Lauf über die Brücke in die Wieslauf. Es wurde auf einem Schlitten herausgezogen, verendete aber nackdem in den Stall gebracht worden war. >
Eklwangen, 3. Januar. Aufwertung. Mit Rücksicht auf die nicht ungünstige Finanzlage der Stadt im laufenden Jahr gewährt der Gemeinderat den im Oberamtsbezirk wohnenden Privatgläubigern für das Rechnungsjahr 1924 aus dem halben Goldmarkwert ihrer Forderung vier Prozent Zinsen. Diese Zahlung, die eine lediglich freiwillige und keine Anerkennung der Schulden ist, wird auf die etwaige Aufwertungsleistung eingerechnet. Körperschaften werden nicht berücksichtigt.
Niederstetten. 4. Jan. Tollwut. In Wolzhausen, OA. Mergentheim, ist ein Hund als kollwukverdächkig feskgeskellt worden. Dos Oberamk Gerabronn hak erneut Sperrmaßnahmen erlassen-
Württemberg
Stuttgart, 4. Januar. Vom Landtag. Im Finanzausschuß beantragte Abg. Ströbel (Vauernbd.) einen Kredlt-chü^ die Lan dwirtschaft, wie er in Hessen in Höhe von
Nürtingen, 4. Januar. Zur Bluttat. Der Deutsch- Amerikaner, der hier den jungen Kaufmann Schacht erschossen hat, mit der Behauptung, er sei von Schacht bestohlen worden, ist der 75 jährige H. Weißheim, gebürtig aus Ochsenhausen. Es ist derselbe, der die Stuttgarter Gerichte schon wiederholt beschäftigt hat mit Klagen, daß er bestohlen
worden sei. Schacht war mit WeF'-el n nach Deutschland zurückgekehrt und wollte im Februar wieder nach Amerika ab- reisen.
Freudenstadk, 4. Jan. Unfälle- Der 20jährige Holzbauer Hans Mast von Schönegründ verunglückte beim Neujahrsschießen. Er wollte eine entzündete, aber noch nicht explodierte Sprengkapsel Nachsehen. In diesem Augenblick explodierte der Sprengkörper und verletzte Mast so schwer, daß er ins Bezirkskrankenhaus verbracht werden mußte.
Neuenbürg, 4. Jan. Entgleisung. Zwischen Engelsbrand und Neuenbürg sprang ein Wagen eines Güterzugs an einer Weiche aus dem Gleis. Der nachfolgende Arbeiterzug konnte rechtzeitig gewarnt werden.
Neuenbürg, 4. Jan. Grober Unfug. In der Neu- sahrsnachk wurden beim Postamt wie beim Stadkbahnhof durch Schießen mit scharfer Munition Drähte der Telephon- und elektrischen Leitungen beschädigt, deren Instandsetzung eine mehrstündige Stillegung industrieller und gewerblicher Betriebe zur Folge Hat-
Schwenningen, 4. Jan. Verhaftung. Der städtische Wohnungsbeamte Mössinger wurde wegen erschwerter Unterschlagung im Amt verhaftet.
Tuttlingen, 4. Januar. Jubiläen. Ein Zeichen gu- 'ten Einvernehmens zwischen Arbeitgeber und -nehmer war die Feier der Jubilars unserer Aeskulap-Werke, der Fa. Jetteru. Scherer hier. Im verflossenen Jahre konnten 17 Mitarbeiter auf eine 35jährige und 26 auf eine 25jährige Tätigkeit in .iesein Haus zurückblicken. Bei dieser ^...c erhielten die Jubilars neben größeren Geldbeträgen für 25jäh- rige Zugehörigkeit eine Ehrenurkunde, für 35jährige die Medaille der König-Karl-Stiftung vom Leiter der Werke, Kommerzienrat Dr. Scherer zugleich mit Worten des Dankes für ihre Pflichttreue und Wünschen für weitere Gesundheit und Mitarbeit überreicht. Einer der Jubilars dankte herzlich für die Anerkennung und Spenden.
Göppingen, 4. Jan. Messerstecherei. In Salach wurde der verheiratete Bäckermeister Zeller nach kurzem Wortwechsel vor seinem Wohnhaus von dem verh- Bernhard Stadelmoier und dessen Sohn durch Messerstiche in Bauch und Rücken lebensgefährlich verletzt. Die Täter sind verhaftet.
Blsub-'nrsm 4. Jan. Verunglückt Der Heizer Lin - d e r in der Kaffeerösterei zur „Krone" wurde von der Transmission erfaßt und tödlich verletzt. Linder war s. Zt. mit Familie aus Lothringen vertrieben worden.
Wanken i. A.. ck Januar. Die Postdiebe ermit» telt. Wie berichtet, wurde am 27. Dezember aus der Staatsstraße Wangen-Ncuravensburg ein Postsack aus dem Postwagen gestohlen. Die Gendarmerie ermittelte die 14- und 16jährigen Brüder Josef und Georg Igel ven Dentenweiler, Gde. Langenau, OA. Teitnang, die sich durch größere Geldausgaben verdächtig gemacht hatten, als Täter. Das gestohlene Geld, 7000 Mark, ist zum größten Teil bei ihnen gefunden worden, 5600 Mark hatten sie in einem Topf auf einer Wiese beim elterlichen Haus vergraben. Der Vater der hoffnungsvollen Buben sitzt wegen Viehdiebstahls in Lindau in Hast.
Arredrichshaftn. 3. Januar. Selbstmord. Der bisher in der Eugenstraße wohnhaft gewesene Paul Seeger, der eine Zeillang im Karl-Olga-Krankenhaus in Behandlung stand, hat dort durch Erhängen Selbstmord verübt. Schwermut hat die Tat veranlaßt.
Karlsruhe, 4. Januar. Durch Selbstentzündung ist das ganze Tabaklager Javanes, Inhaber I- Maier, in der Sofienstraße, etwa zwei Eistnbahmvagenladungen, verbrannt. 15 Ballen Tabak sind beim Löschen des Feuers durch Wasser unbrauchbar geworden. Der Schaden beträgt 30 000 -K, soll aber durch Versicherung gedeckt sein.
Brette», 3. Jan. Infolge eines Falles von Verdacht auf Hundetollwut hat das Bezirksamt Breiten für hier und eine Reihe von benachbarten Orten die Hundesperre verhängt.
Mannheim, 3. Jan. Der 32 Jahre alte, vielfach vorbestrafte verheiratete Taglöhner Jakob Baker aus Ludwigs- Hafen wurde wegen Einbruchsversuchs zu zwei Jahren sechs Monaten Zuchthaus verurteilt.
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32 ) Humoristischer Roman von Fritz Gantzer
Der Amtsrichters hatte dafür weder das brüllende Gelachter Werrdels, das dessen Kehl« noch während des Lesens entronnen war, noch die tiefsinnige Bemerkung Anblickes: „Es kann keiner nich anders, als er kann." Er lächelte und hüstelte auch nicht grämlich, wie Herr Johannes getan, oder war ungemein belustigt wie Kurt von Gronau, der ihm diesen Erfolg bereits gestern prophezeit hatte. Nein.
Ter Herr Amtsricküsr Geo^a Eberty setzt« das strengste Di. . -?, - - , -. ibm z- verfügen möglich war, auf,
m 7 .' - ,ose : qn'' p -ustiz beleidigt, lächerllch ge-
mck- w - ic NU, eins: „ geht nicht ungerochen durch, i - ?'?:»-ure»)t,ung wird beglichen werden müssen!
Anfänglich hatte Eberty vor, sofort den Weg der Gewalt zu beschreiten, umgehend Zwangsvollstreckung zu verfügen, und mit diesem schwarzen Plänen truaer sich bis zum Mittag. Dann begann er zu überlegen: Man könnte es auch erst anders versuchen. Wie denn? Vielleicht persönlich vorstellig werden? Mal rüberfahren und dem Krachtwitzer gut MrÄen? . . .
Er hatte das nicht nötig. Ganz gewiß nicht. Sein« Würde Mt eigentlich darunter, wenn er"st> als halber Bittsteller kam. Und das Gebäude der ganzen Gbckchtsverwaltung der Monarchie mußte über dieses Beginnen zu wanken beginnen. Erfahren durfte es überhaupt niemand, daß der Herr Amtsrichter von Bütenhagen wegen Beitreibung einer plundrigen Schreibgebühr von 5 Mark 45 Pfennigen einen Gang nach Canossa getan. Es hätte ihn das unsterblich lächerlich gemacht. Er entschuldigte sein Borhaben schließlich vor sich selbst damit, daß er sich sagte: Es ist ein freundschaftliches Entgegenkommen, das ich übe. Der Erfolg kann nicht aus- bleiben.
Als er die Genüsse der Kreyenbühlschen Mittagstafel durchkostet hotte, erhob er sich sofort und bestellte im Flur bei Ernst heimlich die „Arche", sie solle in einer halben Stund« vor seiner Wohnung halten.
Laura Witte empfing ihn mit einem Klagelied. Die Molken seien in diesem Jahr schlimmer denn je. Man müsse etwas gegen die Plage tun. Die Kleidungsstück« klopfen und
eirrkampsern. Und ob der Herr Amtsrichter gestatten würden, daß man auch seine Garderobe vornehme.
Es sei nicht nötig, lehnte er zuerst rundweg ab. Als er aber dann Lauras tiefunglückliches Gesicht beobachtete, das den Eindruck erweckte, seine Besitzerin müsse von dem Ende der Welt oder ihrem eigenen Dahinfahren überzeugt sein, lenkte er ein: „Na, meinetwegen! Aber höchstens klopfen, gelinde klopfen! Das kann schließlich sowieso nichts schaden. Ganz entschieden aber kein Atom Kampfer."
Laura war nur halb befriedigt. Im ersten gelinden Aer- ger beschloß sie sogar, die Garderobe Ebertys unberührt zu lassen. Mochten doch die Motten Orgien der Zerstörungstust in seinen Beinkleidern und Röcken feiern und nichts von ihnen übrig lassen als die Knopflöcher und allenfalls noch die Knöpfe. Aber als er dann in der zur gewünschten Zeit pünktlich heranaezuckelten Arche kaum davongefahren war. genossen seine Kleidungsstücke den Vorzug, als die ersten an di« Reihe zu kommen. —
Die Fahrt nach Krachtwitz ging mit der für di« Kreyen- bühlsch« Kutsche charakteristischen Langsamkeit vor sich, obgleich Jakob Priem nicht fuhr, sondern Ernst die „fetten Elefanten" anzutreiben sich bemühte. Es ging so sanft und sacht dahin, schaukelte so gemächlich nach rechts und links, daß man die Vorstellung: Es soll geschlafen sein! nicht los wurde. Da sich außerdem zwei der Räder in ermüdendem Gleichmaß in einem elegischen Pfeifen und einem dunkel- gefärbten, an eine fette Stimm« erinnernden Knarren ablösten, und sich beides mit dem eintönigen Summen einer großen blauen Fliege, die mit eingesperrt worden war und nach ihren Stammeltern zu suchen schien, zu einem regelrechten SchlummerliÄ»« vereinte, war es gar nicht zu verwundern, daß dem Amtsrichter bald die Augen zufielen. Halben Wegs nach Krachtwitz war er fest eingeschlafen.
Sein Erwachen kurz vor Krachtwitz stand unter dem Eindruck eines höchst merkwürdigen Erlebnisses. Es war so eigentümlich merkwürdig, daß es geraumer Zeit bedurft«, dis er sich sagen konnte: Was ich sehe, ist kein Spuk, kein Gebilde erregter Phantasie, sondern reine, klare Wirklichkeit. Auf seinem Schoß saß tatsächlich Kreyenbühls graue Katze, die ihm beim Essen zu seinem Aerger schon so häufig die Beine mnstreichelt hatte, sah, leise schnurrend und mit den Augen blinzelnd, zu ihm hoch und schien fragen zu wollen: „Aber sage mal, mein lieber, alter Freund, was fällt dir denn
eigentlich sin, das Ding, in dem ich zurzeit mein Wochenbett habe, als Reisekutsche zu benutzen?"
Ja, der Königlich Preußische Amtsrichter und Königlich § Preußische Oberleutnant d. R. Georg Eberty reiste wirklich in einem Vehikel, in dem Frau Mieze ihr Wochenbett auf- geschlagen hatte. Denn als er nun nach dem Ueberwinden seines ersten grenzenlosen Erstaunens genauer Umschau hielt, sah er, wie unter dem gegenüberliegenden Sitz ei« paar Köpfchen junger, vor kurzem erst sehend gewordener Kätzchen neugierig hervvrlugten und dann blitzschnell verschwanden, als er eine unwirsche Bewegung machte.
Die glückliche Mutter verließ ihren bisher auf dem Schoße Ebertys eingenommenen Sitz nunmehr auch, sprang nach dem andern Polster hinüber und sah ihren Reisegenossen jetzt unverhohlen mißtrauisch an. Beinahe drohend. Man könnt« etwa aus ihren Augen lesen: Woge es nicht, meiner junMN Sippe einen scheelen Blick zuzuwerfen, ihr gar »in Haar zu krümmen! Wir sind zurzeit legitime Besitzer dieses Kutschenbauches, und du bist allenfalls als nicht gern gesehener Mitbenutzer des Kutschenbauches geduldet.
Wie es möglich gewesen, daß Mama Mieze und Kinder die Reisegenossen des Amtsrichters geworden, bleibe dahin- gestellt. Jedenfalls hatte man infolge der schleunigen Abfahrt nicht mehr Zeit gehabt, die übliche Revision des Wagen- innern vorzunehmen, natürlich auch nicht daran gedacht, dass dem „Grauchen" eingefallen sein könnte, di« „Arche" in eine Wochenstube zu verwandeln. Der Ruhm der aü«, Henne, die einst in trauter Gemeinschaft mit dem Super- intendenten Beck dem Hause Kreyenbühl den stattlichen Zu- wachs von vierzehn kohlschwarzen Kücken zugesübrt. haktet» ehrenwerte Katzenmadame nicht schlafen lassen. Nun war « ihr gelungen, auch ihre Kinder in vornehmer GesellschxH» reisen zu lassen. Nur mit dem Unterschiede von einst aller- dinos, daß man sich auf einer Ausfahrt befand, und daß der Reisegenosse kein geistlicher, sondern ein weltlicher Herr war.
Noch dazu keiner von dem sanften, freundlichen Gemüt des alten Superintendenten Beck, der sich damals über das jung« Leben, das er heimgebracht, herzinnig gefreut, sondern einer, dem feine Reisegesellschaft äußerst unangenehm und widerwärtig war, der sich ihrer am liebsten sofort entledigt hätte. ,
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(Fortsetzung jolgt)