(Enztalbote)

Amtsblatt für BWSad. Chronik unk, Anzeigenblatt

für das obere Cnztal.

Erscheint täglich, ausgenommen Sonn- und Feiertags. Bezugspreis halbmonatlich 70 Pfennig frei ins Haus geliefert; durch die Post bezogen im innerdeutschen Berkehr monatlich 1.80 Mk. :: Einzelnummern 10 Pfg. Girokonto Nr. 60 bei der Oberamtssparkasse Neuenbürg Zweigst. Wildb. :: Bankkonto: Enztalbank Komm.-Ges. Häberle L Co. Wildbad.:: Postscheckkonto Stuttg. 29174.

Anzeigenpreis: Die einspaltige Petitzeile oder deren Raum im Bez. Grundpr. 12 Pfg., außerh. 16 einschl. Ins.-Steuer. Reklamezeile 30 Pfg. :: Rabatt nach Tarif. Für Offerten u. bei Auskunfterteilung werden jeweils 10 Pfg. mehr berechnet. :: Schluß der Anzeigennahme tägl. 8 Uhr vorm.:: In Konkursfällen od. wenn gerichtl. Beitreibung notw. wird, fällt jede Nachlahgewähr. weg.

Druck, Verlag und Schriftleitung Theodor Gack in Wildbad, Wilhelmstraße ^ 161; Wohnung: Eharlottenstraße 221

Nummer 170

Fernruf 179

Ernke und Steuern

Ein wirtschaftspolitischer Mitarbeiter schreibt uns: Im Neichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft fand am Freitag voriger Woche unter dem Vorsitz des Grafen Kanitz eine Konferenz der Landwirtschaftsminister der ein­zelnen Länder statt. Die Berichte der amtlichen Pressestellen, in schlechtem Amtsdeutsch verfaßt, geben nur ein sehr unvoll­kommenes Bild der derzeitigen Lage des deutschen Bauern - und der Hilfe, die er von den politischen Behörden zu erwar­ten hat. Wie steht es mit der diesjährigen Ernte und welche Regierungsmaßnahmen stehen in Aussicht, Um der Land­wirtschaft über ihre jetzige unleugbare Not hinwegzuhelfen?

Der letzte, unerhört lange Winter hat schwere Opfer ge­fordert, in Süddeutschland wie in Norddeutschland. In Würt­temberg z. B. sind die Saaten zum großen Teil erfroren. In anderen Teilen Süddeutschlands trat der sog. Schneeschimmel auf, der die Stärke des Korns in Zucker verwandelt, ähnlich der Süßigkeit erfrorener Kartoffeln. Besonders groß waren die Auswinterungsschäden in Ostpreußen, bekanntlich einem Ueberschußgebiet in der Versorgung des Reiches. Die Hälfte des Wintergetreides mußte umgepslügt werden und, da die Bauern vielfach kein Geld hatten, neue Saat zu kaufen, pflanzten sie an, was sie gerade besaßen, Lupine, Serradella, Kartoffeln, auch wenn es sich für den Boden gerade nicht eignete. Der Hilfskredit der Reichsregierung in Höhe von 22 Millionen Mark erwies sich bei der Verteilung als ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber der günstige Sommer dieses Jahrs hat bis jetzt vieles in der Güte wiedergutge­macht, was an Menge verloren ging. Es gibt eine leidliche Mittelernte. Die Getreidesorten haben sich erholt, die An­baufläche der Kartoffeln hat zugenommen, die Rüben haben überhaupt nicht gelitten.

Es hapert jedoch im Absatz. Wohin mit dem Ueber- schuß an Kartoffeln? An Getreide zeigt die Börse ein Ueberangebot, über dessen Herkunft man sich den Kopf zer­bricht. Haben die Großabnehmer, Behörden und industrielle Betriebe, sich in der Inflationszeit zu stark vom Ausland «ina.^!"kt? S'-ber ist. dost -"-''lond durch den Sturz des franzö^kben Franken mit Mehl geradezu überschwemmt wurde. Auch die Einfuhr der amerikanischen sogenannten Patentmehi^ hat, besonders in Süddeutschland, den Mühlen und landwirtschaftlichen Betrieben sehr geschadet. Als die Regierung endlich ein Ventil für die aufgehäufte deutsche Er­zeugung öffnete, nämlich durch die Freigabe der Aus­fuhr, da war es' vielfach schon zu spät. Unter dem ge­waltigen Preisdruck' im Innern mußte der Landwirt um jeden Preis verkaufen,- weil der notwendige langfristige Kre­dit zur Zeit ja nirgends zu bekommen ist. Graf Kanitz wurde in der genannter^ Versammlung dringend ersucht, die Verhandlungen mit Reicchsbank und Reichsfinanzministerium über die Krediterleichterung für die Landwirtschaft mit Nach­druck fortzusetzen.

Doch damit allein ist dem deutschen Landwirt, der nach amtlicher Feststellung aus dem Ertrag seiner Erzeugnisse nur noch drei Viertel cher Unkosten seiner Be­triebsmittel decken kann, nicht geholfen. Man muß feine Not auch im Punkt des Steuerdrucks kurieren. .Die Reichsregierung versprach den Ministern der Länder, be? der Neuordnung des Steuerwesens auf möglichste Gleich­mäßigkeit bei der Bewertung des Grundvermögens durch Reich' uMd Länder zu dringen. Das ist zu wenig. Man muß dem deu.Men Bauern sofort einen Teil der steuerlichen Ueberlast aMehmen. Er zahlt immer noch die 2,5prozentige Umsatzsteuer doppelt, weil der Händler an der Börse die von ihm selbst wieder zu zahlende Umsatzsteuer in sein Preisan­gebot einkalkuln'kt und sie so rückwirkend aus den Landwirt abwälzt. Also schleunigster Abbau der Umsatzsteuer!

Eine gewisse .Erleichterung bringt der Runderlaß des Reichsfinanzministe:an die Finanzämter vom 15. Juli. Darnach sollen die Säuern der Landwirtschaft an Terminen eingehoben werden, ar^ -denen ihr neue Einnahmen zufließen. Das soll wohl heißen: i't.s ch der Ernte. Durch besagte Ver­ordnung wurden auch dsi? .Verzugszuschläge für nicht gestun­dete Steuern mit Wirkung Oom 20. Juli ab von 5 Prozent auf 2 Prozent herabgesetzt, Fu der neuen Zollvorlage er­klärte der LandwirtschassisministGr des Reichs gegenüber den Angriffen desVorwärts", daß das Gesamtkabinett ein­mütig zu der Vorlage stehe unD sich der Bedeutung der Vor­lage bewußt sei. Die Agr^-rzolle werden also wiederkommem und der Ve'rkraucher wird sich damit abstnden müssen. Im 'Brotpreis morden die Zölle kaum fühlbar sein, da Ne vernmnderte Umsatzsteuer ihre Wirkung fast ausgleichen wird. Dte Nachteile merden jedenfalls nicht so groß sein, wie wenn/man- den deutschem Dauern zu Grund gehen läßt. , > Dr. A. F.

!---" >-/V

Die Renten für die Kriegsbeschädigten

Der Reichstagsausschnß für Kriegsbeschädigtenfragen stimmte den Anträgen sehres^ Unterausschusses zu. Danach

Wildbad, Dienstag, den 22. Juli 1924

Tagesspiegel

Am Monkag vormittag fand eine Beratung des Reichs­kabinetts über Ne aus London eingelaufenen Meldungen und die zu erwartende Berufung deutscher Vertreter statt. Am Nachmittag und am Dienstag wurden die Besprechungen fockgsehk. Minister Stresernann, der am Samstag nach Swinemünde gefahren war, wurde dort im Flugzeug abge- holt.

Die Stadtverordnetenversammlung in Essen hak die Amtsniederlegung des bisherigen Oberbürgermeisters, Reichs­finanzminister Dr. Luther, genehmigt.

Auf Grund des rechtskräftig gewordenen Gerichtsurteils gegen den früheren Ministerpräsidenten Ieigner, der be­kanntlich zu 3 Jahren Gefängnis und 3 Jahren Ehrverlust verurteilt worden war, hat das sächsische Staaksministerium die Einleitung des dienstlichen Strafverfahrens gegen Zeig- ner genehmigt. Es handelt sich um Entziehung der Pen­sion usw.

Der zweite Ausschuß der Londoner Konferenz hat be­schlossen: falls in der Entschädigungskommission bei Verfeh­lungen keine Einigung über Skrafmaßnahmen gegen Deutsch­land zustande kommt, so behält Frankreich bzw. Belgien das Recht, allein Sanktionen anzuwenden. Die Franzosen haben somit fast alles erreicht, was sie wollten.

Das englische Mittelmeergeschwader hat vor Neapel Anker geworfen und wurde mit den üblichen Begrüßungsschüsjen empfangen.

Einer der Mörder des italienischen Abgeordneten Makkotli soll in Montevideo (Äri/uay) angekommen sein.

soll der Reichstag die Reichsregierung ersuchen, mit Wirkung vom 1. August 1924 ab:

1. die 'Rentenerhöhung bei Renten und Zusatz­renten von 40 auf 50 v. H. festzusetzen;

2. die einfache A u s g le i ch s zul a g e auf 35 v. H., die erhöhte Ausgleichszulage auf 70 v. H. der zu gewähren­den Gebührnisse festzusetzen:

3. die Jahresgrundbeträge der Unterhaltungs­kosten für den Führerhund in der Ortsklasse A auf 84 Mark, in den Ortsklassen V und C auf 78 Mark und in den Orts­klassen D und E auf 72 Mark festzusetzen;

4. den Witwen verstorbener Kriegsblinden, die keine Witwenrente erhalten, im Regelfall die Witwenbeihilfe zu gewähren;

5. Vlinden, die noch keine Blindenuhr erhalten haben, eine solche zu gewähren;

6. die Unterstützungen, die an wieder verheiratete Wit­wen als Ausgleich für die entwertete Auszahlung der Ab­findungssummen gezahlt werden, im Regelfall bis zum hal­ben Goldwert der Abfindungssumme, bei besonderem Be­dürfnis bis zu drei Viertel des Goldwertes zu erhöhen;

7. an die abgefundenen Rentenempfänger mit einer Min­derung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. eine einmalige Nachzahlung zu gewähren und zwar: wenn die Abfindungs­summe in der Zeit vom 15. Juli bis 31. August 1923 ausbe­zahlt worden ist 30 Mark, bei Auszahlungen im September 1923 40 Mark, bei späterer Auszahlung oder wenn keine Auszahlung erfolgt ist 50 Mark.;

die Grenzen für den im Erlaß des Rerchsarbeitsministers und Reichsfinanzministeriums vom 3. Mai 1924 über den Härteausgleich bei Kriegs- und Verstümmelungszulagen und Zuschlägen zum Witwen- und Waisengeld entsprechend der Aenderung der Beamtenbesoldung zu erhöhen und den Erlaß auf die Offiziere des Beurlaubtenstandes und ihre Hinter­bliebenen auszudehnen.

Ferner wurde ein Antrag angenommen, die Renten der Kriegsteilnehmer von 1864, 1866 und 1871 von 8 bis 10 Mk. zu erhöhen. Die Regierung soll eine Zusammenstellung über die Zahl der noch lebenden Veteranen geben.

Außerdem stimmte der Ausschuß einer Entschließung zu, die die Reichsregierung ersucht, im Verwaltungsweg Härten auszugleichen.

Die Londoner Konferenz

London, 21. Juli. Den Amerikanern scheint es bis setzt gelungen zu sein, den englisch-französischen Gegensatz auf der Konferenz zu ihrem Vorteil auszunützen, indem sie im wesent­lichen den französischen Standpunkt unterstützten, denn darauf läuft der Bermittlungsvorschlag Owen Jungs hi­naus, der immer mehr eine beherrschende Stellung auf der Konferenz einnimmt. Damit vertritt er aber auch nur die In­teressen der NeuyorkerGeldleute, die ihre nutzlos in den Kellergewölben verwahrten Goldmilliarden zu hohem Zinsfuß anlegen und sich die günstige Gelegenheit des Sach­verständigengutachtens nicht entgehen lassen wollen. Das Schicksal Deutschlands ist ihnen dabei, wie sich immer deut- sicher zeigt, vollkommen gleichgültig, wenn nur ihre Gläu- biaerreckte durch das Abkommen der Konferenz gewahrt sind.

Jahrgang 59.

Fernruf 179

In den Kreisen der amerikanischen"DaNkkeute glaubt'man, daß unter dieser Voraussetzung auch den französischen .-Rech­ten" Rechnung getragen werden könne und daß Mac Do­nald seinen Widerstand aufgeben werde. ,

lieber die Zulassung der Deutschen soll man übereingekommen sein, deutsche Vertreter zu berufen, wenn über die wichtigsten Punkte Einigkeit erzielt sei, cm denen nichts geändert werden dürfe. Die Deutschen hätten nur in nebensächlichen Einzelfragen ihre Meinung zu äußern. Die Berufung soll voraussichtlich am Mittwoch erfolgen in der Annahme, daß die Londoner Kon­ferenz am Ende der Woche geschlossen werden könne.

Die Franzosen sinds zufrieden

Paris, 21. Juli. Einem Vertreter desMatin" gegenüber sagte Herriot, Frankreich könne sich zu seinen bisherigen Erfolgen aus der Konferenz beglückwünschen.

DerTemps" erblickt in dem amerikanischen Vermitt­lungsvorschlag einen großen Vorteil für Frankreich. Wichtig; sei vor allem, daß das amerikanische Mitglied der Entschä­digungskommission von dieser Kommission selbst ernannt werden soll.

Aus den Ausschüssen

London, 21. Juli. Der zweite Ausschuß z«r «Wie­derherstellung der wirtschaftlichen und fiskalischen Einheit Deutschlands" hat sich in zwei Unterausschüsse gekeilt, deren erster nur von Militärpersonen gebildek ist und die mili­tärische Bedeutung der Eisenbahnen im besetzten Gebiet behandelt, während der zweite Unterausschuß sich mit der wirtschaftlichen Räumung des Äuhrgebiets zu befassen hat. Der englische General Godley, der jüngst als Oberkommandierenöer der englischen Befetzungstruppen abberufen wurde, erklärte, er habe niemals Anstände mit den deutschen Eisenbahnen gehabt. Lord Crewe hob hervor/ die Vollmachten der Rheinlandkommlssion und des fran­zösischen Oberkommandierenden genügten, um jeder Gefahr/ die von französischer Seite für die Besetzungskruppen be-' fürchtet werde, vorzubeugen. Der französische General de' Stricker verlangte, daß 3000 französische und 1000 bel­gische Eisenbahner im besetzten Gebiet belasten werden/ Hätten die Deutschen 1923 nur eine Woche früher mit dem passiven Widerstand begonnen, so wäre es den französischen Truppen fürs Rnhrgebiet nicht möglich gewesen, an deni Rhein heranzukommen und die Ryeinbesahungen wären! von Frankreich und Belgien abgeschnitten gewesen. (Solche Kinderstubenmärchen dürfen auf der Konferenz vorgebrachk werden! Der passive Widerstand konnte übrigens doch erst einsehen, als der ruchlose Einbruch vollzogen war. D. Schr.) Die Verhandlungen wurden noch nicht zu Ende gebracht.

N e

e n

ue Nachricht

Fraktionsberakungen im Reichstag Berlin, 21. Juli. Vor der Eröffnung der Vollsitzung des Reichstags am 22. Juli nachmittags werden die Fraktionen Beratungen abhalten. Im Hauptausschuß teilte Reichs­finanzminister Dr. Luther mit, daß, entgegen den früheren, Meldungen, bis jetzt noch keines der Dawesgesetze von der Regierung erledigt sei. -

Minister Stresemann soll innerhalb der Deutschen Volks­partei aus neue Widerstände gestoßen sein-

In der Reichsregierung ist man darüber beunruhigt, daß die Feststellung deutscherVerfehlungen" bei Ausführung des Sachverpändigen-Gutachtens von der Londoner Konferenz wieder der Entschädigungskommission übertragen worden ist- Die bisherigen Erfahrungen mit der Kommission rechtferk» -en die größt-m Besorgnisse für di« Zukunft. I

Rücktrittsabsichten D«Hovttes?

Vssee, 21. Juli. Wie aus Düsseldorf gemeldet wird, üstrÄ unbestätigten Gerüchte^zufolge der OkrrrkovWmndierende deH Rheinarmee, General Degoutte. demnSchst «m seinem Post» zurücktrsten und durch Generäl Deor-« ersetzt werden. Dal Oberkammiffar der Rheinland«, TLvM, General Da­go utte weilen übrigens zurzeit ix Wvk. ^

Die Bekriebsräkewahlen ln Ostpreußen Königsberg, 21. Juli. Bei den Betriebsrätewahlen verlo­ren die Sozialdemokraten ungefähr ein Fünftel ihrer bishe-, rigen Sitze. In den Gewinn teilen sich fast gleichermaßen die Kommunisten, die christlichen Gewerkschaften und die Freien Listen.

»

Die Erfahrungen der Elsässer Lkraßburg, 21. Juli. Durch eine Verfügung der frcm- - zösischen Regierung sind die nach Friedensschluß dem Maß bestätigten Sonderrechte aufgehoben worden. In Straßburg fand eine aus dem ganzen Land besuchte Versammlung statt, die gegen die Vergewaltigung Widerspruch erhob. Bischof Ruch erklärte, das moralische Ansehen Frankreichs gestatte nicht, daß Versprechungen, die nach dem Krieg gegeben wor­den seien, nicht gehalten wer den. - -