Ws
(Enztalbote)
Amtsblatt für Wstobad. Ehronik und Anzeigenblatt
für das obere Enztal.
Erscheint täglich, ausgenommen Sonn- und Feiertags. Bezugspreis halbmonatlich 70 Pfennig frei ins Haus geliefert; durch die Post bezogen im innerdeutschen Verkehr monatlich 1.80 Mk. :: Einzelnummern 10 Pfg. Girokonto Nr. 50 bei der Obergmtssparkaffe Neuenbürg Zweigst. Wildb. :: Bankkonto: Enztalbank Komm.-Ges. Häberle L Lo. Wildbad.:: Postscheckkonto Stuttg. 29174.
Anzeigenpreis: Die einspaltige Petitzeile oder deren Raum im Bez. Grundpr. 12 Pfg., außerh. 15 einschl. Ins.-Steuer. Reklamezeils 30 Pfg. :: Rabatt nach Tarif. Für Offerten u. bei Auskunfterteilung werden jeweils 10 Pfg. mehr berechnet. :: Schluß der Anzeigennahme tägl. 8 Ilhr vorm.:: In Konkursfällen od. wenn gerichtl. Beitreibung notw. wird, fällt jede Nachlaßgewähr, weg.
Druck, Verlag und Schriftleitung Theodor Gack in Wildbad, Wilhelmstraße ^ 151; Wohnung: Charlottenstraße 321
Nummer 1VV
^.Fernruf 179
Die Ausschlagung der Eisenbahnen
Aus dem SüchversiündrgSii-Berscht
Die Re'chsregierung hat den Bericht der Sachverständigen als geeignete Grundlage für die Entschädigungsrege- fting anerkannt. Unter dem politischen Druck des Verbands blieb ihr vielleicht keine andere Wahl. Das enthebt aber die öffentliche Meinung in Deutschland nicht der Aufgabe, Kritik an den Einzelheiten des fremden'Gutachtens in üben und auf Unerträglichkeiten hinzuweisen. Betrachten wir nur einmal die Vorschläge über die Ausschlachtung der deutschen Eisenbahnen.
D e Sachverständigen leiten diesen Teil ihres Gutachtens mit den bezeichnenden Worten ein: „Von dem Besitz und den Einnahmequellen des Deutschen Reiches und der deutschen Staaten, auf die Artikel 248 des Versailler Vertrags Anwendung findet, ist das deutsche Eisenbahnsysiem unleugbar am wichtigsten; es kann auch am leichtesten für Entschädigungszwecke nutzbar gemacht werden." Es erscheint den Gutachtern also ganz selbstverständlich, daß das beste Stück Fleisch des deutschen Wirtschäftskörpers als Festbruten auf den Tisch der Entschädigung kommt.
Die „Verpfändung" der deutschen Eisenbahnen — man sollte dieses peinliche Wort nicht vermeiden — ist von den Sachverständigen in der Weise gedacht, „daß die gesamten deutschen Cisenbcchnsn entweder zu einem Berkehrssystem in einer einzigen Leitung vereinigt werden, oder daß sie in bisheriger Weise in mehrere Systeme geteilt werden, die im Einvernehmen miteinander arbeiten, mit den gleichen Tarifen und unter den gleichen allgemeinen Bestimmungen," In diesem Satz sehen unverbesserliche Juristen eine Verurteilung der französisch-belgischen Bahnverwaltung im besetzten Gebiet. Wir können darin nur eine Gefahr erblicken Denn wenn die Reichsbahn in mehrere Systeme geteilt bleibt, werden die Franzosen und Belgier ihre „Regie" weiter als Domäne besonderer Ausbeutung beanspruchen.
Ferner: In dem Gutachten ist für die Neuordnung der Refthsbahn ein Verwaltungsplan aufgestellt, ähnlich dem für die kommende Währungsbank. Dieser Verwaltungsplan entzieht die Reichsbahn der Hoheit des Reichs und unterstellt sie emer Leitung, die im Geist der Verbündeten arbeiten muß. Der Eeneralverwalter der Reichsbahn soll zwar ein Deutscher sein, aber von dem achtzehnköpfigen Rat der Direktoren wird die Hälfte durch einen ausländischen Treuhänder ernannt und über allem thront ein „Eisenbahnkom- m'chsar", der weit größere Rechts Hit und letzte Instanz in aller! wichtigen Fragen ist. Er hat daraus zu achten, daß die Entschädigungslasten, die auf der Eisenbahn liegen, auf alle Fälle und um jeden Preis herausgeholt werden. Er ist das Werkzeug der Verbündeten. Er sorgt dafür, daß die Quelle im Fließen bleibt: eine Milliarde Eoldmark jährlich, und zwar aus der Verkehrssteuer 250 Millionen Goldmark (im Haushaltplan für 1924 mit 227 M.ll'onen veranschlagt), die restigen 730 Millionen wären herauszupressen durch Einschränkung der Betriebsausgaben, werteren Personalabbau (!), durch Streichung oder Kürzung aller Erneuerungen und durch noch stärkeres Anziehen der Tarifschraube.
Be, allen Vorschlägen stützen sich d,e Sachverständigen bekanntlich auf das Gutachten der besonderen Eisenbahniäch- verständ-igen Acworth und Lefövre, das als Anlage zu den Berichten im Wortlaut veröffentlicht wurde. Von diesen beiden Richtern über Deutschland — Acworth hat bei der „Gesundmachung" des österreichischen Eiscnbahnsystems gezeigt, daß sr auch sehr daneben urteil-m kann — stammen die schweren Vorwürfe, die in dem Sachverständigengutachten gegen die deutsche Eisenkahnverwa> tung der Nachkriegs- i^^krhoben werden. Sie habe an Größenwahn gelitten, sich rocht nach der Decke gestreckt, verschwenderisch und unzweck- Osdii gearbeitet, so daß man den Männern, die Jahre hin- derartige unkauftnännische Wirtschaft betrieben ' .(steht die Unordnung der Eisenbahn allein anver- ^5'^^stue. Solche Anwürfe, angesichts der Tatsache, die auffallen muß, nämlich, daß alle deutschen uu'd Neuanschaffungen (besonder-« die Personen- i^s/utfernt den Luxus aufweissn, der jetzt im inter- nat malen Verkehr getrieben wird!
„Die Reineinnahmen der deutschen 4ustnvahnen so schreiben die Sachverständigen, „dürfen nicht ermäßigt werden, um der deutschen Industrie einen os^kloEEsMkn Vorteil aus überseeischen Märkten zu vsr- ^rutschen Reich soll also verboten werden, L erkehrspolitik als Mittel der Wirtschaftspolitik zu treiben. Das wäre gegen den Versailler Vertrag und gegen die all- tzemeinen Grundsätze des Da-wesb^richts- Will Äe Berliner Regierung hier nicht endlich eins Linus riskieren?
—er.
Tagung des Deutschen Landwirtschaftsrats
Bremen. 28. April. Auf der hiesigen Tagung des D e « t- ZHen Landwirtschaftsrats erklärte Reichsernäh-
Wlldbad, Dienstag, den 29. April 1924
Fernruf 179
Jahrgang 59.
Tages
eael
Das Reichskabinett hak die neue zustimrnonde Antwortnote an die Pariser Lntschädigungskommisj.on einstimmig angenommen. Der Reichskanzler hat den Vertretern der besetzten Gebiete und der großen Parteien vom hauptsächlichen Inhalt Mitteilung gemacht. Die Lntschädigungskommission verlangt vollständige vorbehaltlose Annahme des Sachver- skär.' ijftnvorf.i
Die Vaterstadt He'fferichs, Neustadt a. Haardt (Pfalz) veranstaltete am Sonntag für den verunglückten Staatsminister a> D. eine große öffentliche Trauerkundgebung.
Die belgischen Minister Theunis und Hymans hatten am Montag vormittcqz eine 2^ständige Unterredung mit Voin- care, der nachmittags nochmals eine Besprechung folgte. Abends fuhren die Minister nach Brüssel zurück.
Morgan wird mit amerikanischen Bankhäusern über eine Anleihe von ISO Millionen Dollar für Deutschland (?) verhandeln.
Der tschechische Außenminister Venesch wird anfangs Mai nach Rom reisen, um mit der italienischen Regierung einen ähnlichen Vertrag abzuschstehen, wie er Zwischen I lasten und Südstmvien besaht.
Der König von Spanien ist in Bordeaux eingetroffen, um sich einer ärztlichen Behandlung zu unterziehen.
rtmgsminister Gras Kanktz: Das Gutachten der Sachverständigen läßt alle Rücksichten auf das nationale Bewußtsein des deutschen Volks ve' missen. Ein Kulturvolk von 60 Millionen läßt sich nicht mit einem kalten Urteil und daraus abgeleitetem Rezept zwei bis drei Geschlechter hindurch zu Zwangsarbeit, zum Arbeiten kür andere überreden. Der neue Steuerausbau sei eins Ungeheuerlichkeit und müsse vom neuen Reichstag alsbald ab geschasst werden. Ohne Schutzzölle werde die Landwirtschaft nicht mehr auskomms» können.
Reichsfinanzmmister Luther führte aus: Eine erste Voraussetzung des Wiederaufbaus ist, daß Deutschland wieder in den freien Wettbewerb eintreten kann. Wir müsse« «ns aber darüber klar sein, daß die Welt nicht unbeschränkt aufnahmefähig ist für deutsche Waren. Deshalb müssen wir alles tun, mn de« anderen Weg zu gehen, nämlich, daß wir di« Erzeugungskraft der eigenen Scholle in jeder Richtung stärken. Dieses Ziel muß vor jeder Begierunnsarbeit stehe«. Damit scheinen die neuen Steuern i« Widerspruch zu stehen. Ich habe selbst erklärt, daß di« steuerlichen Eingriffe vielfachunberechtigt sind. Ab« e« handelte sich darum, das Reich ün Oktober im letzt«: Augenblick vor dem Abgrund der Inflation zu retten. Und hftr ist es am Platz, des großen Verdien st es Dr. Helfferichs zu gedenken, der den Weg zur Rettung gewiesen hat. Der erste Vorgang hat sich vollzogen durch die Einführung der Renten mark. Der Rentenmarkgedanke geht aber aus Dr. Helfferich zurück. Es ist mir ein Bedürfnis, hier auszusprechen, daß für die Verfassung, Durchdenkung und Vertretung dieses Plans das deutsche Volk dem verstorbenen Dr. Helffe» rich aufrichtigen Dank schuldet. Wie sollte di« Erhaltung der Währung durchgeführt werden? Wir hatten rund eine Milliarde bewilligt bekommen. Die Geschwindigkeit, mit der diese Summe aufgezehrt wurde, war ersckM- ternd; sie zeigt, wie sehr das Reich infolge der Inflations- Wirtschaft dem Abgrund zugelaufen war. Es blieb also nichts anderes übrig, als mit äußerster Anspannung Steuern zu erheben. Eine andere Quelle hatten wir nicht, da niemand dem Reich mehr Anleihen anvertrauen wollte. Gewiß, es ist sehr bedenklich, die Substanz der Volkswirtschaft anzugreifen, aber es blieb nichts anderes übrig. Wft mußten schwerere Opfer bringen als in Kriegszeiten. Es muß danach gestrebt werden, daß das besetzte Gebiet in jeder Beziehung wieder als zum Deutschen Reich gehörig betrachtet wird. Das ist die Voraussetzung jeder Sicherheit und Leistung.
Im weiteren Verlauf wurde von mehreren Rednern hervorgehoben, daß die jetzig« Notlage eine unmittelbare Folge der S o z i a li si e r u n g nach der Revolution darstelle, die durch Achtstundentag, Erwerbslosenunterstützung, gleiche Löhne für Tüchtige und Untüchtige, Wohnungsaügabc für Häuser, die nicht gebaut wurden usw. alle Ersparnisse des deutschen Volkes aufgezehrt habe. Durch die Papiergeldwirtschaft habe man das Volk darüber hinweg- getäuschl und eine künstliche Kaufkraft geschaffen, bis das ganze Kartenhaus zusammengebrochen sei. Wenn 1918 die alte Währung beibehalten worden wäre, so wäre die Sozia- llsterung schon in kürzester Frist zusammengebrochen, ober dieser Zusammenbruch wäre leicht zu tragen geivesen, weil die Substanz des deutschen Volksvermögens noch zu retten gewesen wäre. ...
Heber die Kultivierung von Moor« undOed- lind berichtete Geheimrat Dr. Tacks-Bremen. Nach den Erhebungen lassen sich nach Abzug der Höfe usw. 1 Mil- . lion Hektar Ackerland und 2 Millionen Hektar Wiesen und Weiden gewinnen. Davon läßt sich folgender Ertrag erzielen: von den Aeckern vier Fünftel Halmfrüchte, ein Fünftel Hackfrüchte, Körnerertrag nach Abzug der Aussaat 960 000 Tonnen, Hackfrüchte 2,5 Millionen Eonnen und jährlich mittelbqr 266 000 Tonnen Fleisch, oder alles nach dem Nährwert in Getreide eingerechnet:
3 Millonen Tonnen Getreide.
Frhr. von Wangenheim, Präsident der Landwirt- schaftskammer für Pommern führte aus: Als die „neue- Zeit" kam und Graf Caprivi, der Mann „ohne Halm und Ar", den Fürsten Bismerck in der Reichsleitung ablöste, wurde vom Bund der Landwirte darauf hingewiesen, daß, wenn Deutschland ein Staat des großen Welthandels und der Industrie werden wolle, es lernen müsse, sich selbst zu ernähren, denn sonst werde es in einem Krieg einfach ausgehungert werden. Man hat dieser Warnung keine Beachtung geschenkt. Die wirtschaftliche Not hat im Krieg und in der Revolution uns dahin gebracht, wo wir heute stehen. Dadurch, daß wir steigende Futtermeng-m durch die Oedlandkultur schaffen, machen wir die mineralischen Böden frei für den Getreideanbau. Als im Mai 1914 der wirtschaftliche Ausschuß des Reichstags die Frage der Ernährung während eines Krieges behandelte, da wurde der Vorschlag, einen stehenden Vorrat zu schaffen von der Regierung usw. nicht befolgt. Der Antrag Wsngenheims, daß jeder Arbeitslose gezwungen werden solle, die Arbeit anzunehinen, die ihm unter Berücksichtigung seiner Befähigung angeboten werde, sei nicht zur Gesetzesvorlage gediehen. Wan konnte sich zu keinem Liftschluß ai.srafscn. Aber heute müsst noch gesagt werden, daß Deutschland zu arm sei, um Geschenke zu machen. Dft Oedlandkultur sei Sache der Bundesstaaten und der Proviirzen. Bor drei Jahren habe man von Pommern ausgehend, das Hilfswerk der deutschen Landwirtschaft angeregt, die ohne jede Mittel von Reich und Staat die ganze Kulturarbeit durchführen wollte. Durch Ausgabe von Schuldverschreibungen wollte die Landwirtschaft die nötigen Mittel ausbringen. Eine Abordnung sei dem Reichspräsidenten Ebert gewesen. Cs seien ihr wohl schöne Worte gemacht worden, aber geschehen sei nichts. Heute ist der Landwirtschaft die Beschaffung der Mittel von sich aus nicht mehr möglich. Und so bleibe nichts übrig als Staatshilfe zu fordern. Zunächst solle das Neichsernährungsmmisterium 60 Prozent hergeben. Für die Arbettslnsenfürsorgs stehen große Mittel zur Verfügung, aber für die Oedlandkultur, die Hunderttausenden Arbeit bringen würde, geschehe nichts. Wenn nicht in allernächster Zeit Gelder zur Verfügung ge-, stellt werden, sei wieder ein volles Jahr verloren.
Entschließungen
Die Versammlung nahm einstimmig verschiedene Entschließungen an: 1. die gegenwärtige Besteuerung der Landwirtschaft ist untragbar, erzeuguugshemmcnd, unsachgemäß und ungerecht. 2. Die Poiitik drr Reich seisen- bahnen nach dem Krieg hat einsectig den Verkehr der Großstädte begünstigt, die Bezftke der landwirtschaftlichen Erzeugung vernachlässigt. Die Tarfte für landwirtschaftliche Erzeugnisse müssen im Sinn der Volksernährung herabgesetzt werden. Der Landwirtschaftsrat erwartet, daß die Regierung sich den Versuchen, die Reichseistnbahn unter internationalen Einfluß zu bringen, auf das Entschied denste widersetzt. 3. Durch geeignete Kultivierung des Oed- lsnds läßt sich der deutsche Einfuhrbedarf mehr als ausreichend decken, diese Arbeiten müssen daher unverzüglich in Angriff genommen und die Mittel dafür bereit gestellt werden. Unbedingt muß dem verwüstenden Austorfen des Movr-Oedlands durch Reichsgesetz Einhalt geboten werden. 4. Die Crwerbslosenfürsorge ist alsbald in eine produktive umzugestalten. 5. Der Landwirtschaftsrat warnt die Regierung dringend, zu einer Regelung der Kr i e g s k o n t r i b u t i o n die Hand zu bieten, die über die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft hinaus- leqt und bei Nichterfüllung weitere Versklavung des deutschen Volks nach sich zrehen mutzte. Die im Sachverständigen- Gutachten angenommene Jahresleistung hält der Deutsche Landwirtschaftsrat für unerfüllbar. Jedenfalls ist eine Regelung auf diesem Weg, abgesehen von der Höhe der Jahresleistung, nur möglich, wenn die ganze Entschädigungsfrage endgültig gelöst wird. Es kann sich nur um einen A b- schluß des Kriegs, nicht etwa nur der Sanktionen und der Ruhrbesetzung handeln. Die anzubietenden Pfänder müssen vollwertig anerkannt, auf andere Pfänder muß verzichtet, den Verschleppten und Verurteilten die Freiheit wiedergegeben werden. Die volle Hoheit tz.es Deutschen Reiches, d. h. seine Gleichberechtigung im Verkehr mit den anderen Nationen, muß sichergestellt werden. Deutschland muß die Freiheit in der Gestaltung seiner Handelsbeziehungen wieder erhalten; die Gestaltung der
ßi
li"
MM