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(Enztalbote)

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Nummer 1VV

^.Fernruf 179

Die Ausschlagung der Eisenbahnen

Aus dem SüchversiündrgSii-Berscht

Die Re'chsregierung hat den Bericht der Sachverständi­gen als geeignete Grundlage für die Entschädigungsrege- fting anerkannt. Unter dem politischen Druck des Verbands blieb ihr vielleicht keine andere Wahl. Das enthebt aber die öffentliche Meinung in Deutschland nicht der Aufgabe, Kri­tik an den Einzelheiten des fremden'Gutachtens in üben und auf Unerträglichkeiten hinzuweisen. Betrachten wir nur einmal die Vorschläge über die Ausschlachtung der deut­schen Eisenbahnen.

D e Sachverständigen leiten diesen Teil ihres Gutachtens mit den bezeichnenden Worten ein:Von dem Besitz und den Einnahmequellen des Deutschen Reiches und der deutschen Staaten, auf die Artikel 248 des Versailler Vertrags An­wendung findet, ist das deutsche Eisenbahnsysiem unleugbar am wichtigsten; es kann auch am leichtesten für Entschädi­gungszwecke nutzbar gemacht werden." Es erscheint den Gutachtern also ganz selbstverständlich, daß das beste Stück Fleisch des deutschen Wirtschäftskörpers als Festbruten auf den Tisch der Entschädigung kommt.

DieVerpfändung" der deutschen Eisenbahnen man sollte dieses peinliche Wort nicht vermeiden ist von den Sachverständigen in der Weise gedacht,daß die gesamten deutschen Cisenbcchnsn entweder zu einem Berkehrssystem in einer einzigen Leitung vereinigt werden, oder daß sie in bisheriger Weise in mehrere Systeme geteilt werden, die im Einvernehmen miteinander arbeiten, mit den gleichen Tarifen und unter den gleichen allgemeinen Bestimmungen," In die­sem Satz sehen unverbesserliche Juristen eine Verurteilung der französisch-belgischen Bahnverwaltung im besetzten Ge­biet. Wir können darin nur eine Gefahr erblicken Denn wenn die Reichsbahn in mehrere Systeme geteilt bleibt, wer­den die Franzosen und Belgier ihreRegie" weiter als Do­mäne besonderer Ausbeutung beanspruchen.

Ferner: In dem Gutachten ist für die Neuordnung der Refthsbahn ein Verwaltungsplan aufgestellt, ähnlich dem für die kommende Währungsbank. Dieser Verwaltungsplan entzieht die Reichsbahn der Hoheit des Reichs und unterstellt sie emer Leitung, die im Geist der Verbündeten arbeiten muß. Der Eeneralverwalter der Reichsbahn soll zwar ein Deutscher sein, aber von dem achtzehnköpfigen Rat der Direk­toren wird die Hälfte durch einen ausländischen Treuhänder ernannt und über allem thront einEisenbahnkom- m'chsar", der weit größere Rechts Hit und letzte Instanz in aller! wichtigen Fragen ist. Er hat daraus zu achten, daß die Entschädigungslasten, die auf der Eisenbahn liegen, auf alle Fälle und um jeden Preis herausgeholt werden. Er ist das Werkzeug der Verbündeten. Er sorgt dafür, daß die Quelle im Fließen bleibt: eine Milliarde Eoldmark jährlich, und zwar aus der Verkehrssteuer 250 Millionen Goldmark (im Haushaltplan für 1924 mit 227 M.ll'onen veranschlagt), die restigen 730 Millionen wären herauszupressen durch Einschränkung der Betriebsausgaben, wer­teren Personalabbau (!), durch Streichung oder Kürzung aller Erneuerungen und durch noch stärkeres Anziehen der Tarifschraube.

Be, allen Vorschlägen stützen sich d,e Sachverständigen bekanntlich auf das Gutachten der besonderen Eisenbahniäch- verständ-igen Acworth und Lefövre, das als Anlage zu den Berichten im Wortlaut veröffentlicht wurde. Von diesen beiden Richtern über Deutschland Acworth hat bei derGesundmachung" des österreichischen Eiscnbahnsystems gezeigt, daß sr auch sehr daneben urteil-m kann stammen die schweren Vorwürfe, die in dem Sachverständigengutach­ten gegen die deutsche Eisenkahnverwa> tung der Nachkriegs- i^^krhoben werden. Sie habe an Größenwahn gelitten, sich rocht nach der Decke gestreckt, verschwenderisch und unzweck- Osdii gearbeitet, so daß man den Männern, die Jahre hin- derartige unkauftnännische Wirtschaft betrieben ' .(steht die Unordnung der Eisenbahn allein anver- ^5'^^stue. Solche Anwürfe, angesichts der Tatsache, die auffallen muß, nämlich, daß alle deutschen uu'd Neuanschaffungen (besonder-« die Personen- i^s/utfernt den Luxus aufweissn, der jetzt im inter- nat malen Verkehr getrieben wird!

Die Reineinnahmen der deutschen 4ustnvahnen so schreiben die Sachverständigen,dürfen nicht ermäßigt werden, um der deutschen Industrie einen os^kloEEsMkn Vorteil aus überseeischen Märkten zu vsr- ^rutschen Reich soll also verboten werden, L erkehrspolitik als Mittel der Wirtschaftspolitik zu treiben. Das wäre gegen den Versailler Vertrag und gegen die all- tzemeinen Grundsätze des Da-wesb^richts- Will Äe Berliner Regierung hier nicht endlich eins Linus riskieren?

er.

Tagung des Deutschen Landwirtschaftsrats

Bremen. 28. April. Auf der hiesigen Tagung des D e « t- ZHen Landwirtschaftsrats erklärte Reichsernäh-

Wlldbad, Dienstag, den 29. April 1924

Fernruf 179

Jahrgang 59.

Tages

eael

Das Reichskabinett hak die neue zustimrnonde Antwort­note an die Pariser Lntschädigungskommisj.on einstimmig angenommen. Der Reichskanzler hat den Vertretern der be­setzten Gebiete und der großen Parteien vom hauptsächlichen Inhalt Mitteilung gemacht. Die Lntschädigungskommission verlangt vollständige vorbehaltlose Annahme des Sachver- skär.' ijftnvorf.i

Die Vaterstadt He'fferichs, Neustadt a. Haardt (Pfalz) ver­anstaltete am Sonntag für den verunglückten Staatsminister a> D. eine große öffentliche Trauerkundgebung.

Die belgischen Minister Theunis und Hymans hatten am Montag vormittcqz eine 2^ständige Unterredung mit Voin- care, der nachmittags nochmals eine Besprechung folgte. Abends fuhren die Minister nach Brüssel zurück.

Morgan wird mit amerikanischen Bankhäusern über eine Anleihe von ISO Millionen Dollar für Deutschland (?) ver­handeln.

Der tschechische Außenminister Venesch wird anfangs Mai nach Rom reisen, um mit der italienischen Regierung einen ähnlichen Vertrag abzuschstehen, wie er Zwischen I lasten und Südstmvien besaht.

Der König von Spanien ist in Bordeaux eingetroffen, um sich einer ärztlichen Behandlung zu unterziehen.

rtmgsminister Gras Kanktz: Das Gutachten der Sachver­ständigen läßt alle Rücksichten auf das nationale Bewußtsein des deutschen Volks ve' missen. Ein Kulturvolk von 60 Mil­lionen läßt sich nicht mit einem kalten Urteil und daraus ab­geleitetem Rezept zwei bis drei Geschlechter hindurch zu Zwangsarbeit, zum Arbeiten kür andere überreden. Der neue Steuerausbau sei eins Ungeheuerlich­keit und müsse vom neuen Reichstag alsbald ab ge­schasst werden. Ohne Schutzzölle werde die Land­wirtschaft nicht mehr auskomms» können.

Reichsfinanzmmister Luther führte aus: Eine erste Voraussetzung des Wiederaufbaus ist, daß Deutschland wie­der in den freien Wettbewerb eintreten kann. Wir müsse« «ns aber darüber klar sein, daß die Welt nicht unbeschränkt aufnahmefähig ist für deutsche Waren. Deshalb müssen wir alles tun, mn de« anderen Weg zu gehen, nämlich, daß wir di« Erzeugungskraft der eigenen Scholle in jeder Richtung stärken. Dieses Ziel muß vor jeder Begierunnsarbeit stehe«. Damit scheinen die neuen Steuern i« Widerspruch zu stehen. Ich habe selbst erklärt, daß di« steuerlichen Eingriffe vielfachunberechtigt sind. Ab« e« handelte sich darum, das Reich ün Oktober im letzt«: Augenblick vor dem Abgrund der Inflation zu ret­ten. Und hftr ist es am Platz, des großen Verdien st es Dr. Helfferichs zu gedenken, der den Weg zur Rettung gewiesen hat. Der erste Vorgang hat sich vollzogen durch die Einführung der Renten mark. Der Renten­markgedanke geht aber aus Dr. Helfferich zurück. Es ist mir ein Bedürfnis, hier auszusprechen, daß für die Verfas­sung, Durchdenkung und Vertretung dieses Plans das deutsche Volk dem verstorbenen Dr. Helffe» rich aufrichtigen Dank schuldet. Wie sollte di« Erhaltung der Währung durchgeführt werden? Wir hatten rund eine Milliarde bewilligt bekommen. Die Geschwindig­keit, mit der diese Summe aufgezehrt wurde, war ersckM- ternd; sie zeigt, wie sehr das Reich infolge der Inflations- Wirtschaft dem Abgrund zugelaufen war. Es blieb also nichts anderes übrig, als mit äußerster Anspannung Steuern zu erheben. Eine andere Quelle hatten wir nicht, da niemand dem Reich mehr Anleihen anvertrauen wollte. Gewiß, es ist sehr bedenklich, die Substanz der Volkswirtschaft anzugrei­fen, aber es blieb nichts anderes übrig. Wft mußten schwe­rere Opfer bringen als in Kriegszeiten. Es muß danach ge­strebt werden, daß das besetzte Gebiet in jeder Be­ziehung wieder als zum Deutschen Reich gehörig betrachtet wird. Das ist die Voraussetzung jeder Sicherheit und Leistung.

Im weiteren Verlauf wurde von mehreren Rednern her­vorgehoben, daß die jetzig« Notlage eine unmittelbare Folge der S o z i a li si e r u n g nach der Revolution darstelle, die durch Achtstundentag, Erwerbslosenunterstützung, gleiche Löhne für Tüchtige und Untüchtige, Wohnungsaügabc für Häuser, die nicht gebaut wurden usw. alle Ersparnisse des deutschen Volkes aufgezehrt habe. Durch die Papier­geldwirtschaft habe man das Volk darüber hinweg- getäuschl und eine künstliche Kaufkraft geschaffen, bis das ganze Kartenhaus zusammengebrochen sei. Wenn 1918 die alte Währung beibehalten worden wäre, so wäre die Sozia- llsterung schon in kürzester Frist zusammengebrochen, ober dieser Zusammenbruch wäre leicht zu tragen geivesen, weil die Substanz des deutschen Volksvermögens noch zu retten gewesen wäre. ...

Heber die Kultivierung von Moor« undOed- lind berichtete Geheimrat Dr. Tacks-Bremen. Nach den Erhebungen lassen sich nach Abzug der Höfe usw. 1 Mil- . lion Hektar Ackerland und 2 Millionen Hek­tar Wiesen und Weiden gewinnen. Davon läßt sich folgender Ertrag erzielen: von den Aeckern vier Fünftel Halmfrüchte, ein Fünftel Hackfrüchte, Körnerertrag nach Abzug der Aussaat 960 000 Tonnen, Hackfrüchte 2,5 Millio­nen Eonnen und jährlich mittelbqr 266 000 Tonnen Fleisch, oder alles nach dem Nährwert in Getreide eingerechnet:

3 Millonen Tonnen Getreide.

Frhr. von Wangenheim, Präsident der Landwirt- schaftskammer für Pommern führte aus: Als dieneue- Zeit" kam und Graf Caprivi, der Mannohne Halm und Ar", den Fürsten Bismerck in der Reichsleitung ablöste, wurde vom Bund der Landwirte darauf hingewiesen, daß, wenn Deutschland ein Staat des großen Welthandels und der Industrie werden wolle, es lernen müsse, sich selbst zu ernähren, denn sonst werde es in einem Krieg einfach ausgehungert werden. Man hat dieser Warnung keine Be­achtung geschenkt. Die wirtschaftliche Not hat im Krieg und in der Revolution uns dahin gebracht, wo wir heute stehen. Dadurch, daß wir steigende Futtermeng-m durch die Oedlandkultur schaffen, machen wir die minerali­schen Böden frei für den Getreideanbau. Als im Mai 1914 der wirtschaftliche Ausschuß des Reichstags die Frage der Ernährung während eines Krieges behandelte, da wurde der Vorschlag, einen stehenden Vorrat zu schaffen von der Re­gierung usw. nicht befolgt. Der Antrag Wsngenheims, daß jeder Arbeitslose gezwungen werden solle, die Arbeit anzunehinen, die ihm unter Berücksichtigung seiner Befähi­gung angeboten werde, sei nicht zur Gesetzesvorlage ge­diehen. Wan konnte sich zu keinem Liftschluß ai.srafscn. Aber heute müsst noch gesagt werden, daß Deutschland zu arm sei, um Geschenke zu machen. Dft Oedlandkultur sei Sache der Bundesstaaten und der Proviirzen. Bor drei Jahren habe man von Pommern ausgehend, das Hilfs­werk der deutschen Landwirtschaft angeregt, die ohne jede Mittel von Reich und Staat die ganze Kultur­arbeit durchführen wollte. Durch Ausgabe von Schuldver­schreibungen wollte die Landwirtschaft die nötigen Mittel ausbringen. Eine Abordnung sei dem Reichspräsidenten Ebert gewesen. Cs seien ihr wohl schöne Worte gemacht worden, aber geschehen sei nichts. Heute ist der Landwirt­schaft die Beschaffung der Mittel von sich aus nicht mehr möglich. Und so bleibe nichts übrig als Staatshilfe zu fordern. Zunächst solle das Neichsernährungsmmisterium 60 Prozent hergeben. Für die Arbettslnsenfürsorgs stehen große Mittel zur Verfügung, aber für die Oedlandkultur, die Hunderttausenden Arbeit bringen würde, geschehe nichts. Wenn nicht in allernächster Zeit Gelder zur Verfügung ge-, stellt werden, sei wieder ein volles Jahr verloren.

Entschließungen

Die Versammlung nahm einstimmig verschiedene Ent­schließungen an: 1. die gegenwärtige Besteuerung der Landwirtschaft ist untragbar, erzeuguugshemmcnd, unsach­gemäß und ungerecht. 2. Die Poiitik drr Reich seisen- bahnen nach dem Krieg hat einsectig den Verkehr der Großstädte begünstigt, die Bezftke der landwirtschaftlichen Erzeugung vernachlässigt. Die Tarfte für landwirtschaftliche Erzeugnisse müssen im Sinn der Volksernährung herabgesetzt werden. Der Landwirtschaftsrat erwartet, daß die Regie­rung sich den Versuchen, die Reichseistnbahn unter inter­nationalen Einfluß zu bringen, auf das Entschied denste widersetzt. 3. Durch geeignete Kultivierung des Oed- lsnds läßt sich der deutsche Einfuhrbedarf mehr als ausreichend decken, diese Arbeiten müssen daher unverzüglich in Angriff genommen und die Mittel dafür bereit gestellt werden. Unbedingt muß dem verwüstenden Austorfen des Movr-Oedlands durch Reichsgesetz Einhalt geboten wer­den. 4. Die Crwerbslosenfürsorge ist alsbald in eine produktive umzugestalten. 5. Der Landwirtschaftsrat warnt die Regierung dringend, zu einer Regelung der Kr i e g s k o n t r i b u t i o n die Hand zu bieten, die über die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft hinaus- leqt und bei Nichterfüllung weitere Versklavung des deut­schen Volks nach sich zrehen mutzte. Die im Sachverständigen- Gutachten angenommene Jahresleistung hält der Deutsche Landwirtschaftsrat für unerfüllbar. Jedenfalls ist eine Regelung auf diesem Weg, abgesehen von der Höhe der Jahresleistung, nur möglich, wenn die ganze Entschädigungs­frage endgültig gelöst wird. Es kann sich nur um einen A b- schluß des Kriegs, nicht etwa nur der Sanktionen und der Ruhrbesetzung handeln. Die anzubietenden Pfänder müssen vollwertig anerkannt, auf andere Pfänder muß ver­zichtet, den Verschleppten und Verurteilten die Freiheit wiedergegeben werden. Die volle Hoheit tz.es Deutschen Reiches, d. h. seine Gleichberechtigung im Verkehr mit den anderen Nationen, muß sichergestellt werden. Deutschland muß die Freiheit in der Gestaltung seiner Han­delsbeziehungen wieder erhalten; die Gestaltung der

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