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(Enztalbote)
Amtsblatt für W^ZSad. Chronik und Anzeigenblatt
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BW-«-, Samrtag, den 6. Oktober 1S23
Pottttsche Wochenschau
Die letzten Zweifel über die Natur der Ruhrbesetzung hat Poincare in seinen neuesten Sonntagsreden behoben. Er denkt gar nicht daran, die Einstellung des pas > jiven Widerstands, die den Verbandsmächten amtlich bckanntgegeben wurde, die Zurücknahme der Widerstcindsver- ordnungen der Neichsregierung und die dienstliche Auwei» sung an das Post- und Eisenbahnpersonal, die Arbeit wieder aufzunehmen, als Maßnahmen gelten zu lassen, aus denen Deutschland irgendwelchen Anspruch aus die in Aussicht ge-' stellten Verhandlungen über Entschädigungsregelung und Räumung des Ruhrgebiets herzuleiten sich für berechtigt halten dürfte. Die Einstellung des Widerstands ist jetzt/ nachdem sie vollzogen ist, für Poincare nichts als die selbstverständliche Unterwerfung des Besiegten auf Gnade unh Ungnade. Jetzt sangen die Bedingungen, die Deutschland weiter zu erfüllen hat, wenn es die Aussicht auf sogenannte Verhandlungen sich verdienen will, die aber nichts anderes als ein unerhörtes Diktat sein werden, erst an. Es muß, um nur einiges anzuführen, die Ablieferung von Kohlen,! Koks, Holz usw. aus den oesetzten Gebieten in den nächsten Wochen und Monaten eine solche Höhe erreicht haben, daß. das französisch-belgische Konsortium damit zufrieden ist, — was schwerer ist, als auf den Mond zu klettern. Vom Räumung will Poincare schon gar nichts wissen, es sei denn? daß Deutschland neben den vielen anderen Verpflichtungen eine Milliarde Goldmark jährlich in bar bezahle. Frankreich! verlangt eine Mindestbarentschädignng von 26 Milliarden! Goldmark. Vorausgesetzt^daß das Wunder möglich wäre, die! Zahlungen zu leisten, so würden die Franzosen noch 26 Jahre! an der Ruhr Hausen; und wenn England und Amerika auf die französischen Schulden nicht verzichteten, so hätte Deutschland auch diese Verpflichtungen zu übernehmen, und es! kämen weitere zehn bis zwölf Gotdmilliarden-Iährchen dazu, — immer vorausgesetzt, daß Deutschland „zur Zufrie- deyhest" bezahlen würde.
Poincare treibt seine Forderungen so weit, daß von den! Arbeitern, die nun in französischer Fron in den Bergwerken! und sonst dienen sollen, die eidliche Versicherung der «treuen und fleißigen Arbeitsleistung" verlangt wird, ja daß' die deutschen Beamten aller Art aus den Franzosendienst vereidigt werden sollen, — die Einverleibung des deut-j scheu Landes in bester Form. Letztere Absicht wurde zwar nachträglich halbamtlich abgestritten, aber bestanden hat sie und kommen kann sie. Gibt es denn noch eine Unmöglichkeit,' wenn Poincare just am Tag seiner letzten Sonntagsreden m Düsseldorf eine Parade der Sonderbündler veranstalten ließ, die mit der A u s r u f u n g d e r „R h e i n i- Ich e n Republik" ihren Höhepunkt erreichen sollte? Der Amktakel ist kläglich ins Wasser gefallen, dank dem Ab- den die rheinische Bevölkerung vor den verräterischem Schurken an den Tag legte, und dank dem musterhaften Auf»! treten der Düsseldorfer. Sch u tz p o l i z e i. Daß es dabei zu! schwerem-Blutvergießen gekommen ist, war die Schuld der! Sonderbündler, die mit bewaffneten Rotten die Polizei cm-j griffen und dabei bestialisch« Roheiten begingen, di« sie, als gelehrige Schüler der französischen und belgischen Ein-! dringlinge erscheinen ließen. Statt sich nun aber beschämt zurückzuziehen, schickte die französische Besetzungsbehörde, Panzerwagen und Reiterei gegen die Polizei vor, ließ sie. entwaffnen und in Gewahrsam bringen und sie löste die ganze Schutzpolizei Düsseldorfs auf. Ja noch mehr; die süh-, renden Polizeimänner wurden verhaftetundwerdech wegen „Mords" vor das französische Kriegs-! gericht gestellt. — Man kann es, um es offen zw sagen, nicht verstehen, wie die Reichsregierung angesichts solcher empörenden Tatsachen, die die Ehre des deutschem Volks auf. tiefste verletzen, die französische Regierung noch um die Einleitung der Verhandlungen bitten konnte. Das deutsche Volk erwartet, daß gegen den feindlichen Frevel etwas Ernstliches geschieht, und daß es nicht wieder bei dem ganz nutzlosen mündlichen und schristh lichen Einspruch sein Bewenden hat.
Arkch im Ausland würde es keinen guten Eindruck, machen, wenn Deutschland die neue Schmach mit Entsagung hmnähme. In seiner Eröffnungsrede in der britischen Reichs Konferenz hat der englisch« Erstminister B a l d- w in sehr wenig Respekt vor dem Deut! Heu Reich bekundet/ er hat es kaum in den Mund genommen; um so mehr pries die Freundschaft Frankreichs und den Wert der Festig-., °eri des Verbands. Die von wankelmütiger Schwäche zeugende Rede hat zwar auch in England nicht überall gefallen und die Anhängerschaft Lloyd Georges, der als der wiederkommende Mann ausgegeben wird, erklärteste als, om beschämendes Armutszeugnis für England — das ist sie auch ohne Zweifel —, aber die Rede bestimmte doch immer-, hin den Ton auf der Konferenz: in: britischen Weltreich gibt es für Deutschland keine Stimmung mehr, zum mindesten versteht man. es nicht mehr. — —^
Kurze Lagesüberficht.
Um Fr i'ng uiilt riiahmet! die Demokraten einen energischen Be'--'-"'- hc'e ch-grerungMrise in Berlin bei- zulege« inrch Wiedererrichtung der Großen Koalition. Nachmittags stimmte die Fraktion der Lettischen Boiksparter zn nnd auch die Sozialdemokratie zeigte sich zur 2 ,.ne an einem neuen Kabinett Stresemann geneigt. Eü;n,v das Zentrum.
L'e Brotversorgnng durch Markenbrot wird nach einem Beschluß des Netchsrats auch nach dem IS. Oktober aufrecht erhalten und eine Getreidereserve von 3-/z Millionen Tonnen beschafft. IHMMW MM!
Aus Trier find wieder 26 de: Eisenbahner-
samilien ausgewiesen worden. Gegen den bekannten Regierung , ! -".tcn Grützuer (Barmen) haben die
Franzosen wegen der Bs: " ge in Düsseldorf eine Untersuchung eiugeleitet. ' - - - -ist 'MDN
Eine merkwürdige Meldung aus Mailand berichtet über ein 2 Krumen zw" hen England, Frankreich nnd Deutsch* nd, d.-. NnterMtzung Stresemanns durch Abschluß hon Handels- und Finanzabkomncen versehe, fäer glanbts?
Wenn wir nur auch heute noch sagen könnten, baß daran einzig und allein d-as feindliche Lügennetz schuld sei! Wer leider können wir uns von Schuld und Fehle nicht freisprechen. Wir sehen immer noch viel zu wenig die Dinge, wie sie sind, und glauben, daß Wunder geschehen, um uns zu helfen. So ist es nicht und wird es nie sein. Welche Enttäuschung haben die sozialistischen Gewerkschaftsführer des Ruhrgebiets erlebt, die in voriger Woche bei den bekannten Besprechungen in Berlin dringend die Kapitulation empfahlen in dem guten Glauben, alle Not werde ein Ende haben, wenn nur die feindlichen Bedingungen erfüllt würden! Dieselben Führer baten nun den General Degoutte in Düsseldorf um eine Unterredung, um ihn um Wiederaufnahme der streikenden Arbeiter — mit dieser Woche hören nämlich dis Nuhrunterstützungen des Reichs auf — zur Arbeit zu bitten. Der General war für die Leute gar nicht zu sprechen, sondern er lieh ihnen durch einen Adjutanten sagen, Arbeit gebe es bloß, wenn die Betriebsräte abgeschafft werden, wenn ferner die Arbeiter sich verpflichteten, zehn Stunden im Tag zu arbeiten und jede ihnen zugewiesene Arbeit im Akkord auszuführen. Wer sich dessen weigere, werde ausgewie - s e n und jeder Widerstand werde mit rücksichtsloser Waffengewalt unterdrückt. Wann und wo sind jemals deutschen Arbeitern solche Bedingungen gestellt worden? Sie sind zu Sklaven geworden. Warnend hat man immer wieder daraufhingswiesen, daß es so kommen müsse, wenn der Widerstand im Ruhrgebiet bedingungslos aufgegeben werde, sollte er schon nicht länger mehr durchzuführen sein. Der bayerische Ministerpräsident v. Knilling verlangte im Namen Bayerns Gegenbedingungen, aber im Rat der Ministerpräsidenten blieb seine Stimme allein. Die Arbeiter sind nun die ersten, die die Folgen zu tragen haben. Dazu kommt, daß die Gruben und Jndustriewerke im Ruhrgebiet ohne dis bisherige Reichsunterstützung die Löhne nicht mehr aufbringen können. Ein Bergarbeiter hat gegenwärtig einen Tageslohn von 280 Millionen, ungerechnet die Freikohlen, dagegen ist die Arbeitsleistung nach amtlicher Erhebung auf etwa 400 Kilogramm Kohlen im Tag (bei 6'/- wirklichen Ar-, beitsstunden) zurückgegangen gegen durchschnittlich 900 Kilogramm vor dem Krieg. Diese Dinge lassen erkennen, welche Zukunft der jetzt der feindlichen Willkür preisgegebenen Bevölkerung im Ruhrgebiet bevorsteht, und man begreift, daß dort'eine Erbitterung in allen Schichten großwächst.
Alle die geschilderten Verhältnisse bilden nun den düsteren Hintergrund zu der i n n e r p o li t i s ch e n Krise, in der das Reich gegenwärtig steht. Die Große Koalition ist gesprengt. Der christlich-deutsche Gewerkschaftsfüh- rer Stegerwald hat von ihr gesagt, sie sei viel zu sehr die Frucht äußeren Parteidrucks und vertragsmäßigen Han- dels, zu wenig innere Gesinnungsgemeinschaft im Dienst des Volksganzen, als daß sie sich in einem Augen- blick bewähren könnte, wo es nicht auf Tauschhandel, sondern auf Entscheidungen und Taten ankomme. — Nach einer Hinsicht ist dies zweifellos richtig gesehem Die Gegensätze z. B. zwischen der Deutschen Volkspartei und der Sozialdemokratischen Partei haben sich weder in der Koalition im Reichs- tag noch innerhalb des Kabinetts in keinem Augenblick ganz verwischen lassen. Sie haben sich mehr und mehr vertieft, je weiter die Sozialdemokratie mit den Forderungen ihres alten Parteiprogramms fortschritt. Und da der ReichskanAer Stresemann der Uebersvannuna des Boaens keinen Wider»
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stand entgegensetzen wollte oder konnte,'so drohte ihm feine eigene Partei schließlich, die Gefolgschaft zu versagen. Die unbestreitbare Niederlage der Politik der Reichsregierung Roincarä gegenüber im Ruhrkampf hat im ganzen Reich eine mächtige Erregung entfacht und zum Ausnahmezustand geführt, der übrigens, was wiederholt gesagt werden muß, keine „Kriegserklärung" zwischen München und Berlin ist. In Bayern selbst hat sich eine Verständigung zwischen dem besonnenen Generalstaatskommissar v. Kabr und dem heißblütigen Wolf Hitlev Bahn gebrochen. Von daher droht keine Gefahr mehr. Und der noch nickt genügend aufgeklärte „Zug der Vierhundert^ nack Küstrin hat ein rasches Ende gefunden und wird wohk nicht zur Nachahmung reizen. Die Ruhr-Angelegenheit für sich hätte auch nicht die Große Koalition ins Wanken gebracht, aber sie brachte doch den Stein ins Rollen. Es war vor allem die Finanzpolitik des Reichsflnanzministers Hilferding in ihrer ausgesprochen marxistisch-sozialistischen Ausprägung, die der Deutschen Volkspartei eine weiter» Zusammenarbeit mit der Sozialdemokratie oder wenigsten«, mit Hilferding unmöglich erscheinen ließ.
Seit der Revolution von 1918 war die Steuergesetzgebung! auf eine möglichst starke Belastung des Besitzes zugeschnit-, ten, gewiß ein richtiger Gedanke, wenn man nur auch zwl 4 schen Besitz und Besitz zu unterscheiden verstanden hätte. Di» Besitzsteuern haben aber nur bewirkt, daß der „Besitz" sich, in verhältnismäßig wenig Händen zusammenballte und daß die große Mehrheit der „Besitzenden" verarmte. Vom „Besitz" aber ging ein großer Teil ins Ausland und suchte sich dort, die fremde Wirtschaft befruchtend, ein Nuheplätzchen vor den Zugriffen des Reichsfiskus. Man hat nie etwas gehört, daß es gelungen wäre, diesen Besitz zu fassen. Wie drückend die Wohnsteuer geworden ist, darüber braucht man nicht zu reden. Für eine kleine Wohnung von drei Zimmern müssen z. B. in einer großen Stadt im Monat Oktober 200 Millionen Mark Miete bezahlt werden, und wehe dem, der vielleicht aus Unkenntnis der rätselhaften tausendfältigen Reichsmietengefetzesbestimmungen einige Tage im Verzug bleibt: er hat sofort so 100 Milliönchen als Strafe zu entrichten. Und was hat denn die ganze Mietsteuer genützt? Wo sind die Häuser, die davon gebaut würden?
Und so ging und geht es fort. Da kam noch die schlimme B e t r i e b s st e u e r. Es ist nicht an den Himmel zu malen, was di« „brutale" Steuer Unheil gestiftet bat. Uns ist ein Fall bekannt, daß ein kleiner Bauer im Monat Oktober 4 Milliarden Mark „Landabgabe" als Ruhrnot st euer bezahlen soll. — obgleich die Ruhrunterstützung, wie gesagt, mit dieser Woche aufhört. Schon um die früheren Landabgaben bezahlen zu können, mußte der Bauer das Getreide, daß er nicht selbst braucht, an den Händler verkaufen. In den Händen des Großhandels sammelt sich auf diese Weise das Getreide an, das dann später zu hohen Preisen in den Verbrauch kommt. Besagter Bauer hat nun aber kein Getreide mehr zu verkaufen und er muß den Viehstand angreistn, um die Landabgabe bezahlen zu können. Das Vieh geht im Handel an den Rhei>»>und bei uns fehlt Fleisch, Milch und Butter. Je länger diese Landnbgabe besteht, desto schlimmer werden die Zustände und desto gefährlicher die sozialen Gegensätze, denn schließlich ist der Bauer an allem schuld. Beim Gewerbe aber wirkt die Betricbsabgabe wie eine Strafe, daß man Arbeiter beschäftigt. Was ist natürlicher, als daß man den Betrieb einschrünkt, — nicht aus Bosheit und Steuerscheu, sondern weil maiüs nicht mehr verkraften kann. Und noch einmal: was haben diese Steuern genützt? Die Verwaltung dieser Steuern verschlingt schon einen großen Teil der Einnahmen. Im zweiten Drittel des vorigen Monats, vom 11. bis 20. September, also in 10 Tagen, hatte das Reich eine Einnahme von Steuern, Zöllen usw. in Höhe von rund 84'/- Billionen Mark, dieAusgaben aber betrugen nicht weniger als rund 5446Billionen, davon allein 3445 Billionen V e r w a l tu n g s k o st e n und 1585 B-llionen Zuschüsse an Post und Eisenoahn. Dadurch ist die schwebende Reichsschuld von 2381 auf 7342 Billionen oder um 4961'/- Billionen in 10 Tagen angewachsen und der Notenumlauf hat eine Höhe von 3184 Billionen erreicht. Dafür stieg der Dollar auch auf rund 660 Millionen Mark und die Million Papiermark ist kaum mehr 2 Gold- jücnnig wert, dagegen kostet das Pfund Fleisch 50 Millionen Mark. ^ ,
Das ist freilich keine Wirtschaft mehr, und die . .e-^s- tagsparteien meinten, es müsse damit Schluß gemacht n erden. Da man aber namentlich in der Deutschen Bolkspnrtei kein Vertrauen hatte, daß der Reichsiinanzmiwster Hilfcr- ding der Mann für eine Kursänderung sei. so sollte er zurücktreten. War doch eben noch von seiner Partei, der Sozialdemokratie, die weitere Forderung ausgestellt worden, daß alle Erbschasten über 100 000 Gvldmark dem Reich verfallen und über das dritte Verivandtschasteglied hinaus ick erbarmt keine Erbteilunaen mebr stattkinden sollen, alles